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Donnerstag

16. Februar 1928

Unterhaltung und Wissen

Halligenschatten.

Bon Hans Blund Oldemaren.

Elsbe Steen schüttelte hartnäckig den Kopf und fah den langen Halligbauer flehend an. Somm in drei Tagen wieder, Nieß, dann ift Bater hier, dann können wir alles besprechen."

Der junge Bauer jah unruhig auf. lleber dem grünen Rand der Insel breitete sich das Watt aus, braun und endlos. Der Best­wind fuhr stöhnend vom Meer, das fern unter der Kimmung lauerte, zaufte in Elsbe Steens Haar, und schlang dem Burschen ein paar lange Strähnen über die Stirn. Siehst du," lachte das Mädchen, ich mach dich fest! Ich denke an dich, wo du auch bist, Nieß Broders. Da fann dir das Watt nichts tun, sagen die Leute.

Der junge Bursche versuchte zu lachen, wiegte den Kopf und fah dankbar in die großen grauen Augen, mit denen sein Mäd­chen ihn anblickte. Dann schlang er den langen Arm um ihren Hals, tüßte sie und stapfte zum Rand der Hallig.

Der Schlid glänzte gelb und feucht unter der Sonnenglut. Der Himmel war graublau, und die Luft lag wie flimmernde Bänder weit über der braunen Einöde. Mitunter wurde der Boden weich und schwammig, dann sant Nieß Broders bis zu den Knöcheln ein, stapfte schmer und ruderte mit den Armen, als könne ihm das helfen.

Der junge Bauer sah sich noch einmal um. Ueber der alten Hallig   lag ein Dunst, als hätte jemand einen Schleier um sie herumgelegt, aber ganz dünn, so daß man kaum Anfang und Ende fehen konnte. Drei Tage! Nieß Broders schüttelte erzürnt den Kopf. Er war rascher geworden als die anderen, die die Tage nahmen, wie Gott   sie ihnen schenkte, gleichförmig und ewig. Er war Jahre draußen gewesen, hatte gelernt zu fordern und auf sich selbst zu pochen, und hatte doch die ganze Zeit seine Liebe zu Gisbe Steen wie eine tiefe Hoffnung getragen. Jeht war er heimgekehrt und wollte nicht mehr warten. Der Bauer begriff das Mädchen nicht, unluftig ging er der neuen Hallig zu, die irgendwo geradeaus aus der diesigen Rimmung auftauchen Nieß Broders fuhr unruhig aus seinen Gedanken auf. Ihm war gewesen, als sei der Feuerball gläsern geworden, als schiene das Licht wie durch graue Scheiben und würfe einen trüben Schein übers Batt. Aber es war wohl Einbildung, die Sonne stand noch brennend rot über der alten Hallig, oder über dem Nebel, der auf ihr lag

mußte.

Der junge Bauer blieb stehen und blickte um sich, ob er auf dem richtigen Wege sei. Er suchte nach seinen alten Fußstapfen, fuchte nach der neuen Hallig, die vor ihm liegen mußte, und tonnte fie nicht finden. Nur eine Band lag nach dem Meere 311, als hätten hundert riesige Kräfte fie in einem Augenblick aufgebaut. Und über den Wafferlachen lagen ein paar graue Feßen, als fdwelte irgendwo ein Dampf von verlöschenden unterirdischen verlöschenden unterirdischen Bränden.

Nieß Broders richtete sich plößlich auf. Wie eine Angst war

Manet   und Monet  .

Zu den Ausstellungen in Berlin  .

Beilage des Borwärts

Selten wird wohl eine so außerordentlich günstige Gelegenheit| jenem monistischen Standpunkt der Anbetung des Augenscheins atta geboten, zwei große Künstler in erlesener Gesamtschau zu betrachten gelangt ist und daher, mit vollem Recht, in der Malerei der Im­und miteinander au pergleichen, wie es gegenwärtig mit Monet   und prefsionisten eine legtgültige Offenbarung erbliden wird: sie sind Manet der Fall ist. Man tönnte auch noch van Gogh   hinzufügen eben dort, wo die Avantgarde der französischen   Meister um 1870 ( der bei Cassirer   ausgestellt ist), aber die Vergleichsmöglichkeiten angekommen war. Denn so ist es immer geweſen, Eroberungen von hören hier auf. Van Gogh   ist eine Welt der Leidenschaft für sich, geistigem Neuland brauchen ein halbes Jahrhundert, um sich grund­Holiert von der ruhevollen Objektivität der beiden großen Im- fäßlich durchzusetzen.) preffionisten.

