Sonnabend 20. August lH27
Unterhaltung unü
issen
Vellage des vorwärts
Chaim. Von Jakob P a t.
(Schluß.) Vor zwei Monaten, nachdem seine Kugel die Achsel des Polizei. Vorstehers gestreist hatte, hat man ihn ins Gefängnis gesetzt. Und vor zwei Wochen hat dad Feldgericht Chaim zum Tode durch den Strang oerurteilt. Chaim würde bereits im Grabe liegen, wenn nicht der Rechtsanwalt, der ihn retten wollte, eine Kassation beim Kreismilitärgericht beantragt hätte. Bei dieser Gelegenheit hat der Rechtsanwalt sich darauf berufen, daß Chaim keine 19 Jahre alt war und daß der Polizeivorsteher wieder gesund geworden ist. Inzwischen sitzt Chaim im Gefängnis. Er hofft aber nicht auf eine Abänderung des Urteils. Vorbei! Tod ist Tod. Das wird schon kommen. Vor seinem Tode hat er aber noch zwei Sachen zu erledigen: Er wird noch zwei Brief« schreiben. Ein Brief wird an jene gesichtslose Masse sein, an alle jene Namenlosen, die man als„Brüder" und „Schwestern" bezeichnet... und den zweiten Brief wird er an seine Mutter schreiben, denn andere Angehörig« hat er nicht. Der Vater ist doch gestorben, der Bruder in Sibirien . Ja, ein Bruder ist in Sibirien und weiß von nichts.— Eine Braut hat er nicht. Er wird also an seine Mutter schreiben.... * „Genossen! Als ich noch frei war. habe ich irgendwo gelesen, daß die Mutter eines ermordeten Kindes die Arme gerungen und geklagt hat:„Gott ! Welche Schuld liegt denn auf diesen Unglück- lichen?" Ihr sollt wissen, Genossen, daß ich nicht als Unglücklicher in den Tod gehe. Es ist gut, von der Erde Abschied zu nehmen, wenn man sie nicht mit leeren Händen verläßt. Ich werde von ihr mit einem Strick um den Hals scheiden. Der Polizeivorsteher Peter hat 41 Menschen umgebracht. Mitunter scheint es mir in meiner Zelle, daß die 41 bei uns fragen:„Wofür?" Wirklich, wofür?— Un- schuldige alte Leute und Kinder. Ich tröste mich durch den Gedanken:' Nicht sie allein sind die Opfer. Opfer sind auch die, die freiwillig an den Galgen gehen. Verzeiht mir, unschuldige alte Leute und Kinder. Opfer müssen fallen. Niemand ist schuldig. Wenn die Freiheit kommen wird, wird der Keim unseres Opfers in voller Pracht emporblühen. Ich bitte Euch, Genossen, fürchtet Euch nicht, setzt ein Ende der Macht des Raubes und des Absolutismus . C h a i in." « »Liebes Muttchen! Ich habe Dir'schon einmal von dem Ge- richtstag« geschrieben, ich weiß aber nicht, ob Du meinen Brief erhalten hast. Er ist sicher durch die Hände des Polizeidepartements gegangen und das ist«ine sehr lange Geschichte. Falls Du ihn erholten hast, so weißt Du schon bereits Bescheid über mich, das Gericht und das Urteil. Das Urteil fiel so aus, wie ich es erwartet habe. Als ob man etwas anderes von„ihnen" erwarten konnte? Du verstehst doch, wen ich damit meine. Du mußt sie bereits lange genug kennen, hast nicht wenig durch sie gelitten, nicht wenig Qualen ihretwegen überstanden. Aber wollen wir lieber nicht von unseren Feinden sprechen, sie sind dem ganzen russischen Volk bekannt und man hat über sie bereits genug gesprochen. Ich schreibe Dir wahr- scheinlich zum letztenmal und daher muh man es«ngprechend aus- nutzen, d. h. darüber sprechen, was wichtig ist, was mich quält und beunruhigt, was man sagen will und muß. Das ist die Frage be- treffend: meinen Tod und Deine Stellung dazu. Obwohl