Sonntag 10. fiptil 1927
Äus öer
Die Zilme öer Woche. ,Ver General.� (Ufa-Palast am Zoo.) Auster Keaton ist der unfreiwillige Held dieser Militär- nschen Legebenheit. Das sagt bereits alles. Denn Buster Keaton ist alles andere als ein Held im gewöhnlichen Sinne des Wortes, i'nd schon die bloße Lorstellung, daß er ein« militärische Rolle spielt, muß zum Lachen reizen. Ist Buster Keaton nicht der vollendete Typus eines Verträumten, der Realität der Welt entrückten Peter Schlemils, der aber wie Hans im Glück aus den gefährlichsten Situationen heil wieder herauskommt und in seinem dunklen Drange, ohne es zu wissen und zu wollen, die Sache am richtigen Ende anpackt und gegen alle Erwartung zum guten End« führt? Dieser etwas linkische, unbebolsene, wortkarge MensH, der immer zu spät oder zu früh kommt, der mit seinen ernsten Augen hilflos in die ihm fremd« Welt schaut, müßte der geborene Pechvogel sein, und er ist es auch in ollen kleinen Dingen. Aber dann wird dieser unbrauchbare Mensch plötzlich vor große Ereignisie gestellt, und siehe, er wird ihrer spielend Herr. Aus diesem Kontrost von Erscheinung und Schicksal erwachsen natürlich die stärksten Wirkungen, die von, grotesken Ulk bis zum wunderbarsten Humor aussteigen. Buster Keaton ist diesmal in den amerikanischen Bürgerkrieg geraten. Merkwürdigerweise ist er Lokomotivführer und kann so keinerlei kriegerisch« Lorbeeren pflücken, so sehr er es seiner Braut zuliebe wünscht. Da wird ihm von den Feinden seine Lokomotive, der ..General", entführt. Ohne rechte Ueberlegung folgt er ihr auf einer anderen Lokomotive und gerät nun weit ins Feindesland hinein, führt als einzelner Krieg, übersteht die tollsten Abenteuer, weiß seine Braut mit tolpatschiger Kühnheit zu befreien, entdeckt zufällig den Kriegsplan der Gegner, kehrt mit seiner Lokomotive zu den Seinen zurück, versetzt die Gegner in die schwierigsten Situationen und wird schließlich der Urheber und glückliche Leiter einer sieg- reichen Schlacht. Man kann sich ungefähr vorstellen, welche Fülle tomischer Momente es dabei gibt. Buster Keaton hat sich nicht damit begnügt, sondern hat den militärischen Dünkel unsterblich lächerlich gemacht. Bis die hohen Herren eine einfache Situation — eine verbogene Weiche— erkennen und wieder in Ordnung bringen, sst ihr Verfolgter längst über alle Berge, hat er bereits die Brücke angezündet und alles für ihre Niederlage vorbereitet. Cigent- lich hätte er zum Schluß wieder in die Ecke gestellt werden müssen. Aber dos.gute Ende" machte es erforderlich, daß er zum Leutnant avanciert und die Braut gewinnt. Da« ganze kulturhistorische Milieu der Zeit ist mit bemerkenswerter Sicherheit getroffen. Wir sind in Wirklichkeit im Jahre 1862. Wer will, kann Modestudien machen, nicht bloß bei den zivilen und militärischen Menschen, sondern auch bei der Eisenbahn und vorzüglich der Lokomotive. D. ,die leichte Ifabell.- (Primus-Palast.) Ein junge« Mädchen mit einer Villa und einer Darsumme von hunderttausend Mark wird als Preis einer Zigarrenfabrik aus« geschrieben. Das Los befindet sich in einer Zigarre der Marke ..Die leichte Isabell". Die Idee haben Operette und Film einer be- kannten Magazinnovelle entnommen. Das Filmmanuskript hält sich an Zerletts Operettenlibretto, das den Schluß drastischer und poin- tierter gestaltet als die Novell «, in der ein harmloser Prvoinzonkel das Los gewinnt. Gegen eine Abschlagszahlung läßt er das Mädchen frei, das mit dem reichgewordenen Reklamechef der Firma nach Amerika geht. Hier im Film ist der Gewinner ein verheirateter Kellerkavalier. Die Zigarre ist auch nicht(jekaust, sondern aus dem Rinnstein gefischt. Daß der Liebhaber der lungen Dame die Zigarre dort hinwarf, ist echtes Filmschicksal, das auch später weise waltet und schließlich die beiden Liebenden zusammenführt. Der Film'in der Regie Eddy B u s s ch s erhält am Schluß Tempo, kann es sich aber nicht versagen, stellenweise ins Rührselige zu entgleisen. Man muß immer wieder zeigen, wie grundanständig Lee Parry ist. wie rührend mütterlich sie für ihre kleine Schwester sorgt, um derent- willen sie allein den Vertrag unterschrieben hat. Scheinbar kann ein deutsches Filmlustspiel ohne Zusatz von Sentimentalität nicht existieren. Davon abgesehen hat der Film sehr witzige Situationen, die wirklich filmisch erfunden sird und nicht nur in den Textein- lagen bestehen. Dazu ist Lee Parry diesmal besser als in ihren letzten Rollen frssch und ausgelassen und nicht nur Mannequin.