90 Werke Edouard Manets hat die Galerie Matthiessen, 70 Ge­mälde Claude Monets   die Galerie Thannhauser zusammengebracht, Berdienste, die nicht hoch genug geschätzt werden können, bedenkt man die besonderen Schwierigkeiten, solche Meisterwerke aus pri­patem und öffentlichem Befig einmal für ein paar Monate los­zulösen. Dergleichen ist in diesem qualitätreichen Umfange taum jemals in Frankreich  , dem Heimatlande der beiden, gelungen; die Belt, und mit ihr die Franzosen  , muß nach Berlin   kommen, um das außerordentliche Schauspiel zu betrachten.

Die Geltungsmaße verteilen sich dergestalt, daß Monet   bei Thannhauser in einer Bollständigkeit und Güte erscheint, wie noch niemals; daß aber schon beim flüchtigen Vergleich die ungleich höhere Bedeutung von Manet   und seinem Lebenswerk in die Augen springt. Man muß zuerst zu Monet   gehen und mit dem imposanten Eindruck seiner besten Werte dann bei Matthiessen er­leben, daß er nur wie ein Professional der Luftmalerei erscheint und bas überragende Genie des großen Manet ihn völlig vergessen macht. Wie vergänglich, zeitgebunden, flassifiziert, ja dogmatisch der Erz­impreffionist Claude wirkt, verglichen mit der Universalität und gött­lichen Freiheit Manets, hat man ja bisher immer geahnt: hier, Band an Wand, durch zwei Eingänge getrennt und verbunden, scheint der Unterschied des. Berufstalentes und des schöpferischen Benies völlig überwältigend. Das fällt um so mehr auf, als beibe derselben Zeit und Gesellschaftsklasse angehören, aus derselben Ge­finnung des atheistischen Materialismus heraus schaffen, freund­schaftlich aufs engste verbunden und durch das gleiche Schicksal des Berkanntseins in ihren glücklichen Jahrzehnten geschlagen sind. In ihren beinahe gleichlautenden Namen vertörpert und verdichtet sich das Wesen dieses Impressionismus, der mit vollkommener Ein deutigkeit den Gipfel der reinen Erscheinungskunst bedeutet, d. h. einer Darstellung, die die Welt als Seiendes, unveränderlich Ge­gebenes nimmt, den Schein für das Wesen, das Optische für Bahr beit tariert und fünstlerisch eine Bertlärung des naturwissenschaft lichen Materialismus, sozial ausgebrüdt: des privaten Rapitalismus, philosophisch den Monismus bedeutet. Mit anderen Worten: Er ist der Schlußstein des malerischen Realismus aus dem 19 Jahrhundert, als einer Seh- und Weltanschauung, die heute fast restlos zugunsten eines steptischen Idealismus überwunden ist.( Das schließt teines­

es über ihn gekommen, ein Grauen, das langfam vom Scheitel wegs aus, daß die Mehrzahl der Bebenden heute eben erft auf

bis zu den Zehen froch. Woher tamen die Nebel? Wind mar auf. gefommen, fuhr ihm frostig um die Schläfen und stöhnte ganz Teise über den braunen Sand, als rollte er eine schwere Last nor fich her. Woher tam boch all diese diefige Luft, all die Feuchte, bie in- durchfichtigem rötlichen Rauch über dem Watt lag? Da begann Nieß Broders plöglich rascher zu laufen, als wäre etwas um ihn, das ihn fangen wollte. Seine Glieder santen schmeret ein in den naffen Boden, sein Atem ging teuchend und stoßend wie in tiefem Schred.

Die Sonne brannte dunkelrot und brandig, so wie Flammen Durch Rauch leden. Dann sant sie hinter eine Wolkenbank. Der Nebel wurde braun und feuftfatt, mogte und ringelte fich fputhaft und unfaßlich. Da erkannte Nieß Broders, daß er den Weg ver­loren hatte, daß er zu spät aufgebrochen war. Er dachte an das Mädchen, das vergeblich warten würde nach drei Tagen, sah sich erstiden in der steigenden Flut und schrie gellend, hilferufend auf übers Watt,

Ein Fremder stand irgendwo im Nebel, grau und verschmom­men. Der Bauer rannte auf ihn zu und versuchte ihn anzurufen. Aber der andere wich aus und ließ sich nicht erreichen. Broders blieb atemlos stehen, sah mit stieren Augen hinüber und begriff nicht, warum jener nicht wartete. Er rief ihn noch einmal an, schwamm durch einen Briel, flehte und tomte es doch nicht glauben, daß es ein Mensch sei, der ihn narrte. Bis ihm einfiel, was Elsbe Steen zuletzt gesprochen hatte. Da war ihm, als hätte sie gewußt, was tommen würde, als wäre etwas von ihr ausgezogen, um ihm zu helfen.

