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Die deutschnationalen Ordensritter.

Eide auswechselbar.

Der deutschnationale Sturmangriff auf die Reichsfuttertrippe hat vor einigen Tagen dazu geführt, den waschecht schwarzweißroten Herrn von Ka mete zum Ministerialdirektor und Leiter der Ver­faffungsabteilung im v. Keubelschen Reichsinnenministerium zu ernennen. Die Lintspresse wies aus diesem Anlaß darauf hin, daß dieser neue Mann ein Sohn des stockkonservativen Generals von Ramete, Nachfolgers des Grafen Roon im föniglich preußischen Kriegsministerium, und schon deshalb als selbstverständlich fanatischer Anhänger der republikanischen Verfassung von Weimar für sein neues Amt ganz besonders geeignet sei. Und dies um so mehr, da Herr von Kamete als Ritter des Johanniterordens der ver­flossenen Majestät des Königs von Preußen den Treueschwur geleistet habe. In diesem letzten Punkte freilich wird man eines Befferen belehrt: Der Treueschwur auf die fönigliche Majestät pon Preußen" in§ 3 des Gelübdes der Rechtsritter des Johanniterordens ist laut ausdrücklicher Ordensbestimmung vom 14. Februar 1924 fortgefallen. Das Gelübde wird außerdem, so heißt es, nur von den Rechts- Rittern geleistet, nicht von den dem Orden affi­lierten Ehren- Rittern, zu denen der neue Ministerial­direktor v. Ramete gehört. Hochinteressant, in der Tat! 1924, sechs Jahre nach der Ausrufung der Republik  , die inzwischen standes­gemäß genug geworden war, um in ihr mit allen Mitteln nach Mit­regierung zu trachten, ließ der pormals fönigliche preußische Johan­niterorden den Eid auf die Dynastie Hohenzollern   heimlich, still und leise unter den Tisch fallen!

Was ein, dem Orden affilierter Ehren- Ritter" ist, das missen wir nicht. Es ist auch bedeutungslos. Weniger bedeutungslos ins dessen ist etliches aus den Sagungen des Johanniterordens. Bor aussetzung für die Aufnahme ist beispielsweise a dlige Geburt, was schon allein die stockreaktionäre und voltsfremde Einstellung der Herren Johanniter beweist. Und Herrenmeister war bis vor kurzem Seine Königliche Hoheit der Prinz Eitel Friedrich von Preußen  , Wilhelms zweitältester Sproß, bis gewisse peinliche Enthüllungen anläßlich seiner Ehescheidung ihn veranlaßten, seine hohe Würde niederzulegen. Und alljährlich einmal trifft sich die Adelsgenossenschaft der Johanniter, den Bestimmungen einer fönig­lichen Kabinettsorder pom 21. März 1896 entsprechend, mit scharlach­rotem Waffenrod, porn mit weißem Passepoil, oben aufgeschlagen,

mit weißen Beinkleidern und hohen Stulpenstiefeln mit goldenen

Sporen angetan, zu einer reaktionären Maskerade.

Ohne Zweifel, ein affilierter Ehrenritter des Johanniterordens, des Ordens mit dem auswechselbaren Eid, ist in unserer Bürger blodregierung der wahrhaft gegebene Hüter der demokratisch

republikanischen Reichsverfassung!

Die schwarzblaue Personalpolitik.

Minglückte Beschönigungsversuche.

In einer einer Veröffentlichung der deutschnationalen Pressestelle ist darauf hingewiesen, daß die Versetzung des Ministerialdirektors Brecht   in den einstweiligen Ruhestand erst erfolgt sei, nachdem der deutschnationale Minister Dr. v. Reubell persönlich für seine anderweitige Verwendung mit gleichem Rang und gleichen Bezügen Sorge getragen hatte.

Wie der Demokratische Zeitungsdienst" erfährt, trifft die Bei­öffentlichung in dieser Form nicht zu. Reichsminister v. Keude!! hat zwar dem Ministerialdirektor Dr. Brecht   angeboten, seine Ar­beit, soweit sie sich auf die Verwaltungsreform bezog, bei einer anderen Dienststelle fortzufeßen, und zwar beim Spartom missar. Hier steht aber eine Stelle von gleichem Rang über haupt nicht zur Verfügung. Ministerialdirektor Brecht hat sich seine Entscheidung vorbehalten.

