Einzelbild herunterladen
 

Sonntag

16. Januar 1927

Alus der Film- Welt

Die Filme der Woche.

-

Metropolis."

( Ufa- Palast am 300.)

Ein imponierender Triumph aller Filmtechniken, ein bemun dernswertes Werf des Fleißes und der Hingabe, aber ein Ber­fagen im Geistigen das ist das Endergebnis diefes vielum­ftrittenen Filmes. Es erhebt sich sogleich die Frage: Soll der Film überhaupt an die Lösung tomplizierter Probleme herangehen oder fich nur an das halten, was leicht in eine Bilderfolge zu übersezen ist und damit allen höheren Aufgaben aus dem Wege gehen? Es ift die Klage aller großen Regiffeure, daß fie für ihre Kunft, die ja technisch alles leisten fann, und für ihre Begabung, die sich oft Friz Lang, der Regisseur des Müden Todes", bes Dr. Mabuse" und der Nibelungen" hatte die größten Hoffnungen erweckt auf Metropolis  ", über die seit anderthalb Jahren die seltsamsten Ge­rüchte sich verbreitet hatten. Aber er ist schließlich auch am Manu stript gescheitert; denn diese Zukunftsphantafie aus dem Jahre 2000 der Thea v. Harbou ist nicht die Vorlage, die diesem ungeheuren Aufwand an Kräften und Mitteln entspricht. Diese utopische Zu­funftsperspektive greift zu Lösungen, die in den Anfängen einer fozialen Dichtung zulässig sein mochten, aber heute als romanhaft naio anmuten. Die Verfasserin spielt mit Kontrasten, die ins Un­geheure gesteigert sind. Auf der einen Seite steht der Beherrscher und Schöpfer der ungeheuren Industriestadt Metropolis  , auf der anderen die ungeheure Schar zu reinen Sklaven degenerierten Ar­beiter, die schon fast zu Automaten geworden sind, jedes eigenen Millens beraubt. Die Oberstadt ist ein gigantisches, in die Wollen ragendes Ungeheuer, in dem die Maschinentechnik zum vollen Siege geführt ist. Im Mittelpunkt der Anlage steht ein neuer Turm zu Babel, von dem aus das Riesenwert geleitet wird. Lief unten in der Unterstadt haust das Volk der Fronfnechte. Ihr einziger Trost ift die jugendliche Maria, die ihnen in den Zusammenfünften in unterirdischen Katakomben als Retter einen Mittler zwischen Hirn und Hand verkündet. Dieser Mittler ist der verwöhnte Sohn des Fabrifgewaltigen, der eines Tages entbedt, in welcher Welt er lebt und aus Liebe zu Maria bie Erlöserrolle übernimmt. Der Bater will gegen den Sohn die Erfindung eines Uebererfinders aus­spielen, der einen tünstlichen Menschen schaffen will, durch den die Arbeiterfrage ein für allemal gelöst werden soll. Aber dieser Er­finder, verrüdt geworden durch den Raub seiner Frau, den der Fabrifgewaltige in ihm begangen hat, erfinnt eine teufliche Rache. Er schafft eine fünftliche Doppelgängerin der Maria, die ganz Me­ tropolis   umstürzen soll. Sie entflammt die Arbeiter zur Zerstörung der Maschinen und wird schließlich von ihnen als Here verbrannt, als fie ihr Gaufelspiel erkannt haben. Die wirkliche Maria hat indes mit dem Mittler die Tausende von Arbeitertindern aus der Unterstadt gerettet, die durch den Wassereinbruch dem Tode preis. gegeben zu fein schienen. Es folgt ein Rampf auf Leben und Tod zwischen dem Mittler und dem Erfinder und schließlich die Ter föhnung zwischen Arbeit und Rapital durch den Miuler und feine Liebe.