mein Rechtsanwalt«ine Kassation beantragt hat und es für eine Kassation mehr Gründe gibt als erforderlich, obwohl das Urteil von dem Generalgouverneur, d. h. von Trepow noch nicht bestätigt ist,— bin ich dennoch sicher, daß mein Tod unvermeidlich ist, es sei denn, daß die Revolution oder andere wichtige politische Ereignisse mich retten werden. Alles ist möglich, jedermann weiß, daß die russische Revo« lution nicht mehr fern ist, daß weder Galgen noch Morde sie ver- hindern werden. Ich glaub« daran, ich werde daran selbst in dem letzten Augenblick glauben, wenn der Henker mir den. Strick um den Hals ziehen wird. Mit diesem Glauben werde ich sterben, und mein Tod wird leicht sein, ich möchte beinahe sagen„süß", wenn man dies über den Tod sagen könnte. Glaub« mir, Teuere! Ich bin voll- kommen ruhig! Seltsam ruhig! Was bedeutet denn schon mein Tod im Vergleich zu jener großen Zukunft, welche jetzt schon so nah« ist, für die man so viele taufende, ja hunderttausend« Leben geopfert hat, bessere, jüngere vielleicht als meines. Du kannst Dir gar nicht vorstellen, was für«in Glück der Tod bringen kann. Nicht, weil Ich das Leben etwa nicht lieb hätte, weil es mir schrecklich, häßlich er- schien« und ich davon erlöst sein möchte. Im Gegenteil, ich liebe das Leben. Ich liebe es so, wie es eben ein neunzehnjähriger junger Mensch lieben kann. d. h. mit Begeisterung, Glauben und Kraft. Ich bliebe, wenn es nur möglich wäre, mit dem größten Vergnügen am Leben. Aber, da es nun einmal unmöglich ist, wollen wir nun lieber darüber nicht reden. Ich sag« Dir, daß der Tod viel Freude bringen kann und auch bringt. Das ist, wie soll ich es nur sagen: Man beginnt seine moralischen Kräfte zu fühlen. In Wirklichkeit, ver- steht mich recht. Wofür ich sterbe? Für die heilig« Sache der Be- freiung, für die Befreiung nicht nur des russischen Volkes, sondern der ganzen Menschheit. Ich sterbe, weil ich nicht Knecht sein, weil ich nicht ewig das Joch ertragen und sehen wollte, wie, genau wie ich, Millionen Menschen es trogen, Menschen, die frei sein könnten, welche ein Recht auf Freiheit und auf alles haben, was um sie herum ist, genau wie jeder lebende Mensch darauf ein Anrecht hat. Ich hatte soviel Kräfte in mir, daß ich vor dem Tod nicht zurückschreckte, daß ich zweimal Gefängnis und Verbannung ertragen habe, daß ich vor dem Gericht erscheinen und vor meinen Henkern ruhig stehen konnte, dreist und stolz, und ebenso ruhig werde ich das Schafott besteigen. Gibt denn diese Freude wenig Glück?— Ich habe mich immer durch einen harten Charakter ausgezeichnet, aber ein« gute Melodie, eine aus dem Herzen greifende Musik haben mich oft zu Tränen gerührt. ungewollte Tränen. Aber jetzt, meine Teuere, wenn ich auf ewig von allem Abschied nehmen muß, von allem, was mir lieb und teuer, ist keine einzige Träne in meinen Augen: ich empfind« kein« einzige Regung der Kleinmut, nicht einmal auf einen Augenblck. Das ist die reine Wahrheit, Teuer«! Ich sage dies alles nicht um mich zu rühmen, sondern damit Du sehen sollst, daß ich ganz ruhig, ja sogar glücklich bin. Ich möchte, daß Du einmal meinen Tod mit meinen Augen sehen solltest. Du hättest dann nicht so geweint und gelitten. Ich weiß, mein Tod wird Dir schwer fallen, wird Dir das Leben öde erscheinen lassen. Wenn Du nur wüßtest, wie Deine Tränen und Leiden mir weh tun, wie furchtbar bitter mir zumute wird, wenn ich daran denke! Du hättest dann sicher Dich nicht so gequält und beklagt. In Wirklichkeit: was nützen schon Dein« Tränen? Wirst Du mich denn damit retten? Warum sollst Du denn klagen. Du wirst doch schon als Slte«r Mensch noch etwa» Sonn«, Glückliches und Fröhliche» zu sehen bekommen— ich meine«in mehr oder weniger freies Vaterland. Das ist es. wofür Deine Kinder in
