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Annahme der Regierungsvorschläge ergeben hatte, eine Ab lehnung der Vorschläge durch die Bergarbeiterdistrikte keines wegs für ausgeschloffen gehalten.

Zweierlei Maß der KPD  .

Wenn es um Arbeitslose und wenn es um Abgeordnete geht!

Der Reichstag hat gestern zwei Beschlüsse gefaßt, von denen der eine sozialpolitisch bedeutungsvoll, der andere all­gemeinpolitisch interessant ist. Beide Beschlüsse sind durch Berständigung der Sozialdemokratie mit der Mitte zustande­gefommen.

jiedienabkommen abgeschlossen wurde, ist gleichzeitig| Unternehmern und noch mehr bei der Regierung an| geringen Majorität, die sich in der Delegiertentonferenz für die vereinbart worden, daß eine von der Regierung zu ernennende einer flugen und vorausschauenden Führung gefehlt. Es ist Kommission die wirtschaftliche Lage des englischen Bergbaues wohl beispiellos in der Geschichte der modernen demofra­untersuchen und vor Ablauf des Subsidienvertrags Bericht tischen Staaten, daß eine Regierung einen solchen Kampf, über das Ergebnis ihrer Untersuchung erstatten soll. der die gesamte Wirtschaft in ihren Grundfesten erschüttert, Diese Kommission, die unter dem Vorsiz von Sir Her- so mit verschränkten Armen zusieht, wie es die Regierung bert Samuel tagte, hatte in ihren Schlußfolgerungen vor- Baldwin getan hat. Wenn diese Regierung etwas unter­geschlagen, daß der englische   Bergbau zu reorganisieren sei, nahm, wurde meist nur Del ins Feuer gegossen. Ohne das daß die ungeheure 3ersplitterung beseitigt, die technisch rück- fluge Dazwischentreten des Generalrats unter Führung von ständigen Betriebe modernisiert und die unrentablen stillgelegt Pugh wäre es auch wohl jeßt nicht zum Abschluß gekommen. werden müßten. Weiter schlug die Kohlenkommission vor, daß Die Folgen dieses Riesenkampfes lassen sich heute noch die Löhne der Bergarbeiter provisorisch, d. h. bis zur Durch gar nicht abschätzen. Politisch ist es zweifellos, daß die Folge führung der Reorganisationsvorschläge reduziert werden ein außerordentliches Erstarken der Ar sollen, und zwar auf den Stand von 1924, was einer Lohn- beiterpartei auf Kosten der Konservativen sein wird. reduktion von etwas über 10 Proz. gleichtam. Eine Ber  - Das haben alle Wahlen während des Rampfes gezeigt. längerung der Arbeitszeit lehnte die Kohlenkom­Wirtschaftlich hat England als Gesamtheit einen mission a b. schweren Schaden erlitten. Dieser Schaden wird bis jetzt auf 6 Milliarden Mart geschäßt. Auf eine Subvention durch den englischen Staat tönnen die Zechenbesitzer nicht mehr rechnen. Die Löhne der englischen Bergarbeiter werden auch jetzt nicht niedriger sein als die der deutschen   Bergarbeiter. Da gegen hat der englische Bergbau, der allerdings für den Gegen diesen Entwurf haben die Kommunisten ge­Transport erheblich günstiger gelegen ist, als der deutsche stimmt. Sie haben es getan, weil sie wußten, daß durch die Bergbau, den technischen Vorsprung einzuholen, der in Berhandlungen der Sozialdemokratie mit den Mittelparteien zwischen in Deutschland   gemacht worden ist. die Annahme gesichert war. Oder wollen sie das etwa be­Auf jeden Fall wird man aber mit einem verftreiten? Wollen fie behaupten, sie hätten gewollt, daß eine fchärften Konkurrenztampf auf dem Weltmarkt Mehrheit ebenso stimmt wie sie? In diesem Fall hätten rechnen müssen, es sei denn, es kommt nach den Vorschlägen die Ausgesteuerten teinen Pfennig bekommen! des Sefretärs der Bergarbeiterinternationale, Frank Hodges, zu einer internationalen Verständigung.