Ueber diesen Tert läßt Friz Lang seine virtuosen Filmtünste spielen. Ungeheures ist aufgeboten an Filmarbeit jeder Art. Mir mollen hier nicht die Statistit des Wertes ausschreiben und müssen auch darauf verzichten, alle die merivollen Mitarbeiter an dem Rol leftiomert aufzuführen. Nur die bewundernswürdige Leistung der Ramerabeherrscher Karl Freund   und Günther Rittau   soll ge bührend hervorgehoben werden. In der Regie von Lang muß man unterscheiden die Verwendung von Maffen, die sich in den längst erprobten Bahnen bewegt, aber hierin immer noch Steige­rungen erzielt, und die Uebersehung der phantasiereichen Clemente. Seine Zukunftsstadt, in der zwischen den himmelhohen Wolken­fragern Brüden schmeben, Luftschiffe und Flugzeuge als alltägliche Berfehrsmittel perfehren, ist eine fühne Schöpfung. Weniger ge­Lungen scheint seine Maschinenwelt, die zmar sehr effektvoll wirft, aber nur in der Anhäufung von heute bereits zum Teil überwun­dener Elemente besteht. Auch die Erzeugung des fünstlichen Menschen ist mehr ein Augenblendwert Doll großen malerischen Reizes. Biele der staunenerregenden Effette sind der Schüftan­Technik zu verbanten, die es erlaubt, große Bauten durch Trids zu ersehen. Während das Borspiel und der erste Att viel zu lang ausgesponnen sind, ist der Schlußteil wirklich auf ein furioses Tempo gestellt. Hier hat der Regisseur sein bestes geleistet. Die Explosion der Werke, die Wetterfatastrophe, der Aufruhr der Arbeiter, die .Rettung der Kinder, find bisher taum erreichte Höhepunkte rein filmischer Darstellung. Der Bogtampf zwischen Erfinder und Mittler und die Zirkusfünfte auf dem Dach des Dems scheinen uns dagegen Zugeständnisse an amerikanischen Geschmad, die wir gut missen fönnten. Die Personen sind größtenteils Symbole, Repräsentanten Don Klassen und Typen. Durch eifige Rälte und tonzentrierte Energie zeichnet Alfred Abel   den Unternehmer, gespenstisch und in den Gebärden vielfach übertrieben ist der Erfinder Rudolf Klein Rogges. Gustav Fröhlich   vermag aus dem Mittler auch nicht mehr zu machen, als mas er in Wirklichkeit ist, ein hübscher, seidenweicher Junge. Eine fich einprägende Gestalt schuf Heinrich George   in dem robusten treuen Wächter der Haupt­maschine. Für die schwierige Rolle der Maria in ihrer Doppel­prägung hatte man das Wagnis einer bisher unerprobten Dar­stellerin unternommen. Es bewährte sich. Denn die jugendliche Bri­ gitte Helm   gab ihr sowohl die Anmut und das Bisionäre, wie auch das Dämonische der Verführerin. Gegenüber den sich überbieten­den Sensationen und dem rasenden Tempo des Schlußattes tam bie Mufit von Gottfried Supper glücklicherweise nicht auf, denn fonst wäre das Infernale unerträglich geworden. D.

Zirkustenfel". ( Tauenhien- Palaft.)

Dem Regisseur Benjamin Christensen   schwebten offenbar munderbare Bilder vor Augen, als er sich hinfeßte und sein Film manuskript schrieb. So entstand ein Film, getragen von fein durch­dachter Regie, aber voll unschön tnalliger Handlungen. Hinter einem Taschendieb schließen sich die Tore der Strafanstalt, er tritt

B. Z.   a. M. 14. 1. 1927:

von allerhöchstem, lustigstem Reiz, präzis, spielig, mit größter künstlerischer Intensität gestaltet.

Berl. 12- Uhr- Mittag- Ztg. 14. 1. 1927:

bricht sieghaft Lubitsch   überragende

Ein­

Bellage

des Vorwärts

Die Sporckschen Jäger."

( Phöbus- Palast.)

ins Freie. Zur selben Zeit fommt ein junges Mädchen in die Groß­Stadt. Der Verbrecher und das junge Ding lernen sich durch Zufall fennen. Der Jüngling ist ted; doch entwaffnet Marys Unschuld ihn, und es entspinnt sich ein zartes Liebesverhältnis. Norma Shearer   spielt dieses junge Mädchen so rührend bescheiden, so angstvoll und aufrichtig, daß der Erfolg dieses Unschuldsengels nicht zum üblichen amerikanischen Kitsch wird. Das junge Mädchen wird beim Zirfusballett beschäftigt. Das bunte Treiben hinter der Zelt­leinwand wird in wunderschönen Einzelheiten und in einem glän zenden Massen- Manegeschauspiel ausgemalt. Zum Zirkuspersonal gehören Nino, der Löwenbändiger, ein weibertoller Mann, und feine eifersüchtige Frau. Dieses Paar wird von John Miljan   und von Carmel Myers   verkörpert. Ihre Gesichter sind stets verzerrt, fie schneiden zentimeterlange Grimassen, und sie spielen mit einer Auf­bringlichkeit, als ob fie fich noch am Uranfang aller Filmschauspiel tunst befänden. Natürlich stellt Nino dem jungen Mädchen nach; geht, um Geld zu bekommen, auf Einbruch aus. Angefchoffen fehrt er zurüd, und eben vor Ankunft der Polizisten erklärt er Mary, daß er ein Dieb ist. Das Geständnis packt die Buschauer, da die Darsteller Mad und Norma Shearer   diese ganze Aussprache Szene für Szene so erschreckt, so verzweifelt, so lebenswahr gestalten. Carl wandert in die Grafanstalt und Mary geht mit dem Zirkus auf Reisen. Brachtvoll schildert der Regisseur dieses Aufbrechen in tiefer Nacht. Mary wird eine berühmte Luftturnerin, fie arbeitet als ganz große Nummer über Ninos offenem Löwentäfig. Die eifersüchtige Frau bringt das Halteseil in Unordnung. Mary stürzt ab und wird beinahe von einem Löwen   umgebracht. Sie ist Krüppellingen, etwa der masurische Wald in Abendnebeln mit weichen, ver geworden, verkauft Hampelmänner. Carl, der jetzt die Schuh­macherei betreibt, findet Mary wieder. Nino ist erblindet, feine Frau, die fünf Jahre Gefängnis verbüßt hat, lebt im tiefsten Elend. Unterm Weihnachtsbaum finfen sich Mary und Carl beglückt in die Arme. Diefes endliche Finden gelingt dem Regisseur recht ftim mungsvoll. Benjamin Christensen   ist immer ein Künstler, ob er nun ein Luftspiel, Literatur, einen Film im wissenschaftlichen Ge­wande oder einen Kinoreißer verfilmt. Wann wird sich endlich der Rünstler finden, der ihm ein vollwertiges Drehbuch schreibt?-g.

