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Abendausgabe

Nr. 25943. Jahrgang Ausgabe B Nr. 127

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreife Find in der Morgenausgabe angegeben Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297 Tel- Adresse: Sozialdemokrat Berlin

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Vorwärts

Berliner Dolksblatt

10 Pfennig

Freitag

4. Juni 1926

Berlag und anzeigenabteilung: Geschäftszeit 9-5 Uhr

Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin   SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff   292-29%

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

An die Gewerkschaftsmitglieder!

Zwölfeinhalb Millionen deutscher   Männer und Frauen haben im März 1926 den Wolfsentscheid über die entschädigungslose Enteignung der deutschen   Fürsten   gefordert. Mit dieser gewaltigen Willenskundgebung hat das deutsche  Bolt zum ersten Male selbst die Initiative zur Gesetzgebung in einer Frage von weittragender Bedeutung ergriffen.

Es ist kein Zufall, sondern in der Geschichte des Rampfes um die Sicherung und den Ausbau der deutschen Republik begründet, daß der erste Aft unmittelbarer Gesetzgebung durch das Volk um den Sieg des Gedankens geht:

Bolfsrecht bricht Fürstenrecht!

Die Fürsten   selbst haben diese Entscheidung herauf­beschworen. In einer Zeit, in der Millionen deutsche Arbeit­nehmer ohne Arbeit sind und von fargen Unterstüßungen leben müssen, in einer Zeit, in der viele Hunderttausende von Invaliden und sonstigen Sozialrentnern, Kriegsbeschädigten und Kriegerhinterbliebenen sich in Not befinden, nach einem Krieg, in dem Millionen deutsche   Frauen und Mütter ihre Männer und ihre Söhne haben hergeben müssen, wissen die ehemaligen deutschen   Fürsten   keinen anderen Weg,

ihre Vaterlandsliebe

zu betätigen, als um ihres privaten Borteils willen ungeheuer liche Ansprüche an Geld und Gut an den neuen Staat zu stellen. Kein Wunder, daß die Fürsten   mit diesen landesväter lichen" Bestrebungen auf verständnisvolle Unterstüßung aller jener Kreise in Deutschland   rechnen können, die noch immer darauf hoffen, eines Tages die verhaßte Republik stürzen und ihre Dittatur an Stelle des demokratischen Staates fezen zu tönnen. Von dieser Diktatur, deren Pläne in den letzten Wochen aufgedeckt wurden, bis zur Wiederaufrichtung der alten Fürstenherrlichkeit, ist nur ein Schritt.

Inzwischen sollen den Fürsten   Hunderte von Mil­Berlin, Juni 1926.

Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund.

lionen deutschen   Boltsvermögens als Wartegeld aus­gezahlt werden.

Die Reparationszahlungen, an denen besonders das arbeitende Volk in den nächsten Jahren zu tragen haben wird, sind in den Augen der Monarchisten offenbar noch feine genügend schwere Belastung. Das deutsche   Volk soll außerdem neue schwere Lasten in Form von

auf seine geduldigen Schultern nehmen. Reparationszahlungen an seine früheren Beherrscher

Das muß der Volksentscheid verhindern. Die Habsucht der deutschen   Fürsten   steht in umgekehrtem Verhältnis zu den Berdiensten, die sie um Land und Bolt erworben haben. Die Volk Elendsjahre seit dem Kriege sind die bitteren Folgen jener verfehlten Politik, deren verantwortliche Träger die Fürsten  und ihre monarchistische Gefolgschaft gewesen sind. Interesse des Volksganzen zu verteidigen gegen die Anmaßung Es gilt, das Recht des neuen Staates, das der Fürsten   wie gegen die Butschpläne der Monarchisten. Das ist die große Bedeutung des

Bolfsentscheids am 20. Juni.

Die Entscheidung tann für die organisierten Arbeitnehmer in Stadt und Land nicht zweifelhaft fein. Am 20. Juni gibt es nur eine Antwort auf die Forderung der Fürsten  : Das einmütige 3a" aller Arbeiter, Angestellten und Beamten für die entschädigungslose Enteignung.

Gewertschaftsmitglieder! Unterstützt die Sam m Iungen für den Volksentscheid, jeder nach seinen Kräften. Eure Beiträge müssen den Weg zum Sieg bahnen.

Zum Sieg des freien Volfes über feine Unterdrüder. Zum Sieg der deutschen Republik über ihre Feinde. Der Wille des arbeitenden Boltes muß das Recht des neuen Staates bestimmen.