Nieß Broders übertam eine seltsame Ergebenheit mitten in feiner Irrfal. Er begann an Elsbe Steen zu glauben, wie ein Kind an eine wunderliche Macht. Unter 3wang folgte er dem Schatten, und es dünkte ihn etwas Lebendes, das an den Sandrändern entlang ftef, forgfältig vor den Schlicmulden auswich und wie ein Mensch vor ihm herstapste.

Zuweilen verlor der Bauer den Fremden, aber er wartete in felfenfeftem Bertrauen, rief durch den Rebel nach seinem Mädchen und folgte wieber, als der graue Gefelle zurüdtam. Dann, nach einer langen Zeit, als seine Glieder fchon schwer am Baffer trugen, hob sich der Boden, und die abschüssige dunkle Band der Hallig troch aus dem Grau. Als der Bauer langfam durch das Gras sdyritt, hatte er den Fremden verloren. Wie Elsbe Steen ihn wohl gefandi batte? Broders fühlte eine dumpfe Bast auf der Stirn wie eine Lähmung. Dann sah er eine Frauengestalt, die klar aus dem Rebel auftauchte, jah sein Mädchen, das ängstlich und froh auf ihn zufam und ihm zuwinkte.

Ich habe solche Angst um dich gehabt, die, Flut fam so früh." Ihre Augen glänzten hell, als weinte sie heimlich vor Freude. Wie bist du mur zurückgekommen, Nieß?"

Dem war, als erwachte er aus seiner Betäubung. Wie ein Sput, der törperlich wird, schien ihm das Mädchen

Du? Hast du mich nicht geholt?" stotterte er. Sie blidte ihn erstaunt an und schüttelte den Kopf. Dann sah der Bauer wieder die grave Gestalt im Nebel, die ihn geführt hatte, aber ent­fernter, undeutlicher. Da, der ba--- stieß er hervor. Das Mädchen sah sich erschroden um. Da waren es zwei, die brüben standen und dicht beieinander waren.

Unsere Statten, Nieß, Schatten im Rebel! 3hr graute vor feinen entfegten Augen, mit aberaläubischer Scheu drängte sie ihn weiter. Es bringt Glud, menn Braufleute fich zufammen fehen. Romm Nieß, mach mich nicht bange"

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Es bedarf darum wohl auch heute noch einer besonderen Hell­fichtigkeit, um die Ueberlegenheit von Manet   zu verstehen. Die hellen luftdurchwehten Bandschaften Claude Monets   sind verständ­licher, feine flar durchgearbeiteten Figurenbilder kommen den In­stinkten des Laien stärker entgegen als die kühnen Abkürzungen und delikaten Farbenwunder Manets. Zu allem übrigen hat es die Galerie Thannhauser meisterhaft verstanden, aus Monets   unge­heurem und sehr ungleichen Lebenswert die Dinge heraus zu wählen, die ihn im besten Licht erscheinen lassen. Der Ton liegt auf den dunkleren und gegenständlich bestimmten Bildern der 60er bis 70er Jahre, in denen er auch dem Kenner am glücklichsten erscheint; die großen Figurenbilder, voran das herrliche Frühſtüd von 1868, geben den Grundafford, der Impressionismus der Landschaften ist noch gedämpft und hindert nicht den Zusammenschluß der Gegenstände zum schönen Bilde. Von den prinzipiellen Experimenten der reinen Pleinairmalerei und Farbenzerstreuung, die in dem Abersinn kom= pletter Serien" des gleichen Gegenstandes nach Tagesstunden gipfeln, find nur vorsichtige Dosen verabreicht( Kathedrale von Rouen  , Seerosen u. dergl.).

