Renner sieht sie in der beiderseitigen Aufröstung zum Bürgerkrieg, den Bauer genau so wie er verabscheut und zu verhindern bestrebt ist. Er feiert die wirkliche Re- volution. die sich durch das scheinbar prosaisch-nüchterne chandeln der Partei vollzieht, durch konkrete schöpferische Taten auf dem Gebiet der Verwaltung. Er unterstreicht, daß die österreichische Koalition von 1918 bis 1929„ein Glück gewesen ist. Kein Glück sieht er in einem Zweiparteiensystem, das auf eine Unterdrückung der einen Partei durch die andere hinausläuft und darum will er die im österreichischen Bürger- block vereinigten Christlichsozialen, Großdeutschen und Land- bündler nicht zusammentreiben, vielmehr diesen Block auf- zulösen oersuchen durch die Betonung der sozialdemokratischen Koalitionsbereitschaft. Mögen dann die anderen Nein sagen, wenn sie wollen und dadurch für die Folgen vor dem Volk die Verantwortung übernehmen. Durch die Art, wie die beiden Reden aufgenommen wurden— beide wurden mit stürmischem Beifall ausgezeich- net— durch die Debatte, die nach ihnen geführt wurde, schließlich durch die einstimmige Annahme einer zwischen beiden„Richtungen" vereinbarten Resolution hat der Partei- tag gezeigt, daß er die Meinungsverschiedenheiten zwischen Bauer und Renner keineswegs als unüberbrückbare Gegen- säße betrachtet. Die Annahme der Resolution bedeutet für keinen der beiden Teile eine Unterwerfung, vielmehr können beide mit ihr zufrieden sein. Sie ist eine scharfe Kampf- ansage an die Regierung Seipel und sie stellt zur gleichen Zeit fest, daß es nicht die grundsätzliche Einstellung der Sozial- demokratie' sondern vielmehr die Bürgerblockpolitik S e i p e l s ist. die jede Koalitionspolitik unter den gegebenen Umständen verhindert. Sie erklärt sich gegen Bürgerkrieg und Diktatur, für das Bündnis des Arbeiters und Bauern auf dem Boden der Demokratie. Sie wiederholt den von Otto Bauer proklamierten Grundsatz„Keine D e m o n- stration ohne Beschluß der Gesamtheit! Keine Streiks in levenswichtigen Betrieben ohne Zustimmung der gewerkschaftlichen Gesamtorganisation!" und erhebt ihn damit zum Parteigesetz. Das Ergebnis des Parteitags bedeutet für die Apostel der Gewalt von rechts und links eine starke Enttäuschung. Der Kommunismus ist bekanntlich in Oesterreich außerordent- lich schwach, immerhin gibt es auch dort Leute, die meinen, wenn erst einmal eine Feder gelöst sei, müsse die große gewaltsame Auseinandersetzung abschnurren wie ein auf- gezogener Mechanismus. Solche Festedruff-Strategen der Innenpolitik sind jedoch viel häufiger auf der Rechten als auf der Linken anzutreffen. Das gilt allgemein, aber für Oester- reich noch ganz besonders. Für die Scharfmacher um Seipel bedeutet der Verlauf des Wiener Parteitags sicherlich einen starken Verdruß. Für die österreichische Sozialdemokratie und mit ihr für die Sozialistiscke Arbeiterinternationale bedeutet dagegen das Ergebnis oes Parteitags einen erheblichen Gewinn. Alle Parteien der Internationale, die den Vorteil genießen, in demokratisch regierten Ländern zu arbeiten, müssen auch die Schattenseiten dieses Regierungssystems mit in Kauf nehmen und sich mit den neuen Problemen ausein- anderfetzsn. die es für die Arbeiterklasse mit sich gebracht hat. Daß die Grundrichtung, in der die Löiung gesucht werden muß, schließlich trotz aller Verschiedenheiten der Zeit und des Rgums überall dieselbe ist, hat der Parteitag von neuem gezeigt. Es war ein Parteitag der Selbstbesinnung, der Selbstkritik und der Selbstdiszrpun. Eine Parke», die einen solchen Grad intellektueller und moralischer Kraft beweist, wird ihren Weg machen, komme was da will.