Bezeichnend ist, daß, wie das Berliner Tageblatt" meldet, felbft ber Staatssekretär des Innenministeriums, Dr. 3 meigert, der diesen Posten seit Jahren innehat, bei der Entfernung Brechts un der Ernennung Kameles vollständig übergangen und mit der vollendeten Tatsache überrascht worden ist.

Zur Volksbühnenkrise.

Bon Ernst Toller  .

Es freut mich, daß die Redaktion des Vorwärts mich auffordert, zur Boltsbühnenfrije einige Worte zu sagen, da ihr bekannt sein muß, daß ich entschieden anderer Meinung bin als sie selbst.

"

Was über den Fall Piscator  " zu sagen ist, hat eine Zeitung ausgesprochen, die gewiß nicht im Berdacht steht, mit den Links radikalen" zu sympathisieren, das Zentrumsorgan Germania". Sie schreibt: Die Desavouierung eines fünstlerischen Leiters durch den Borstand muß, da sie erst nach der Aufführung erfolgte, als eine grobe Ungehörigkeit bezeichnet werden; denn es ist offensichtliche Pflichtverfäumnis gewesen, wenn der Vorstand nicht schon während der Proben sich von der Art der Inszenierung überzeugte und vorher schon einen ihm notwendig erscheinenden Einspruch erhob. Daß er nachträglich feinen eigenen Regiffeur bloßstellte, daß er in deffen fertiges fünstlerisches Wert, indem er die weitere Verwendung der Filmteile untersagte, zerstörend eingriff, ist eine überhebliche An­maßung bureaukratischer Berwaltungsinstanzen...

( Welche Meinung hat eigentlich der Direttor der Boltsbühne, Herr Holl? Ist sein Schweigen nicht ein wenig- unwürdig?) Die feit Jahren latente Krise der Volksbühne wurde durch den Swischenfall gelegentlich der Aufführung von Gewitter über Gott  .

land" zu einer offenen.

im

Was ist das Wesen dieser Krise? Einst war die Bolksbühne ein Kampftheater mit flaren Zielen. Die Männer, die sie gründeten, in on engine Gotten, bewußt der Aufgabe, die das Theater waren entschiedene Sozialisten, in politischen und futurellen Kampf der arbeitenden Klasse besigen fann. Je größer( zahlenmäßig) die Bolksbühne wurde, um so ver schwommener wurde ihr Geficht. Sie, die schöpferische Gemeinschaft erstrebte, in der Mittler und Hörer gemeinsam schaffen und fämpfen sollten, wurde zu einer Konsumentenorganisation, in der der prole: tarische Stern, im Verhältnis zur Gesamtmitgliederzahl, flein   zu nennen ist. Gewiß tragen die leitenden Männer der Boltsbühne nicht allein Schuld daran. Die wirtschaftliche Situation des letzten Jahr zehnts zwang viele Arbeiter, die Reihen der Boltsbühne zu verlassen. Gleichgültigkeit, Indifferenz, die große Untugend mancher Arbeiter, ließ andere beiseitestehen.

Rücksichtnahme auf den bürgerlichen Teil des Publikums, auf zeitweilige Konjunkturen, schufen die Laftit des hin- und her. lavierens in der Braris, der Unehrlichkeit im Ideologischen  . Schlag­worte, die der Reaktionär gebraucht, wie Tendenzlosigkeit, Neutra. lität, leberparteilichkeit, Bekämpfung des Gesinnungstheaters, wurden von den leitenden Männern der Volksbühne, deren Ber: dienste als Bioniere der Boltsbühnenidee auch der nicht genießt, der sie heute aufs schärfste bekämpft, übernommen. Denn was nennt der Reaktionär neutral, tendenzlos, überparteilich? Doch nur jenes Gesamt von Betrachtungsarten und Erfenntnissen, in dessen tradi tionellen Gleisen er futschiert, die in Wahrheit die geistige Legitimie­rung seines Herrschaftsverhältnisses bedeuten. Aber gerade dieses Herrschaftsverhältnis mill revolutionäre Kunst erschüttern.

