(Es fmS also nicht Zollfragen, sondern Kredit- und Produktions- fragen, um die es sich handelt, die wir z. B. im E n q u e t e a u s- schuf; zu prüfen haben werden. Aber mitten in dieser Prüfung jetzt plötzlich aus dem Bedürfnis des ostelbifchen Großgrundbesitzes grundlegend unsere gesamte Handelspolitik zu ändern, ist volts- wirtschaftlich nicht zu verantworten.(Zustimmung b. d. Soz.) Nun wird behauptet, der Zoll habe sich nicht ausgewirkt, und das wird mit statistischen Kunststücken belegt, die sich auf zwei Dinge zurückführen lassen. Entweder es wird ungleiches miteinander verglichen, oder es ist eine ander« Fehlerquelle da. Sicher ist, daß das Einfuhrfcheinsystem, das jedem Exporteur für die Tonne Roggen 30 Mark auszahlt, dafür sorgt, daß der gesamte Be- trag des Zolles im Preise zum Ausdruck kommen muß. Wenn es wirklich richtig wäre, daß durch irgend ein Wunder die deutsche Zollnolitik gerade auf dem Gebiete der Landwirtschaft so ganz andere Wirkungen hätte als sonst überall, wozu dann diese ganze Zoll- Politik, wozu die Erhöhung gerade in dem jetzigen Augenblick unserer schweren Wirtschaftskrise?(Sehr wahr! links.) Als Vertreter der größten Masse der Produzenten in der Stadt wie auch in immer steigendem Maße im Lande erklären wir: Diese Politik, die Sie treiben wollen, Ist falsch. Wir wollen keine Politik, die die Einkommensverteilung zuungunsten der breiten Massen ändert, sondern eine Politik der allge- meinen Einkommensteigerung. Und diese ist nur möglich durch eine Politik der allgemeinen produk- tionssteigerung. Wir sind bereit, mitzuwirken an einer Handelspolitik, die die Produktion fördert, wir lehnen aber eine Handelspolitik ab. die nur im llnteresie der Kartell- und der Großgrundbesiherrente liegt, wenn irgend etwas zu- fammengehört, so ist es der Arbeiter und der selb st arbeitende Dauer. Durch Ihre Handelspolitik verhetzen sie diese arbeitenden Stände immer wieder unter- einander.(Lebhafte Zustimmung b. d. Soz.) Wir haben Ihnen den Ausweg gezeigt. Es sind nicht nur unsere Gewerkschaften gewesen, es waren auch die christlichen Organisationen und ein Teil der B e- a m t e n v e r b ä n d e, die die Eingabe an die Regierung unter- zeichnet haben, in der sie die V e r l ä n g e ru n g des gegenwärtigen Zustande» zu mindestens auf 4 Monat« oerlangen, damit Zeit gewonnen wird, die Grundlage für eine vernünftige Handels- Politik zu schaffen. Diese Gewerkschaften oertreten den allergrößten Teil des arbeitenden Volkes. Ich glaube, es ist Zeit, daß der Reichs- log sich daraus besinnt, daß er nicht im dauernden Widerspruch bleiben kann mit den großen Massen des Volkes.(Sehr richtig b. d. Soz.) In den letzten Tagen haben Sie doch ein genügendes Exempel be- kommen. Es hat uns selbst überrascht, daß es uns gelungen war, beim Volksentscheid 2 Millionen Mehrstimmen zu erhalten als beim Volksbegehren. Es ist doch gar kein Zweifel, daß diese letzte Ab- stimmung gezeigt hat, daß dieser Reichstag nicht mehr die Gesinnung der Wähler repräsentiert. Und in diesem Reichstag wollen Sie eine so wichtige, grundsätzliche Frag« in bezug auf die Handelspolitik vornehmen! So oft in England politische Fragen zur Entscheidung stehen, ist dort neugewählt worden. ' Dort sagt man sich, man kann über eine solche grundsätzlich« Ent- scheidung nicht urteilen, ohne die Meinung der Wähler gehört zu haben. Wenn Sie die Handelspolitik ändern wollen, dann, meine Herren, fragen Sie doch die Wähler. Dann wollen wir über die Frage sprechen in einem Reichstag, der von denen gewählt ist, deren Interessen getroffen werden und nicht in einem Reichstag, der heute bereits veraltet ist. (Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.)
