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Die Schaftstiefel.

dist

Ein Rechtsfall aus der russischen   Revolution.

Bon Clara Michelson.

Revolution

Ein Mann ging zwischen Leichenhügeln, Galgen, Resten von Schüßengräben und ähnlichen schönen menschlichen Einrichtungen jeines Weges daher, als er an einem Gerüst ein Bäuerlein hängen fah, und ach welche Freude! An den Füßen hatte es funfelnagel­neue glänzende Schaftstiefel. Der Mann, dem sämtliche Zehen aus

E

Ja, vors Befogericht beibe." wieberbotten ble anbeyes

Und fnahmen den Mann und das Bauerlein in ihre Mitte, unb trieben fie mit Sayimpfworten und Rolbenstößen, wie es üblich mar Gefangene zu treiben, ins nächfte Dorf, wo das Feldgericht Befangene

tagte.

Die fünf Feldrichter waren gerade befommen.

Rein, mein Leurer," fief tom ber mette ins Wort. So geht es nicht. Ber einmal am Galgen war, gehört wieder an den Galgen. Laffen wir den Mann mit den Stiefeln laufen, und hängen mir den Bauern."

So einfach ist die Sache nicht," ereiferte sich der dritte. Der eine ist ein Berräter und der andere ist ein Dieb. An den Galgen

Hier bringen wir euch mei. Bir haben fie unterwegs feft mit beiben!" genommen," sagten die Soldaten.

Was ist das?" fragten die Feldrichter.

" Soviel Lärm um nichts," ärgerte fich der vierte. Er hatte aus Prinzip immer eine andere Meinung als feine Kollegen. Weder Wir wissen es selbst nicht, erwiderten jene. Bir find nicht ist der eine ein Dieb, noch ist es erwiesen, daß der andere ein Ber ben Löchern hervorgudten, dachte: Das Bäuerlein hängt. Dazu flug daraus geworden. Ein Dieb. Kein Dieb? Ein Bäuerlein. räter ift. Lassen wir beide laufen!" braucht man teine Stiefel. Im Gegenteil, sie sind nur eine Last. In der Hölle braucht man auch feine, und bei der Auferstehung ber Seligen wird Gottvater sorgen."

Und flugs machte er sich daran, bem Bäuerlein die Stiefel auszuziehen. Das war feine leichte Arbeit, da der Körper frei in der Luft hing und hin und her baumelte. Aber der Mann ließ nicht nach. Er mußte die schönen Schaftstiefel haben und rüttelte und zerrte, bis er schließlich einen abgezogen hatte. Wie er nun daran ging, auch den zweiten Stiefel dem Bäuerlein abzunehmen, ba o Schreck! gab es einen lauten Knacks, und der Gehängte fiel samt dem Galgenstrid herab.

Im ersten Augenblick stand der Mann verdutzt da. Mas mun beginnen? Dann sagte er sich: Es ist nicht meine Schuld, wenn der Henter faule Galgenstride verwendet." Und er begann am zweiten Stiefel zu ziehen.

Aber plöglich, o graus! schlug das Bäuerlein die Augen auf, gudte um sich und fragte mit schwacher Stimme: Wo bin ich?" Dem Manne stand das Herz still. Er hielt in seiner Arbeit imme, schaute das Bäuerlein an, dann den Stiefel, der noch immer fest am Fuße faß und sagte mit wiederkehrender Geistesgegenwart: Ich habe dir das Leben gerettet. Dafür nehme ich deine Stiefel." Und er zog mit solcher Kraft am zweiten Stiefel, daß dieser herunterging.

Laß mir meine Stiefel," rief das Bäuerlein.

" Ich habe dir das Leben gerettet, wiederholte der andere. Mach keinen Lärm, steig lieber schnell in meine alten Schuhe und scher dich davon, damit man dich nicht zum zweiten Male hängt."

Ich will meine Stiefel haben," fchrie das Bäuerlein. Es mochte ohne jeine Stiefel gar nicht ins Leben zurückkehren. Doch der Mann nahm feine Notiz von ihm, stellte ihm seine alten durch­Löcherten Schuhe zur Seite und ging in den funkelnagelneuen Schaftstiefeln zwischen Leichenhügeln, Galgen, Resten von Schüßen gräben und ähnlichen schönen menschlichen Einrichtungen seines Weges weiter.