unaufdringlich einen soignierten, amerikanischen Milliardär. Frieda Richard und Adele S a n d r o ck schaffen meisterlich« Chargen. Der Film ist keine Spitzenerscheinung, aber unterhaltend und durch- aus von Niveau._— t ,£of!cr.' (Marmorhaus.) Asta Ni eisen stellt eine große Künstlerin dar. eine berühmte Sängerin. Die berühmte Sängerin müssen wir ihr natürlich glauben, aber die große Künstlerin ist sie selber. Welch ein Verlust für unsere Fimwelt, daß diese Kraft jahrelang brachgelegen hat, daß man vor lauter Kultus uninteressanter Schönheiten eine solche Gestalterin des seelischen Ausdrucks nicht auszunutzen verstand! Immer noch ist die Asta Nielsen die souveränste Filmkünstlerin, die nur mit den filmischen Mitteln wirkt, dafür aber auch einen Reichtum der Nuancierung und eine ffirost der. seelischen Ueb ertragung wie keine zweite hat. Wie die meisten Rollen, in denen große Gestalterinnen sich offenbaren, ist auch die ihre nicht gerade literaturfähig. Aber man vergißt das Manuskript von Leo B i r i n s k i vollkommen, solange sie auf der Leinwand erscheint. Asw Nielsen spielt das Elend im Glänze, die Not im Ruhm, die Verlassenheit im Rausch der Welt. Sic ist dem Laster des Kokains verfallen. Sie hat Mann und Tochter verlassen müssen und sst für diese verschollen. Einem Impresario und Abenteurer, der st« mit Kokain versorgt, ist sie hörig. Er hat sie vollkommen in der Gewalt, wie auch andere Opfer dieses Lasters. Eben noch droht sie zusammenzusinken, schwach und hilflos, da peisscht eine neue Dosis Kokain sie auf. Sie wird wieder lebendig, strahlt und scheint Siegerin. Aber dann kommt der bleischwere Schlaf, der sie bis tief in den Morgen gefessell hält. Wie gelähmt liegt sie da. eine lebendige Leiche. Doch ihr Beherrscher läßt ihr
keine Zell . Sie muß ihre Rolle weiter spielen. Draußen wartet bereits die Zahl der Verehrerinnen, um als Zeichen ihrer Huld ihren Namenszug zu empfangen. Unter diesen ist eines Tages ihre Tochter. Und nun folgt die unvergleichlich« Szene, wie sie an dem jungen Mädchen Interesse und Gefallen findet und mit einem Male entdeckt, daß es ihre Tochter ist. Ein plötzlicher Zusammenbruch befrest sie aus der Situation. Dann folgt eine unmöglich« Szene, worin ihr Impresario das Mädchen zu verführen sucht. Der Vater eilt herbei. In einem letzten Wiedersehen mit ihm muß sie erkennen, daß sie für immer auf ihre Tochter verzichten muß. Und sie muß weiter er- kennen, daß ihr Schicksal besiegelt ist. Ihre Gesundheit ist völlig untergraben. Ihr Sterben im Krankenhaus und der Abschied ihrer Tochter, die mzwischen die Tragödie ihrer Mutter erfahren hat, bc- schließen ihr Schicksal. Rudolf M e i n e r t hat mit sicherer Hand Asta Nielsen die Möglichkeiten bereitet, ihre ganze Kunst zu entfallen. Den Kolportagestil der Handlung vergißt man leider weniger in den Nebenszenen. Alfred Abel spiell darin einen modernen Mephisto, der alle Welt mit seinem Kokain beherrscht und ausb«utet, in großer Pose, und vor allem Werner K ra u ß führt eine pathologi- sche Studie eines vom Kokain völlig Zermürbten, dann in Tobsucht Ausbrechenden und seinen Ausbeuter Erdrosselnden mit ungeheurem Raffinement durch. Elizza La Porta weiß sich als Tochter neben der Mutter zu behaupten. In einer Nebenrolle brilliert wie immer Trude Hesterberg. _ D. „Der Sieg der Jugenö.