Nr. 304+44. Jahrgang
2. Beilage des Vorwärts
Der Zuckerzoll in der Weltwirtschaft.
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Eine Kriegserklärung.
Erhöhung des Zuckerzolls erhöht den inländischen Zollgewinn auf rund 200 Millionen Mart, so daß es der Industrie ohne gegenüber dem jezigen Zustand erhöhten Verlust möglich ist, ihren Zucker: export zu vervierfachen. Der Zuckerzoll bedeutet also eine außer ordentlich hohe Ausfuhrprämie, und seine Erhöhung bedeutet die Möglichkeit für die deutsche Zuderindustrie, auf Grund der ber größerten Inlandsgewinne, die sie ihr ermöglicht, ihre Produktion für einen an sich unrentablen Export außerordentlich auszudehnen. Andererseits fann infolge der Steuer senfung höchstens mit einer inländischen Verbrauchssteigerung von etwa 8 Proz. gerechnet werden. Wirkung in der Welt.
Seine Geschichte. Deutsche Zuckerpolitik. Die Reichsregierung will die Erhöhung des Zucker zo11s mit einer Halbierung der Zucker ste u er verbinden. Damit verzeichnet die Sozialdemokratie einen Erfolg, der hoch zu veranschlagen ist. Die Zuckersteuer wird jetzt unter das Niveau der Vorkriegszeit gesenkt. Andererseits wird ein Teil dieser Senkung tatsächlich nicht dem Andererseits wird ein Teil dieser Sentung tatsächlich nicht dem Verbrauch zugute kommen, sondern der 3uderindustrie geschenkt werden. Während die Senfung der Steuer den Zucker um etwas über 5 Pf. pro Pfund verbilligen könnte, führt die Erhöhung des Zolls dazu, daß eine Verbilligung nur um etwa 2½ Pf. pro Pfund günstigenfalls eintritt. Immerhin führt die Kombination dieser beiden Maßnahmen nicht zu einer Erhöhung des Zuckerpreises, wie es ursprünglich die Absicht des Reichslandbundes und seiner Gefolgschaft gewesen war. Trotz alledem bleibt die Zollerhöhung eine überflüssige Maßnahme, die einem kleinen Teil der Landwirtschaft einen Mehrgewinn von rund 60 Millionen Mark zufließen läßt, dessen er nicht notwendig bedarf. Das ist ein sehr großer Betrag, wenn man bedenkt, daß die gesamte Einkommensteuerzahlung der Landwirtschaft im Jahr sich nur auf etwa 70 bis 80 Millionen Mark stellt.
Dieser Zollgewinn der zuckerrübenbauenden Landwirte hat aber nicht nur Bedeutung für die Binnenwirtschaft; er ist darüber hinaus von erheblicher weltwirtschaftlicher Bedeutung. Der Rübenzucker ist eines der jüngsten Agrarprodukte und ein Kind des Krieges. Der Zuckerrübenbau und der Rübenzucker verdanken ihre Eristenz dem großen Handelskrieg, den vor über hundert Jahren Na poleon I. gegen England führte. Da England Frankreich blodierte und feinen Ueberseezucker( Rohrzucker) nach Frankreich ließ, mußte man nach einem Erfaz für den fehlenden Rohrzucker suchen und fand ihn im Rübenzucker. Seitdem wurde der Rübenzuder zu einem Schmerzensfinde europäischer Finanzpolitit. Von jeher stellten die Zuckerzölle als eine Verbrauchssteuer eine wichtige Einnahmequelle der europäischen Staaten dar. Jetzt wurden diese Finanz= zölle unter der Hand der Regierungen& chu 3 zölle für die Rüben zuderindustrie, und das Anwachsen der Rübenzuderindustrie verminderte gleichzeitig ständig die 3olleinnahmen aus dem aus ländischen Zuder. Den Ausweg fand man in einer Be steuerung des inländischen Zuckers. Aber fast überall war die Besteuerung des inländischen Zuckers niedriger als der Boll, den ausländischer Zucker zu tragen hatte. Obendrein ergab sich bald das Problem, wie in ländischer Zuder beim Export zu behandeln sei. Man vergütete dann gewöhnlich bei der Ausfuhr inländischen Buders nicht die tatsächlich entrichteten Steuerbeträge, sondern den höheren Zoll, den der Auslandszuder zu tragen hatte. Go fam es dazu, daß beim Export mehr vergütet wurde, als an Steuern gezahlt war, und daß praktisch die Zuckerausfuhr der Rübenzuder fänder eine Extraprämie erhielt. Die Kosten dieser Exportprämien brachten die inländischen Verbraucher auf; denn sie trugen ja lezten Endes Zuckersteuer und Zuckerzoll, die die Mittel für die Ausfuhrprämien hergaben.
Die Brüffeler Konvention.