Bei Manet   ist es unmöglich, solche historischen Unterschiede zu machen. Sein Lebenswerk steht, auch in der zufallhaften Aus­wahl, die Matthiessen geglückt ist, wie aus einem Guſſe da. Früh­bilder und Allerspätestes( er starb schon 1883 mit 51 Jahren) ent­halten gleichmäßig Unsterbliches. Man kann ihn nicht einmal recht einen Impressionisten nennen; oder aber er war der Impressionis. mus in Person. Wo er Probleme ergriff, hat er fie auf eine Weise gelöst, die vorher unerhört war und nach ihm feinem geglückt ist. Die ganze Tradition Frankreichs  , der Barock, die Spanier einschließ lich Goyas find in ihm, und die Zukunft bis zur Gegenwart nicht weniger. Bildnis, Landschaft, Stilleben, Att, Historienbild: das alles schrumpft zu einem Nichts vor seiner souveränen Kunft. Man fann das Rätsel seiner Vollkommenheit vielleicht am besten an der un­begreiflichen Heiterfeit und Leichtigkeit seiner Art zu malen faffen. Nicht daß in allen Dingen, auch in der flüchtigsten Skizze, das Ganze der Malerei und des schöpferischen Menschen steckt, nicht in der Herrlichkeit seiner Malmaterie( der wahren ,, bonne peinture") allein liegt das Geheimnis, sondern in der Gesinnung. Er war zu allererst ein großer und vornehmer Mensch, ein Künstler von höchstem Adel, an den der Schmuß der Welt( dem er reichlich begegnete) nicht heran­Dr. Paul F. Schmidt.

reichte; er war ein Genie.

Zurück zu Methusalem  ?

Bon Dr. Walther Borgius.

Seitdem nar einem halben Jahrhundert der französische   Physio-| es noch weit schwerer als heute schon sein, in einem Alter jugend­Loge Brown- Sequard die ersten Bersuche gemacht hat, durch physio. licher Begeisterung, arbeitsfreudigen Tatendranges, optimistischer logische Einwirkungen auf den menschlichen Organismus eine Ber- Zuversicht an einflußreiche, ausschlaggebende Stellen zu gelangen. jüngung desselben und damit eine Berlängerung der menschlichen Lebensbauer zu ermöglichen, ist dieses Ziel ein immer aufmertfamer beachtetes Problem der Physiologie geworden. In unseren Tagen hat bekanntlich Steinach durch seine Versuche großes Aufsehen erregt und neuestens hat sein Rivale, der ungarische Physiologe Woronoff auf ähnlichem Bege, durch Ueberpflanzung lebender Drüsen, erheb liche Auffrischungen des menschlichen Körpers erzielt. Ein Schüler desselben, Dr. Zoltan Nemes- Nagy, der zurzeit in Berlin   weilt, um über das System seines Lehrers einen Vortrag zu halten, teilt mit, daß bereits 3000 Operationen dieser Art vollzogen worden sind und davon 97 Broz. mit Erfolg. Er meint, daß sich das menschliche Leben werde bis zu einer Dauer von 140 Jahren ausdehnen lassen.

Auf den ersten Blid möchte ein jeder wohl geneigt sein, einen solchen Borgang als etwas Segensreiches und Erfreuliches anzusehen. Aber die Münze hat doch auch ihre Kehrseite. Freilich für das einzelne Individuum dürfte es sicher in allen Fällen äußerst er­wünscht sein, seine Lebensdauer um 10 ober 20 Jahre verlängert zu sehen. Aber wie steht es mit den Konsequenzen für die mitwelt?

Die Direktionen der großen Gesellschaften und Institute, die Uni­versitäten, die Parlamente würden durchweg Senate" zu Deutsch  ein Weltestenrat" werden und die Spannfraft der Jugend sich in endlosem Warten auf Aufstieg, in vorbereitender und helfender Tätig feit erschöpfen. Selbst innerhalb der Familie, wo man ja im allge­meinen wohl sich nur freuen würde, je länger den Großeltern das Leben geschenkt bleibt, müßte eben doch der junge Bauer dann 10 bis 20 Jahre länger warten, ehe sich der Vater aufs Altenteil zurückzieht und den Hof dem Sohn überläßt; müßte der Juniorchef sich entsprechend länger gedulden, bis ihm die eigentliche Leitung der Firma in die Hand fiele und er seine Reform und Erweiterungs­ideen durchführen tann, müßte das junge Baar alt werden, ehe es die Erbschaft der Eltern und Schwiegereltern antreten und z. B. deren Bermögen in das eigene Geschäft steden kann.

