Ein noiwendiger Erlaß. vie prcußenregierung sieht deu Lanöbundhehern auf die Finger. Die„Deutsche Tageszeitung" veröffentlicht den folgenden Erlaß des preußischen Innenministers: Der Minister des Inneren. Berlin , den 27. Februar 1328. 2. G. 219. Unter Bezugnahm« auf meinen Runderlaß vom 9. Juli 1926, 2. G. 1050(nicht reröffentlicht), ersuche ich«rxebenst um beschleu- n»zten Bericht, spätestens bis zum 10. März d. g. über Lage, Stimmung und Haltung der landwirtschast» l i ch e n, mscescndere der bäuerlichen Bevölkerung und darüber mie die vielfach in den letzten Wochen zutage getretene Miß- stimmung und Unruhe in den genannten Kreisen beurteilt wird, insbe- sondere a b die Lage als gespannt oder gefährlich anzusehen ist. Erscheinen besondere örtlich« oder zen» trale Maßnahmen angezeigt? Den Bericht bitte ich auch darauf zu erstrecken, welche Stellung die örtl'che Presse, insbesondere diejenigen Druckschriften, de« zugleich amtlich« Kreisblätter sind, zu diesen Fragen einnehmen. In Dertretung: gez. Zl b« g g." Die«Deutsche Tageszeitung" versieht diesen Erlaß mit folgenden B.mer�ungen: „Der preußische Innenminister aber scheint nach diesem Erlaß die Bauernnot mit dem Poliz«iknüpp«l Mämpfen zu wollen. Und schließlich läßt der chinweis auf die Preste V«n Schluß zu. daß man die Berzweiflungskundgebungen gern zu einer systematisch organisierten Revolte umstempeln möchte, um Gelegenheit zu gewallsamem Eingreifen zu gewinnen. Wir möchten all« dies« Möglichkeiten heut« schon vor aller Augen klarstellen, damit nicht etwa ei» falsches Bild über die Verantwortlichkeiten ent- stehen könnt«. Gleichzeitig aber möchten wir den preußischen Innen- minister vor Unbesonnenheiten warnen." Das Landbundorgan richtet die Warnung vor Un- besonnenheiten bewußt an die falsche Adresse. Herr Schlange-Schöningen. deutschnational, Mitglied des Landtags, sprach auf einer Landbundkund- gcbung in Stolp : „Es ist grotesk, dies aussprechen zu müssen, aber es ft die Wahrheit: wir kämpfen hier mit doppelt«? Front gegen den Gegner jenseits der Grenze und gegen die«igen« preußisch« Regierung, die un» auf vorgeschobenem Posten im Stiche läßt, ja aus parteipolitischen Gründen bei jeder Gelegen- heit in den Rücken fallt" Aus einer Tagung des Hannoverschen Lanbbundes in Göttingen sprach der Lorsitzende Cord Corde«: ,F>ie Weimarer Dersassung ist die Wurzel all«» Uebel». Abschaffung des Wahlrechts, Stürzung des Einkammersystems, das ist das notwendlgste. Im g«- eigneten Augenblick darf man auch vor der Anwendung von Gewalt nicht zurückschrecken. Wir lassen un» nicht von unserer Scholl« oertreiben. Wenn besohlen wird: da» Gewehr über, die weiß« Arme« steht bei Göttingen , dann hat alle« zu g«horch«n." Der preußische Innenminister würde seine Pflicht ver» säumen, w:nn er das Treiben dieser gewissenlosen Hetzer und politischen Geschäftemacher nicht beobachten ließe!