- (Piccadilly.) Märchenfllme gehören unbestreitbar mit zu den schönsten Ga- ben, die der Film uns schenken kann. Aber zum Märchenfilm gehört ein ganz besonderer Rhythmus, ein hauchfsines Zartgefühl. Fred Sauer erweist sich für echte Märchenstimmung nicht als der richtige Mann, er hat ein Sammelsurium zusammengebracht, aber kein Kunstwert geschaffen. Der Ansang zeigt Kitschbilder aus der guten, allen Zeit, in der Großmütterchen Märchen erzählle. Dann wird man an die Zeit des Radios erinnert, was durch tollen Bilder- wirbel sinngemäß dargestellt wird. Darauf zeigt ein Arme-Leute- Idyll, daß für Hans und Grete kein Raum mehr in der kleinen Hütte ist, und beide ziehen in die Well hinaus. Hans Brause- weiter als Hans in herzgewinnender, natürlicher Iungenhoftig- keit und Greta G r a a l als Kintopp- Sonnenschein. Im höchsten Stadium des Leidens fällt der Darstellerin nichts anderes ein, als sich die frossstarren Hände zu reiben. Und— Achtung: nun beginnen
Berlin lacht Qber den köstlichen Lustspielschlager: Die leldile Beben nach der Operette von R. Gilbert mit Lee Parry
Frida Richard * Adele Sandrock Gustav Fröhlich * Jul. Falkenstein Max Landa ♦ Eugen Rex Hans Wassmann ♦ Otto Walburg •[Täglich 5, 7, 9 Uhr| Primus-Palast Potsdaiher Strasse
Verleih: Filmhaus Bruckmann& Co. A.-O.
Oellage des vorwärts
die Erlebnisse Die beiden treffen eine Schmierenkomödiantentruppe und bringen deren streikendem Motor Hilfe, doch kommen sie von der Truppe ab, weil sie erst an Dr. Frank eine Lebensrettung größeren Stiles vornehmen müssen. Beim Wiederfinden der Ko- mödianten wird bei einer Schmierenvorstellung in allerderbster Komik gespielt, bei der P i ch a als Theaterdirektor mitmacht. Her- nach verfällt der Regisseur in den wüstesten Kriminalstil und läßt Hans und Grete eine oerschleppt« Baronin erretten. Darauf erfolgt ideales Dienstbotenleben bei Frau Baronin, dem die schnöde Der- dächtigung einer Zofe ein Ende macht. Held und Heldin finden bei einer Bäckermsisterin Arbeit und Unterkommen, und im Traum er- lebt Grete in echter Waldesmärchenstimung das Märchen von Hänsel und Gretel. Ein Brand bricht in dem Bäckereibetriebe aus und gibt den willkommenen Anlaß zu einer ganz großen Sensation, denn Hans rettet Grete. Natürlich wird als Arzt Dr. Frank gerufen und endlich sind alle im überquellenden Glück vereint. Und das ver- danken sie der.deutschen Produktion der Denlig". e. d.
«.Der Spielerkönig.- (Ufa. Kurfürskeudamm.) Das Lustspiel ist direkt für Menjou geschrieben. Dieser Spieler- könig ist ein reicher Mann, dem Wetten und Roulette den höchsten Lebensgeschmack bedeuten. Um einer Wette willen heiratet er ein junges Mädchen, das sich gerade mit einem wappenstolzen Herzog oerloben soll. Aber auch m der Ehe gibt er seine Leidenschaften nicht auf. Er stellt sogar einen dreißigstündigen Spielrekord auf. Erst als die Frau ihn verläßt, sinkt sein Interesse für das Hasard. Und dann erobert er sich seine Frau zurück, die in der Zwischenzeit einen fadenscheinigen Marquis geheiratet hat, gelobt Besserung, und wird sie bestimmt nicht hallen. Verfasser und Regisseur bleiben un- genannt. Im Mittelpunkt steht allein Menjou, der selten so sprühend und gelöst war. Er gibt diesmal die absolut beherrschte Haltung auf, er kapriziert sich nicht allein auf das kühl überlegene Lächeln, auf die skeptische Miene des alles Kennenden und Ver- stehenden, er zeigt jetzt sogar eine Ahnung von Gemüt, ist bestrickend liebenswürdig und geht nicht wie sonst auf den Generalnenner eines blasierten Wellmannes restlos auf. Der Regisseur bemüht sich, diesen glitzernden Menschen immer wieder in neuen Situationen zu zeigen. Wenn je, dan""............ Aber niemals Die Handlung Spieler wird hauptsächlich als Spieler fchaften erscheinen nebenbei in I belanglosen Geste, aus kleinen
füllten SUuationen. Ein Kammerspiel von unaufdringlichem Humor ist hier entstanden, von einer stillen, überlegenen Heiterkeit, das das als«ine unterhallsame Komödie hinstellt. F. S-