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Diese Entwicklung des sogenannten Prämienzuders führte zu einer schweren Schädigung der Interessen der Rohr zuckerländer. Die Maßnahmen aus der Zeit der napoleonischen Kontinentalsperre richteten sich durch das ganze 19. Jahrhundert hindurch noch immer vor allem gegen das britische Imperium, dessen Kolonien in großem Umfange Rohrzucker exportierten. So versuchte England im Intereffe seiner Kolonien, dem europäischen Zucker dumping denn nichts anderes bedeutete die Ausfuhr des sogenannten Prämien zuders ein Ende zu machen. Die sogenannte Brüsseler Budertonvention vom Anfang des 19. Jahrhunderts frönte die englischen Bemühungen mit Erfolg. Auf Grund internationaler Bereinbarung wurden in den Rübenzuckerländern Europas Zuder: verbrauch erheblich, und der Weltmarkt sah ein Vordringen des Rohr zuckers, der jetzt von der künstlichen Konkurrenz des Rüben zuckers befreit war.
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Der Krieg zerbrach die Zuckerkonvention und führte wieder in die Zeit des Prämienzuders zurüd. Die europäischen Zucker ausfuhrländer, d. h. Deutschland , Polen und die Tschechoslowakei , führten hohe Zuckerzölle ein. Ihre Industrien schlossen sich frei millig oder unter staatlicher Führung zusammen, um die hohen Zölle möglichst voll auszunuzen, und stießen ihre lleberschußproduktion zu Berlustpreisen im Auslande ab. Den Verlust fonnten sie aus den hohen 3ollgewinnen decken, die ihnen auf dem in ländischen Markte möglich waren. In keinem anderen Lande war dieser Zollgewinn so erheblich wie in Deutschland , dessen Zucker interessenten bei dem geltenden Zollfaz jährlich an 130 mil. lionen Mart 3ollgewinn ein ft eden. Andererseits ist die deutsche Ausfuhr so flein, daß ihr Mindererlös gegenüber dem Ertrag, der sich bei dem Verkauf der gleichen Mengen im Inland ergeben würde, sich nur auf etwa 20 Millionen Mart stellt. Die
Im
Zeichen des
Das Baus der Moden
Dieses Rübenzuderdumping, das jetzt von Deutschland im größten Maßstabe aufgenommen wird, bedeutet meltmarktmäßig, daß die Rohr zuckerländer der Welt sich wieder wie vor der Brüsseler Konvention in einem Kampf um den Weltmarkt mit den Rübenzuckerländern befinden. Das größte Rohrzuckerland ist heute Ruba, der größte Rohrzuderinteressent sind die Bereinigten Staaten von Nordamerika , die weit über 6 Milliarden Mart in der Rohrzuderindustrie der Welt investiert haben. Die Rohrzuderländer wollten diesen Kampf um den Weltzuckermarkt nicht. In diesem Jahr hatte der Präsident der Insel Kuba , des größten Rohrzuderproduzenten, an deren Industrie die Amerikaner allein mit mehr als 5 Milliarden Mark beteiligt sind, die tubanische Zuckerproduktion um rund 1 Million Tonnen eingeschränkt, so daß wegen des verringerten Angebots die Weltzuckerpreise um rund Rübenzuckerländer dehnten ihre Anbaufläche gewaltig aus und wer40 Proz. stiegen. Was war die weitere Folge? Die europäischen den voraussichtlich im nächsten Jahr mehr als die 1 million Tonnen mehr produzieren, um die Kuba feine Produktion vertleinert hat. Die Rubaner fangen schon an zu befürchten, daß ihre Politit im Endergebnis darauf hinauslaufen könnte, daß sie das europäische Rübenzuderbumping selbst verstärken helfen, indem sie es künstlich
rentabel machen.
Eine neue Konvention?
Störende und infonfequente Politif.
Donnerstag, 30. Juni 1927
Die Borsig- Werke und ihre Führer.
Am 22. Juli fönnen die Werte der Firma Borsig auf ein neunzigjähriges Bestehen zurücksehen. Die beiden jetzigen Chefs Ernst und Konrad v. Borsig legen begreiflicherweise auf dieses Jubiläum besonderen Wert, denn die Borsigwerke in Berlin und Oberschlesien gehören zu den wenigen Großwerken, die reiner Familienbesig geblieben sind. Für Berlin hat das Jubiläum besondere Bedeutung, weil die Gründung des alten August Borfig mit den Ruf Berlins als Industriestadt begründen half, und weil ein großer Teil der Kämpfe der Berliner Atbeiterschaft mit der Firma Borsig verknüpft ist.