Bas das werftätige Bolt braucht, ist ein Theater, das im innigsten Kontakt zu unserer Zeit steht. Nie war große Kunst zeitlos. Ob wir Sophokles  , Aristophanes  , Dante, Shakespeare  , Kleist, Büchner

Hitler auf dem Kriegspfade.

Der greuliche Greulich.

Wie man sich manchmal irren kann! Hatten wir doch bisher in den Männern der Münchner Neuesten Nachrichten" und in ihrem Chefredakteur Dr. Greulich immer durchaus unverdäch­tige Regftionäre reinsten Wassers gesehen! Jeßt aber erfahren wir zu unserem Erstaunen durch den Böltischen Beobachter" des Herrn Adolf Hitler  , daß diese Leute in Wahrheit nicht wert| sind, vom Licht der Sonne beschienen zu werden. ,, Nationalsozia listen! Frontsoldaten von einst! Antisemiten!" So trompetet als Einberufer in mächtigen Stößen Gregor Straffer, der sich als mit ,, M. eingefleischter Antiparlamentarier stolz mit M. d. R." unterzeichnet. ,, Auf zur Massen- Protestversammlung gegen die Münchner Neuesten Auf zur Massen- Protestversammlung gegen die Münchner Neuesten Nachrichten" im Birkusgebäude auf dem Marsfeld. Unser Führer Adolf Hitler   spricht über die Kuhhaut im vaterländi, schen Kriegszustand gegen Italien  , Mussolini  , Faschisten und uns usw. zur Wiedereroberung Südtirols  ". das geht Die Kuhhaut im vaterländischen Kriegszustand offensichtlich auf teine Kuhhaut! Aber es tommt noch viel besser. Neben die Prosa tritt sinnig die Poesie. Und da lesen wir denn im ,, Lied von der Kuhhaut":

In München   gibt es eine Kuh­Haut, die schreit unaufhörlich: Muh! Bon morgens früh bis spaten Abend nur nach Inferaten.

Doch mit bem Hitler möcht' fie fpassen,

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Der wird sie umeinanderlassen! Kommt alle nur, es wird nicht ohne Heute abend, raus im Zirkus Krone!" Mag Herr Greulich greulich sein oder nicht diese Verse sind ohne Zweifel noch greulicher! Aber dennoch, Nationalsozialisten, auf zum Zirkus Krone! Die Direktion des Unternehmens braucht an diesem Abend für Clowns und dumme Auguste nicht zu sorgen!

Kulturpolitisches   aus Bayern  .

Lep Weismantel scheidet aus dem Landtag aus. Der zur Chriftlich- Sozialen Partei gehörende bayerische   Land­tagsabgeordnete Dr. 2 eo Weismantel wird in nächster Zeit sein Mandat niederlegen. An seine Stelle tritt der Schriftsteller Josef Kral, der Landesvorsitzende der Chriftlichsozialen Bartei in Bayern  . Mit Weismantel scheidet ein Mann aus dem Bayeris schen Landtag, der in kulturellen und Schulfragen manch harten Strauß mit dem reaktionären bayerischen   Kultusministerium aus gefochten hat. Weismantel trat stets unerschroden und aufrichtig für eine fortschrittliche Schule in Bayern   ein und hatte

Erbe, Fürst Adolf, weigerte sich jedoch wegen angeblicher großer Bermögensverluste infolge der Inflation die Rente auszu zahlen. Frau v. Kaisenberg mußte den Klageweg beschreiten. Sie erreichte, daß ihr eine monatliche Rente von 250 M. rüdwirtend zugesprochen wurde. Auch das war dem Fürsten   noch zu­viel. Er wollte die alte Dame einfach im Stich lassen und ging an das Reichsgericht. Der Zivilsenat des Reichsgerichts be­stätigte nunmehr das Urteil und verpflichtete den Fürsten   zur Aus­3ahlung der Rente.

An diesem Fürsten   liegt es also nicht, wenn die Enteignung der Hofmarschallswitwe nicht gelungen ist. Er zeigt dieselbe Groß­mut mie Frau von Doorn  , die sich weigert, der Aerztin   das verlangte Honorar auszuzahlen, die eines ihrer von anderen Aerzien aufgegebenen Kinder von einem schweren Zungenfehler befreite. Fürstengroßmut und deshalb den Deutschnationalen so sympathisch.