Ein neues vatkanattenkot ist in de? mazedonischen Stadt Slip nerübt worden. Mitten auf der Brücke fielen abends 19 Uhr fünf Rsnolverschüsse. Als die Pylizei erschien, fand sie den Mazedonier Michail Michailoif und dessen Sohn erschossen vor. Michail Michailoff ist der Vater des mazedonischen Revolutionärs Vance Michailoff.
Mary Wigman . (Bach- Saal.) Mit„Hellen Schwingungen" begann der Abend.„3m großen Schwung",„Zart fließend",„Leicht spielend" heißen die drei Tänze der Suite. Themata, die dem Programm der Wigman sonst fern- stehen. Also eine Erweiterung, eine neue Note? Ja und nein. Leichtes Aufschwingen, Fließen. Wirbeln. Gleiten im ersten; wippen- des Kniebeugen, flatterndes Spiel der Hände im zweiten; tändelnde Arabesken und Ornamente im dritten Tanz suchen natürliche monu- i»entale Wucht und Schwere zu überwuchern und zu überwinden. Ein Triumph der Technik irnd starken künstlerischen Wollens, der dem Tanz der Wigman eigenartige, neue Reize schafft. Aber die Ngtur bleibt bestehen- Durch alles Spielerische der Augenblicks- stimmung bricht immer wieder das ernste Pathos, die herrische Kraft der Heroine durch, die die Wigman im Grunde ihres Wesens ist. Auch über ihrem heiteren Tänzeln lagert eine Wolle tragischer Schwemmt. Dann drei„Visionen". Ein Maskentanz. Zartes, langsames Auf und Nieder der Arm- und Kopfbewegung. Kurzes, leichtes Klappen in den Gelenten. Schweben, Gleiten über den Boden. Schaukelt uns ein in Nirwanastiminung Gibt einen Begriff vom Zauber des indischen Natsch. Die„Traumgestall": ein Traum vom Fliegen. Sehnsüchtiges Aufschwingen. Gefühl überirdischer Leichtig- keit. Aber immer wieder ein halbes Erwachen. Ernüchternd, er- müdend. Resignation. Nachtwandeln über Höhen und Tiefen seelischer Gefilde. Die dritte Vision, ein„Hexentanz" in mongolischer Maske. Als Sitztanz beginnend. Regungslos, gespenstisch Gl«,-. tend. kriechend, immer näher und näher. In wilden, grotesken Sprüngen über die Bühne rasend. Jäh zusammenbrechend. Spuk- gebilde primitiver Phontastik haben Gestalt bekommen. Angst- träume der Kinderzeit werden wach Grauen schüttell uns. Eine Gespenstererscheinung in hellem Licht und buntesten Farben. Rührt an die Grenzen des Wahnsinns. Zum Schluß vier„Phantasien" über Gesänge und Tänze aus dem Balkan . Melancholische Lieder. Demütig beugen sich Knie. Müde sinken Hönde wie welkende Blätter. Verlangendes Aufstreben, in leise», zögernden Wünschen. Monotone Rhychmen. Plötzlich auf- gepeitscht zu ekstatischem Wirbel. Ein« Mänad« segt, fliegt über das Vodium. Stampfendes Auftrumpfen in eckt Wigmanschem Furor. Und wieder ein Verhalten der Bewegung. Sinken. Zusammenfalten. Di« Eindrücke diese» wahrhaft großen Abends klingen und schwingen in unseren Seelen nach Aber wer vermag sie in Wort« zu fassen? Oder wer mäche, an Kleinigkeiten kritisch mäkelnd. lebendig Gewachsenes sezieren und analysieren? Wo fast über- ineNsör'ich! Gestallungc traft der tiefsten Seelenkünderin uns über- wältigt. Beugen wir uns vor dem Genie und preisen wir uns glücklich, daß uns dieses Erlebnis ward, um das uns spätere Ce° schlechter beneiden werden. Sohn Echiko wsti.