1837 gründete der ehemalige Zimmerergeselle August Borsig am Oranienburger Tor feine Eisengießerei und Maschinenbauanstalt, aus der 1841 die erste Lokomotive abgeliefert wurde. Beim Tode August Borsigs im Jahre 1854 hatte das damals riesenhaft sich ausdehnende Lokomotivgeschäft bereits zur Ablieferung von 500 Lokomotiven geführt( im Jahre 1926 wurde bekanntlich die 12 000. Lokomotive abgeliefert), wobei schon im Jahre 1854 1850 Arbeiter und Angestellte beschäftigt waren. Sein Sohn Albert gründete in Oberschlesien , um eine eigene Kohlen- und Halbzeugbafis zu haben, das Borsigwerf Oberschlesien , und in den neunziger Jahren hat die dritte Generation, die heutigen Chefs Ernst und Konrad v. Borsig, die Berliner Produktionsanlagen am Tege= ler See einheitlich zusammengefaßt. Bei normaler Beschäftigung verfügt der Konzern der Borsigwerfe über eine Belegschaft von über 15 000 Mann. Heute sind im Berliner Werf rund 3800 Mann beschäftigt; über 1000 Mann wurden seit dem großen Abbau im Jahre 1926 wieder neu eingestellt.
Die Kernproduktion des Werkes war immer der Lokomotivenbau, und er würde es heute noch sein, wenn nicht die Uebergründung der Lokomotivenindustrie während des Krieges und der Inflation und auf der anderren Seite die verhältnismäßige Unterbeschäftigung der Reichsbahn sowie die Eigenproduktion des Auslandes die Aufträge sehr niedrig hielten. So sind zu der alten otomotiven.( auch Bumpen, Dampfmaschinen- und Kessel-) proneue Betriebszweige hinzugefommen: Kompressoren, duktion Dampfturbinen, Hochdruckteffel, Kältemaschinen, Staubsauger, Maschinen für die chemische Industrie, Dampfpflüge und Acker
geräte.
Natürlich hat die schwere Weltwirtschaftsfrise im Ge. folge des Krieges auch das Geschäft der Borsigs sehr gehemmt. Die Anlagen sind zu groß für die erreichbaren Aufträge; zum Teil murden die Anlagen nach dem Kriege auch unvorsichtigerweise zu sehr ausgedehnt, und spätestens seit 1926 ist flar, daß eine Umstellung des ganzen Betriebes erforderlich ist. Sicher war die Finanzlage und waren auch die Erträge noch im vorigen Jahre nicht allzu günstig. Wie man aber hört, hat sich die Lage erheblich gebeffert. Dabei ist besonders interessant, daß festgestellt werben darf, daß der Lohnanteil an der Produktion heute geringer ist, als in der Vortriegszeit, und daß nur die ungenügende Ausnüßung der Gesamtwerte eine höhere Rentabi lität hindert.
Darum hat der Präsident der fubanischen Republik der Belt wirtschaftsfonferenz mitteilen lassen, daß er im Herbst dieses Jahres in der Hauptstadt Kubas eine Weltauder fonferenz abhalten wolle, zu der alle Zuckerproduktionsländer der Erde hinzugezogen werden sollen und in der darüber beratschlagt werden soll, wie die Zuckerindustrie der Welt ohne fünstliche Maß nahmen rentabel weiterentwidelt werden kann. Insbesondere soll dort auch über einen internationalen Abbau der Steuer und 3ollbelastung des Zuders verhandelt werden. Der Zuderverbrauch der Welt ist in steter Steigerung begriffen. Im 19. Jahrhundert hat er sich vervierfacht. Aber der Weltkrieg hat die un teuer- und Brämienpolitit Gurppas or au meiterhin die Sieht man das Bert und feine Führer, so kann man sich den droht auch Eindrud nicht entziehen, daß beide irgendwie in die heutige Zeit Ausdehnung des Zuckerverbrauchs in den von ihr betroffenen Län nicht mehr redyt passen. Mag sein, daß auch hier die dritte dern zu hemmen. Kuba , das in seinem eigenen Intereffe und im Generation nicht mehr dieselbe Schwungkraft wie die erste hat; Interesse der Zuckerindustrie der Welt im Vorjahr seine Produktion mag sein, daß gerade der Charakter der Werke als Familienbesitz eingeschränkt hat, will nicht zusehen, daß die Früchte dieser seiner und die dadurch beschränkte Führerausleje mehr hemmend als förPolitit schließlich den Dumpingländern Europas zufallen. Darum derne für das Werf wirken. Die Behinderung des Lokomotivenhat es die Zuckerfonferenz einberufen. geschäftes dürfte wirklich nicht der einzige Grund dafür sein, daß adas Wert den Eindruck einer gewissen Altväterlichteit macht, und wenn heute gründlich an der Umstellung gearbeitet wird, so find sicher noch sehr große Aufgaben zu lösen. Aber auch die Führer der Werte scheinen einer früheres Epoche anzugehören. Daß besonders Ernst v. Borsig, der Vertreter des Arbeitsgemeinschafts- und Werksgemeinschaftsgedan. fens und der Präses der Vereinigten Arbeitgeber. Derbände so oft zu scharfer öffentlicher Kritik Anlaß gibt, entspringt sicher nicht besonderer Bosheit oder besonderem schlechten Willen. Der patriarchalische Zug bei den Borsigs, gemilbert, man tann auch sagen verschärft, durch liberale Auffassungen, steht im Widerspruch mit einer Zeit, in der die unpersönliche Orga= nisation die Bedeutung einzelner Persönlichkeiten zurüdtreten läßt und in der es völlig vergeblich ist, durch Arbeits- und Werks. gemeinschaft zwischen der Unternehmer- und Arbeiterklasse eine Bindung zu schaffen, die das unpersönlich gewordene und nur durch die Auseinandersetzung der Klassen noch lenkbare Kapital ver bietet. Es mag der Vortrag Borsigs über die Sozialpolitik, der mit dem Gedanken der freien Wirtschaft in den ernsten fürzlich die Deffentlichkeit so alarmiert hat, ganz anders gemeint gewesen sein, als er wirfte. Aber daß ein Wirtschaftsführer sozialpolitischen Fragen auch nur spielen fonnte, das zeigt, daß Herr v. Borsig seine Zeit so oder so nicht versteht.