EME

LKA

Emelka Talast

Das goldene Haus am Kurfürstendamm  

Das Ereignis von Berlin  ! Uraufführung des

75.

HARRY PIEL  Jubiläum- Films

Was

ist los

im

Zirkus

Beely

REGIE: HARRY PIEL  

Hauptrollen: Harry Piel  

Hanni Weisse Jlona  

Karolewna Fritz Greiner  Erich Kaiser- Titz  Charly Berger  Eugen Burg  Ralf Ostermann  

Anfangszeiten: 5, 715, 915

Gleich am Anfang erlebt man eine große ungetrübte Freudes darauf die dazugehörenden Soldaten. Und hoch zu Roß reitet Haupt man sieht wieder einmal marschierende Soldatenbeine und gleich mann Otto Gebühr  . Er ist so leutselig und nennt seine braven Luft, Soldat zu sein. Der Rhythmus patriotischer Herzen beschleunigt Soldaten Kinder", er singt mit ihnen, und es ist wieder einmal eine fich. Nachher wimmelt es von Offizieren, und unter ihnen vegetiert einer, der Lehmann heißt und sich auch sonst aufdringlich semitisch Militär, leise antisemitische Anspielungen und Otto Gebühr   erleben benimmt. Also die Voraussetzungen für einen Erfolg find gegeben: verbirgt sich eine Tragödie, die allerdings nicht scharf heraus immer noch eine anständige Konjunktur. Aber hinter dieser Kulisse gearbeitet worden ist. Bei dem Jägerregiment in der fleinen majurischen Stadt steht ein Leutnant Naugard, ein armer Kerl, der das Opfer einer ungezügelten Jagdleidenschaft ist. Nachts schleicht er sich in die Wälder und wildert. Aber bekanntlich geht der Krug Naugard zieht die Konsequenz und erschießt sich. Dieser psycho­nur eine gewisse Zeit zum Wasser. Man stellt den Wilderer, und logische Fall wird weder in dem Roman Stowronnets noch im jilm erschöpft. Das Drum und Dran überwiegt. Es entsteht ein Milieu­Ausgestaltung dieses Milieus legt der Regiffeur Holger film aus einer vergessenen oftpreußischen Garnison, und auf die Madsen den Hauptakzent. Wundervolle Naturaufnahmen ge­mischten Konturen, und diese Aufnahmen stehen nicht um ihrer selbst willen da, sie bilden den Schauplatz der Handlung. Echt ist das Försterhaus, sind die nüchternen Kasernenstuben, die billiger möblierten Zimemr der Offiziere, echt sind jedoch nicht immer die Schauspieler. An erster Stelle Steinrüds Oberförster, ein ge drungener Ostpreuße  , schnauzig, rauh, aufbrausend, tapsig und wuchtig wie ein Bernhardiner, aber mit meichem Herzen. Seine Tochter Grete Mosheim   ist zu feingliedrig für dieses oft­preußische Gretchen und fommt faum über eine sentimentale Salon­haltung heraus. Otto Gebühr   als verstehender Hauptmann ful­tiviert nur sein fönigliches Fridericus- Lächeln, und Pointner Derleiht feinem nach Ostpreußen   versezten Gardetüraffier die edlen Hilde Züge diefer angenehm verblödeten Menschengattung. Wangel ist ein prachtvoll naturwahres Fischweib, verschlampt, unordentlich und doch rührend als Mutter. Diese scharf umrissenen Rebenfiguren überschatten die Hauptrolle. Walter Rilla   hat gute Augenblicke. Manchmal verfügt er über ein wehes, zerfetztes Lächeln, aber die Gestalt bleibt ohne eigene Brägung. Ein psycho­logischer Film hätte entstehen fönnen, das Resultat ist jedoch nur eine glatt gearbeitete Familienangelegenheit mit stellenweise zu didem Zuckerguß. Uebrigens überraschte die junge Schauspielerin Elizza La Porta   durch ihre explosiven Gefühlsausbrüche.

