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Nr. 300 43. Jahrg. Ausgabe A nr. 155 Bezugspreis.

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Der Borwärts" mit der Sonntags beilage Bolf und Beit" mit Gied Jung und Kleingarten" sowie der Beilage Unterhaltung und Wissen" und Frauenbeilage Frauenstimme" erscheint wochentäglich zweimal Sonntags und Montags einmal,

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Vorwärts

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: Berlin   SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297.

Dienstag, den 29. Juni 1926

Vorwärts- Verlag G.m.b.H.  , Berlin   SW. 68, Lindenstr.3

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Die Erwerbslosenfrage vor dem Reichstag  .

Das Arbeitsbeschaffungsprogramm angenommen.

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Erklärung des Reichsarbeitsministers.

aufgesetzt. Beim deutsch  - dänischen Handelsvertrag stimmten fie gegen die Arbeiter für die Pferde züchterinter essen. Im Rechtsausschuß für die Hohenzollern  und die Standesherren. Beim Knappschafts­

programm zum Ausdruck. Auch den Arbeitslosen muß geholfen werden, die schon jahrelang auf der Straße liegen, ihnen muß ein Rückhalt gegeben werden. Wir wollen aber nicht etwa nur Notstands­wirtschaftlich notwendig sind, die Werte schaffen für die und Gelegenheitsarbeiten, sondern solche Arbeiten schlechthin, die Wirtschaft und für die Gesamtheit, also dem ganzen Volfe zugute

Der Reichstag   hat gestern mit allen Stimmen gegen die losen abgelehnt. Damit haben sie ihrer lächerlichen,| Das bringt der Ausschuß in seinem Antrag und in dem Arbeits Stimmen der Kommunisten das Arbeitsbeschaffungsprogramm aber zugleich empörenden Politik der letzten Zeit die Krone des volkswirtschaftlichen Ausschusses angenommen, das der ,, Borwärts" am Sonnabend morgen veröffentlicht hat. Millionen von Arbeitslosen warten auf Arbeit und Ver­dienst. Ein Ende der Krise ist nicht abzusehen. Der Reichs­arbeitsminister erklärte, man müsse mit einer Dauerkrise rechnen. Unter großer Bewegung der Linken sprach er aus, man fönne vom Jahre 1929 ab- 1929!- auf eine dauernde Erleichterung des Arbeitsmarktes als Folge des durch den Krieg hervorgerufenen Geburtenrückganges rechnen. Die Ar­beitslofen fönnen nicht bis 1929 marten. Mit der Arbeits­lofenunterstützung allein ist ihnen nicht geholfen. Sie wollen

Arbeit!

Der volkswirtschaftliche Ausschuß des Reichstags hat ein umfassendes Programm zur produktiven Erwerbslosenfür­jorge vorgelegt. Es sollen von den Ländern und Gemeinden Arbeiten durchgeführt werden, die wirtschaftlich notwendig find. Zur Durchführung dieser Arbeiten sollen Anleihen auf genommen werden. Das Programm ist vom volkswirtschaft lichen Ausschuß einstimmig mit den Stimmen der Kom­munisten angenommen worden.

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Genosse Dißmann legte in der Plenarsizung des Reichstags die Not der Arbeitslosen dar und begründete das Programm. Der Reichsarbeitsminister Dr. Brauns er tlärte sich grundsäglich mit dem Programm einverstanden. Die Durchführung des Programms wird einer großen Zahl von Arbeitslosen Arbeit und Verdienst geben.

Ein Wort über die Kommunisten. Ihre Vertreter haben im Ausschuß für das Arbeitsbeschaffungsprogramm gestimmt, das den Arbeitslosen Hilfe bringen foll. Im Plenum hat die kommunistische Reichstagsfraktion die Borlage abge= lehnt. Gegenüber dieser verantwortungsvollen Bolitik muß festgestellt werden:

Die Kommunisten wiederholten gestern im Plenum im gleichen Wortlaut einen Antrag zur Bezahlung der Notstandsarbeiter, der früher im Reichstag gestellt, dem Achter- Ausschuß überwiesen und vom Achter- Unteraus schuß( siehe gedruckter Bericht Seite 44 Spalte 2, 1, Absatz) behandelt und erledigt wurde. In dieser Sigung war ein Bertreter der KPD  . nicht. anwesend. Der Ausschußbericht sagt ausdrücklich: daß die in diesem Antrag gestellten Forderungen den Bestimmungen über öffentliche Notstandsarbeiten nicht widersprechen, daß der Unter ausschuß mit den Forderungen einig geht. Doch der Achter- Unterausschuß fügt dann hinzu im gedruckten Bericht: Material oder Begründung wurde von den Antragstellern zum Antrag Nr. 2228( Antrag der KPD  .) nicht gegeben." Dieser gedruckte Bericht des Unteraus­schuffes ist im Achter- Ausschuß einmütig von den Deutschnationalen bis zu den kommunisten -gebilligt worden. Und die fragliche Stelle im gedrud ten Ausschußbericht wurde von den KPD.  - Bertretern nicht beanstandet.

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Es war daher eigentümlich, wenn gestern im Plenum des Reichstags

1. die KPD.  - Fraktion fich bei den vom Achter- Ausschuß einmütig gestellten und beschlossenen Anträgen für ein Ar­beitsprogramm zur Beschäftigung Erwerbsloser der Stimme enthielt,

2. den Antrag über die Bezahlung von Notstandsarbeitern fm Plenum erneuerte, und nachdem

deswegen von Bertretern verschiedener Parteien und rein fachlich auch vom Genossen Dißmann auf den gedruckt vorliegenden Ausschußbericht und die im Unterausschuß er­folgte Erledigung ihres Antrages hingewiesen wurde, dann der Kommunist Rädel den Genossen Dißmann persönlich und unfachlich anrempelte.

Die Kommunisten als Arbeitervertreter sollten begrüßen, wenn in ernster, sachlicher und mühevoller Arbeit durch die Initiative des Achter Unterausschusses nun ein umfassendes Arbeitsprogramm vom Reichs­tag angenommen wurde. Das liegt im Interesse der Erwerbs­lofen. Wenn die Reichsregierung gestern durch den Arbeits­minister Dr. Brauns erklären ließ, daß sie diesem Arbeits­programm weit est gehend beitrete, auch in der Mittel­beschaffung durch Anleihen, so wird die sozialdemofra­fische Reichstagsfraktion die Regierung beim Wort halten und quf beschleunigte Durchführung bes Arbeitsprogramms

bringen.

Die Kommunisten aber haben die Boraussetzungen dafür perneint. Sie haben die Hilfe für die Ermerbs

Um die Fürstenvorlage.

Vor der Entscheidung der sozialdemokratischen Fraktion.

Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion nahm gestern abend den Bericht ihrer Mitglieder im Rechts­ausschuß über das Ergebnis der dort geführten Be­ratungen entgegen. An den Bericht knüpfte sich eine längere Aussprache. Die Fraktion hält den vorliegenden Gefeßentwurf für ungenügend und behält sich ihre endgültige Stellung vor.

Die Vertreter der Fraktion werden heute vormittag nochmals mit den Regierungsparteien verhandeln. Die Fraktion tritt dann um 12 Uhr wieder zusammen.

gefe stimmten sie einmal für die Arbeiter- da wurden sie von ihrer Zentrale gerüffelt. Und gestern stimmten sie gegen die Hilfe für die Erwerbs losen!

Die Sigung wird um 2% Uhr vom Präsidenten Löbe eröffnet. Der Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Reichs­gefeges über die Schuhpolizei der Länder wird dem Rechtsausschuß überwiesen.

schaftlichen Ausschusses über produktive Erwerbslofenfürforge. Es folgt die Beratung des mündlichen Berichts des Volkswirt Ueber die Berhandlungen des Ausschusses, der dem Reichstag einen umfangreichen Bericht vorlegt und die Annahme einer Ent schließung beantragt, die das bereits veröffentlichte Programm ent­hält, berichtet