Gefängnissen gesessen haben, verbannt wurden und ihr Leben hin- gaben. Meine Teuere! Ich bitte Dich � weine nicht, klage nicht! Und vergib mir alle Sorgen, alle Qualen, die Du meinetwegen erleidest. Du weißt, wie ich Dich liebe. Du weißt, wenn ich Dir etwas Böses zugefügt habe, so war es unbewußt, oder ungewollt. Wie möchte ich Dich doch so stark an mein Herz drücken... Na, bleib gesund. Dein Chaim." » Am 28. Juli hat das Kreismilitärgericht die von dem Rechts- anmalt Chaims beantragte Kassation des Urteils verworfen. Vorbei!... Chaim kam an den Galgen.
die phöbus-/,ssäre.
-kein 5>lm-/ltelier kann sich einen besieren Scheinwerfer wünschen!"
Charles öe Coster. Zum lOO. Geburkslag des Dichters am 20. August. Von Dr. Heinrich Taschner. Die modernen Vertreter des flämischn Schrifttums französischer Zunge, das als Zweig des Hauptstammes der französischen Literatur auf dem Boden Belgiens zu so eignartiger Blüle gediehen ist und in Camille Lemonnier und Emile Verhaeren seine stärksten Expo- nenten in Prosa und Vers gefunden hat, verehren in Charles de Coster den überragenden Meister, der in seinem weltberühmten Uilenspiegelroman der Heimatkunst Ziel und Richtung gegeben hat. „Das Buch ist der Dichter selbst, und der Dichter ist ein ganzes Volk. Es ist das Land, das sich gegen Philipp II. von Spanien bäumt, wie es sich gebäumt hat gegen die ganze hundertjährige Armee seiner Unterdrücker. Ein tief im Boden der Heimat wurzelnder Mann hat es geschrieben und gezeichnet. Es ist mehr als ei» Bild, es ist ein Spiegel." Diese Worte Emile Berhaerens um- schreiben kurz und tressend die Bedeutung eines Dichters, der als Befreier und Verewiger seines Volkstums gelten darf. Es ist daher um so verwunderlicher, daß dieser„Uilenspiegel", den man als die belgische Bibel zu bezeichnen pflegt, nicht dl« flämische Bibel ge- worden ist. Wohl ist das Buch in französischer Sprache geschrieben, aber dem Geist und dem Wesen nach zeigt dieses farbenprächtige, aus Komik und Tragik gemischte Heldenlied des niederländischen Freiheitskampfes so ausgesprochen germanische Zllg«, daß es der französische LiteraturhistorUer Deschanel zutreffend dahin charokteri. sieren konnte:„Es sind Gedanken und Gefühle des Nordens, in«in südliches Idiom übertragen." Kein Wunder, daß sich Franzosen und Wallonen durch die Sprache nicht über den flämischen Geist, den einen wesensfremd und den anderen verhaßt, täuschen ließen, während andererseits wieder die Sprache dem Buch den Weg zum Herzen des flämischen Volkes verbaute und den Dichter so lange die Rolle des Propheten spielen ließ, der im Vaterlande nichts gilt." Aber gerade die Sprache des„Uilenspiegels" ist es, die der Schilderung eine Beleuchtung von ganz eigenartigem, farbigem Reiz gibt. Coster hatte sein Meisterwerk, das ihm freilich erst nach seinem Tode zum Weltruhm verhalf, in französischer