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Nr. 58743. Jahrg. Ausgabe A nr. 299

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Dienstag, den 14. Dezember 1926

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Willkommengruß für Stresemann. Das Wunderland des Kapitals.

Schlange- Schöningen schießt mit Sowjetgranaten.

Herr Scholz hat die Parole des Bürgerblocks von mich in den Bestrebungen für die Führung der deutschen   Außen­neuem in die politische Diskussion geworfen. Herr Schlange- politik im Sinne der Verständigung und des Friedens feitens der Schöningen  , der deutschnationale Reichstagsabgeordnete, ant preußischen Staatsregierung unter Ihrer Leitung stets zu erfreuen mortet mit einem Programm des Bürgerblods. Er hat auf hatte." der Tagung des Landesverbandes Mittelschlesien der Deutsch  - Das sieht nicht nach Scheidung der Geister aus. Herr nationalen Volkspartei den Ball aufgenommen, den Herr Schlange- Schöningen   ist in Wahrheit deutlicher geworden. Scholz den Deutschnationalen zugeworfen hat. Er hat nach der Telegraphen- Union folgende Säße gesprochen, Die Rede des Herrn Scholz hat die sozialreaktionären die man in der Deutschen Tageszeitung" und in der Kreuz­Zendenzen in der Volkspartei ins rechte Licht gerückt. Sein Zeitung" nicht lieft: Programm ist: fein Achtstundentag, Abbau der Sozialpolitik, feine Republifanisierung der Reichswehr  . In diesen Punkten begegnet er sich mit den Deutschnationalen. Herr Schlange Schöningen aber wird noch deutlicher.

Sein erster Programmpunkt für den Bürgerblod lautet: Die Führung gehört den Deutschnationalen: ,, Wir lehnen mit aller Bestimmtheit ab, von Gnaden irgendeiner Partei in die Regierung zu kommen; noch viel weniger gehen wir unter ein faudinisches Joch. Wir tönnen den Zeitpunkt ab­warten, wo das Schwergewicht der politischen Not­wendigkeiten stärter ist als alle Empfindlichkeiten und parla­mentarischen Streitereien."

Diese Notwendigkeiten sieht Herr Schlange- Schö ningen vor allem in der Außenpolitik heranwachsen. Nach einem Bericht der Deutschen Tageszeitung" und der Kreuz- Zeitung  " führte er aus:

Wo liegen diese Notwendigkeiten? Außenpolitisch darin, daß auf die Dauer tein Außenminister erfolgreiche Polifit treiben fann mit der Sozialdemokratie, die ihm durch Denunziationen in den Rüden fällt und von vornherein die Bereitschaft Deutschlands   zu jeder Nachgiebigkeit offen deflariert... Kann man ernsthaft an den guten Willen Frankreichs   glauben, wenn so

entscheidender Wert auf den Abbau der Festung Königsberg gelegt wird, die doch allenfalls eine Frage der deutschen   Sicherheit ist? Eigener Selbstbehauptungswille oder weiterhin aufgezwungener Feindeswillebaran beginnen sich heute, wie mir scheint, gerade nach jenem angeführten Zentrumsausfpruch mehr denn je Die Geister gegenüber der Sozialdemokratie zu

scheiden."

Diese Stelle offenbart Mißvergnügen mit der bisherigen Außenpolitik, die Absicht, die außenpolitische Linie zu ver­schieben- aber für beweisfräftig für die Notwendigkeit des Bürgerblodes wird sie niemand ansehen. In der Außenpolitik beginnen sich die Geister von der Sozialdemokratie zu scheiden? Nun, gestern hat Herr Stresemann   auf das Glückwunschtelegramm des preußischen Ministerpräsidenten, des Sozialdemokraten Otto Braun  , geantwortet: Lassen Sie mich damit zugleich den Dant verbinden für die fo wertvolle und tatkräftige Unterstügung, deren ich

Das Arbeitsgerichtsgeseh angenommen. In dritter Lesung. Der Reichstag   hat gestern das Arbeitsgerichtsgefeh in zweiter und drifter Lefung angenommen. Die Annahme in dritter Lesung erfolgte mit 211 gegen 140 Stimmen bei 7 Enthaltungen.