Diese Mißlichkeit afzentuiert sich aber noch erheblich schärfer, wenn wir unter diesem Gesichtspunkt nun noch einmal den Blick auf die Gesamtheit wenden: Das Alter ist der Hort rüd­ständiger Gesinnung; daran ist nicht zu zweifeln. Aus­nahmen hochgehalten, aber im allgemeinen wird ein Mensch, der über die Bierzig alt ist, faum mehr imftande und gewillt sein, die Grundsätze, Anschauungen und Empfindungen, in denen er groß ge­worden ist und die ihm durch die Lebenspragis mehrerer Jahrzehnte in Fleisch und Blut übergegangen find, prinzipiell zu ändern. Es ist fein Zufall, daß es immer die Jugend ist, welche als Träger von Reformen und lmgestaltungen auftritt. Denn sie ist es, die noch unbeschwert von Borurteilen und Gewohn= heiten mit fritischem pietätslosen Blick die Uebelstände sieht, welche durch Aufrechterhaltung alter Formen bei innerer Wandlung der Berhältnisse eingetreten sind. Die Erfahrung lehrt uns immer wieder, daß auch die wirksamste Propaganda, auch der einleuchtendste Druck der Verhältnisse bei den höheren Altersflaffen schwer Wurzel stark an den Berhältnissen ihrer Jugend, als daß sie sich in eine wirklich einschneidende Aenderung derselben einleben fönnten, Mag es sich um Wandlung der politischen Struftur des Staates oder der geschlechtlichen Moral, der Ernährungsmeise oder der Weltanschauung, der Geselligkeitsformen oder der Jugenderziehung handeln- immer fehen wir, wie die wirkliche Neugestaltung erst dadurch zustande tommt, daß die Phalang der Alten abftirbt, die für die neuen Ge­danken und Formen nicht mehr die richtige Freude und das wahre Verständnis aufbringt, wenn nicht gar fich instinktiv dem Neuen als grundfäßlich Berwerflichem widersetzt.

Wirtschaftlich betrachtet wäre es unstreitig ein Gewinn: In einem jeden Menschen ist ein nicht unerhebliches Kapital inveftiert, deffen Einzahlung von feiner Geburt bis zum Alter feiner vollen Erwerbsfähigkeit währt und erst von diesem Zeitpunkt ab durch die wirtschaftlichen Beistungen des Erwachsenen im Laufe der Jahre allmählich abgetragen wird, bis dann in höherem Alter die Leistungs­fähigkeit wieder abnimmt und evtl. Krankheit und Altersschwäche dem Leben noch wieder eine rein konsumierende passive Periode hinzufügen. Es liegt auf der Hand, daß es nationalökonomisch einen erheblichen Gewinn bedeuten würde, wenn es gelänge, die wirt schaftlich aktive Periode des menschlichen Lebens zu verlängern, ( Aber auch nur diese Art der Lebensverlängerung wäre zu be. grüßen. Liefe es darauf hinaus, daß ihr auch ein entsprechend verfaßt. Sie hängen mit dem Gefühl, mit dem Unterbewußtsein zu verlängertes unfruchtbares Greifenalter folgte oder gar nur die Lebensdauer an sich verlängert würde, nicht die Zeit der wirtschaft lichen Leistungsfähigkeit, fo wäre die Lebensverlängerung auch nationalötonomisch betrachtet tein Borteil, sondern sogar eine Be laftung für das Bolfsganze.

Aber wie, wenn wir unseren Blid vom Boltsganzen weg auf die engere Gruppe der Umgebung des einzelnen richten? Da wird das Bild schon etwas anders. Selbstverständlich wäre es von hohe.n Wert, wenn die in einem langen Leben der Arbeit errungenen praf. tischen Erfahrungen, persönlichen Beziehungen, Fachkenntnisse, Sprachkenntnifie, manuelle Geschicklichkeit usw. ein bis zwei Jahr zehnte länger Berwertung finden könnten. Aber hier macht sich auch fchon ein bedenklicher Begleitumstand geltend: Alle höheren, leitenden, wichtigeren Bofitionen und Funktionen würden dann naturgemäß mit Berfonen hohen Alters befeht fein. Den jungen Kräften würde

So würde eine allgemeine Berlängerung des menschlichen Lebens zweifellos eine Verlangsamung von Fortschritt und Entwic lung, eine fühlbare Stärkung ber reattionären Gewalten auf allen Lebensgebieten bebeuten. Deshalb ist es vielleicht doch ganz gut, wenn die Bäume nicht in den Himmel wachsen.