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Nr. 440 43.Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Sonnabend, 18. September 1926

Die Hochschule des deutschen   Arbeitersports.

Die Geschichte des deutschen   Ar. beiter Turn- und Sport bundes steht in diesen Tagen vor einem Wendepunkt von großartiger Bes deutung. Heute wird das neuerbaute Bundesschulgebäude in Leip zig eingeweiht. Neben dem Bundesvorstand, den Behördenver­tretern und den tausenden Bereinen des Bundes wird die Arbeiterschaft Deutschlands   und der ganzen Welt an diesem Feste teilnehmen, die einen direkt, die anderen im Geiste, alle aber sicher in dem Bewußtsein, eine große Tat, eine Kulturtat vollendet zu sehen.

Das neue Schulhaus.

Auf dem zwischen Fichte und Kant straße   in Leipzig   gelegenen, fäuflich erworbenen Grundstück wurde 1912 das Bundeshaus des Arbeiter. Turn- und Sportbundes er­richtet. Es besteht neben Wohnhäusern aus dem Geschäftshaus, in wel­chem sich die Räume der Organisation, des Verlags und der Druckerei befin den. Als Uebungsraum wurde die 14 X 8 Meter große Turnhalle er­richtet, die auch gleichzeitig den Arbeits­raum des Bundestechnikers darstellte. 3u jener Zeit hatte die Organisation rund 160 000 Mitglieder. Das An­wachsen der Mitgliederzahlen sowie die Bielgestaltigkeit der Betriebsweise ver­langten gebieterisch eine Aenderung der Baulichkeiten.

Zur heutigen Eröffnung der Bundesschule in Leipzig  .

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beitersportler auch mit teilnehmen an den staatlichen Bildungslehrgängen, man stellte Bläge und Uetungshallen zur Verfügung und gewährte finanzielle Bei­hilfe. Geben wir ruhig zu, daß das in der ehrlichen Absicht geschah, die Ar­beitersportbewegung als staatswichtig anzuerkennen und zu fördern. Eins ist seitdem aber unverkennbar: die neuen Massen, die uns zugeströmt sind, haben zum weitaus größten Teil den tiefe= ren Sinn des Arbeitersports noch nicht begriffen. Unsere Uebungsleiter, die früher mit 18 Jahren ganz selbstverständlich der Sozialdemo fratischen Partei angehörten, vergessen das heute sehr oft. Aus alledem ergibt fich die Naturnotwendigkeit, daß unsere Bundesschule Uebungsleiter heranbildet, die neben technischer Tüchtigkeit auch wiffen, daß sie als Arbeitersportler für den Sieg des Sozialismus tätig sein müssen. Nicht mit lautem, aufdring­lichem Phrafengeschrei, aber in stiller per­sönlicher Aufklärungs- und Werbearbeit. Darin liegt die ideelle Bedeutung un­serer Bundesschule.

Der Sternlauf.

Den Höhepunkt der aus Anlaß der Einweihung der Leipziger   Bundesschule allerorts stattfindenden sportlichen Ver­anstaltungen bedeutet zweifellos der Sternlauf der Arbeitersportler nach Leipzig  . Er stellt nicht nur eine außer­gewöhnliche sportliche Leistung dar, sondern ist gleichzeitig die denkbar großzügigste Propaganda für Die Arbeitersportbewegung. In diesem Stafettenlauf werden Arbeitersportler schon Tage zuvor, Tag und Nacht, durch verschiedene Landesteile die Stafetten­stäbe mit den Glückwunschschrei= ben der Kreise des Bundes und des Auslandes von Mann zu Mann tragen, um rechtzeitig zur Bundesschul­einweihung einzutreffen. Sieben Läufe sind vorgesehen. Der erste Lauf be­gann bereits am Sonnabendnachmittag, von Linz  ( Oesterreich  ) aus; die Ge samtstrede von Linz   bis Leipzig   beträgt 1123 Kilometer, Laufzeit von der Zug­Spize bis Leipzig   48% Stunden. Derinso zweite Lauf beginnt in der Schweiz.anis Der Start des dritten Laufs ist in Frankreich  . Der Weg führt über Belgien   nach Aachen  , wo am 18. SERATON tember nachts 2 Uhr die Uebergabe an die deutschen   Arbeitersportler stattfindet. Die Strecke von Aachen   bis Leipzig  beträgt 696 Kilometer, Laufzeit 36 Stunden.

