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Morgenausgabe

r. 75 A 38

45. Jahrgang

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Der Borwärts mit bet tauftrier ten Sonntagsbeilage Boll und Zeit fowie den Beilagen Unterhaltung und Wissen Aus der Filmwelt" Stabtbeilage Frauenstimme", Der Kinderfreund" Jugend- Bor wärts" Blid in die Bücherwelt", Kulturarbeit und Technit ericheint mochentäglich aweintal, Sonntags und Montags einmal

Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Dienstag 14. Februar 1928

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

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Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Der Bürgerblock wieder einig.

Aber nur zur Verschlechterung der Arbeitslosenversicherung!

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Er gefchehen Zeichen und Wunder. Der Bürgerblock meldet sich auf einmal wieder gesund. Er interpelliert fogar gegen feine eigene Gefeßgebung! Gegen sein sozial politisches Paradepferd, gegen die Arbeitslosenversicherung! Alle find sie wieder beisammen, alle sind sie sich darin einig, daß es so nicht weitergeht.

Die Metallindustriellen kündigen die Aussperrung von 800 000 Arbeitern an. Gleichzeitig erheben die Bürgerblock­parteien den Schrei nach der herabsehung der Unterstügungen für die Arbeitslosen. Aber, wenn wir von fozialer Reaktion sprechen, nennen sie das eine fozialdemokratische Heyphrase".

Bei der Beratung des Haushalts des Reichsarbeits­ministeriums steht heute folgende Interpellation mit auf der Tagesordnung:

Die Durchführung des neuen Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hat auf dem platten Lande Folgen gezeitigt, die den ländlichen Arbeitsmarkt höchst ungünstig beein fluffen. Arbeitskräfte, die früher alljährlich in der Landwirtschaft, vor allem in der Forstwirtschaft, den Winter über gearbeitet haben, entziehen sich jetzt auf Grund des Wegfalls der Bedürftig. teitsprüfung und wegen der höheren Bersicherungs. Leistungen derartigen Arbeiten. Außerdem birgt der jetzige Zu­fand die Gefahr in sich, daß auch die bodenftändigen Arbeitsfräfte veranlaßt werden, einer ständigen und damit geringer bezahlten Ar­beit aus dem Wege zu gehen und durch lebernahme von Derhältnismäßig hoch entlohnter Saisonarbeit in eine möglichst hohe Unterstützungstlaffe zu fommen, um dann möglichst großen Borteil von der Arbeitslosenversicherung zu ziehen. Sind diese Mißstände und Gefahren der Reichsregierung be fannt? Welche Maßnahmen gedenkt sie im Einvernehmen mit der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslofenver ficherung zu treffen, um die den Arbeitswillen lähmen ben misstände zu beseitigen und um die Arbeitsbe­fchaffung, als wichtigste Maßnahme in der Bekämpfung der Arbeits­lofigkeit, wieder in den Vordergrund zu rücken?

Graf v. Westarp und Fraktion.  

v. Guérard und Fraktion. Dr. Scholz und Fraktion.

Leicht und Fraktion. Dremitz( Berlin  ) und Fraktion.

Noch vor wenigen Tagen hat der sich radikal gebärdende Herr Imbuch vom Zentrum die Sozialpolitik des Bürger­blocks gelobt und die Schaffung der Arbeitslosenversicherung gefeiert. Er hat dabei verschwiegen, daß die erreichten Berbesserungen nur unter dem starken Drud der Sozial­demokratie zustande tamen. Das gilt auch für die Einbe­ziehung der Land- und Forstarbeiter in die Arbeitslosen­versicherung. Die deutschnationalen Bundesgenossen haben das mit allen Mitteln zu verhindern versucht.

Die Arbeitslosenversicherung ist wenige Monate in Kraft. Sie gibt allen Versicherten, die eine versicherungspflichtige Be schäftigung von 26 Wochen nachweisen können und unverschul­det arbeitslos werden, einen Rechtsanspruch auf Unter­ftügung. Das paßt den Agrariern nicht. Sie wollen billige und willige Arbeitskräfte. Die Aushungerung der Arbeits­lofen soll den landwirtschaftlichen Unternehmern die erforder­lichen Dienste leisten. In den nächsten Wochen setzt die erhöhte Nachfrage nach landwirtschaftlichen Arbeitskräften ein. Da ge braucht man die Bedürftigteitsprüfung, um auf die Arbeitslosen einen Druck auszuüben, auch zu den schänd­lichsten Arbeitsbedingungen Arbeit anzunehmen.