Der Kampf gegen üie Arbeitslosigkeit. Gewerkschaftsbesprechung beim RcichswirtschaftS- minister. Der Reichswirtschaftsminister hatte am Mittwoch die Vertreter aller Gewerkschaftsrichtungen zu sich ge- beten, um ihnen über die Schwierigkeiten bei den Rusienkreditver- Handlungen zu berichten. Er legte gegenüber verschiedenen Presse- Meldungen Gewicht auf die Feststellung, daß die Verhandlungen nicht abgebrochen sind. Anschließend bat der Minister die Gewerkschaftsvertreter um ihre Ansicht über die Bekämpfung der Arbeitslosig- k e i t. Die Vertreter des ADGB. verwahrten sich in erster Linie gegen jede Senkung det Unterstützungssätze, die ja an sich schon für eine kurze Arbeitslosigkeit berechnet seien, nicht ober als Lebensunterhalt für längere Zeit in Betracht kommen. Sie forderten beschleunigte Behandlung der Rusienkredite, größere Arbeitsoergebung von Reichsbahn und Reichspost für Siedlungen, für Kanal- und Straßenbau sowie Maßnahmen zur Ausnutzung der Wasierkräfte. Alle diese Aufgaben, so betonten sie, müßten doch einmal durchgesührt werden. Warum also warten, bis sich die übrige Wirtschaftslage gebesiert Hab«? In diesem Zusammenhang schlugen sie vor, Kredite aufzunehmen, um das zu tun, was später doch nachgeholt werden muß. Im besonderen verwiesen sie auf die S t eu e rr e f e r v e n. die noch ausgeschöpft werden könnten. Der Vertreter des AfA-Bundes berührte die Rational!- sierungs- und Kartellfrage, der Vertreter der Christlichen Ge- wertschaften tadelle das Markenartikel-Unwesen und der Ver- treter des Gewerkschaftsrings erinnerte an die Beziehungen zwischen Automobilsteuer und Straßenbau. Der Minister dankte für die Ausführungen, ohne sich welter dazu zu äußern. Er schloß die Besprechung mit dem Bemerken, auch sein Ministerium beschäf- tige sich eingehend mit dieesn Fragen und er werde zu gegebener Zeit die Gewerkschaftsvertreter wieder zu sich bitten. Unzurel'chenüe Zivilversorgung. Forderungen zu ihrem Ausbau. Der Reichsbund der Zivildien st berechtigten be- fchästigt« sich auf seiner vor kurzem in Königsberg stattgefundenen Bundestagung eingehend mit der Ziviloerforgung. Nach gründlicher Beratung wurden folgende Forderungen aufgestellt: Der aus der Wehrmacht ausscheidende Nersorgungsanwärter erhält einen Anspruch auf Anstellung im Beamtendienst. Bis dahin find 80 Proz. des zuletzt bezogenen Diensteinkommens als Wartegeld zu zahlen. Das Wehnnacht-Versorgungsgesetz muß den Dersorgungs- anwärtern mindestens das letzte militäri sche Dienst- ein kommen sichern. Nach zehnjähriger Dienstzest besteht An- spruch auf Ruhegehalt und hinterbliebenenversorgung. Es wird ferner Gleichstellung mit den Beamten und Anrech- nung der Dienstzeit verlangt. Damit die vorgemerkten Der- forgungsanwärter bald untergebracht werden, sind alle freien Be- wntenftellen mit diesen Kräften zu besetzen.
ZNialsterialdirekior hoffmann Rachsolger Hagedorns. Wie die Telegraphen-Union aus gut unterrichteter Quelle erfährt, wird an Stelle des verabschiedeten Staatssekretärs Dr. Hagedorn Ministerial- direttor Dr. h o f f m a n n im Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschast zum Staatssekretär ernannt werden. An seine Stelle wird der Ministerialdirektor a. D. Dr. heukamp treten, der bereits früher mehrere Jahre in dieser Stellung im Reichsernährungsministerium tütiy war,____
Der volksentscheiö in Groß-Serlm.
1) einschl. der Inhaber von Etlnnnscheinen.