Kam eine Schar Solbaten am Bäuerlein vorüber, hörte fein Behtlagen. Die Soldaten hatten eben gut gegeffen und getrunten, waren satt und hatten es warm. Darum waren sie gutmütig und hatten Mitleid mit dem Bäuerlein. Warum flagst du, Bäuerlein?" fragten fie.

"

,, Ging etn Mann vorüber und hat mich meiner Stiefel beraubt."

O der böse Manni Bir wollen es ihm schon zeigen. Bo ging er bin?"

Dorthin," getgte das Bäuerlein mit dem Finger.

Kein Bäuerlein?"

Die Feldrichter vernafymen die beiden Gefangenen. Wer bist du?" fragten sie das Bäuerlein.

Da traute sich der fünfte den Kopf und sagte: Um feinem non beiden ein Unrecht zu tun, wird es wohl das Beste sein, daß wir sie lofen lassen: schuldig oder unschuldig. Dann können wir sicher sein,

Er hat mir meine Stiefel gestohlen," antwortete es und zeigte. das Rechte getan zu haben." auf den Mann.

,, Wer bist du?" fragten bie Richter ben Mann.

Im Zug.

Bon$. S. Stråtner.

Im Zug durch weißbereiftes Land, falte Sonne darüber,

vor dunklen Fichten dann und wann ein brauner Sarbenflecks.

Neben mir Lente im lauten Stat, zieht einer immer die Uhr, söhnt durch Stunden nach einem 3tel und mischt verdrossen die Karten. Von Ziel zu Ziel, das ist das Leben, dazwischen tote Stunden,

ich aber fenne nicht metu 3tel und jeder Augenblick lebt.

Als es nun zur Abstimmung fam, da blieb jeder strift bei seiner Meinung. Keiner wollte auch nur um ein Jota nachgeben. Jeder behauptete recht zu haben. Dabei ereiferten sie sich immer mehr und mehr, wurden immer lauter, fuchtelten wild mit den Armen umher und schrien so, daß sie ihr eigenes Wort nicht hören fonnten. Und womit das geendet hätte, wäre gar nicht abzusehen gewesen, wenn nicht plöhlich draußen ein gewaltiges Tra- ta- ra- ra er­tönt wäre.

Die Feldrichter wurden still, horchten hin. Sie begriffen, was es bedeutete: der Gegner war da! Plöglich, unerwartet war er hereingebrochen. Sie tannten das aus Erfahrung. Jetzt galt es, seine Haut zu retten.

Sie stoben, ohne eine Sefunde zu verlieren, auseinander. In dem Tumult ergriff das Bäuerlein den einen Stiefel und der Mann den zweiten, und sie rannten auch davon. So entschied in höchster Weisheit die Borsehung selber.

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Früher war ich etwas. Jetzt bin ich nichts," fagte der Mann. Aber die Stiefel habe ich nicht gestohlen. Sie hatten teinen Eigenschaft des Chlorophylls bewährt sich nämlich bei sämtlichen Er­tümer. Es war mein gutes Recht sie zu nehmen."

Das ist nicht wahr," schrie das Bäuerlein. Meine Stiefel find es. Ich hatte sie an den Füßen."

Als du am Galgen hingst, jawohl. Du bist fein Mensch rief da der Mann entgegen.

Bei dem Worte Galgen erschrafen auch die Felbrichter. ,, Wer hat dich denn vom Galgen befreit?" fragten fie gespannt. ,, Und warum hat man dich gehängt?"

Ein großer stämmiger Bursche lub sich das Bäuerlein auf den drohend den Mann. Rüden, und sie eilten dem Manne nach.

Bald hatten sie ihn erwischt.

" Gib die gestohlenen Stiefel her," sagten bie Soldaten.

Ich habe die Stiefel nicht gestohlen," erwiderte der Mann. Sie gehörten niemand. Sie hingen frei in der Luft. Das Bäuer lein ist kein Mensch. Es ist nichts. Es ist vom Galgen herab. getallen."

Die Soldaten erschraten furchtbar, als sie hörten, das Bäuer­lein hätte am Galgen gehangen. Der große stämmige Soldat ließ es sofort von seinem Rüden herabgleiten, und sie beratschlagten, was nun zu tun jei.

Bors Feldgericht beide," rief der Aelteste.