Gegen das Gesetz stimmten mit den Deutschnationalen, der Wirtschaftlichen   Bereinigung und den Mittel­standsvertretern auch die kommunisten. Würden die Gegner des Gesetzes eine Mehrheit erhalten haben, so hätte dies das Ende des Arbeitsgerichtswesens und die Angliederung der Ge­verbe- und Kaufmannsgerichte an die ordentlichen Gerichtet bedeutet. ( Bericht fiehe 3. Seite.)

Besprechungen über die Reichswehr  . Rückwirkungen auf die innerpolitische Lage! Das Nachrichtenbureau des Vereins Deutscher Zeitungsverleger meldet:

Im Reichstag   fanden am Montag nachmittag mehrere Stunden hindurch Verhandlungen des Reichstanzlers mit den Führern der Regierungsparteien über die augenblickliche politische Lage statt. An der Besprechung nahmen auch der Chef der Heeres leitung, General Heye und Admiral 3 enter teil, denn es handelte sich im wesentlichen um eine Aussprache über die Reichswehr­angelegenheiten. Die gegenwärtige inner politische Situa tion wird gerade durch die Erörterungen über die Reichswehr   ver schärft, aber es gingen im Reichstag   Gerüchte um, daß nach der Möglichkeit gesucht werde, die bei der dritten Lesung des Nachtrags­etats in Aussicht genommene große politische Aussprache über die Innen- und Außenpolitik zu verschieben, ein Moment dafür, es in diesen Tagen nicht zu einer Regierungstrife fommen zu laffen, liegt darin, daß der Reihsaußenminister von Genf   mit einem beachtenswerten Erfolg zurückkehrt. Es wird daber auf der

,, Der Redner betonte die Bereitschaft der Deutschnationalen Volkspartei   zum Eintritt in die Regierung und wandte sich gegen die Außenpolitik Dr. Stresemanns. Die Genfer  Beratungen zeigten, daß Briand   und Poincaré   die alte Politik gegen uns verfolgten. Deutschland   hätte bisher immer nur Opfer gebracht, ohne pon der Gegenseite irgendwelche Zugeständnisse zu erhalten.

Der Eintritt in den Bölferbund habe uns die Hände gefesselt. Nicht nach dem Westen, sondern nach dem Often hätten wir uns orientieren müssen. Der Kampf um den Rhein   könne erft dann für uns günftig entschieden werden, wenn der Kampf um die Weichfel zu Ende sei.

Der Redner wandte sich scharf gegen die polnischen lebergriffe. Bir müßten endlich einmal sagen: Bis hierher und nicht weiter!"

Hier tritt flar hervor, welche außenpolitische Linie die Deutschnationalen im Bürgerblod bestimmen wollen: Abkehr von der Politik der Verständigung und des Friedens, von Locarno   und Thoiry. Ein angenehmer Willkommengruß für Herrn Stresemann von der Partei, der sein Parteifreund Scholz eben erst eine Liebeserklärung gemacht hat!

Es ist verständlich, daß diese Worte in der Berliner  Deutschnationalen Breffe unangenehm berührt haben, nach dem man sich der Regierung wieder einmal näher fühlte. Aber sie sind gefallen. Herr Stresemann steht bei seiner Rück­fehr vor folgender Situation: sein Parteifreund Scholz hat die Sozialdemokratie, auf deren Unterstützung seine Außen politik beruhte, provoziert um des Bürgerblocks willen. Herr seiner Partei in folgenden Thefen: Orientierung nach Rußland Schlange Schöningen umreißt die außenpolitische Linie -die Befreiung des Rheinlandes wird durch den Kampfum die Weichsel   entschieden. Zwischen diesen Thefen und der bisherigen deutschen   Außenpolitik gibt es feine Berständigung. Hier sind unüberbrüdbare Gegenfäße.

Eine Regierung, die sich auf die offene oder versteckte Bundesgenossenschaft der Deutschnationalen, der Partei solcher Anschauungen, stützen wollte, kann die bisherige Außenpolitik nicht weiter führen. Um so notwendiger ist, daß schnellstens Klarheit über die Regierungsfrage geschaffen wird.

anderen Seite lediglich als eine Kombination bezeichnet, daß man die politische Aussprache zu verschieben versucht.