Der Bürgerblock hat den Mut, den Wegfall der Be dürftigkeitsprüfung zu beklagen und von den hohen Ber ficherungsleistungen zu sprechen. Dabei richten sich die Lei­stungen nach dem bisherigen Einkommen, berücksichtigen auch die miserabelften Löhne, so daß es möglich ist, daß der wöchentliche Unterſtügungssatz in der Lohnklasse I nur 6 Mart beträgt. Daran fann man ermessen, wie die Unter­stügungssäge beschaffen sein müssen, die den Beifall des Bür gerblods finden. Die Unterſtügung soll beseitigt oder herabgesezt werden, um die den Arbeitswillen lähmen­ben Mißstände zu beseitigen", wie es so schön in der Inter­pellation heißt

Diefelben Parteien, die jetzt den Arbeitslosen ihre Unter­ftügungsgroschen schmälern wollen, haben es abgelehnt, die Bensionen von Offizieren und Beamten zu fürzen, die neben der Bension auch noch Riesengehälter aus der Privat industrie beziehen. Ihnen scheint es auch unmöglich, für Die Benfionen, die das Reich bezahlt, eine Höchstgrenze von 12 000 Mart pro Jahr einzuführen!

Die Interpellation ist ein Beweis mehr für die Richtig­feit des Gazes, daß die Götter den mit Blindheit schlagen, den fie verderben wollen. Eine praktische Auswirkung tann ihr in diesem Reichstag nicht mehr beschieden sein. Der Bürgerblock hat nicht mehr die Kraft zu schaden, er zeigt dafür noch im Sterben, was die Arbeiter von ihm zu erwarten haben, wenn er wieder aufersteht.

Die Interpellation ist von allen Bürgerblockparteien unterzeichnet. Auch vom Zentrum! Wer bei den Wahlen für eine diefer Parteien seine Stimme abgibt, unterstützt da­mit ihren Anschlag auf die Arbeitslosenversicherung.

190 m

Wann wird aufgelöst?

Ueber die gestrigen Besprechungen des interfraktionellen Ausschusses der Regierungsparteien wird offiziell befannt. gegeben:

Die geftrigen interfrattionellen Besprechungen im Reichstage über die mit dem Reichsschulgefeß zusammenhängenden Fragen begannen um vier Uhr und dauerten bis furz vor sechs lhr. Bon der Reichsregierung nahmen daran teil der Bizefanzler ergt, der Reichsinnenminister Dr. v. Keudell fowie der Staatssekretär der Reichstanzlei Dr. Bünder. Die Besprechungen erstreckten sich auf den gesamten Umfang der strittigen Fragen und fonnten daher noch nicht zu Ende geführt werden. Sie werden heute vormittag um zehn Uhr wieder aufgenommen werden. Es handelt sich dabei in Wirklichkeit nur noch um die Formalitäten eines Begräbnisses. Der 29. April bleibt nach wie vor der wahrscheinliche Wahltermin.

Deutschnationale und Zentrum hatten gestern abend Fraktionsfizungen, bei denen natürlich auch nichts End­gültiges herauskam. Im Zentrum spricht man jezt von einer Beschleunigung der Etatberatungen, damit Ende März laufgelöst werden kann.

Metallindustrielle gegen Staat.

Warum die Metallindustriellen aussperren.

Stuttgart  , 13. Februar.( Eigenbericht.) Jufolge der Verschärfung des Kampfes in Mitteldeutschland   durch die Anfündigung des Gesamtverbandes Deutscher Metallindustrieller, eine Generalaussperrung vorzunehmen, hat der Deutsche  Mefallarbeiterverband zu Dienstag eine Beltatssigung nach Stuttgart   einberufen. Der Beirat wird zu der verschärften Kampf­lage Stellung nehmen und die notwendigen Beschlüsse faffen.

Die Nordwestliche" macht nicht mit.

Bon

Bochum, 13. Februar.( Eigenbericht.)

von einer Erhöhung der Eisenpreise absehen würden. Uis der Schiedsspruch verbindlich erklärt war, haben die Unternehmer die Eisenpreise erhöht. Und jetzt fagt der Direktor von Krupp  , man fönne die Löhne nicht erhöhen wegen der erhöhten Eisenpreise!

Noch verblüffender ist das Argument mit der Sicher ftellung des Schlichtungsverfahrens. Seit Jahren haben die Unternehmerverbände immer wieder Protest erhoben gegen die sogenannten 3wangsschiedssprüche". Nun wollen sie aussperren, weil der Schiedsspruch von Magdeburg  nicht für verbindlich erklärt worden ist... Und der König absolut, wenn er unfern Willen tut.

dem Generalaussperrungsbeschluß Gesamtverbandes Deutscher Metallindustrieller wird die nordwestliche Gruppe, die die Betriebe von Hamm   bis Düsseldorf   umfaßt, sowie die Siegerländer Industrie und die In­dustrie zwischen Aachen   und Düren   nicht betroffen, da diese Industriegruppen nicht dem Gesamtverband der Deutschen   Metall- beiterinnen betroffen würden. In den anderen Bezirken, die induftriellen angeschloffen find.