So ist Paris."

( Marmorhaus.) Intereffe

F.S.

Ein neuer Lubitsch   Film erregt immer Interesse. Lus bitsch hat die leichte, elegante Art, auch aus Nichtigkeiten etwas wirklich Filmmäßiges zu machen. Er ist der Meister der Einfälle und Improvisation. Aber in der Serie seiner amerikanischen Lust­spiele spielt dieser jüngste Film feine besondere Rolle. Auch Lu bitsch schläft manchmal, und fein Manuskriptverfaffer Kräly hat fich zudem die Sache sehr leicht gemacht. Warum dieser Aller­weltsfilm, der in jeder anderen Großstadt spielen fann, ausgerechnet nach Paris   benannt ist, bleibt rätselhaft. Man fönnte auch sagen: So ist New York   oder Amerita, denn zur rechten Zeit wird immer gebremst und der holden Sittlichkeit zuliebe das angefachte Feuer porzeitig ausgeblafen. Ein Flirt über die Straße von Fenster zu Fenster zwischen zwei Ehepaaren ist der ganze Inhait. Die bürger liche Seite, ein Argtehepaar, ist kontrastiert mit dem Tänzerehepaar, dessen weibliche Hälfte sich natürlich als alte Bekanntschaft des Arztes herausstellt. Der Flirt geht hin und her, und als es zur Entscheidung fommen muß, wird ein Motiv aus der Fledermaus ein gefchoben. Der Arzt ist zu einer Gefängnisstrafe megen Automobil raferei verurteilt, geht aber in der Nacht vor Antritt der Strafe noch mit der Freundin von vis- à- vis auf den Ball. Inzwischen macht der Tänzer vergebliche Attacken bei der braveren Arztfrau, muß fich dem Polizeibeamten gegenüber als Chemann ausgeben und nun statt feiner die Haftstrafe antreten. Die Frau holt ihren total beschwipsten Gatten siegreich ins Heim zurück. Versöhnung und neugefestigtes Eheglück! Der Ball ist das große Filmereignis. Allerlei reizende Situationen werden lebendig und das Ganze in einer Art Kurzschrift von Ausschnitten, die durcheinandergewirbelt werden, gekennzeichnet. Im übrigen lebt der Film von Lubitschs Einfällen, besonders bemerkt sei der Filmmit: der überführte Che mann foll ganz flein werden, ehe ihm seine Gattin verzeiht, und das wird dann flugs im Film gezeigt. Monte Blue   ist der ge­borene Filmluftspielliebhaber. Sein Arzt ist ganz der charmante, jeder Situation gewachsene und immer siegreich lächelnde Mann. André Beranger muß dem Tänzer ganz wider Erwarten Lie Note des Schwächlings geben, der von seiner Frau erst mit Ei zur tänzerischen Leistungsfähigkeit aufgepäppelt werden muß. Die Damenrollen hätte man in Deutschland   besser befeẞzt. Die Arztfrau ift in der Darstellung Ruth Millers wirklich ziemlich unbedeu­tend, und Lilian Tashman   übertreibt im Gebrauch ihrer Sprech­werkzeuge erheblich. Um so besser ist sie dafür in den Ballszenen.

Zigeuner im Frack."

( 2. T. Kurfürstendamm.)

Das Premierenpublifum zeigte alle Merkmale der Langeweile, als es sich die Zigeuner im Frad ansah. Ein an und für sich film­gerechter Stoff ist vom Regiffeur und von den Manuskriptschreibern zu sehr gedehnt worden. Auf einem elenden Rummelplatz machen zwei Zigeuner und eine Zigeunerin, geriffene Betrüger, für ein paar Pfennige Schaulustige mit der Geisterwelt bekannt. Ein Hoch­ftapler ganz großen Formats bewundert die Tricks, bedauert aber ihre schlechte Aufmachung. Darum verbindet er sich mit den dreien,

DIE NEUESTE LUBITSCH SENSATION

Der Lustspiel- Schlager

,, 80 IST PARIS  SO

Balle, die unnachahmbar sind zückende Bier 99

Film sehenswert.

Regie: Ernst Lubitsch  

99

Der tägliche Beifallssturm im ,, Marmorhaus"

99

Beginn: 3.15, 7.15, 9.15 Uhr. Warner Bros. Produktion 1926 im Verleih- Filiale Bruckmann& Co. A.-G.