Bei den Verhandlungen, die wegen Abschlusses eines neuen Tarifvertrages gepflogen wurden, gingen die 3 e che n. besitzer in feiner Weise auf die Reorganisationsvorschläge der Kohlenkommission ein. Sie forderten nur den auch von der Rohlenkommission vorgeschlagenen Abbau der Löhne, darüber hinaus aber auch eine Berlängerung der Ar­beitszeit von einer Stunde täglich und die Beseitigung des zentralen Lohnabkommens. Dieses zentrale Lohnablom men beruht im wesentlichen auf einer Ausgleichskasse, in die gewisse Ueberschüsse der besonders ertragreichen Reviere ein­gezahlt und die dann vor allem zugunsten der minder ertrag­reichen Reviere zur Verteilung fommen. Jedes Revier follte nach den Forderungen der Zechenbefizer für sich allein zurecht­fommen, was eine viel größere Lohnreduktion für die schlechter gestellten Reviere zur Folge gehabt hätte.

Die englische Regierung nahm zunächst einen vermitteln­den Standpunkt ein, gab aber schließlich den Bericht der Koh­fenfommission vollkommen preis und stellte sich rücksichtslos auf die Seite der Zechenbesitzer. In dieser Situation sprang wieder der Generalrat der englischen Gewerkschaften für die Bergarbeiter ein. Als die Regierung aber auf dem Unternehmerstandpunkt beharrte, beschloß der Generalrat den inzwischen ausgesperrten Bergarbeitern durch einen Streit der anderen lebenswichtigen Industrien zu Hilfe zu fommen.

Dieser Solidaritätsstreit wurde nach zwölftägiger Dauer beendet. Der Borsigende der Rohlentommission, Sir Herbert Samuel, hatte inzwischen mit dem Generalrat offiziöse Berhandlungen gepflogen und das Anerbieten gemacht, daß die Arbeit im Bergbau auf Grund der Bedingungen der Schlußfolgerungen der Rohlentommiffion aufgenommen wer­den, soll.

Der Kampf hätte damals unter den günstigsten Be­dingungen, die angesichts der Wirtschaftslage zu erreichen waren, von den Bergarbeitern abgebrochen werden können, abgebrochen werden müssen. Die Führer der Bergarbeiter, insbesondere Coof, glaubten, mmmehr, auf einen vollen Sieg bestehen zu müssen. Sie lehnten die Vorschläge von Sir Herbert Samuel ab. Dadurch bekamen die Bechenbesitzer wieder Oberwasser. Die Regierung erklärte, daß sie nunmehr die Borschläge Samuels mur als rein private betrachten müsse. Die Regierung ging sogar noch weiter und ließ im Barlament ein Gesetz annehmen, wodurch die Arbeitszeit im Bergbau auf acht Stunden festgelegt wird.

Die Sache der Bergarbeiter schien hoffnungslos ver­loren. Man fann aber wohl sagen, daß der Kampf, wenn er jetzt durch ein Kompromiß abgeschlossen wird, das gewiß nicht günstiger ist, als es die Vorschläge von Samuel waren, nur durch den ganz beispiellofen Rampfesmut und die heldenhafte Ausdauer der Bergarbeiter vor dem Schicksal des Zusammenbruches bewahrt wurde. Die englischen Bergarbeiter haben durch die außerordentliche Quantität ihres Widerstandes die mangelnde Qualität der Führung ersetzt.

Wie es bei der Bergarbeitern aber an einer weit schauenden Führung gefehlt hat, so hat es auch bei den

Der Beschluß der Bergarbeiter.

Der erste betrifft die Fürsorge für die ausge ft euerten Erwerbslosen. Der Sozialdemokratie ist es gelungen, den ursprünglichen Entwurf über die Krisen­fürsorge so zu verbessern, daß er praktisch den Ausgesteuerten dasselbe bringt, was ihnen die ursprünglich beantragte ein­fache Fortdauer der Unterſtüßung gebracht hätte.