Sprache ge- schrieben, denn er hoffte, ihm damit den weitesten Verbreitungskreis zu sichern. Das neuzeitliche Literatursranzösisch kam natürlich für den künstlerischen Zweck, den der Dichter im Auge hatte, und die Untermalung des historischen Lokalkolorits füglich nicht in Frage; andererseits widerstrebte es dem feinfühligen Sprachkünstler, den alten Chronikstil einfach nachzuahmen. So schuf er sich denn sein« eigene Ausdrucksform, die das Französisch des 16. Jahrhunderts aus dem germanischen Sprachgefühl heraus zu einem neuen Idiom von altertümlicher Farbengebung umbildet. Durch dielen Umsormungs. und Umwertungsprozeß gewann er ein anpassungsfähiges, Menschen und Umwell scharf charakterisierendes Ausdrucksmittel,«ine Sprache, die bald im übermütigen Jubel aufjauchzt, bald wieder todestraurig in der mystischen Dämmerung gebrochener Halbtöne verklingt, ge- treu dem bunten Wechselspiel her Stimmungen der Legende, die Coster«in„fröhlich Buch trotz Tod und Tränen" nennt. In Deutsch . land hat der Uilenspiegelroman treffliche Uebersetzer gesunden, die es verstanden haben, die sprachliche Eigenart und den Duft des Ori» ginals in die Verdeutschung hinüberzuretten. Dank dieser muster- gültigen Kunst des sprachlichen Nachempfindens ist Costers„Uilen- spiegel" heute deutsches Kulturgut geworden. Der Zufall hat es übrigens gefügt, daß der belgische Dichter auf deutschem Boden das Licht der Welt erblickte. Charles Theo- dore Henry de Coster wurde am 20. August 1827 in München ge- boren, wo s«in Vater Intendant des dortigen päpstlichen Nuntius, eines belgischen Bischofs, war. Entgegen den Wünschen seines bischöflichen Paten und Gönners, der ihn gern als Priester gesehen hätte, bezog Coster nicht die katholische Hochschule in Löwen, son- der» die Brüsseler Universität, um Philosophie zu studieren und sich nach vollendetem Studium journalistisch zu betätigen. 18S8 trat Coster mit seinem ersten Buch, den„flämischen Legenden", an dje Oeffentlichkeit, zu dem kein Geringerer als Felicien Rops die Illu- strationen und Deschanel die Vorrede beisteuerten. Di« hier»er- einten Novellen sind bemerkenswerte Vorstudien zu dem Uilenspiegel. roman, mit dem sich der Dichter seit geraumer Zeit schon beschöstixt
hatte. Coster nahm deshalb auch freudig die ihm angeboten« Biblio » thekarstellung am Königlichen Archiv in Brüssel an, die ihm den ersehnten Zugang zu dem Schatz des authentischen Quellenmatel'ials verschaffte. Um sich ganz in den Geist der Zeit einzuleben, unier- nahm er daneben wiederholte Reisen nach all den Orten, die den wechelnden Schauplatz des niederländischen Freiheitskampfs bilden. Reisen, die ihm reichen künstlerischen Gewinn, aber ebenso reichliche Schulden eintrugen. Als reife Frucht dieser langjährigen Quellen- und Mileustudien erschien 1867 die mit prachtvollen Radie- rungen erster belgischer Künstler geschmückte„Legende d'Uilenspiegel et de Lamme Goedzak". Den Namen seines Helden entnahm er dem alten flämischen und deutschen Volksbuch, ebonfo wie das Gerippe einer Anzahl jener Schnurren und Schwanke, die Eulenspiegel zur Lieblingsfigur der Deutschen gemacht haben. Mir der dramatischen Steigerung des Verzweislungskampses, den das zur Empörung auf- gepeitschte Volk gegen die weltliche und geistliche Macht seiner Pei- niger führt, wächst aber auch