*

Die Metallindustriellen haben das Bedürfnis gefühlt, die ihnen sympathisch erscheinende Presse zu einer Be­sprechung einzuladen, um die Gründe darzulegen, die nicht nur für den Riesentampf in Mitteldeutschland  , sondern auch zu dem wahnsinnigen Beschluß geführt haben, die Gesamt aussperrung in der Metallindustrie Deutschlands   am 22. Februar vorzunehmen.

Entweder müssen diese Gründe so schlecht gewesen sein, daß die Vertreter der eingeladenen bürgerlichen Presse sich schämten, fie der Welt befanntzugeben, oder aber der Direktor der Gruson- Werte in Magdeburg  , der den Auftrag hatte, die Presse zu informieren, hat wirklich nur die paar finnlosen Argumente vorgebracht, die man in einigen Abendblättern gestern lejen fonnte.

Die Gründe sind danach folgende: 1. den Metall­industriellen geht es fehr schlecht, sie verteilen entweder gar feine Dividende oder nur etwa den zehnten Teil dessen, was sie vor dem Kriege verteilen konnten; 2. müffe das Schlich tungsverfahren ein für allemal vor gewaltsamen Eingriffen sichergestellt werden.

Auf das erste Argument verlohnt es sich faum, auch mur mit einem Wort einzugehen. Die Abschlüsse in der Metall industrie, die in den legten Wochen bekannt wurden, find 311 sehr in aller Erinnerung, als daß sie von einem Direktor eines Krupp- Berfes in Bergeffenheit gebracht werden tönnten. Daß es insbesondere auch bei Krupp   nicht auf die Höhe der verteilten Dividende ankommt, wenn man die Gewinne feststellen will, weiß schließlich jedes Kind.

Wenn die Metallindustriellen bei der Gelegenheit auch wieder ausgerechnet durch einen Direktor eines Krupp Wertes über die hohen Gifenpreise flagen, fo muß man staunen, was die Pressevertreter da alles geduldig an hörten. Bei den Berhandlungen im Dezember für die Schwer industrie des Ruhrgebiets find die Arbeiter benachteiligt worden, weil die Unternehmer zu verstehen gaben, daß sie

Der Verband Berliner   Metallindustrieller würde sich ,, nur" über den Lohnvertrag für die Hif sarbeiter hin­wegleßen, wenn er den Aussperrungsbeschluß durchführen würde, von dem in Berlin   etwa 180 000 Arbeiter und Ar­dem Gesamtverband Deutscher Metallindustrieller angeschlos sen sind, bestehen aber außer den Mantelverträgen auch Lohn­perträge. Es macht den Metallindustriellen offenbar nichts aus, tarifbrüchig zu werden. Die Metallindustriellen sind der Meinung, daß der Staat dazu da ist, um die Arbeiter niederzuhalten. Wenn der Staat das nicht tut, dann fann er den Metallindustriellen gestohlen bleiben. Das ist in Wahrheit der Sinn des Aussperrungsbeschlusses.

Gegen die Gefrierfleischdroffelung.

Eine sozialdemokratische Interpellation.

Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion wendet sich in folgen­der Interpellation gegen die Verknappung der Ein­fuhr von Gefrierfleisch:

Die Reichsregierung hat in der Sigung des Handelspolitischen Ausschusses vom 2. Juli 1926 erklärt, daß sie die zollfreie Eins fuhr von 10 000 Tommen Gefrierfleisch monatlich für erforderlich halte. Demgemäß beschloß der Ausschuß. Troßdem hat das Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft in den letzten Januartagen dieses Jahres diese Menge auf 8500 Tonnen monatlich herabgefeßt, eine Maßnahme, die im schroffen Widerspruch zu dem§ 5 des Gefches über Zolländerungen vom 17. August 1925 steht. Nach diesem Gesetz ist die Gefrierfleischeln. fuhr im Umfange der bisherigen Einfuhr 3011frei. Diese Ein­fuhr beirug aber in dem der Kontingentierung vorangehenden Schr 148 000 Tonnen. Da bisher bereits die zollfreie Gefrierfleisch­einfuhr bei weitem nicht ausreichte, um den Bedarf der minder­bemittelten Bevölkerung zu beden, muß die jetzt vorgenommene Kontingentstürzung zu einer meiteren Bertnappung und Berteuerung des Gefrierfleisches und damit zu einer schweren Schädigung der minderbemittelten Berbraucher führen.

Was gedenkt die Reichsregierung zu tun, um ihre eigene, erst vor furzer Zeit zum Ausprud gebrachte Auffassung über die aus. reichende und billige Ernährung der minder fauffähigen Bevölkerung durchzuführen?"