Von

Aus den fleinen Uebungsflaffen heraus reifte 1922 der Plan, eine eigene Schule zu errichten. Am 21. September 1924 wurde, nachdem der Bundestag in Raffel feine Zustim mung zum Bau der Bundesschule ge geben hatte, der erste Spatenstich getan, und am 28. September 1924 fand im Beisein des Bundesvorstandes unter großer Beteiligung der Leipziger  Vereine die Grundsteinlegung statt. Die Hauptmasse des Baugel. des wurde aufgebracht durch die einge­gangenen Sonderbeiträge und durch die Ueberweisungen des Bundes und des Arbeiterturnverlags. In diesem Zu sammenhang sei auf einen Beschluß des Reichstags hingewiesen, aus dem hervorgeht, daß für den Bau des Deutschen Sportforums in Berlin   be­reits eine Million Mark verausgabt worden ist. Ein von unserem Bundes­vorstand gestellter Antrag um einen 3 u fchuß zur Bundesschule wurde zwar in der Form einer Resolution dem Reichsministerium des Innern zur Er­ledigung überwiesen, von dem aber bis jezt iroz mehrfach gegebener Ver­iprechungen noch fein Bauzuschuß überwiesen wurde. Das Gebäude| erinnern, wie sofort nach der Gründung des Bundes die Techniker"| dehnt sich über die weiteste Landesstrecke aus. umfaßt außer den Wohnungen des Schulleiters und Hausmeisters die sportliche Untersuchungs- und Beratungsstelle, Hör- und Lehrfäle, Sigungszimmer, Ausstellungsraum und Archiv, Bibliothet, photo­graphisches Atelier und ferner Arbeitsräume für die technischen Bundesbeamten und für die Lehrer der Schule. Im 3. und 4. Stock find die Räume für die Kurjusteilnehmer mit Küche, Aufenthalts­raum und allen sonstigen Einrichtungen. Die lebungshalle ist 28 X 24 Meter groß. Das 13 x 8 Meter große Schwimmbeden steht mit einer Wafferreinigungs-, Chlor- und Wärmeanlage in direkter Berbindung, so daß durch ständiges Umstürzen des Wassers seine Sauberkeit ohne weiteres gewährleistet ist. Sporthalle, Ruderlehr­beden und Ulebungsplatz vervollständigen die ganze Anlage, die rund 2000 Quadratmeter bebaute Fläche aufweist. Die Schaffung einer eigenen Sportplaganlage wird die nächste Aufgabe sein, die zur Vervollständigung des ganzen Wertes führt. Die Aus­bildung der Kursisten geschieht in furz- und langfristigen Lehrgängen, die jeweils nach der Eigenart der Aufgaben berufen werden. Als Lehrer werden namhafte Führer auf allen Gebieten unterrichten.

Aus der Geschichte der Schule.

Die Hauptfront des Hauses in der Fichtestraße zu Leipzig  .