Und nun der zweite Beschluß. 3weimal hatte der Reichs­tag schon die Einstellung des Verfahrens gegen die tommunistischen Abgeordneten, die in den bekannten Prozeß der Zentrale verwidelt find, abge= London  , 13. November.  ( Eigener Drahtbericht.) Die Delelehnt. Diesmal ist es den mühevollen Verhandlungen der giertentonferenz der Bergarbeiter, die sich am Sozialdemokratie gelungen, einen anderen Beschluß herbei­Freitag vertagt hatte, um weitere Aufklärungen von der Regierung zuführen. Das Verfahren ist eingestellt worden allerdings über einzelne Punkte der Friedensvorschläge einzuholen, trat am nicht für die ganze Lebensdauer des Reichstags, sondern Sonnabend wieder zusammen. Der Konferenz lag die Antwort der zunächst nur bis zu den Sommerferien. Regierung vor, die nach der allgemeinen Auffassung der Delegierten die Friedensvorschläge in noch ungünstigerem Licht zeigten und ins­besondere den Aufgabenkreis des einzusehenden Schiedsgerichts als weitaus enger erscheinen ließ, als von der Mehrheit der Delegierten angenommen worden war.

Die Delegiertenversammlung erörterte diese Regierungsvor. schläge in einer vierstündigen Sizung, wobei sich weitgehende meinungsverschiedenheiten zeigten. Während ein Teil der Führer und Delegierten die Annahme der Vorschläge mit der Begründung empfahl, da unter den gegenwärtigen Berhältnissen bessere Bedingungen unter feinen Umständen erreicht werden könnten, befürworteten die Bergarbeiterbelegierten von Südwales   eine völlige Ablehnung der Bedingungen. Die Ronferenz einigte sich zunächst dahin, die Entscheidung über die end­gültige Annahme oder Ablehnung der Vorschläge den Distrikten zu unterbreiten. Es blieb jedoch die entscheidende Frage offen, ob die Delegiertenversammlung den Distrikten die Annahme oder Ablehnung der Friedensvorschläge empfehlen sollte. Diese Frage wurde der Konferenz zur Abstimmung unterbreitet. Die Konferenz entschied sich mit 432 000 gegen 352 000 Stimmen, also mit einer Mehrheit von lediglich 80 000 Stimmen, den Distrikten die Borschläge der Regierung zur Annahme zu empfehlen. Die Konferenz stimmte bann darüber ab, ob diefe Diftriftabstimmungen im Rahmen normaler Abstimmungen oder einer schriftlichen Utabstimmung unter den Mitgliedern vorgenommen werden sollen und beschloß, schriftliche Abstimmungen vornehmen zu laffen. Das Ergebnis dieser Abstimmungen ist für den Donnerstag zu erwarten.

Die Delegiertenkonferenz ist für nächsten Freitag erneut zu fammenberufen worden, um die endgültigen Entschlüsse zu faffen. In Regierungstreifen wird am Sonnabend abend mit Bestimmtheit angenommen, daß mit dem Beschluß der Delegierten versammlung vom Sonnabend die Beendigung des Kampfes im Rohlenbergbau unmittelbar bevorsteht. Jedoch wird in den Kreisen der Bergarbeiterdelegierten, angesichts der

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Erinnerung an einen guten Schulmeister. andere natur. Ein schlichtes, schwaches, überzartes B.", und

Bon Kurt Offenburg.

Es ist Nacht. Ich fize an der Arbeit in einer jener Ber­

zweiflungen, da es plöglich scheint, daß die Vorstellungskraft ver­trocknet, als ob jedes Wort, das man wägt, abgerissen und ohne Leben sei. Unruhig und in bösartiger Leere wandere ich in meinem Bimmer auf und ab; reiße alte Bücher aus den Regalen, schmötere hier und dort und finde nicht den Klang, nicht das Wort, das mich zufrieden macht. Da fällt unversehens aus den dreifach hinter einander gestapelten Reihen ein blaugebundenes, staubiges Heft in meine Hände. Auf dem weißen Schildchen, das mit spießig ele­ganten Rotofolinien umziert ist, steht:" Deutsche Schul. auffäße" von Hans Müller U. II." Ich spüre Herzklopfen, wie ich das alte, blaue Heft in den Händen halte und die Aufschrift sehe, die findisch- hilflos und mannhaft- aufbegehrend und ängstlich- gehemmt und schweifend ist wie die Phantasie eines jeden Jungen. Ich empfinde dasselbe Herzklopfen wie damals, wenn ich vor diesem Heft saß und die Phrafen suchte, die mir des Themas- Die fittliche Idee in Körners Briny"- würdig schienen. War es nicht, als ob diese feiſte Ueberschrift die Welt leer machte, die doch sonst überfloß von Fragen, und zur Antwort lockte..