der Schalksnarr zur tragischen Größe des Helden empor, in dem sich der unbeugsame Unabhängigkeitssinn eines ganzen Volkes verkörvert. Er wird nach der Etymologie des Dichters der„Leutespiegel', in dem sich alle Strahlen vereinen, brechen und verslimmern. Der Erfolg, den sich Coster von seinem Epos des Kampfes zweier Weltanschauungen versprochen hatte, blieb indessen aus. Er muhte sich mit dem begeisterten Beifall der Künsf- ler und ernsten Kunstfreunde begnügen, die Hoffnung aber, sich die große Lesegemeinde zu gewinnen, blieb unerfüllt. Zum Professor der Geschichte und der französischen Literatur an der Kriegsschule in der Brüsseler Gemeinde Elsene ernannt, quälte sich der von den Gläubigern hart bedrängte Dichter in einem hoffnungslosen Ringen von einem Zahltermin zum anderen.„Ich gehör« zu denen, die warten können," hatte sich Coster gerühmt, aber über dem Warten ist er dahingestorben. Am 7. Mai 1879 ist er in Jxelles bei Brüssel in bitterer Armut, einsam und verlassen, verschieden. Camille Le- monnier hielt ihm die Grabrede, die er mit den Worten einleitete: „Dem Verkannten von heul«, dem Lebenden von morgen." Dieser Morgen verspäteter Anerkennung brach mit dem Erscheinen der zweiten Auslage des„Uilenspiegel" an, vierzehn Jahre nach dem Tod« des großen Dichters, dessen Gedächtnis ein Denkmal in Brüssel verewigt. * Dem deutschen Leser stehen mehrere gut« Uebersetzungen des „Uilenspiegel" zur Verfügung. Die erste, die Friedrich v. Oppeln- Bronikowski im Verlage von Eugen Diederich-Jcna 1919 ver- anstaltct«, erscheint gerade jetzt in neuer Auslage(54. bis 63. Tau- send) und ist mit 16 Illustrationen geschmückt. Eine zweite ausgc- zeichnete Uebertragung verdanken wir Karl W o l f s k e h l. Sie liegt außer in einer großen zweibändigen von Masereel illustrierten Ausgabe auch in der Sammlung klassischer Romane vor, die im Verlag von Paul List , Leipzig ,«»scheint. Sie bringt außerdem ein in das Wesen Costers tief eindringendes Nachwort des Uebersctzcrs.
vom Luxus in pelzem Don Paul D o b e r t. Die Mode ist die große Gleichmacherin unserer Zeit. Seitdem die alten Zunft- und Kieiderordnungen dahin gesunken sind, haben alle Versuche, der Nivellierung der Standesunterschicde durch die Mode Einhall zu gebieten, sich als vergeblich erwiesen. Nun liegt es aus der Hand, daß die Mode in erster Linie für die Wohlhabenden schafsl, für jene, die imstande sind, mehrere Kleider ihr eigen zu nennen und dies« auch dann fortzulegen, wenn sie noch nicht ver- braucht sind. Die Frau mit dem kleinen Toilettenbudget hat nun den schweren Kampf zu bestehen: soll sie„uiunodern" erscheinen oder auf die brauchbaren Kleidungsstück« verzichten und sich neu« oek- schaffen. Wer in den Nachkriegsjahren diese Dinge verfolgt hat, weiß, daß die noch dem Diktat der Mode arbeitende Konsektion den arm gewordenen, resp. gebliebenen Frauen diese Entscheidung dadurch erleiä)«rt hat, daß die äußere Form an Kleid und Mantel stationär geblieben ist, und daß die Veränderungen sich mehr auf die Art der Stosfe bezogen. Und im wohlverstandenen eigenen Interesse wie-, in dem der auf Sparsamkeit angewiesenen Freuen und Mädchen wurde jede Neuerscheinung bald in einer billigen Imitation auf den Markt geworfen, so daß es geübterer Blicke, als sie den meisten Männern zu eigen sind, bedarf, um