Oer Derkehrseiai. Abschluß ver Verkehrsaussprache im Reichstag. V« Reichstag führte gestern die zweite Beratung de« Reichsverkebrsetats fort. Die Debatte mar im allgemeinen ohne größer«« öffentliche» Interesse. Im allgemeinen wurden Einzel- wünsche geäußert. Abg. Engl>erding(D. Dp.) entschlüpfte im Verlaus seiner Rede ein bemerkanswerteo Geständnis. Er wies im Zusammenhang mit d«r Tarifpolitik der Reichsbahngesellschast darauf hin. daß in manchen Produktlonegebieten bei den Produktionskosten die Frachten eine größere Rolle spielen als die Löhne. Abg. Frau Dr. Lüde»(Dem.) wendet sich gegen die Abstcht, bei der Schaffung von zwei Klassen auf der Reichsbahn den Fahrpreis sür die billigste Klasse über den Preis der jetzigen 4. Klo sie hfnau» zu erhöhen. Abg. horimann(Dnat.) setzt den Box kämpf mit der Volk spar tri fort. Mit seinen Angriffen gegen den Minister habe Dr. Mittelmcnn gezeigt, daß in der Deutschen Vottspartei die Arbeiterfreundlichkeit nicht stark vertreten seil Abg. Dr. David(Soz.) fordert Reudan der Main,, «? Rhein - brücke und Verlehreverbesserungen für da» Mainzer Gebiet. Für die Reichsmasserftraßen-Direktion sei Mainz der geeignete Platz. Abg. Graß(Z.) bedauert, daß für rentable Anlagen der Reichsbahn die lausenden Einnahmen in Anspruch ge» nommen werden müssen, während nach den Grundsätzen einer ge- sunden Finanzwirtschaft hierfür Anleihen ausgenommen wer- den müßten. Abg. ksünlich(Soz.) tritt für Ausbau der Oderwaflerstrahe, die Wesirkanalisierung und den Ausbau de« Dortmund-Ems-Kanal» ein. Eo folgen die deutschnationalcn Abgg. Schmldl-Hannover und v. Kemnitz mit Lokalwünschen. Der Reichsverkehrsminister Dr. b. a. Koch und ein Regierungs» Vertreter beantworten die Einzelfragen und Klagen. Abg. Srüger-Merfeburg(soz.) wünscht die Verwaltung des K rastwag« ii Verkehrs in gemeinwirtschaftlicher Weise. Rur «in kleiner Teil der Verkehrsgesellschasten arbeit« mit Zuschuß. Da handle«» sich um unrentable Linien, die am allge- meinen Verkehrvinteress« ohnehin vom Reich hätten unterstützt werden müssen. Mit Bemerkungen der Abg. Frau Schiffgen«(Soz.) über die Rotmendigke t de» Aachen -Rbeinkanals schließt die Aussprach«. Die Abstimmunaen werden um 18 Uhr aui die nächste Sitzung vertagt, die am Dienstag, dem 13. März, 14 Uhr. stattfindet. Auf der Taaecordnung de? nächsten Sitzung stehen außerdem der Nachtropsetat für 1927, das Ueberleiningsgesetz zur Slrafrechte- resorm, verschieden« kleiner« Vorlagen und der Reichswehr -Etat.
Oeuffchnationale Amnestie.
Sperling:„Das Schwert der Gerechtigkeit ist durch sortdauernde Milde stumpf geworden. Wir müssen es wieder schärfen...*
WiederkeineOptantenentscheidung Nur ein Kompromiß bis zur Zuni-Tagung.
W. Schw. Genf . 9. März.(Eigenbericht.) Abends 8 Uhr, nach fiebenstündigem Redetampf. nahm der Rat«Mich eine Entschließung über den Optant«.,- konslitt an. Sie bedeutet eine Revision des Friedensvertrages von Trianon, denn an die Stelle des dort eingesetzten gemischten Schiedsgericht», das aus einem Neutralen und einem ungarischen und au» dem zurückgezozeireii rumänischen Beisitzer bestand, soll «in neue» Schiedsgericht treten, da» au» fünf Richten besteht. Zu den bisherigen treten zwei hinzu, die der Völkerbund wählt. Diesen Ausrbeg hatte Chamberlain gefunden. Er wollte damit den Zwang, zum internationalen Gerichtshof zu gehen, vermeiden. Zlndererfeit« war damit auch das Prinzip der Schledsgerichlsbarkeil anerkannt, gegen das England nicht direkt vorgeht, wein es auch fein« Weiterentwicklung nicht bewußt fordert. Nach dem Antrag« Chamber- latns gab seder einzelne Beisitzer sein« Stimm« ab. Es wurde um« den am Streit nicht Beteiligten völlige Einigkeit er- zielt. Vrtand insbesondere'richtete gegen Unzarn einen Appell, sich der Gemeinschaft des Rates zu fügen. Llresemaan wies darauf hin, daß n sich letzten Endes um da» Problem handle, ob der Haag er Gerlchtehos als oberste Schiedsinstanz auch über den Völlerbund»rat stehe, wenn er sich nicht zu einigen vermöge. Di« grundsätzliche Frage, ob sür die Verweisung dieser Angelegenheit an den Haager Gerichtehof die Einstimmigkeit oder nur«in Mehrheitsbeschluß des Rate» notwendig sei. könne auf die Dauer nicht ungelöst bleiben, werde der Gedanke der inler- nallanalcu Gerichtsbarkeit erschüttert, so würtx da» die Erschütte- rung der Grundgedanken de» Völkerbund «», der Verhütung van Kriegen und der Abrüstung bedeuten. Stresemann erinnert« in diesem Zusammenhang daran, daß bereit» Friedrich der Große entschieden nach einem internationalen Gerichtshof verlangte. Darüber Hinaue handele es sich heut« darum, ad die Pro- bleme der Nachkriegszeit vom Völkerbund gelöst werden können, ohn« ein unter der Asche fortglimmende» Feuer zu hinterlassen. Wenn man heut« erklär«, daß die Entwicklung der internationalen Streltschlichtung zu langsam« Fortschritte mache, so sei da« undankbar. Me in bürgerlichen Streitig- leiten, könne auch im internatianalen Leben die Lösung oft lange aus sich warten lassen. Das sei kein Bankerott des Völler- bundeo. wohl aber wäre es einer, wenn der Bund erklären müßte, daß er alle Möglichkeiten zur Erledigung eine» Konflikte» er- schöpft hat.