Allgemeiner freier Angestelltenbund.

Allgemeiner Deutscher Beamtenbund.

Konten fremder Währung in Frankreich  .

Der Finanzminister gegen die Stabilisierung. Paris  , 4. Juni.  ( Eigener Drahtbericht.) Da die Kammer auf Berlangen der Regierung die Diskussion über die finanzielle Lage vertagt hatte, gewinnen die Erklärungen an Bedeutung, die

Locarno   epfern. Die Bande mit den Verbündeten in Mittel­und Osteuropa müßten im Gegenteil noch enger geknüpft werden.

Kompromißlösung in Aegypten  .

als Frankreich   eine Sicherung des Friedens durch Achtung der Friedensverträge verfolge, während Deutschland   niemals ein Hehl daraus gemacht habe, daß sein Streben nach Revision dieser Berträge gehe. Briand   gab aber schließlich trotz aller Einwen­bungen zu, daß es für Frankreich   unmöglich sei, die Verträge von Locarno   abzulehnen. Allerdings dürfe das Abkommen von der Finanzminister Beret am Donnerstag abend in der Finanz- Locarno Frankreich   zu keinen gefährlichen Friedens illu­fommission abgegeben hat. Der Leiter der französischen   Staatsfionen" verführen und seine Verteidigung nicht dem Vertrage von finanzen setzte die Lage des Devisenmarktes und die Gründe des jüngsten Frankensturzes auseinander. Er gab Aufklärung über die Mittel, die zur Stützung des Franken verwendet werden. Es seien zu diesem Zwed nur ein Teil der Manövermaffe gebraucht worden, während der Goldbestand der Bant von Frankreich  unangetastet gelassen worden sei. Die Rückbeförderung der Devisen franzöfifcher Exporteure werde, wie Beret ausführte, einer scharfen Kontrolle unterworfen werden. Das Gesez, das die Kapitalausfuhr verbietet, fann nach Auffassung des Finanz­ministers in unmittelbarer Zukunft abgeschafft werden, sobald nämlich gewisse vorbereitende Maßnahmen ergriffen seien. Dazu gehöre die Schaffung von Konten in fremder Währung bei der Bank von Frankreich. Die Lage des Schazamtes soll durchaus be­friedigend sein. Zum Schluß seiner Ausführungen wurde der Minister über die Stabilisierung der Währung befragt. Beret gab die Erklärung ab, daß er im Prinzip die Stabilisierung billige, jedoch erscheine es ihm vorzeitig, gegenwärtig eine fräftige Stabilisierung der Währung durchzuführen, solange die­felbe noch nicht tatsächlich erreicht sei.

Monte

Um eine Marokkokonferenz. Revision des Tangerabkommens. Paris  , 4. Juni.  ( Eigener Drahtbericht.) Die Regierung gibt zu, daß in der für nächste Woche einberufenen spanisch- franzöfifchen Konferenz auch eine Erörterung über eine Revision des Statuts für die neutrale Zone von Tanger  , wie sie von Epanien feit langem gewünscht werde, stattfinden wird. Die franzö­fische Regierung soll, wie verlautet, bereits auf der Madrider Kon­ferenz vor der gemeinsamen Offensive gegen Abd el Krim   Spanien  bestimmte 3 usagen gemacht haben.

Am Quai d'Orsay wird die Nachricht dementiert, wonach eine Maroffofonferenz einberufen werden würde. Es wird erklärt, daß lediglich eine französisch- spanische Konferenz in Paris   zusammen­treten werde, die sich mit verschiedenen Punkten der französisch­spanischen Zusammenarbeit in Marokko   beschäftigen wird.

Locarnodebatte in Frankreich  . Briand   in der Defensive.

Paris  , 4. Juni.  ( Eigener Drahtbericht.) Im weiteren Verlauf feiner Ausführungen im Senat erflärte Miller and die deutsche Unterschrift unter den Locarno  - Berträgen reiche nicht aus, da fie nicht mehr wert sei als die Unterschrift Breukens unter dem belgischen Neutralitätsvertrag. In Locarne habe man den schweren Fehler begangen, nicht die gesamten deutschen   Grenzen unter Garantie zu stellen. Zudem stünden sich die Auffassungen der franzöfifchen und der deutschen   Politit insofern schroff gegenüber,

I

Baghlul verzichtet auf die Kabinettsbildung. London  , 4. Juni.  ( Eigener Drahtbericht.) Nach Mitteilungen aus Aegypten   hat 3aghlul Pafcha am Donnerstag auf ein­ftimmiges Anraten aller feiner politischen Freunde darauf verzichtet, die Regierung selbst zu bilden. Er hat vielmehr Adly Pascha vorge­schlagen, den der englische Oberkommissar in seinen Unterredungen mit Baghlul Pascha und König Fuad als die einzige für England erträgliche Persönlichkeit bezeichnet hatte.