Dreiunddreißig Jahre nach der Gründung des Bundes ist es ihm möglich, ein eigenes Lehrerbildungsinstitut in Betrieb zu nehmen. Wer die Geschichte des Bundes kennt, wird sich mit Stolz

daran gingen, in eigener Weise System, Methode und Uebungs­sprache zu vereinheitlichen und zu verbessern. Jeder der damals tonangebenden bürgerlichen Turnlehrer hatte sein eigenes Turnbuch mit eigener Methode und eigener Uebungsbezeichnung. 1898 fand dann der erste Bundeslehrgang in Gera   statt. Die Idee einer eigenen Schule wurde schon damals besprochen. Vom Lehr gang in Gera   entwickelte sich unsere technische Sonderstellung gegen­

Apenrade( Dänemarf) nimmt der vierte Lauf seinen Ausgang. Gesamtstrede 590 Kilometer, Laufzeit 26 Stunden. Der fünfte Lauf Er be­ginnt in Riga  ( Lettland  ) und führt über Tilfit- Königsberg­Danzig- Lauenburg- Stolp- Belgard- Stettin- Berlin- Jüterbog­Torgau- Leipzig. Die gesamte Strede ist 1178 Kilometer lang, Laufzeit 71 Stunden.

Von Breslau   startet ber se ch ft e Lauf, der siebente Lauf startet in Klagenfurth  ( Oesterreich  ).

In Leipzig   führt der Lauf am Volkshause und dann am Bundes. hause vorbei. Am Bundeshause übernehmen die anwesenden Schluß­läufer der Kreise die Kreisurkunden und laufen zum Vorwärts­sportpart, wo die Stäbe geöffnet und die Urkunden verlesen werden.

Mit der Einweihung der Bundesschule eröffnen fich für die Arbeitersportler ungeahnte Aussichten, über deren Ausmaß heure faft nur prophetisch gesprochen werden kann. Fest steht: der Bund hat sich durch die Errichtung der Schule freigemacht von allen bürgerlichen Ausbildungsmöglichkeiten und hat sich dabei leiten lassen von der Idee Karl Marr': Die Befreiung der Arbeiterklasse fann nur ihr eigenes Werf sein. Die Bundesschule ist das lebendigste Beispiel des Opferfinnes und der Solidarität. Möge der Bau bis in ferne Jahre ein stolzes Wahrzeichen der Arbeiterschaft und im be­sonderen des Arbeitersports sein.

Der Hörsaal,

Die Rückansicht.

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über der Deutschen Turnerschaft immer deutlicher. Und während die Deutsche Turnerschaft noch lange Jahre um Einheitlichkeit in der Uebungsprache mit ihren Größen" rang, hatten die Ar. beiter turner in aller Stille ihr erstes Lehrbuch, den Ratgeber für angehende Borturner", fertiggestellt. 1908, 1910, 1912 und 1914 bereits holten wir die Kreisturnwarte zu praktischer theoretischer Arbeit zusammen. Diese Bundesturse" bedeuteten damals außerordentlich viel. Man begann bereits über den rein technischen Rahmen hinaus auch alle Möglichkeiten zu prüfen, wie unsere Tech nifer und Jugendführer neben und mit ihrer rein technischen Tätig feit in feinsinniger Weise auch die ideellen Ziele der Arbeiter- Turn­und Sportbewegung pflegen fönnen Man hatte ganz richtig schon damals erkannt, daß der bloße Name Arbeitersportler und allein di Absonderung von den Bürgerlichen   ganz zwecklos ist, wenn nicht mit dem Namen und dem eigenen Verband die geistige Beeinfluffung im sozialistischen   Sinne einhergeht. Die Vorturner und lebungs­leiter hatten tausend Möglichkeiten, die Jugend für den Sozialismus zu gewinnen. Das wußten unserer damaligen Feinde ganz genau darum bekämpften sie ja auch die Arbeiterturner aufs heftigste. Das war bitter für die Betroffenen, aber der Sache hat es genüßt. Man sah die klare Linie: Hier Arbeitersport, der dem Sozialis mus die Bahn bereiten will, dort bürgerlicher Sport, ber dem Nationalismus dient. Nach der Staatsumwälzung stellten sich unfere ehemaligen offenen Feinde anders ein. Man ließ die Ar­

Das Schwimmbecken.