Das Mary Engels: Institut in Moskau  .

Bon Egon Erwin Kisch  .

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Nun hinabgehend zum Moskwafluß, male ich mir den Kontrast aus zwischen diesem Schicksalsschweren Strom und der idyllischen Ilm  , an deren Ufer ich nach dem Besuch des Goethe- Schiller- Archivs rastete in Weimar  , dem Naturschutzpark vergangener deutscher  Geistigkeit. Auch das Haus, von dem ich mich ben trennte, gilt dem Werte zweier deutscher Denfer aber Fürstengunst umfonnte fie nicht, und der Jubel des Theaterpublikums umtobte sie nicht, nie schritten sie würdig aus eigenem Palazzo am Frauenplan, niemals Lonnten sie sich in Leidenschaften der Liebe jüß verzehren, sie betamen feine Denkmäler, apollinisch verklärt, und ihre Werte sind nicht Erb­gut und Möbel des deutschen   Heims, ihre Namen spricht der Ober­lehrer nicht mit verzücktem Schauer aus und ihre Biographie hat der Schüler nicht ehrfurchtsvoll auswendig zu lernen.

Gehegt von Polizei und Verleumdung irrten sie von Stadt zu Stadt, von Land zu Land, sie, die mit wissenschaftlichem Geschütz und intellektuellem Kleinkaliber gegen eine internationale Front der Mächtigen fämpften und im Eril starben.

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Da fizze ich am schrägen Kairand, noch voll von Eindrücken, noch erregt über Berfolgung, Mißhelligkeit, Berleumdung und Not zweier Sozialisten und über die Unzerbrechbarkeit ihrer Riesentraft, 3u meinen Füßen fließt die Mcstwa anders plätscherte die Jim. Wie fonnte mir Weimar   auch nur einfallen. Es muß doch Ver­gleichmöglicheres geben in meiner Erinnerung? Was sah ich nicht schon für fonderbare Wallfahrtsorte, Ruhmestempel und Gedächtnis­stätten in aller Welt. Zeigte man mir nicht gegen Eintrittsgeld ein

,, Man war gerade beim Hängen, da hat man mich auch mit gehängt. Warum? Das weiß ich bei allen Heiligen nicht. Aber Gott   hat mir das Leben wiedergeschenkt. Gott   ist gerecht. Und meine Stiefel muß ich auch wiederhaben," behauptete das Bäuerlein. Wie tam er vom Galgen herunter?" fragten die Feldrichter Wie? Das kann ich euch mit Sicherheit nicht sagen. Augen­scheinlich hatte der Henter zuviel zu tun und ihn deshalb schlecht gehängt. Ich sah ihn hängen, als ich vorüber ging, und wie ich schon ein gutes Stück fort war, hörte ich plöglich einen Krach. Ich wandte mich um, und da lag er am Boden," antwortete der Mann und machte das Zeichen des Kreuzes zur Bekräftigung seiner Worte. ,, Daß ich dann seine Stiefel nahm, darin sah ich kein Unrecht. Das hätte jeder getan."

Die Feldrichter zogen sich zur Beratung gurud.

Der erste, der an übernatürliche Einflüsse glaubte, fagte: Gott  hat dem Bauer das Leben wiedergegeben. Laffen wir Ihn mit den Stiefeln laufen, und hängen wir den Dieb."

Haufe an der Mostwabiegung, im einstigen Balais des Fürsten  

Blattgrün und Arterienvertaltung. Nicht auf vegetabilischer Rahrung, auch nicht auf der Wertung der Bitamine find die neue­ften Ergebnisse aufgebaut, die Prof. Dr. Emil Bürgi   mit dem in ben Organismus des Menschen aufgenommenen Chlorophyll er: zielt hat. Schon vor einem Jahrzehnt hat dieser Forscher auf die Heilkraft des Chlorophylls hingewiesen und wie man früher Eisen als blutbildendes Mittel anwandte bei schwerer Blutarmut und zur Kräftigung der Herztätigkeit schon damals ein Chlorophill­Präparat gegeben. Nun bahnte der Berner Gelehrte durch weite­ren Ausbau feiner Untersuchungen über die Blattgrünehandlung Der Heilkunst wieder einen neuen Weg. Die herzkräftigende Eigen­müdungszuständen des Herzens. Selbst Lähmungen tönnen wieder behoben, mindestens wieder hinausgeschoben werden; und eben durch diese mur mit Hilfe des Chlorophylls herbeigeführte Kräftigung des Herzens ist auch ein neues Heilmittel gefunden worden, der gefürch teten Adernverfaltung, vor allem dem mit ihr verbundenen abnor­men Blutdruck entgegenzuwirken, und ihn ebenso wie auch alle die andern hierbei auftretenden Herzbeschwerden aufzuhalten. Die neuen Heilpräparate enthalten das Blattgrün ohne jede Bei­mengung ganz rein, jedoch in so geringer Quantität, daß sich die heilkraft des Chlorophylls vorläufig nach nicht aus seiner chemi: schen Berwandtschaft zum Blutfarbstoff, die allerdings den ersten Anstoß zu Bürgis Forschungen gegeben hatte, erklären ließe.