Bier Stunden dauerte immer die Qual! Und während man Figuren auf das Löschblatt malte und die Gedanken sinnlos schweiften, dachte man, daß man niemals die Pforte fände, um in dieses Dickicht von fremdartigen und uninteressanten Redensarten einzubringen. Es war auch peinlich für einen jungen Menschen und schamlos, diese schwulstigen Lügen wiederzufäuen, die der Mann auf dem Ratheder verlangte und erwartete.

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Traurig lächele ich über die unbeholfenen und trockenen Sätze, die in letzter Verzweiflung gegen das Ende der zugemessenen Zeit fabriziert und niedergeschrieben wurden; lächle über die roten Striche am Rand die wie blutrünstige Soldaten die Schwächen im schwarzgeschriebenen Tert erspäht hatten und über die Noten und über, die Lehrersignatur am Ende der Aufsätze. Ich sehe die Unterschrift, das gewichtige Signet Dr. M. M.", dieses fleinen und aufgeblasenen Herrchens. Breit und paßig, wichtig tuerisch und streberisch, wie die Buchstaben, war der ganze Bursche. Sein völliges Unverständnis für die Wesensart erwachsener Knaben hinderte nicht, daß er schnell Karriere machte. Er kommandierte die deutsche Literatur, stellte sie in Reih und Glied und rodete aus, was nicht geleckt und falt war wie fein hartes Gesicht mit dem' stach­lich aufgedrehten Schnurrbart.

Aber was ist die vielbeklagte Macht des Lehrers gegen die Kräfte des Daseins, die den Knaben zum Mann entfalten? Wie anders klingen die Arbeiten nach dieser Zeit! Wie wußte man auf einmal und über die Schulmeister hinaus, daß alle Dinge der Welt auf unsere Erkenntnis warten, sich auf uns und unsere Gedanken beziehen!

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Als einziger Redner zu diesem Punkte und als Bericht erstatter sprach der Genoffe Landsberg  . Als solcher wies er die Angriffe, die der Kommunist Rosenberg in einer frü­heren Debatte gegen das Reichsgericht erhoben hatte, zurück. Das war sehr notwendig, denn Rosenberg hatte die taktische Ungeschicklichkeit begangen, das Reichsgericht als ein des Ber­trauens unwürdiges Gericht hinzustellen, dem die Abgeord­neten nicht ausgeliefert werden dürften. Auf dieser Grund­lage war nicht weiter zu kommen, denn nie hätte sich eine Mehrheit gefunden, die mit ihrem Einstellungsbeschluß zu­gleich dem Reichsgericht ihr Mißtrauen ausgedrückt hätte. Die Kommunisten, die genau wußten, was da vor sich ging, hörten die Ehrenrettung des Reichsgerichts ohne einen Laut des Proteftes an. Reiner von ihnen meldete sich zum Wort.

Die Rote Fahne  " hatte gestern angefündigt, die Kom­munisten würden im Reichstag bei ihrem ursprünglichen An­trag, der überhaupt die Einstellung fordert, beharren. Das ist nicht geschehen. Infolge eines Versehens des Bizepräsi denten Rieß er, das zu bemängeln die Kommunisten sich hüteten, kam der kommunistische Antrag überhaupt nicht zur Abstimmung, sondern nur der Kompromißantrag. Für diesen timmten dann Sozialdemokraten, Demokraten, Bentrum und Kommunisten!

3weifellos haben die Kommunisten im zweiten Fall ein durchaus prattisches Verhalten an den Tag gelegt, wäh­rend sie im ersten die gerade entgegengesezte Haltung, eine ganz unsinnige, einnahmen.