zu entscheiden, ob diesos entzückende Gewand sozusagen aus dem 3-Mark-Lc:aer oder aus dem renommierten Modckaushaus stammt. Die wenigen warmen Tage dieses Sommers haben auf den Straßen so bunte und reizvolle Toilettenbilder entstehen lassen, daß schon die einfache Ucberlegung dazu führen mußte, sich zu sagen: Die heutige Mode bietet für jede Börse die Möglichkeit, sich geschmackvoll zu kleiden. Während dieser Sommektagstraum uns umgaukelt, ist die In- dustrie tätig, die Schlacht für den kommenden Winter zu schlagen. In einer nicht alücklichen Stunde schuf sie den Wintermantel mit Pelzbesatz. Kein Mantel ohne einen Pelzstreisen am Halse, an den Aermeln oder dem Saum. Mehr zur Dekoration denn zum Schutz gegen Kälte. Und diese notwendige oder besser überflüssig« Zier ver- teuert natürlich das Objekt bedeutend. Wo im vorigen Jahr der Spitzenpreis für einen guten Mantel lag. beginnt jetzt der Anfangs- preis für bessere Ware. Bessere in dem Sinn: Güte des Stosses— also noch nicht des Pelzes. Selbst der billige Pelz, den die Ver- arbeitung der Kaninchenfell« liefert, ist nicht„billig"— er verteuert bedeutend den eigentlichen Stoffmantel. Was in anderen Mode- gebieten möglich ist: Ersatz des teueren Originnlmaterials durch billigeres Fabrikat— ist beim Pelz nicht möglich, da ja unter Kaninchenfell nicht heruntergegangen werden kann. Fragt man einen Engroshändler, weshalb er diesmal nur Mäntel mit Pelzbesatz an, bietet, so wird er antworten: weil Pelz Mode ist. Einen Mantel ohne Pelz wird man in diesem Winter nicht tragen— dieses„man" ist jenes Modediktat, das in den meisten Fällen sinnlos ist und doch allerseits befolgt wird. In Ländern, wo die Winterkält« monatelang anhält und einen hohen Grad erreicht, ist der Winterpelz für Mann und Frau ein notwendiger Gegenstand— in unserem Durchschnitts. klima deutet die Verwendung von vielem Pelz auf Luxus. Man wird mit Interesse den Versuch der Konfektion beobachten müssen, einem in seinem Vermögen und seinem Einkommen stark beschränk- ten Volte einen notwendigen Gebrauchsgegenstand durch Luxusaus- stattung zu verteuern. Sie wird sich nicht wundern dürfen, wenn bei einem etwaigen Fehlschlag ihrer Spekulation ein Bedauern ihr nicht zuteil wird. In den Kreisen der Frauen, die nicht blindlings den Modegesetzc.i sich unterwerfen, wird darüber kein Zweifel sein, daß ein geschmackvoll gearbeiteter Mantel aus gutem Stoff mehr Wert hat als das trotz der Verwendung von„billigem" Pelz doch teurere Mustermodell des kommenden Winters.
pulverisierte Milch. Seit vielen Iahren ist es möglich, Milch, ja sogar Kakao und Kaffee, pulverförmig zu verarbeiten und durch Zusatz von Wasser in das entsprechende Getränk zu verwandeln. Di« deutsche Maschinenindustrie war in der Schaffung der dazu not- wendigen Anlagen führend. Trotz des billigeren Preises und der be- quemeren Transportierbarbeit konnte sich aber die Puloermilch wegen ihres einförmigen Geschmackes nicht gegenüber der Büchsen- milch halten. In Amerika scheint sie dagegen Verwendung zu finden. denn die Produktion stieg von 15 Millionen Pfund im Jahr« 1924 auf 79 Millionen Pfund im Jahre 1926. Es müßte möglich sein. mit Berücksichtigung der neuesten Vitaminforschung ein Verfahren zu finden, das der pulverisierten Milch Geschmack und Reizstoff- gehalt wiedergibt.