Das Schulgesetz als Koalitionskitt. Keudell für rasche Verabschiedung. In einer Nch« vor reaktionären Studenten über das Schulgesetz erklärte der Reichsinnenminister v. Keudell. es wäre nich gut, wenn das R e i ch s s ch u l g e s e tz in den W a h l k a m p f käme, da eine vielleicht kulturkämpferische Situation zu einer Entfrem- d u n g zwischen der Deutschnationalen und der Deut» schen Volkspartei führen könnte, was außerordentlich zu bedauern wäre. Er glaube aber an ein Zustandekommen des Gesetzes. Deutlicher kann nicht gut gesagt werden, daß es den deutsch - nationalen Ministern weniger um die Schule und um das Christen- tum» als um die Aufrechterhaltung des Rechtsblocks geht, wenn die Schuloorlag« jetzt durchgepeitscht werden soll. Das reine Parteiinteresse, verstärkt durch das Interesse des Besitzes an der Rechtsregierung wird über den Wunsch nach einer einwandsreien Regelung des Schulwesens gestellt! Sonst pflegte die deutschnationale Agitation die breite Oeffent- lichkeit mit den üblichen Phrasen von der Heroorragenden fach- lichen Unparteilichkeit ihrer Minister zu überschüllen. Keudell selbst, der Urheber des Schulgesetzes, hat diese These für seine Person und für die Schulvorlage preisgegeben. Ihm und seiner Partei ist das Gesetz nur Kill.'ür den Rechtsblock.
Schulgesetz und Verfassung. Debatte im BildungSausschuft. Im Bildungsausschuß des Reichstags wurde heute die Bera- tung des Reichsschulgesetzes fortgesetzt. Abq. Aleißner(Soz.) stellte fest, daß der deutschnationale Abgeordnete Philipp die sächsischen Schulverhällnissc ganz falsch dargestelll hat. Fleihner stellte dann fest, daß nach Abs. 1 des Art. 145 der Reichsverfassung die G e- meinschaftsschule die Regelschule bilden solle. Das werde von der Vorlage nicht berücksichtigt. Die Sozialdemokratie verlange, daß die Dersässungsbestimmungen verwirklicht werden. Die Regierung müsse endlich eine klare Auskunst in der Kostensrage geben. Abg. Rheinländer(Z.) behauptet, daß dos Zentrum zur»er- fasiung und insbesondere zu dem Artikel 146 Abs. II so� stehe, wie es der Wortlaut verlange. Er fragt den Abg. Heinrich Schulz, ob die Vertreter des Zentrums beim Abschluß des Kompromisses der Ge- meinschaftsschule als Regelsthule in der Form zugestimmt hätten, daß die Gemeinschaftsschule gegenüber allen anderen Schulen eine Vorzugsstellung erhalten sollte. Das Zentrum wende sich gegen jede Vorzugsstellung einer Schulart. Der Vertreter hesiens gibt eine scharf ablehnende Erklärung gegen den Entwurf ab, der verfassungswidrig sei. Nach der Verfassung sei die Gemeinschaftsschule die Regelschule. Die Defi- nition des geordneten Schulbetriebs müsse den Ländern überlasten bleiben. Die hessische Regierung lehne die in dem Entwurf vorqe- sehenen Bestimmungen über die geistlich« Schulaufsicht und die Er- teilung des Religionsunterrichts ab. Im übrigen oerlange Hessen als Simultanland die Anwendung der Schutzbestimmungen des Art. 174. Abg. Schneller(Komm.) wendet sich gleichfalls gegen die geist- liche Schulaussicht und die Erteilung des Religionsunterrichts. Die entsprechenden Bestimmungen des Entwurfs deckten sich wörtlich mit denen des bayerischen Konkordats. — Die Beratung geht weiter.