Diesen offenkundigen Widerspruch werden sie durch keine Kunst der Berdrehung aus der Welt schaffen können. Brächten sie dort, wo es um Arbeiterinteressen geht, dasselbe Verständnis auf wie dort, wo es sich um ihren eigenen werten Kragen handelt, dann wäre ihr Geschrei über den sogenannten Arbeiterverrat der SPD  ." mit einem Schlag zu Ende!

stande sein, selber fünstlerisch, schöpferisch tätig zu werden und uns,

Und siehe! die letzten Aufsätze dieses Heftes zeigen eine| Seele des Kunstwertes einzudringen. Dann werden wir auch im­die Striche am Rand erscheinen leise und behutsam. Er hat nie erfahren, der schwerfällige und scheu feinfühlige Riese, wieviel Gutes er an uns getan hat. Nichts Eingreifendes, nichts Reformistisches, nur, daß er uns aus tiefem menschlichen Taft in Ruhe unserem Wachstum überlassen, die Schulaufgaben als eine unerläßliche Notwendigkeit betrachtet hat. Aber stets so, daß die Geistesarbeit nicht wie Moloch unheildrohend über uns stand. Schlicht und ganz ohne Eitelkeit war er, und die Streber, die er mit tomischer Gelassenheit durchschaute, bekamen seine Berachtung zu spüren. Das Steckenpferd eines jeden Jungen hatte Berechtigung vor diesem langmütigen und überlegenen Melancholiker.

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Ich blättere weiter: wie die letzten Auffäße mit ihren fach­lichen und lebendigen Themen immer umfangreicher werden, ge­schrieben mit eiliger Schrift, als ob ich nicht enden tönnte, all das zu sagen, was eine vornehme Seele uns an Welt und Geist erschloß. Und wie ich jetzt fast zwei Jahrzehnte später in meinem Arbeitszimmer stand, mitten in der Nacht, die sich schon zum Morgen wölbte, das blaugedeckelte Heft in Händen hielt und spielerisch wog, da wurde mir flar: diefer gute Schulmeister schlug die Brücke, die aus der engen Kleinbürgerstadt hinausführte in die Sphäre jenen Geistes, der über Zeiten und Länder hinweg in ewiger Bindung schwebt. Und wie wenn der kleine Buchstabe des Signets mir einen Hauch der Kraft gegeben hätte, die von dem schüchternen und starken Menschen ausströmte, setzte ich mich nun freudig an die unendliche Arbeit, die nichtig wie ein Windhauch und mir doch notwendiger und fördernder ist als alle leichten Freuden des Daseins.

Kunst und Alltag. Ein Festabend, dem das Thema ,, Kunst und All tag" Inhalt gab, einte die Hörer der Freien Sozialistischen Hochschule im Festsaal des Preußischen Landtages  . Das Referat hielt Genosse Prof. Kestenberg. Er wies darauf hin, daß die meisten Menschen einen Abstand zwischen Kunst und Leben kon­struiren, weil sie das Kunstwert falsch deuten. Es ist keine Schöp­fung, die jenseits des Lebens steht, sondern sie ist zutiefft in ihm ver­wurzelt. Der Künstler spricht in seinem Werke nur sein menschliches unser Bruder ist, dessen Empfindungen und Gefühle auch die unseren Schicksal aus, das Schicksal eines Menschen, der uns zugehört, der sind. Die Eindrücke, die das Leben ihm gab, finden Ausdruck in seinem Werte. Doch wir alle find den Eindrücken des Lebens aus­gesetzt, und wir alle segen fie bewußt oder unbewußt in Lebens­äußerungen um: bereits das fleine Kind in Rundgebungen der Luft oder der Unluft, und auch jeder Grwachsene in Gesten, Mimik und Gang. Wenn wir das richtig erfassen, wenn wir begreifen, daß Denken, Wollen und Handeln in uns allen lebt, und daß jedes schöpferische Werk aus einer dieser drei Quellen entspringt, so haben wir die Verbindung zwischen uns, zwischen dem Alltag und der Kunst gefunden. Das Kunstwert liegt nicht mehr außerhalb unserer Welt, sondern wir sind imstande, die Wege, die der Künstler ging, zurückzuwandern und jenseits des rein ästhetischen Genusses in die