Die dritte Lesung des Nachtragsetats wird sicherlich vor der Weihnachtspause stattfinden müssen, und es läßt sich natürlich nicht verhindern, daß dabei die großen politischen Momente zur Aus­Sprache gebracht werden. Aber es liegt doch nicht außer dem Bereiche der Möglichkeit, daß man eine auf eine Regierungstrife zu gefpigte Aussprache noch umgehen wird. Es bliebe auch die Mög­lichkeit, zwar eine Aussprache zu führen, aber die 2 b st i m mungen, Abstimmungen, die für den Bestand der Regierung entscheidend sein können, bis nach der Weihnachtspause zu vertagen. Die fozialdemokratische Fraktion besteht, wie wir hören, darauf, daß die Entschei dung noch vor der Weihnachtspause fällt, und da die Zeit in dieser Woche sehr gedrängt ist, rechnet man in parlamentarischen Kreisen zum Teil schon damit, daß der Reichstag   noch bis in die nächste Woche zusammengehalten werden muß. Für den Mittwoch vormittag ist eine neue Sigung des Aeltestenrats vorgesehen, in der die endgültigen Dispofitionen getroffen werden sollen. Ueber den Inhalt der heutigen Besprechungen beim Reichskanzler wird volle Bertraulichkeit gewahrt."

Es handelt sich bei diesen Meldungen lediglich um Vermutungen, die einen Schluß auf den Gang der Ereignisse nicht zulassen.

Dänemarks   neue Regierung. Minderheitskabinett mit konservativer Unter­stützung.

Kopenhagen  , 13. Dezember.  ( Eigener Drahtbericht.) Am Mon­tag ist nach langwierigen Verhandlungen die Bildung der neuen Regierung zustandegekommen. Das Amt des Staatsministers ( Ministerpräsident) hat Madsen- Mygdal   übernommen, der bereits von 1920 bis 1924 Mitglied der Regierung Neergaard war. Außenminister ist der bisherige dänische Delegierte beim Bölfer. bund Dr. Moltelen. Die neue Regierung ist eine minder heitsregierung, die sich nur mit Hilfe der Konservativen be haupten tann,

Eindrücke einer Amerikareise.

Bon Tony Sender  .

Fast wie ein wirtschaftliches Märchen erscheint dem euro­ päischen  

Leser die Neue Welt Besonders der deutsche Bücher­markt wurde in den letzten Jahren überschüttet mit Berichten reisenden kehrten zurück voll des Staunens über den giganti­aus diesem industriellen Wunderland. Auch unsere Amerika­reichen Gesellschaft. Selbstverständlich aber tam da, solchen Er schen Wirtschaftsaufbau, die Atmosphäre einer großzügigen, zählungen lauschend, besonders dem deutschen   Arbeiter der Ge­dante: Wie ist in dem Lande so hochentwidelter tapitalistischer Wirtschaft die Lage der Arbeiterschaft, wie stark und einfluß­schöpfte fich die Antwort der Ozeanfahrer in der knappen, reich ist die Arbeiterbewegung? Und gar oft er etwas herablaffend flingenden Bemerkung: Eine sozialistische Bewegung ist drüben so gut wie nicht vorhanden, es ist niederdrüdend, daß dort einer überaus mächtigen fapita­fistischen Welt teine eigene Gedankenwelt des Proletariats gegenübersteht."

Ich war drei Monate drüben, habe in vierzig Ber­fammlungen in zahlreichen Städten referiert, habe die großen Betriebe besichtigt, Universitäten mit ihren Internaten aufgesucht, habe aber vor allen Dingen überall auch persön= liche Fühlung mit Arbeitern befommen unb fane die Summe all dieser bunten Eindrücke nur dahin ziehen, das nach dem ersten überwältigenden Eindruck diese wirtschaftliche Wunderwelt sich sehr natürlich erklären läßt und daß der Zustand der Arbeiterbewegung feineswegs zu entmutigen

braucht.