yoröea und Wilhelm. Ei« DePesch enwechsel« Man fchreBt uns: Es war am 10. Oktober 1918, als H a r den ferne Stund» für gekvmmsn erachtete, um als Heller des Vaterlandes" aufzutreten. So telegraphierte er an Wilhelm IL, den er Zeit seines Lebens bekämpft hatt«, direkt und persönlich, daß„Gawstsensp flicht die Bitte erzwinge", ihn möglichst bald zu empfange»;„weil jede Stund« jetzt Schicksal ifc scheue ich weder Ablehnung noch Schein der Aufdringlichkeit und belaste de.n Hofbeamten, der diese Bitte verschweigt, mit der Verantwortlichkeit." Auf diese Depesche erhielt Horden auf amtlichem Wege die kühle Autwort, daß der Kaiser seine Depesche zwar empfangen habe, sich aber bis auf weiteres außer Stande sehe, ihm eine Audienz
Sternheims erste Spießerkomödie. (Theater am Kurfürstendamm .) „D i e H o s e", das bürgerliche Lustspiel, mit dem Karl Stern - heim vor 16 Iahven Aussehen und mehr noch Kopfschütteln er- regt hat, ist die erste einer Reihe von Komödien, in denen er nüch- tern und sachlich eine Gattung Mensch zeichnet, die sich überall in deutschen Landen findet: den bürgerlichen Spießer. Der Autor zerrt den Typus des Durchfchnittsbürgers und sein Milieu ans Licht der Rampe, ein« neuorttge Tat, da vor ihm niemand im alltäglichen nüchternen Lebenslauf des Bürgers etwas Dramatisches gesehen hat. Nach Sternheim frißt im Bürger der fanatische Wille, mehr zu sein als eine unbeachtete Nummer, sein Milieu zu überwinden und in ein höheres aufzusteigen. Er ist von dem Glanz der höheren Sphäre geblendet und daraus versessen, sich ein eigenes Ziel zu setzen, das ihn über die Nullen seiner Umgebung hinaushebt. Fast heldisch bläht sich der Bürger auf. Endlich plagt die Blase der Großmanns- sucht: der Bürger hat sein Spießertum nicht überwunden, er hat nur weitere Kreise gigantisch verspießt.„Die Hose " behandelt den noch bescheidenen Aufstieg eines Prototyps der bürgerlichen Welt. Der kleine Beamte Theobald Maske, der Ahnherr einer von Stern- heim vom Aufstieg bis zum schließlichen Ende gezeichneten Genera- tion, wird aus dem Gleichgewicht seines regelmäßigen Lebensab- laufs durch eine blamable Situation gebracht, in die seine Frau ge- raten ist. Sie hat, im Spalier bei einein Fürstenbesuch stehend, ihre Hose verloren und ist dadurch in den Mittelpunkt einer delikaten Sensation gerückt. Ihre unfreiwillig enthüllten Reize machen die vorher Unbeachtete auf einmal begehrt. Man reißt sich um die möblierten Zimmer, die das Chepaar Maske zu vermieten hat. Theobold fürchtet nicht einen Augenblick für die gefährdete Tugend seiner Frau; mit konsequentem Strebertum zieht er aus der zu- fälligen Konjunktur seine Vorteile. So sensationell Sternheims in explosivem Deutsch geschriebene Komödien auch sonst wirken, in der„Hose" hat ihm die moderne Frauenmode einen Streich gespielt. Sie enthüllt heutzutage mehr weibliche Reize als ein delikater Unglücksfall vor zwanzig Iahren. Damit kommt in da� Lustspiel etwas Unglaubhaftes, das manche Szenen mit Langewette bedroht. „Die Hose" wirkt in ihrem Humor und in ihrer Nachdenklich» keit trotz einer teilweise auf indiskutablem Niveau stehenden Dar- stellung. Ralph Artur Robert spiell die Hauptrolle und führt Regie, eine neuerdings zwar sehr beliebte, aber technisch undurch- führbare Erweiterung des schauspielerischen Aufgabenkreises. Als Schauspieler steht Rasiert seinen Mann, als Regisseur versagt er. Lotte Sein und Hubert v. Meyerinck stellen noch eindrucks- volle und lustige Typen aus die Bein«. Die übrigen Hauptrollen sind sehlbesetzt. Roma Bahn als Frau Maske läßt das Weibchen- tum der Bürgersfrau völlig oermisten. Eine fast ekstatische. Innerlich lodernde Luis« Maske liegt nicht im Sinne des Stückes, ganz ab- gesehen davon, daß ihre Darstellung gewollt und gezwungen wirkt. Robert G r n k> b o u in spielt einen für Berliner Verhältnisse un- möglichen Friseur Mandelstam . Dieser linkische Schauspieler dürfte la un einer kurdischen Rolle in einer Herrnfeldiade genügen. Bleibt also nur Ralph Artur Robert, der nun allerding» dem Spießer alle Eigenheiten abgelauscht hat. du diesen Mast« zu einem allge-
zu gewähren. Zugleich wurde ihm mitgeteilt, daß der Kaiser ban Kabinettschef beauftragt habe,„Ihre Mitteilungen behufs llebsrmittlung an S. M. entgegenzunehmen". Zugleich wurde er ersucht, Zeit und Stunde des Besuches telegraphisch mttzuteilen. Eine Besprechung mit dem kaiserlichen Kabinettschef aber ent» sprach den Wünschen Horden- nicht, und so unterblieb seine Reise in das kaiserliche Hauptquartier. Die Welt ist damit um ein« dramatische Szene gekommen, d*« selbst in jener ernsten Zell heiteres Interesse erweckt hätte, nämlich das Zusammentreffen zweier politischer Schauspieler, die so wesensverwandt und deshalb so gegensätzlich waren.