wie einst der Patrizierstand, die Kirche, uns unsere Kunst als Aus­druck unferes Geistes zu schaffen. Wenn wir naiver wieder dem Leben und Erleben und damit auch der Kunst gegenüberstehen, so wird für uns der Verschmelzung von Kunst und Leben der Weg gebahnt sein, zu dem mir jetzt erst die ersten Anfänge sehen. Prof. Restenberg wies dann auf die Scheu hin, die heutzutage vor der Form besteht. Er zeigte am einfachen Liedsaß, wie ihn auch Schubert in seinem Wiegenlied" verwandte, mit wie geringen Mit­teln der Künstler oft auskommt. Andere Lieder von Schubert und Brahms   folgten, von Frau Schäffer Kuznity gesungen und jedesmal in furzen Worten ihrem fünstlerischen und menschlichen Inhalt nach von Prof. Kestenberg   erläutert.

Tes.

Die neuen Dichterakademiker. In der von uns gestern ver­öffentlichten amtlichen Liste der auswärtigen Mitglieder der Sektion für Dichtkunst in der preußischen Akademie fehlen merkwürdiger­weise drei Namen, die hiermit nachgeholt werden: Wilhelm Schaefer, René Schickele  , Wilhelm Schmidtbonn  . Amtlich wird weiter mitgeteilt: Hermann Sudermann   hat die auf ihn gefallene Wahl nicht angenommen. Er fühlt sich zu­rückgesetzt, weil er sich nicht unter den zuerst von dem Minister berufenen Dichtern befand, worauf er eine gewisse Anwartschaft zu haben glaubte, da er zu den 1919 geführten Borverhandlungen über die Gründung der neuen Sektion als Berater zugezogen war. Abgelehnt hat die Annahme der Wahl Rainer Maria Rilke  , weil er grundsäglich keine Auszeichnungen annimmt. Hugo v. Hof­ mannsthal   hat durch ein kurzes Telegramm ohne Angabe von Gründen abgesagt.

Die jetzt bestätigten, von den ersten Mitgliedern vorgenommenen Wahlen erheben nicht den Anspruch darauf, schon jetzt alle in Be­tracht kommenden Namen in der Sektion für Dichtkunst zu ver einigen. Zuwahlen bleiben der ergänzten Seftion überlassen. Dieser bleibt auch anheimgestellt, bedeutende Dichter fremder Sprache hinzuzuwählen.

Der blinde Dichter Ostar Baum aus Prag  , der Verfasser des bier ab­gedrudten Romans Der Weg des blinden Bruno", lieft am Dienstag 8 Uhr in der Kunstausstellung Der Sturm" aus eigenen Dichtungen. Friedrich Moeft liest Mittwoch( Bußtag), 8 Uhr, Fasanenstr. 38, Novellen von Laurids Bruun  , George Moore  , Albrecht Schaeffer  .

über wie Erfinder zu Grunde gingen" im Realgymnaſium Freie Hochschule. Am 15., 8 Uhr abends, spricht Ing. H. Bolta Dorotheenstr. 12. Gäste willkommen.

Die

Bußtagstonzerte. Der Suban- Rofalen- Chor fingt im Theater Brudner- Bereinigung gibt abends 7, Uhr in der Hochschule für im Admiralspalast   nachmittags 3, Uhr und abends 8 Uhr. Mufit das 2. Abonnementstonzert mit dem Akademischen Orchester. Ausstellung der Reichsbanknoten- Entwürfe. Die zum Reichsbanknoten­weltbewerb eingereichten Entwürfe sind, sowelt fie nicht bereits zurüd gefordert worden find, in der Zeit vom 15. bis 30. November in der Staat­lichen Kunstbliothek, Prinz- Albrecht- Str. 7a, wochentäglich von 10-10 ausgestellt.

Wilhelm Braune  , ein bekannter Germanist, ist im 77. Lebensjahre in geibelberg gestorben.