Edelsteine als Straßenpflaster. Rußland   verfügt über einen solchen Reichtum an Naturschäzen, daß es fich den Lurus erlauben fann, Straßen mit Edelsteinen, allerdings mur sibirischen Halbedel­fteinen, zu pflastern. Die Moskauer Zeitung Wirtschaftliches Leben" berichtet folgenden Borfall. Im Ural   wurde fürzlich ein staatlicher Truft für die Verarbeitung sibirischer Edelsteine gegründet. Nun hat sich herausgestellt, daß die Werte noch vor kurzem 160 Kilogramm eines wertvollen fibirischen Halbedelsteins einem Dorfsowjet zum Preise von 165 Rubel für Pflasterwerfe verfauft haben. Als der entsetzte Bertreter der Akademie der Künste, unter deren Aufsicht der erwähnte Trust steht, Maßnahmen ergreifen wollte, um die Steine zurückzuerhalten, mußte er erfahren, daß sie längst als Straßenpflaster rerwandt worden waren. Es gibt in Rußland   nicht nicht richtig organisiert ist. So kommt es oft vor, daß werwolle genug Arfagmöglichkeiten für Halbedelsteine, deren Erport überdies Steine, wie Topas   und Nephrit, einfach auf den Müllhaufen ge­worfen werden.

andere Götter fleiner Leute.

Da fand ich mich denn, seit Monaten fern von Deutschland  , im| der L'Anarchie Journal de l'Ordre", Most mit seiner Freiheit" und Dolgorukom, vor Schränke gestellt, deren Reihen deutscher  Moselstrom und der Stadtgeschichte Kölns  , weil dort die Rheinische Bücher sich mit nichts befaffen als mit der Rheinfrage und dem Beitung" und die Neue Rheinische Zeitung  " ihre Kämpfe ausfochten, und Flugblättern die Revolution, von 1848 chronologisch geordnet, als ausgedienter Desterreicher staunte ich, in Bänden und Broschüren und über alle sozialistischen Begebenheiten hinaus bis zum Weltkriege und zur Gründung der Roten Garde in Wien   fortgeführt, zu er blicken; die lückenlose Serie des Vorwärts" und sogar die feines Vorgängers, des Berliner   Boltsblattes", und alle preußisch- revolutionären Reminiszenzen des Sturmjahres, die mir in Berlin   nur unter großen Schwierigteiten zugänglich geworden waren, stehen zur Benußung.

In dieser Abteilung tommt mancher Schriftsteller zu den revo lutionären Ehren, auf die er im fpäteren Mannesalter verzichtet hatte, so Joseph Görres   oder Richard Wagner  , der in den Dresdener Boltsblättern" August Röckels in wahren Siegfriedsrufen zu Haß und Verachtung gegen die Gesellschaft aufreizte.

"

Die Demagogenverfolgungen stehen hier am Bran ger, die Darstellungen der Todesmißhandlung Paftor. Weidigs, der Rerberhaft Solvester Jordans, wenn auch die Bücher des Haupt­denunzianten Witt von Doering nur dürftig vertreten sind.