Wer ist Auslandsdeutscher  "? Eine Erklärung des preußischen Kultusministers.

Die Studentenschaft der Universität Bonn hatte den Kultus­minifter Dr. Beder um eine amtliche Interpretation des Begriffes Auslandsdeutscher" im Sinne der Studentenschaftsfazung gebeten. Der Kultusminister hat darauf folgendes bestimmt:

,, Auslandsdeutsche im Sinne der Sagung find alle außerhalb des Reichsgebietes beheimateten Studenten, deren Zus  gehörigkeit zur deutschen   Kulturgemeinschaft durch Sprache, Bildung und Bekenntnis zu dieser Gemeinschaft erweisbar ist. Diese Kenn­zeichen bilden die alleinige Voraussetzung dafür, ob jemand unter den Begriff der auslandsdeutschen Studenten fällt. Dester reichische Staatsbürger sind als Auslandsdeutsche zu be. handeln, wenn sie sich nicht zu einem fremden Bolkstum bekennen. In Zweifelsfällen ist die Bermittlung des Minifteriums zu einer Anfrage bei der zuständigen Vertretung im Auslande anzurufen."

Faschismus und Auslands- Italiener. Die Spigelbureaus sollen auslandsamtlich anerkannt werden!

Aus Mailand   schreibt man uns:

In der Kammerdebatte über den Haushalt des Auswärtigen

hat sich der faschistische Abg. Delcroig eingehend für die Dr­8anisation der Fafci im Auslanbe und die von ihnen ausgeübte Tätigkeit interessiert, über die er 3 weifel äußerte. Die Betätigung der faschistischen Beauftragten im Auslande, die unmittelbar vom Sekretariat ber Fafci in Rom   beeinflußt und überwacht wird, geht außerhalb der tonfularischen Be

hörden vor sich, um eine Kontrolle über das Pripate leben der italienischen Auswanderer unter dem Vorwand ber

sich dadurch die erbittertſte Gegnerschaft in den Reihen der Bayeris Unterstützung auszuüben. Selbft Delcroig hat seine Befürchtung

schen Bollspartei zugezogen.

Ja, Bauer...

Fürst Adolf gegen Hofmarschallswitwe.

Man erinnert sich noch der Begleitmufit, die die jetzige deutsch  nationale Regierungspartei zum Boltsentscheid vollführte. Recht. Sitte und das Privateigentum sollten in Gefahr sein, wenn die ehemaligen Fürsten genötigt würden, jene Bermögenswerte dem Staate zurückzugeben, aus denen sie nur dant thres ehemaligen Amtes und nicht immer ganz einwandfreier Verträge Nußen gezogen hatten.

Daß sich die ehemaligen Fürsten. den Teufel um Recht, Sitte und die Unantastbarkeit privater Einnahmequellen fümmerten, wenn es galt, sich ihrer Berpflichtungen zu entziehen, ist schon damals an einer erschöpfenden Anzahl von Beispielen gezeigt worden. Fürst Adolf zu Schaumburg- Lippe   vermehrt die Beispiele um ein neues.

Die Mutter des Fürsten   hatte vor ihrem Tode mehreren Hofangestellten, darunter dem Hofmarschall von Raisenberg, eine Jahresrente Don je 5000 marf vermacht. 3hr

betrachten, immer waren es die Probleme der Zeit, denen jene Gestalter fünstlerische Deutung zu geben versuchten, und viele ihrer Werte haben die gleiche Kritik erfahren, die heute Gegenwartsstücke zu zerfeßen sucht.

Daß es zeitlose" Elemente in der Kunst gibt, Ausdrud der fosmischen Beziehungen, die taum merklich sich ändern, bestreitet tein ernsthafter Künstler. Zu ihnen darf man aber nicht vom leeren Raum her vorstoßen. Nur wer ganz getränkt von Zeit, von sinnlicher Gegenwart ist, wird sie erfassend gestalten.