von Staudesehre und ihren Richtern. Ein Beitrag zu den bevorstehenden Aerztekammerwahlen» Dr. Schmuckler- Liegnitz stellt uns die folgende kleine Ge- schichte zur Verfügung, die nicht nur für Acrzte von Interesse sein dürfte: „Vor einiger Zeit schwebte beim Ehrengericht der Breslau «- Aerztekammer ein Verfahren gegen einen Arzt. An dem Verfahren war ich persönlich ttark interessiert. Nach dreiviertel Iahren er- kundigte ich mich höslich nach dem Stand der Angelegenheit.— Sie schwebt. Nach 11Z Iahren frage ich etwas energischer an und erlaube mir zu bemerken, daß durch solche Arbc'tsmethode das Vertrauen zu derartigen Standesgerichten nicht gerade g e- stärkt würde. Was erfolgt? Ich bekomme nun nicht etwa Bescheid, nein, das nicht, aber gegen mich wird«in Versahren wegen standesunwürdigen Verhaltens eröffnet. Nun höre ich wieder ein halbes Jahr nichts, bis mir eines schönen Tages mit- geteilt wird, ich bin verurteilt: Verweis und 100 M. Geldstrafe. Beschwerde dem Ehrengerichtshof Berlin . Verhandlung hinter verschlossenen Türen. Ich sehe und höre nichts. Vierzehn Tage später Urteil: Der Verweis bleibt bestehen, die 100 M. Geldstrafe werden gnädigst erlassen, dafür darf ich aber die Kosten des Ver. fahrens trogen. Und so etwas gibt's noch in einer Republik des 20. Jahrhunderts." Ist es schon ungewöhnlich, daß solche Ehrengerichtsverfahrcn durchgeführt werden, ohne den Beklagten überhaupt anzuhören, so bleibt es ganz unverständlich, daß man den unschuldig Beklagten zur Tragung der Kosten verurteilt. Dem unschuldig Geächteten wird so noch ein Geldopfer auferlegt dafür, daß er die ungerecht- ferttgte gesellschaftliche AechtUng abgewehrt hat. Bei den bevorstehenden Aerztekammerwahlen haben die Gegner derartiger unwürdiger Ueberspannung des Standesbegriffes die Möglichkeit, dafür zu sorgen, daß solche Mißgriffe endlich aufhören.
Kurioses aus Aldenburg . Die Kandidatenlisten zur Stadtratswahl. Am Sonntag finden in den Städten und Stadtgemeinden des Freistaates Oldenburg die Stadtratswahlen statt. In der Stadt Oldenburg mit ihren 60000 Einwohnern sind nicht weniger als sieben Lstten aufgestellt, darunter ein« der„H 1 t l e r- B e» w e g u n g" und eine, die sich„St ene r z a h l e r s chu tz" nennt. Auch in den übrigen Gemeinden haben fast überall kleine und kleinste Splitterparteien Sonderlisten aufgestellt. Es gibt da u. a eine Liste der„Neuhinzugezogenen". Tßheka-Spitzelek. Der Prozeß gegen den ehemaligen Gesandte« Birk. Reool. 2. Nooemo-r Im Prozeß gegen den früheren eslländischen Moskou-Gesondte» Birk machte der Angeklagt«, als er über die Umstände aus- sagte, unter denen er in die Hände der Mostauer GPU. gelangt«. sensationell« Enthüllungen. Besonderes Aufsehen erregte dabei ein Brief des GPU. - Lockspitzels vpparput. der Birks Darstellung bestätigt und Birk zum Teil entlastet. Die Geliebte Birks, Julie Koro, die als einzige Birk begleiten dürft«, wird auch als Agenttn der GPU. bezeichnet. Die Birkschen Enthüllungen in der Mostauer..Jsweslijci" will Birk nach Diktat des russischen Kommissars für auswärtige Anno» legenheiten geschrieben haben.