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London  , 4. Juni.  ( EP.) Der Verzicht Baghluls Paschas auf die Kabinettsbildung hat sowohl in den konservativen als auch in den liberalen Kreisen lebhafte Befriedigung hervorgerufen. Der Daily Telegraph  " erklärt, daß hierdurch die Wiederholung diplomatischer Proteste im Intereffe der Sicherheit auswärtiger Untertanen, wie sie vor einem Jahre von Amerika  , Italien   und Griechenland   erhoben wurden, unmöglich gemacht würden. Im Auslande sollte man daher die energische Haltung des eng lischen Oberkommiffars mit Beifall begrüßen. Er have die Sicher­heit für fremde Staatsangehörige in Aegypten   garantiert. Der Daily Herald" dagegen führt die Unzufriedenheit auf die gepanzerte Faust zurüd, die England in Aegypten   zeige. Dieser Politik sei das Mißtrauen und die geringe Sympathie Eng­land gegenüber zu verdanken. Während der englische   Minister zu Hause den Konstitutionalismus in den höchsten Tönen lobte, treten sie ihn mit Füßen, wenn er sich mit den so­genannten britischen Interessen vereinige. Diese heuchlerische Haltung der englischen Minister verstärke die Antipathie der Aegypter mit Recht.

Kundgebung für Fürstenenteignung!

Am Montag, den 14. Juni, abends 7 Uhr, wird eine große

Kundgebung im Luftgarten

ftattfinden, die der Werbearbeit für den Boltsentscheid dienen foll. Alle Parteigenoffen, Gewerkschaftsmitglieder und sonstigen Republikaner werden gebeten, sich diesen Tag freizuhalten und für eine gewaltige Beteiligung an der öffentlichen Demonstration zu werben.

Alles Nähere wird später mitgeteilt.

Rechtskurs in Schweden  ?

Der Sieg des Bürgerblocks.

Stockholm  , den 2. Juni.  ( Eigener Bericht.) Die sozialdemokratische Regierung in Schweden   ist einem Bürgerblod erlegen, wenn auch dieser Bürgerblock nicht programmatisch geschlossen ist und die Gründe, aus denen die bürgerlichen Parteien gegen das Kabinett stimmten, ver­dem Berhalten aller bürgerlichen Parteien, ob sie sich Bolts­schieden waren. Im Grunde steht die gleiche Tendenz hinter freisinnige oder Liberale, Bauernparteiler oder Konservative nennen. Man will dem ,, Gewerkschaftsterror", wie ein beliebtes bürgerliches Schlagwort in Standinavien heißt, zu Leibe: die verhältnismäßig starke Stellung, die sich der skandinavische Arbeiter verschafft hat, soll beseitigt werden. Das wollen alle, die Handwerker und Mittelständler der Volks­freifinnigen, die Beamten der liberalen Partei, die Hofbesizer der Bauernpartei und Adel wie Industrie in der konservativen Gruppe.

Ministerpräsidenten, undén als Außenminister, Möller Man hatte sich erst Branting, dann Sandler als als Innenminister, die ganze rein sozialdemokratische Re­gierung seit dem Herbst 1924 gefallen lassen, man hatte ihre Abrüstungspolitik, ihre friedliche Außenpolitik ertragen ur fie in ihrer maßvoll- vorsichtigen Arbeit nicht gestört, bis eine brennende Frage der sozialen Gegensäge das Kabinett zu Fall brachte. Sind Arbeitslose verpflichtet, in einem Betrieb, in dem kein allgemeiner sondern nur ein ,, wilder" Streif herrscht, Arbeit anzunehmen? Die Regierung fagte Nein, die bürgerliche Mehrheit sagte Ja, und damit war der Konflikt gegeben, war die Sozialdemokratie mit ihren 104 von insgesamt 230 Sizen isoliert. In der Abstimmung fam der vereinte Wille der bürgerlichen Parteien zum Aus­druck, die politische Machtstellung der Arbeiter zu brechen.