Die bibliophile Hingabe an einzelne Objekte muß man sich gleich falls aus Beitmangel versagen, so schwer es auch fällt, angesichts von Büchern, die noch vor Erscheinen beschlagnahmt wurden, von Werfen, die nur handschriftlich existieren, wie Bruno Bauers Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, angesichts einer Marat gewidmeten Sammlung mit den vollständigen Nummern des Ami de Peuple", der Seltenheiten von und über Danton  , Robespierre  , Saint Just  , Cloots   und Baboeuf. 1500 Nummern, darunter Manuskripte von Louise Michel  , Blanqui  , Jaurès  , Photographien und Beitungsbände umfaßt das Archiv der Pariser Kommune von 1871, aus England find Erstausgaben von Godwin, Riccardo, Adam Smith  , Morus und Milfba, Pamphlete und Flugschriften aus den Zeiten ökonomischer

Bauernhaus, in dem fich ein Kaifer gefangen gab. Sah ich nicht von Staats wegen ein Auto ausgestellt, in dem ein Thronfolger er­schossen wurde. Sah ich nicht im Hotel des Invalides   einen ge­wöhnlichen Eisenbahnwaggon anstaunen, nur ungewöhnlich dadurch, daß darin ein Begehren um Waffenstillstand überreicht wurde. Sah ich nicht Familiengrüfte und Ahnengalerien, nicht Bruntbetten, in denen diese Fürstin mit ihren Liebhabern oder jener Fürst mit seinen Mätreffen für Wohl und Wehe ihrer Untertanen forgien, ungeheure Gebäude voll alter Uniformen und Orbensfollektionen. Welch teure Botiofirchen sind aufgerichtet, wo ein erlauchter Herr einer vermeint- Aufstände und Organisationsversuche lichen, Gefahr entging, pompejanisch konserviert die Häuser, in denen ein schlauer Staatsmann oder wenigstens ein Dichter geboren ward, Moden, Theaterbeforationen, Ballett und Schmud haben Museen nie aber gab es ein großes Institut, bestimmt zur Ehre und Lehre fener, die die ungerechtigkeit der Gesellschaftsform erkannten, und physisch dafür leiden mußten, daß sie ihrem Leid darüber Ausdruc fiehen, in Studierstuben oder auf der Barrikade ihr Streben zur Aen. derung menschlicher Nöte bezeugten. Nein, niemals wurden An­stalten gemacht, ihr Wirken dem Bergessen zu entreißen, in das Monarchen, Politifer und Beamte sie stürzen wollten. Sonst hätte ich nicht heute im Mary- Engels- Institut in most au bas zu sehen vermocht, was ich vergeblich in meinem Kopf und meinem Herzen zu ordnen versuche, dieweil ich bewegt und erschöpft am Uferbord der Mostwa size. Sonst wäre nicht binnen fünf Jahren eine Spezialliteratur in 200 000 Bänden zusammengebracht worden, sinst aktuell gewesene Broschüren und längst vergriffene Bücher, barunter Unitate, Originalfolianten aus dem 16. Jahrhundert und viele hundert handgeschriebene Dokumente. Wie wäre das möglich gewesen, wenn je vorher ein öffentliches Institut in der Welt Inter­cile, an dergleichen bekundet hätte?

Es wird angestrebt, die von Marg zitierten Ausgaben zu sammeln

und alle ihn beeinflußt habenden Werte. Streitschriften um Rant, Fichte, Schelling und Hegel und vor allem um den historischen Materialismus sind in der Philosophischen   Abteilung ver­treten, und die ganze Bibliother, die Fichte besaß und die von ihm an Windelband   überging. Den Saal der Politischen   Dekonomie hat Marg felbst in Fachgruppen eingeteilt: die Bestände brauchten bloß nach den Kapitelüberschriften des Kapital" angeordnet zu werden, Wert, Mehrwert, Profit, Preis, Geld- und Kreditverkehr und fo weiter, doch sind die Bücher teils recht vormarristisch, teils nach marristisch und viele antimargistisch. Was es je an Systemen der Gesellschaftsverbesserung, des Sozialismus, des Kommunismus und des Anarchismus gab, wurde in der Abteilung für Sozialismus zu vereinigen versucht, die Utopistica, der Saintfimonismus, die Phalan. stère, Proudhon   und Owen mit ihren Schriften und Zeitungen, und von Abbé Mestier, der auf dem Obelist im Aleranderpart am Kreml  unter den Vätern des Kommunismus eingereiht ward, ist ein hand­geschriebenes Exemplar des Testaments vorhanden, aus der Mitte Des 18. Jahrhunderts stammend; auch die Anarchisten haben hier ihr Pantheon gefunden, Batunin, Kropotkin  , Reclus  , Bellegarrigue mit