In Berioden schärffter Klaffentämpfe innerhalb der Gesellschaft wird das Zeittheater diese Kämpfe widerspiegeln. Der Proletarier, der heute im Drama auftritt, ist nicht mehr der Proletarier des neunzehnten Jahrhunderts. Die Luft des Nachtasyls, jene dumpfe, stagnierende, hoffnungslose, die gewiß tief erschüttert, ist nicht mehr bie seine. Der Proletarier des zwanzigsten Jahrhunderts ward bewußter Kämpfer, Berfechter einer Idee, und es ist nicht ver wunderlich, daß er von der Bühne herab die abstoßen muß, die ihn auch im Leben befehden.

Die Frage nach der formalen Güte des neuen Dramas braucht man nicht zu übersehen, aber wie schwer ist es in unserer Zeit der Bertrümmerung ästhetischer Formen, da alte Werte und Normen ihre bindende Gültigkeit verloren haben, über Neues, Problema. tisches, Urteile zu fällen.

Wir wiffen alle zu gut, daß wir feine tassische Kunst schaffen. Klassit ist der Ausbrud seelisch in fich treifender Ruhe. Bir aber wollen nicht ruhig sein, wir wollen feine Elfenbeintürmchen bauen, in die wir uns zurückziehen, wir wollen teilnehmen an den Kämpfen unferer 3eit, und wir fürchten uns nicht vor dem Borwurf, daß unser Wert ebenso gerklüftet ist, wie das Leben draußen. lnfere Kunst will teine bloße Mitleidskunst jein, fie ist geboren aus mit fämpferschaft. Wir leugnen nicht, daß das Fundament, das unfere Kraft befruchtet, Sozialismus heißt. Dieses Fundament bestimmt die ob der Künstler es weiß oder nicht weiß, die ihm eigene Atmosphäre Atmosphäre unseres Dramas ebenso, wie bürgerliches Fundament, ob der Künstler es weiß oder nicht weiß, die ihm eigene Atmosphäre bestimmt.

Die revolutionäre oder reaktionäre Atmosphäre ist für Kunst­werke, die sich abspielen im Bereich der Gesellschaft, entscheidend. Ich dem Wort Gesinnung spielen manche Edeltöner! Man zeige mir fann das Fundament auch Gesinnung nennen. Belchen Eiertanz mit große Kunst ohne Gesinnung.

Wenn die Boltsbühne nicht wiedergewinnt den Mut zu ihrem ursprünglichen Gesicht, wird sie trop der Bertrauensfundgebungen ihrer Delegierten das Bertrauen der Lebendigen, der revolutionären Menschen, endgültig verlieren. Die Boltsbühne möge die Frist, die ihr gefeßt ist, nußen. Pflicht der Arbeiter, die die hier ausge prochenen Meinungen teilen, ist es, in die Boltsbühne einzutreten und fich durchzusetzen.

Werkstudenten der Liebe. Junge Leute vermieten sich an altere Damen, damit die legitimen Eheherren, die nicht mehr recht funt­tionieren, etwas angefeuert werden. Diese Werkstudenten zum Eifersüchtigmachen der etwas nachlässigen Eheherren sind aber nur Locvögel. Sie werden dafür bezahlt, daß sie das nicht tun, was man erwartet. Müssen nur so tun als ob, damit die Komödie der Eifersucht wirklich zustande kommt. Und nun find die faumfeligen

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nicht berhehlt, daß dabei die Fasci im Auslande ihre 3iele überschreiten.

Die Regierung het nunmehr beschlossen, alles, was die Arbeits­organisation und die Unterstützung der italienischen Emigranten an­betrifft, demnächst den Fasci im Auslande anzuverirauen, die dazit bestimmt sind, die Ausmanderungs Rommissariate zu eriegen. Unter diese Neuordnung mit einbegriffen ist die Grün­dung eines Polizeibureaus für die Emigranten und eines weiteren Bureaus, das den Vertretern der Fasci im Auslande für die Arbeitsbeschaffung und die Unterstützung der guten Lands­leute übergeben wird. Diefe Neuordnung ber Dinge wird in wenigen Monaten schon erfolgen, vor allem noch vor der Reform der konsularischen Laufbahn, die im Oktober in Kraft treten wird.