Aber dieses Ziel ist legten Endes negativ und da eine Regierung schließlich positiv arbeiten foll, so wird auch die reue Regierungsbildung in Schweden   nicht sehr leicht sein. Da die Vollsfreisinnigen durch ihr Abschwenken vom sozialistischen   Kabinett der Stoßtrupp gemefen sind, der die Sozialisten stürzte, hat der König Herrn Ekmann, den Führer der Freifinnigen, mit der Kabinettsbildung beauftragt. Er will, das ist in der bürgerlichen Presse schon vor dem Sturz der Regierung diskutiert worden, versuchen, eine Re­Basis ist aber, wie gesagt, nur im negativen, nur in der gierung auf breitester Basis zustande zu bringen. Diese breite Ablehnung der Arbeiterschaft im Bürgertum Schwedens   und in seiner politischen Vertretung vorhanden.

schon zwischen den beiden linken bürgerlichen Parteien, den Die Schwierigkeit positiver Zusammenarbeit beginnt dreifinnigen und den Liberalen. Unsprünglich waren die Abspalhing der Freifinnigen, unter welchem Namen fie eine Partei. Vor einigen Jahren erfolgte jedoch fich die Alkoholverbotsanhänger Schwedens  verbergen, weil der liberale Parteitag nicht dazu zu bewegen war, die damals große liberale Partei für ein Alkoholverbot festzulegen. Seitdem sind Freisinnige und Liberale feindliche Brüder, der eine spricht dem anderen jedes sittliche Niveau ab. Hier liegt die größte Klippe für eine bürgerliche Regierungsbildung, denn Bauernpartei und Konservative find, ihrer Presse nach, eher geneigt, für eine Bürgerblock- Regierung einen hohen Preis zu zahlen. Die Bauernpartei hat ein Agrarprogramm, das der schwedischen Industrie und dem schwedischen Hand­wert ein Greuel- ist, und es ist fraglich, ob man sie zu mehr haben will, als zu einer wohlwollenden Unterstützung; aber auch als Unterstüßungspartei hat sich die Bauernpartei bisher als sehr unzuverlässig erwiesen. Dagegen sind die Kon= servativen eigentlich am meisten erfreut über eine frei­finnige Regierung. Das sollte eigentlich den Freisinnigen zur Genüge sagen, wessen Spiel sie betrieben haben. Die kon­fervative Presse erzählt, daß man zwar in der Frage des Militärbudgets die verhältnismäßige Atrüstungs­freundlichkeit der Freifinnigen verabscheue, man auch die abstinenzlerische Tendenz der Freifinnigen Bartei für unsinnig halte, aber einmal sei die Frage der Militärordnung nicht aktuell, ferner müsse man den Freisinnigen in ihrer Alfoholbekämpfung eine anerkennenswerte Moral zubilligen und schließlich handele es sich im Augenblick darum, durch eine vernünftige" Wirtschaftspolitik Industrie  , Handwerk und Landwirtschaft hochzuhelfen", statt fozialer Humanitätsduselei wieder straffe Dekonomie zu halten. Das heißt: erstens Schutzzoll für die Eisenindustrie und andere Branchen, zweitens Abbau der Sozialgesetzgebung und drittens Ümlegung der Steuern durch Abbau der den Besih belastenden Steuern und Aufbau" der Steuern, die die Masse zu tragen hat. Diese Dinge dürfen die Freisinnigen ihren Anhängern natürlich nicht so offen vorsetzen: denn die Abstinenzparole hat so manchen Kleinbauern und Arbeiter zu den Freisinnigen gelockt, der durchaus sozial eingestellt ist. Aber man fennt auch in Schweden   die in Deutschland   gut In den bekannte Hintertür: Be a mtenregierung. Diskussionen der bürgerlichen Presse tritt immer wieder die Möglichkeit in den Bordergrund, durch Besetzung der Fach­ministerien mit Beamten, die der Rechten nahe stehen, auch diese zufriedenzustellen.

Wie auch die endgültige Regierung aussehen möge, das eine steht fest, daß die Freifinnigen mit ihrem Sturmlauf gegen das sozialistische Kabinett sich in eine Abhängigkeit von der bürgerlichen Rechten begeben haben, die nur in einen Rechtsturs der neuen Regierung ausmünden kann.