Nathenau! Zum vierten Jahrestage feiner Ermordung. Heute vor vier Iahren fiel der Außenminister der Deut- schen Republik, Dr. Walter Rathenau , als Opfer eines organisierten politischen Meuchelmords. Er hatte entscheidende Schritte für den außenpolitischen Wiederaufstieg Deutschlands getan— die„Patrioten" dankten ihm dafür mit Kugeln in den Rücken. Seitdem haben alle deutschen Regierungen Rathenaus Politik fortgesetzt— auch in der Zeit, in der die Deutschnationalen mit im Reichskabinett saßen, erfuhr sie keine Unterbrechung. Was Rathenau in Genua begonnen hatte, wurde in London fortgesetzt, in Locarno zu einem ge- wissen Abschluß gebracht. Sachlich ist also der Sieg, den Rathenau nach seinem Tode erfocht, vollständig. Aber hat die furchtbare Lehre des 24. Juni 1922 auf das ganze Volk so gewirkt, wie sie sollte und mußte? Diese Frage muß leider verneint werden. Vier Jahre nach Rathenaus Tod war es noch möglich, daß diejenigen, die zu seiner Ermordung gehetzt hatten. 14X Millionen aufrechter Republikaner als„Räuber und Diebe" beschimpften. Und am Vorabend von Rathenaug Todestag nimmt eines der schlimmsten dieser Hetzblätter, die„Deutsche Zeitung", Clemenceaus angebliche Parole wieder auf und schreibt: „15 Millionen Deutsche zu viel! Der Kampf gegen jenes Verbrechertum, das Rathenau und ungezählte andere auf dem Gewissen hat, ist noch nickt zu Ende. Daran wollen wir heute denken und uns das Ziel setzen: die Macht der Republik so stark aufzurichten, daß keine Mörderhand es wagt, sich an ihr zu vergreifen!
Dierfteuer und Reparationen. Neutrales Schiedsgericht gegen deutsche Regierung. Der Kommissar für die verpfändeten Ein- nahmen hatte gegen die in der Reinholdschen Steuerreform verfügte Hinausschiebung der Biersteuer- erhöhung auf den 1. Januar 1927 Einspruch erhoben. Daraus entstand ein Rechtsstreit zwischen der Reichs- regierung und dem Kommissar, in dem man sich dahin einigte, einen holländischen Schiedsrichter anzurufen. Als Schiedsrichter wurde der Graf v. Linden-Sanden- bürg bestellt, der sich nun, gemäß der Bestimmung des Lon- doner Protokolls, wonach die Sätze der verpfändeten Abgaben ohne Einwilligung des Kommissars nicht herabgesetzt werden dürfen, gegen die Auffassung der deutschen Regierung ausgesprochen hat.
Löbe erregt Ttoftoß. Bei der Rechten. Die deutschnationale Pressestelle erläßt eine feierliche Erklärung gegen den Gen. L ö b e wegen seine bekannten Interviews zum Volksentscheid. Besonders sühlt sie sich durch folgende Stelle gekränkt: 1. Frage: Betrachten Sie den Brief hindenburgs als i n n e r- halb der verfassungsmäßigen Rechte des Reichs. Präsidenten stehend? Antwort: Rmi. Dadurch soll Löbe an hindenburg„Kritik geübt" haben. Wäre das wahr, dann müßte er natürlich an den Galgen. Zu seinem Glück kann er sich aber darauf berufen, daß hindenburg s e l b st in jenem Brief erklärt hat: Ihrer Anregung, zu dem Volksbegehren auf Enteignung der Fürstenvermögen in einer öffentlichen Kundgebung Stellung zu nehmen, vermag ich aber aus staatsrechtlichen, sich aus der verfassungsmäßigen Stellung des Präsidenten des Deutschen Reiches ergebenden Gründen nicht zu entsprechen. Löbe befindet sich also in vollständiger Ueberein- stimmung mst dem Herrn Reichspräsidenten . Im übrigen ist die komische Erklärung der deutschnattonalen Pressestelle nur ein dürstiger Ersatz für eine Reichstagsaktion, auf die man wohlweislich verzichtet hat, weil man sich durch sie noch lächerlicher gemacht hätte._ volksentstheiüsterror in Schlesien . Gutsbezirke, die keine Stimme abgeben durften. Die Breslauer„Volksmacht" berichtet über den Terror der schlesischen Großgrundbesitzer bei dem Volksentscheid. In den meisten Kreisen waren einzelne Gutsbezirke nicht gleich- zeitig Stimmbezirke, so daß hier und da ein paar Stimmen aus einem nahegelegenen Dorfe vorhanden rvNten, während vom Gut