meinen Typus erheben. Er ist von einer prachtvollen massigen Taktlosigkeit. Daß Sternheims Werk In seiner Gesamtheit noch nicht von der Zeit überholt ist, daß das Spießertum frisch und kregel weiterlebt, beweisen die Pfiffe, die bei einigen besonders treffenden Stellen der Komödie durchs Parkett des Äurstirstendammtheaters gellten. _ Ernst Degner, Sowjetunion und die deutschen Arbeiter. Eine kommunistische Propagandaaussteklung. Am 1. November ist im Karl-Liebknecht-Hause in der Kleinen Alexanderstraße 26 die Ausstellung der Kommunistischen Partei:.Zehn Jahre Sowjetunion und die deut- schen Arbeiter" eröffnet worden. Schon der Titel kündet den Zweck und das Ziel dieser Ausstellung an: der deutsche Arbeiter soll von den Herrlichkeiten des jetzt zehnjährigen Sowjetparadieses so entflammt werden, daß er spornstreichs in das kommunistische Lager hinüberläuft. Es waltet daher bei den Deranstaltern dieser Aus- stellung von vornherein gar nicht die Absicht vor, in ruhiger, sachlicher Darstellung das Kulturnioeou des russischen Arbeiters und Bauern und dessen Steigen oder Sinken unter dem Einflüsse der Krisgsnach- Wirkungen, der Konterrevolutionen und Hungersnöte zu zeichnen. Den eigentlichen Leitern diefer Ausstellung ist es wohl auch zum Bewußtsein gekommen, daß sie kein lebendiges Bild von der auf- bauenden Arbeit Sowjetrußlands entworfen haben. Die klaffenden Lücken dieser Ausstellung entschuldigten sie mit ihrer überhitzten sechswöchigen Arbeit und mit ihren geringen Mitteln. Sie mußten darauf verzichten, eine nur irgendwie abgerundete und zusammen- hängende Darstellung des zehnjährigen politischen, sozialen, wirt- schaftlichen und kulturellen Entwicklungsprozesses des großen russischen Sowjetreiche» zu geben. Im wesentlichen ist in dieser Ans- stellung alles auf die politsiche Agitation gestimmt. liebe rall schreit, ja kreischt dos kommunistische Plakat, und überall lodert verzehrender Haß gegen die deutsche Republik, gegen die Sozialdemokratie und gegen die führenden Köpf« der Gewerkschaftsbewegung. Auf- peitschende Photographien zeigen schwer und unter aejundheüs- mörderischen Verhältnissen arbeitende Kinder in Dcntschland, aber die photographische Platte hat die Banden verwahrloster, völlig entarteter Kinder nicht aufgenommen, die sich in den russischen Städten herumtreiben. Man sieht den prügelnden deutschen Schutz- mann, nicht aber den mordenden Tschekisten, man schaut in eine deutsche Zuchthauszelle, nicht aber in die russischen Schreckensgefäng- nisse des hohen Nordens, in denen zahlreiche polttisch-reoolutionär« Idealisten starben und verdarben oder durch Selbstmord endeten. Der„Elou" dieser kommunistischen Propagandaaussiellung sc'! die Ecke„Die Sozialdemokratte einst und jetzt" sein. Sie ist von eine» erschreckenden Durstigkeit, und sie bemüht sich erst gar nicht, das eigenartig» Wesen der sozialdemokratischen Zeitung»-»od Broschürenkiterotur treu widerzuspiegeln. Nicht einmal die revolu- tionärsten Dokumente dieser Partei sind an die Wand? dieser„Ecke" geschlagen. Sie bringt serner nur wenige Zeitungsblätter von der legalen sozialüemok-alischen Presse der ausnal-mcgesetzlichen Zeit, sie würdigt gar nicht die emmente politische Bedeutung dieser Presse. die im größten Umfang die breite Bevölkerungsmnsse, die sich nicht in den Geheimbünden betätigte, politisch bildete und oevanipert»