Damit beabsichtigt die Regierung, den Fafci im Auslande bei den dortigen Behörden amtliche Anerkennung zu ver­schaffen. Es ist weltkundig, daß die Fasci im Auslande, statt sich der Unterstützung ihrer Landsleute zu widmen, eine Spionage= und Spigeltätigteit mit offener Berachtung der Gejezze des Wirislandes betreiben, wobei es, zumal in Frankreich  , in der Schweiz   und in Amerika  , schon zu bedenklichen Zwischen­fällen gekommen ist.

Herren, die angepfeffert werden sollen, auf eigene Jagd gegangen. Drei junge Mädel springen als corpus delicti unerwartet auf die Bühne. So fommt alles heraus und natürlich zum besten Schluß. Die Verfasser des Schwants, odvögel" find die Amerifaner Medcraft und Mitchell. Die Bosse wird ganz luftig, mand mal etwas zu einfältig. Sie wird in den Rammerspielen aber vortrefflich aufgeführt, und es sind besonders die Damen Mosheim, Servaes und Hell, die zusammen mit den Herren Brausewetter, Rühmann und Wiemann die burleskeste Stimmung zufammenbrauen. M. 5.

..Experimental- Tanzabend" nannte Toni Freeden- Bel­ling ihre Beranstaltung im Theater in der Lüßomstraße. Der erste Programmteil brachte Einzel- und Gruppentänze, im Geist des Balletts fonzipiert und mit zahlreichen originellen tänze­rischen Motiven espritvoll gestaltet. Ein Solo von Toni Free­den( Kontrafte"), leicht, elegant, in sicherer Technit produziert, eine Art Barfußballett. Ein anderes, von Anita Marteta, mit netten dekorativen und akrobatischen Effekten. Ein drittes von Elfe Süßtin d als Kompofition ohne straffen organischen Auf­bau, ungegliedert, zerflatternd. In den Gruppentänzen mehr Girl funft als moderner Stil. Reizvoll in schönen ornamentalen For mungen, aber nicht raumgestaltend. Amüsant, aber nicht feelisch ausdrucksvoll. Im zweiten Teil: Experimentelles". Rhythmische Bewegungen stereometrischer Körper. Fruchtbarer Anfaß zu Fon sequent abftrafter Stilformung. Um lehte stilistische Möglichkeiten zu erschöpfen, hätte aber auch der Bühnenraum mit Licht und Farbe in die Gesamtwirkung einbezogen werden müssen. So erschien der fraftvolle Formentang in stimmungsloser und ftilfremder Um rahmung. Ein Lichtballett", gut in der Idee, blieb bei nicht ge­nügend durchgeführter Verdunkelung der Szene ohne Wirkung. Man sah die Gestalten der Lichtträger und die Stangen, an denen die blauen und grünen Kugeln befestigt waren, und wurde er nüchtert. Ein Solo, Polfa 1927", gab Frau Freeden Gelegen heit, sich in ihrem eigentlichen Element als technisch sichere und geschmackvolle Balletteuse zu zeigen. Ihre Entrechats find von einer Bollendung, wie man sie von weiblichen Tänzern auf der deutschen Bellettbühne felten erlebt. Die tompofitorisch wertvollste Gabe des Abends war ein Dreistimmentanz", der kontrastierende tänzerische Grundtypen zu harmonischer Gesamtwirkung geschickt zusammen­führte J. S.

Konservierung der Indianersprachen. Mit der fortschreitenden Anpassung der nordamerikanischen Indianer an die Bedingungen und Gewohnheiten der modernen Zivilisation drohen die Dialette dieser Stämme allmählich auszusterben. Angeregt durch die Arbeiten des Berliner   Lautarchios, hat nunmehr die Universität Kalifornien   begonnen, planmäßig Schallplattenaufnahmen der noch lebenden indianischen Dialekte machen zu laffen. Die Aufnahmen suchen einmal den typischen Klang und die gebräuchlichsten Wort­formen festzuhalten, sodann aber auch die indianischen Märchen und Bolkslieder soweit sie noch eine lebendige Tradition besitzen.

Heute tein Museumsbesuch. Am heutigen Rarfreitag find alle staatlichen und städtischen Museen geschloffen. Das Märkische Museum   ist Freitag, Sonnabend und Sonntag geschloffen.