Gerade für den Sozialisten, der sich ein Urteil gestattet, sollte es selbstverständlich sein, die historische und ökonomische Entwicklung erst zu studieren, um von dort aus auch Ber­ständnis für die sozialen Bedingungen abzuleiten, nicht aber aus einem vom momentanen Eindruck geborenen Gefühl der unbefriedigung über den Entwicklungsgrad der Bewegung ein Urteil zu fällen.

Nordamerika  , ein Staat, der fast einen Rontinent umfaßt, und Bodenverhältnisse enthaltend, weist einen ungeheuren an zwei Weltmeeren gelegen, die verschiedensten klimatischen Reichtum an Naturschäzen aller Art auf, deren Ausbeutung im Vergleich zur europäischen   Geschichte noch ver­feinerlei wirtschaftlichen oder nationalen Mauern getrenntes hältnismäßig jung ist; es stellt ein großes geschlossenes, von Wirtschaftsgebiet dar. Dabei ist es mit seinen nur rund 120 Millionen Einwohnern relativ dünn bevölkert. Vergesse den Einwanderern der letzten zwei Jahrhunderte entstand man auch nicht, daß das amerikanische   Bolf hauptsächlich aus und unter diesen sich nicht etwa nur wirtschaftlich und mora­lisch gescheiterte Existenzen befanden, sondern auch abenteuer­und unternehmungsfrohe Menschen, die mit Kühnheit sich emporzuarbeiten verstanden. Vergleicht man unseren alien Kontinent mit dem neuen, so ist es nicht schwer, die Ueber­legenheit des legteren zu erkennen: Reich, dünn bevölkert, großer leistungsfähiger eigener Markt, durch seine geogra­phische Lage besonders begünstigt. Hinzu kam, daß die Ver­ einigten Staaten   die Geschichte der letzten zwölf Jahre gang besonders zu ihren Gunsten zu nußen verstanden. Während die europäischen   Industriemächte im Weltkrieg sich selbst den schwersten wirtschaftlichen Schlag zufügten, hat Amerika   in derselben Zeit einen selbst für dortige Begriffe ungeheuren Aufschwung genommen. Die Bereinigten Staaten sind wohl die einzige Macht, die als tatsächlicher Kriegs­gewinner anzusprechen ist. So nimmt Amerita eme pri­vilegierte Stellung im Reigen der Großmächte ein. Seine Brofperität ist nun schon von langer Dauer, abgesehen von einer vorübergehender Minderung im Jahre 1920/21 hält sie schon nahezu ein Jahrzehnt an.

Und nun das Wichtigste: die Arbeiterschaft des Landes darf sich als Mitgenießer der Prosperität, der privilegierten Stellung des Landes fühlen. Sie hat ihre Einkommensverhältnisse dauernd verbessert, ihre materielle Lage ist derjenigen der europäischen   Arbeiterschaft weit über­legen, selbst unter Berücksichtigung der teureren Mieten und höheren Lebenshaltungskosten ist ihre durchschnittliche Kauf­raft doch mindestens doppelt so groß wie die der europäischen   Kollegen. Ist es da verwunderlich, daß in weiten Arbeiterfreisen eine ähnliche Denkweise entstand, wie sie das englische Proletariat noch bis tief in das neun­zehnte Jahrhundert hinein beherrschte? Viele der amerika­ nischen   Arbeiter glauben, daß es ihr Interesse sei, die der­zeitige Borzugsstellung ihres Landes gemeinsam mit dem Unternehmer zu erhalten und damit nicht nur der eigenen materiell günstigeren Lebenslage Dauer zu verleihen, sondern selbst auch den Aufstieg in gehobene und selbständige Lebens­stellung zu vollziehen. Denn diese Hoffnung auf den Aufstieg vom völlig besiglofen Proletarier zum Dollarfönig ist noch fehr lebendig, wenn sie auch immer feltener wird; sind doch noch zu viel lebende Beugen falchen glücklichen Erfolges var handen. Und während der erste Präsident der deutschen   Re­publit seinen früheren Sattlerberuf als Schmähung vorge