Abg. Dißmann( Soz.):

steigenden und dauernden Arbeitslosigkeit wirffame Maßnahmen Der Ausschuß war einmütig der Meinung, daß angesichts der notwendig sind. Besonderer Nachdruck wurde darauf gelegt, daß nicht nur folche Notstandsarbeiten ausgeführt werden, die vorübergehend die Zahl der Arbeitslosen vermindern, sondern der Gesamtwirt schaft von Nugen sind. Bis zum Beginn der schweren Krise beiter mit Notstandsarbeiten beschäftigt. Ihre Zahl im Oftober 1925 waren in ganz Deutschland   nur 27000 Ar­ist bis Ende Dezember, wo wir Millionen Hauptunterstützungs empfänger hatten, nur auf 170 000 gestiegen. Um die Frage zu prüfen, auf welche Weise eine bedeutend höhere Zahl von Er­ werbslosen   beschäftigt werden kann, hat der Ausschuß das notwendige Sachmaterial zusammengetragen; er führt weiter den Nachweis, daß diese Arbeiten durchführbar, notwendig und produktiv find. Wer die Zahl der Arbeitslosen ansieht, der hat feinen Zweifel, daß es fich nicht um einen vorübergehenden Notstand handelt, fondern um eine Dauerkrise.

Die neuesten Zahlen ergeben, daß die Arbeitslosigkeit nicht gefallen, sondern immer noch weiter gestiegen ist. Wir haben mit einer Dauer­frise zu rechnen, deren Zeitmaß auf Jahre hinaus zu be­messen ist. Das gleiche Bild zeigt sich, wenn man die einzelnen Wirtschaftsgebiete betrachtet. In Berlin   steigt die Zahl der Ar­beitslosen pro Woche um 5000 bis 6000, zurzeit beträgt sie über 260 000. Im Rheinland   und Westfalen   das gleiche Bild. Sollen die Millionen von Arbeitslosen auf Jahre hinaus dazu der= urteilt sein, brach zu liegen, oder soll die Möglichkeit gegeben werden, ihre Arbeitstrait wieder in den Dienst der Gesamtwirtschaft zu stellen? Das letztere iſt notwendig!( Sehr richtig b. d. Soz.) Wenn wir an­nehmen, daß jede brachliegende Arbeitskraft nur 200 M. im Jahre zu wenig an wirtschaftlicher Kraft produziert, fo kommen wir bei 2 Millionen Arbeitslosen pro Jahr auf 4 Milliarden Wirtschaftskraft, deren Wert uns verloren geht.( hört, hört! b. d. Soz.) Diefe Summe ift höher als die Reparationslast, die mir zu tragen haben. Diese furchtbaren Zahlen zwingen uns dazu, Beschäftigung für die Ermerbslosen zu finden. Wir müssen den Innenmarkt stärken, weil wir nur dadurch auch unsere Stellung auf dem Weltmarkt stärken fönnen. Das gilt ebenso für die Landwirtschaft, bei der die Notwendigkeit der inneren Stärtung allfeitig anerkannt wird, wie ganz besonders für die Industrie.

Alle Kräfte der Wirtschaft müffen mobilisiert werden, damit nicht länger Millionen menschlicher Kräfte brachliegen. Es ist für die Gesellschaft und für die Wirtschaft untragbar, daß Millionen von Menschen, die arbeiten wollen, einfach ihrem Schidjal preis­gegeben werden.( Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)

tommen.

Der Redner erörtert dann im einzelnen das vom Volkswirt schaftlichen Ausschuß vorgelegte Programm.

Das Arbeitsbeschaffungsprogramm.

Genosse Dißmann fährt fort: Der Ausschuß weist auf die Not­wendigkeit des Straßenbaues hin. Wir haben heute 180 000 Stilo­meter Straßen, die keine für den neuzeitlichen Verkehr, für Autos und Lastwagen, genügende Straßendecke haben. Es ist notwendig, sie zu erneuern. Man kann hier nicht nur Arbeitslose beschäftigen, man belebt auch die Rohstoffgewerbe, das Transport wesen und alle Zweige, die beim Straßenbau in Betracht kommen. Dedlandflächen und anderem unfruchtbaren Boden,

Der Ausschuß verlangt weiter die Kultivierung von der in Deutschland   über 3 Millionen Hektar zählt und zum größeren Teile urbar gemacht werden kann. Das würde der Gesamtwirtschaft zum Vorteil gereichen und auch neue Arbeitsmöglichkeiten in der Bewirtschaftung, Ansiedlung usw. bieten.

Ferner weist der Ausschuß hin auf die Schiffbarmachung deutscher   Flüsse und deren zweckdienliche Verbindung durch Kanäle, die der Förderung des Wassertransportweges und der deut schen Wirtschaft dienen. Das Lahngebiet und das Siegerland warten auf die Kanalisierung der Lahn  , Aachen   braucht einen Wasserweg mit Köln  , die Nedarkanalisierung, der Rhein- Main- Donau- Kanal  , der Mittellandkanal warten auf ihre Fertigstellung.