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Allerheiligstes dieser soziologischen Rathedrale ist das Marr­turen herrührt: Erstausgaben ihrer Arbeiten, die in Amerika   und Engels Kabinett, wo alles ist, was von den beiden Dios in der Schweiz   erschienenen Auflagen des Kölner Kommunisten prozesses, die Kritit der politischen Dekonomie" in jenem Eremplar, m das Lasalle seine polemischen Bemerkungen an den Rand schrieb, die Rheinische Zeitung  " von 1842 bis 1843, der Pariser ,, Vorwärts" die Deutsche Brüsseler Zeitung", die Londoner Kommunistische Zeitschrift von 1847 und die Neue Rheinische" in ihrer vollständigen Form die fehlenden Seiten sind nach den in anderen Archiven liegenden Originalen photographisch ergänzt, ebenso alle Manuskripte von Marg und Engels, und die von ihnen geschriebenen oder an sie gerichteten Briefe, fomeit fie nicht original vorhanden. Nicht weniger als 55 000 Aufnahmen von Druckfeiten und Schriftstücken hat das Institut berstellen lassen, zumeist im SPD.  - Archio in Berlin  , im Historischen Archiv der Stadt Köln  , im Engelsschen Familienarchiv in Engelsfirchen, im Geheimen Staatsarchio Berlin und in der New Dorfer Public Library, so daß man im Haus an der Moskiba das ganze Wert der beiden deutschen   Gelehrten, ihrer philosophischen, politischen, literarischen und ökonomischen Freunde und Feinde stu bieren und zur Publitation einer monumentalen Mary- Engels­Ausgabe schreiten fann; die bisherigen Beröffentlichungen fitten teils an der Lückenhaftigkeit des Materials, teils an der physischen Unzu­länglichkeit von Einzelpersonen, alles wissenschaftlich durchzuarbeiten, und teils an Streichungen, die aus Plazmangel oder aus Gründen der aktuellen Politit vorgenommen worden sind. Jetzt vergleicht man mit philologischer Afribie jede handschriftliche und gedruckte Beile, prüft jedes Zitat und jede statistische Angabe nach, und be­

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schafft Erklärungen zu den Werken, dem Briefwechsel und den Akten. Welch seltsame Dinge sah ich hier: die Aufgabe des Schü lers Marg, Betrachtungen eines Jünglings bei der Wahl seines Berufes" mitjamt dem Zeugnis, wo der Lehrer tabelt, daß fein Auffah... häufig mit Ungehörigkeiten beladen" ist. Komische andere Briefe aus der Tschechoslowakei  , wie das Schreiben aus Brünn   vom 21. März 1872, worin der Abfender Jof. A. Fiedler sich in einer Familienangelegenheit an den emigrierten Marg nach England wendet: der Herr Doktor möchte doch so liebenswürdig sein, sich nach einer Verwandten Fiedlers zu erkundigen, die sich in London   der Proſtitution ergeben hat.

Engels antwortet seiner Mutter( fie wollte ihren Frih von dem Verkehr mit Marg abhalten) in einem Brief, in dem er seine Empörung darüber äußert, daß die Bariser Kommune wegen der Erichießung einiger Geifein überall wütend beschimpft wird, während sich gegen die Bersailler Armee, die 40 000 Menschen ermordete und brandfchaßte, nirgends ein Wort der Anklage erhebt. Die Berleum­bungen, Lügen und Haßgefänge gegen jeden Bersuch der Weltver­befferung gehen jahrhundertelang durch die Literatur, Marat   ist ein Bluthund und Napoleon   ein Gott die Räteregierungen der intelli­genten Arbeiter und arbeitenden Intellektuellen find Blutregime", Feldwebel heißen: Restauration der Dronung. und die Mezeleien der jagblüfternen Aristofraten und sadistischen

Das Heim einer verleumdeten und verfolgten Wissenschaft, zur Heilung der Gesellschaft begründet, steht dort, wo ihre Schöpfer gelebt und ihr Grab gefunden haben: in der Fremde. Ein Archiv im Eril. land" von Egon Erwin Risch im Auszug entnommen. Erich- Reiß- Verlag, ( Mit Erlaubnis des Verfaffers dem Buche Der rasende Reporter in Ruß­Berlin.)