kleine Colombine.- (fflozorffooL) Dieser Film ist noch dem Warenhausprinzip gearbeitet: er bringt alles, was heute im Film gängig ist. Dem Heim des braven Kunstschnitzers wird das reiche Haus xegerübergestellt, dem Skisporr das Karneoaltreiben, der durchgehenden Anständigkeit die verbreche. rische Natur eines Verführers. Der Film verliert sich demgemäß in ein« Reihe Nebenfilme. Die Handlung wird notdürftig zusammen- gehalten durch die arme kleine Colombine, die aus ihrem Hinterhaus in die Spottwell gerät und dort Beziehungen zu jungen Männern anknüpft. Der«ine oerführt sie(wider ihren Willen) in der Alpen - Hütte, bestiehlt ihren Vater und hätte um ein Haar den wackeren jungen Mann aus dem Hirterhause, der ihn zur Red« stellt, ums Leben gebracht. Er zieht es dann vor, selber vom Schauplatz zu verschwinden. Der andere junge Mann tröstet die verlassene Colom- bin«, bewahtt sie vor dem Selbstmord und verlobt sich mll ihr. Es ist also alles so, wie es im Leben nicht ist. Aber A Schirokauer und F. S e i tz sind offenbar der Ansicht, daß dies« Lebensfern« dos Wesen des Filmes ausmacht. Wenn wenigstens der Regisseur F. Seitz das. wieder gut gemacht hätte, was das Manuskript verbrochen hat! Aber er holt weder aus der Winterlandschafr, noch aus dem Hüttenleben viel heraus. Nur in den Faschingsballszenen weiß er ein« eigene Note anzuschlagen. Die Hauptdarsteller, Walter R i l l a und Egon v. Jordan, der böse und der gute junge Mann, bleiben in der Routtne stecken. Eher interessiett schon Hilde Jen- n i n g s als Colombine. Das Beste aber leisten die Nebenfiguren, Hermann P i ch a als Lumpensammler, der sich in klassischen Zitaten ergeht, sowie Daleska Stock und Moria F o r e s c'u. die als Kartenlegerin in Figur macht. Wolfgang Z i l z e r endlich gibt einen unglücklichen Liebhaber, eine wahrhaft tragikomische Verkörperung. r. ,Die öräutigame der Sabette Somberling." (Ufa Palaft am Zoo.) Lächelnd erzählt Alice B e h r e n d von dem reich gewordenen Fabrikantenehepaar, das seine Tochter so gern vornehm verheiraten möchte, das auf ganz merkwürdiae Kandidaten verfällt, auf aus- rongierte Geheimräte, bankrotte Adelige und Hochstapler, bis der tüchtige Vetter schließlich als Sieger aus diesem Wettlauf nach den Millionen hervorgeht. Ganz vorsichtig und sein streichest Alice Behrend an dem Unwiß ihrer Menschen, aber diese charakterisieren sich weniger durch ihre Handlungen als durch ihre witzigen und bretten Beschreibungen der Verfasserin. Ueberhaupt geschieht in dem Roman so wenig, es kommt höchstens zu harmlosen Komplikationen, über die Betrachtungen angestellt werden. Sieht man von diesen
hübschen Sätzen ab, so bleibt nicht allzu viel übrig. Der Stoff ist also von vornherein völlig unsilmssch, und es ist schwer zu begreifen, warum Jane Beß und Lüthge ausgerechnet„Die Bräutigame der Babette Bomberling" verfilmen mußten. Es enssteht ein Lustspiel zu breiter Anlage�dessen Handlung sich mühsam dahinquäll und das sich weder durch«pannung noch durch besonders witzige Situationen aus-
zu t Anlage, dessen Handlung sich mühsam dahinquäll und das sich weder
zeichnet. Auch die Schauspieler finden kaum Gelegenheit, sich als Gestalter zu bewähren, denn die Situationen bleiben sich immer gleich. Der Dorfteller ist auf eine einzige Note festgelegt und läuft sich fest. Selbst dem Regisseur Viktor I a n s o n, der früher über sehr witzige Eingebungen verfügte, sällt nichts ein. Namen bekannter Filmschauspieler sollen über die Oed« hinwegtrösten, doch weder Tiedtke noch Pavanelli, Rilla. Kostner oder Vespermann treten aus