Im Mittelpunkt dieser Konferenz foll im Sinne der Beschlüsse der Weltwirtschaftskonferenz der Abbau der verbrauchseinschränken den Zuckersteuern und Zuckerzölle stehen. Unmittelbar vor dieser Konferenz erhöht nun die deutsche Regie rung den deutschen Zuderzoll. Sie handelt damit gegen die Interessen der Weltzuderwirtschaft, die den Abbau der Ausfuhrprämien braucht, indem fie tatsächlich die deutsche Ausfuhrprämie außerordentlich steigert. Sie handelt gegen die Intereffen der deutschen Verbraucherschaft, die sie eines Teils der möglichen Berbilligung des Zuckers beraubt. Und sie verstößt gegen ihr eigenes Wirtschaftsprogramm. Verschärft wird die Lage dadurch, daß die Zuckerindustrie ihr angebliches Ziel, die Borkriegsanbaufläche für Zuckerrüben, zu acht neunteln erreicht hat, 10 daß man damit rechnen kann, daß in zwei Jahren diese Fläche wirklich erreicht ist.
So bedeutet die Erhöhung des Zuderzolls eine Kriegs Auswüchsen der Nachkriegszeit bereinigen wollen, und eine unsinnige erflärung an alle diejenigen, die den Weltzuckermarkt von den Belastung des Verbrauchs, die durch nichts gerechtfertigt ist. Er be deutet ein Zugeständnis an eine Wirtschaftsgruppe, die mit törichten und zum Teil gewiffenlosen Argumenten die Deffentlichkeit für sich einzufangen gesucht hat. Der Belastung des deutschen Lebensmittel tonfums zugunsten privater Interessenten fügt er einen Betrag von weiteren 60 Millionen Mark hinzu. Er gibt abermals denen recht, die behaupten, es täme in Deutschland nicht darauf an, daß eine Gruppe der Landwirtschaft ihre Forderung auf 3ollschutz fach gemäß und sorgfältig begründet, sondern darauf, daß sie so lange in der Deffentlichkeit und in vertraulichen Sizungen schreit, bis man ihr den gewünschten Zoll in den Mund steckt, bloß um sie zum Schweigen zu bringen.
Unter diesem Gesichtspunkt sind auch die wirklich achtbaren Wohlfahrtseinrichtungen der Borsigwerfe zu betrach ten. Es wird viel dort getan und viel versucht, aber ein moder ner Arbeiter wird dabei nicht warm und sein berech tigtes Mißtrauen wird er nie los. Es ist unvermeidlich, daß der moderne Arbeiter, der die Goldwage seines Verstandes, wo ihm die Begriffe fehlen, im Herzen trägt, hinter den Wohlfahrtseinrichtungen der Familie Borsig jene gewiß gutgläubige, aber zerstörende Naivität fühlt, mit der Herr v. Borsig seinerzeit in Adolf Hitler einen Genius Deutschlands erblickte
Bouton Aubiomekaufs
Kleider Jackenkleider Mäntel Complets, Bute , Blusen, Röcke Morgenröcke Modische Strickwaren Preise z.T. 14 der früheren z.T.V4
Beginn des Ausverkaufs morgen, Freitag den 1. Juli
KERSTEN& TUTEUR
BERLIN, LEIPZIGER STR . 36, ECKE CHARLOTTENSTRASSE Zweigniederlassung Kurfürstendamm Ecke Rankestr
K& T