sich nicht ein einziger Landarbeiter oder Hausangestellter zur Ab- stimmung wagte. Die deutschnationale„Schlesische Zeitung" besingt den angeblichen Mutterwitz der Wähler des Ortes S ch l a n z im Landkreise Breslau , wo die Grafen Eulenburg regieren und keine einzige von 461 wahlberechtigten Stimmen abgegeben wurde. Der blutige Hohn eines solchen Lobes für angeblichen Mutterwitz wird erst deutlich, wenn auf unserer Redaktion, während wir ge- rade diese Verse genießen, ein Landarbeiter aus Klein-Sönnig bei Schlanz erscheint, der als einziger von diesem Eulenburgschen Gut mit seiner Frau zur Abstimmung zu gehen wagte und daraufhin von dem Verwalter,„Oberstleutnant" Schäfer, prompt mit den Worten entlassen wurde, das sei eine Unverschämtheit, man habe ihn immer für einen gut deutschnationalen„Knochen" ge- halten, jetzt sei er fristlos entlassen. Der wann erhält selbstverständ- lich Rechtsschutz von uns zur Erlangung von Jahreslohn und Depu- tat, und gegen den„O b e r st l e u t n a n t" Schäfer wird Straf- anzeige erstattet. Aber Schlanz ist ja nicht der einzige derattige Wahlbezirk. Auch in W a s s e r j« n t s ch, wo der Führer des Bres- lauer Kreislandbundes sitzt, und in Lorankwitz im Kreise Bres- lau ist keine einzige Stimme abgegeben worden. während bei Reichstagswahlen, deren Geheimhaltung ge- wöhrleistet war, die Gesinnung der ausgebeuteten Landarbeiter sich ganz anders zeigte. Aehnlich steht es In anderen Landkreisen, z. B. im Kreise Strehlen , wo zwei ländliche Wahlbezirke gleichfalls ganz ohne Abstimmung geblieben sind, im Kreise Trebnitz. wo das von vier Stimmbezirken gilt, in Nimptfch, wo drei Wahlbezirke, in denen fünf Gutsbezirke liegen, infolge öjsentlicher Drohungen des Landbundes keine Stimme abgaben. Im Kreise Oels , wo die fürstlichen Familien so glorreich vertreten sind, waren es sogar acht Stimmbezirke mit zehn Gutsbezirken, in denen keine einzige Ia-Stimme sich zur Urne wogte. Aehnlich dürfte es in anderen Kreisen liegen, aus denen uns noch keine zu- verlässigen Auskünfte vorliegen.
belgischer Sesatzungsluxus. Feststellungen des sozialistischen Zentralorgans. Dem Brüsseler„Peuple ", Zentralorgan der Arbeiterpartei Belgiens , entnehmen wir folgende Ausführungen Louis Bertrands: Nachdem die Presse aufgedeckt hatte, daß die Unterbringung des Hauptquartiers in Aachen an Miete, Heizung und Unterhalt mehr als eine Million gekostet hatte, wurde es zwar verlegt, ist aber auch weiter viel luxuriöser untergebracht als in Lüttich oder Lerviers. Im besetzten Deutschland gibt es ein« belgische Schul«, deren Bau über eine Million kostete, die aber nur einige Schüler hat. Die Unterbringung des Militär a u d i t o r i a t s kostet mehr als 100 000 Franken, der Offiziersklub Hunderttausende im Jahr: daneben gibt es aber im„Kaiserhos" noch besonder« Räume für die Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten. Und erst die P r i o a t w o h n u n g e n l Der Korpskomman- dant, der in L ü t t i ch wohnen sollte, geht mit schlechtem Beispiel voran: seine Wohnung allein kostete beim Kurs von 1 Mark gleich 8 Franken eine halb« Million im Jahr, sein Auto 40 000 Franken. Er bekommt auch große Geldbeträge. Die belgische Gendarmerie war beim Ruhrabenteuer(diesen Ausdruck gebraucht unser Brüsseler Bruderblatt) von einer auf drei Divisionen, mit einem Major als Kommandanten, erhöht worden: seitdem ist wieder die Herabsetzung auf eine Division erfolgt. Der Major ist aber immer noch im Rheinland und hat nichts zu tun. Um sich zu zerstreuen, reitet er vormittags aus und steuert nach- mittags ein Auto. Sein Ausenthalt in Deutschland tostet jährlich über 50 000 Franken. Weiter ist da ein vollkommen überflüssiger Militärarzt im Oberstenrang und einer als Oberstleutnant, die gesetzmäßig in L ü t t i ch wohnen müßten, wo sie aber nicht solche Extragebühren bezögen: sie betragen für beide Medizinmänner über 150 000 Franken im Jahr. Der katholische und der protestantische Feld p r o b st haben noch nicht ein« halbe Stunde Dienst am Tag— ihr gesetzlicher Standort wäre Lüttich , aber— siehe wie bei den Chefärzten. Außerdem hat die Besatzungsarmee Postfreiheit, was über eine Million Franken im Jahr dem Staat entzieht.
Zn Bozen sindseitachtMonaten31jungeDeutsche in Untersuchungshaft. Acht wurden jetzt entlassen, 23 sind angeklagt der Bandenbildung zu dem Zwecke, das italienische Reich oder Teile des Reiches der F r e m d e n Herrschost auszuliefern(lies: zu entziehen!). Minlstertrise in Luxemburg . Die luxemburgische Regierun" P o u e m ist zurückgetreten.