Wir wünschen weiter Fluß- und Bachregulierungen zur Gewinnung von Kulturboden, die Anlage und Berbesserung von Stauanlagen und Schuhdämmen, um den stets wieders fehrenden Hochwasserschäden vorzubeugen. In dieser Stunde klingen die Notrufe unserer Volksgenossen an unser Ohr, die von der letzten Hochwasserkatastrophe betroffen wurden, Bei einer ähnlichen Kata­strophe im vorigen Jahre wurde uns erklärt, daß Vorsorge getroffen werden solle, damit sich derartige Ereignisse nicht wiederholten. Die in dem Bericht des Ausschusses niedergelegten Schreiben der Länder­regierungen aus Anlaß des vorjährigen Hochwaffers zeigen aber, daß seit dem nicht viel geschehen ist. Die Reichsregierung muß dafür sorgen, daß die notwendigen Arbeiten sofort in Angriff genommen werden. Hätte man das früher getan, so würden wir wenden. Hier zeigt sich, wie die Beschäftigung von Erwerbslosen  nicht Hunderte von Millionen Schaden erlitten haben und brauchten jetzt nicht größere Geldmittel zur Linderung der Notlage auf­zum Zwecke der Abwendung von Hochwasserkatastrophen eine Arbeit höchst produktiver Natur ist!

Der Ausschuß fordert weiter Anlagen zur Gewinnung von Wasserfräften, weiter eine großzügige Förde= wie der daniederliegenden Beschäftigung zu begegnen. Schließlich rung des Wohnungsbaues, um sowohl der Wohnungsnot wird in dem Programm auch die Elettrifizierung der Eisenbahnen gefordert.

Im Anschluß an das Programm wird die Regierung ersucht, zu prüfen, ob die Schwierigkeiten beim Rußlandkredit nicht behoben werden können. Der Redner gibt seiner Freude darüber Ausdruck, daß die Verhandlungen darüber jetzt zum Abschluß ge­fommen sind. Das ist ebenso im Interesse der Wirtschaft wie der Ar­beitslosen zu begrüßen. Bei den Reparationsleistungen soll auf die Gewinnung langfristiger Sachlieferungen hingewirkt werden. diese 3wede bereitzustellen find. Der Reichsarbeitsminister hat ja Wir müssen uns darüber klar sein, daß größere Mittel für alle auch bei der Beratung seines Etats erklärt, wenn die eingestellten Mittel nicht ausreichten. dann müßten größere Mittel bereitgestellt verden. Auch auf die Länderregierungen ist in diesem Sinne einzuwirken."

Es müssen Anleihen für diese Arbeiten aufgenommen werden, die aus den Erträgnissen zu verzinsen und zu tilgen find. Für bestimmte Arbeiten können die Mittel zum Teil aus der pro­duktiven Erwerbslosenfürsorge, zum anderen Teil durch Auf­nahme von Anleihen aufgebracht werden.

Den Trägern dieser Arbeiten, vor allem den Gemeinden, dürfen aber bei der Aufnahme von Anleihen dazu keine Schwierigkeiten ge­macht werden. Angesichts der wirtschaftlichen Not, in der sich Millio­nen Erwerbslose besinden, dürfen sie nicht länger mit wohlwolienden sorten abgefunden, fie müssen durch Taten befriedigt werden. In beschleunigter Weise müssen Reich, Länder und, Gemeinden sowie alle öffentlichen Organe, die in Frage kommen, zusammenwirken, um die Erwerbslosigkeit zu beseitigen. Die Blicke der Millionen von Erwerbslosen   sind jetzt auf uns gerichtet, wir dürfen nunmehr nicht nur einen Beschluß von Worten fassen, sondern müssen für die Ausführung der Beschlüsse in Taten sorgen.

Ich bitte also den Deutschen Reichstag, ebenso einmütig wie der Ausschuß unseren Vorschlägen zuzuftimmen und damit zum Aus brud zu bringen, daß wir aus der Untätigkeit hinauskommen wollen. Wir müssen den Willen an den Tag legen, der ständig wachsenden Not wirtjam entgegenzutreten.( Bebhafter Beifall bei den Sozial­bemokraten.)