Das Wanderu... ... ist des Kaisers Lust. Der deutschnationale Landtagsabgeordnete Kaiser , der 1924 für die Nationalsozialistische Freiheit, bewegung in den Landtag gewählt wurde, dann im Jahre 1925 zur D e u t s ch- völkischen Freiheitspartei übertrat, um dann zu den Deutschnationalen zu gehen, ist jetzt aus der Deutschnatio- nalen Fraktion des Landtags ausgeschieden und hat sich der Alt- sozialistischen Partei angeschlossen. , Die Abschasfung der lodesslrase in der Schweiz , wo ste übrt- oen» nur in zehn Kantonen bestand, ist auch oa» Bundesrat beschlossen worden.
Amerikanisches Sittenbild. „Brodway" von Nünning und Abbott im Komödienhans. Vier Fünftel übelstes Vorstadttheater, da« man selbst am Oranienburger Tar mit Achselzucken ablehnen würde, ein Fünftel ganz amüsante Zustandsschilderung au» dem Tingeltangel New Bork«. Dazwischen Alioholschieber, denen der Revolver lose in der lasch« sitzt. Banditentum zwischen den einzelnen Stadtquartieren. D«r scharfsichtig» Detektiv. Genügend Geheimni» um einen Mord, damit alle alten Weiber und Schundrvmanleser in Ekstase geraten. In der Sechemillioneirstadt New Park spielt man diesen herrlichen Schund schon seit drei Jahren, durch w-iche Feststellung der Statistiker beinahe-ruf den Gedanken kommt, daß die ganze Hiüssonstadt in künstleriswen Dingen sehr auf den Hund ober noch gar nicht heroift. gekommen sst. Das Stuck wird au» Rew Park importiert, großartig mit allen Mätzchen des modernen Regietheaters aufgetakelt und als etwa« vorgeführt, an dem sich die Feinschmecker ergötzen sollen Wer sind d!» Feinschmecker? Offenbar gibt ei in Berlin genügend Angehörig« der nämlichen Stande«, und Steuerklasse, die auch in New Park dem Stück« den Bombenerfolg versihafste. Es w-rd übrigen« die Bühne so lusiia wie nur irgend denkbar aufgebaut. Man lebt hinter den Kulissen des Schmierentlngel> tangkli. Regisseur und Bllhnenarchitekt können da samo» manövrieren mit Wendeltrcpven und bunten elektrischen Lichtern. Ee jazzt während der drei Akte aus Saxophonen und Schlapzeug. Em Nigger rennt malerisch und besessen von der Bar zu den Garde- roben der Girl». Rosa Valettl spielt ungeheuer drollig«in« abge- takelte Primadonna de» Koborett«. Heinrich Georg« repräsentiert den ffientrenwn-Hatunfen, Harald Paulsen ist ein entzückender Tänzer, Mimiker und Liebhaber und da? Volk der tanzenden Mädchen ist zusömmengesebt au» lauter sehr hübschen, wohlgehauien und auch talentierten Slbaulvielerinneis. So wird der Schund kaschiert. Es kommt beinahe eine Stimmung der Tragitomit auf. Man braucht aber nicht besonder» scharf hinzusehen, um bald zu merken, daß diese« amerikanische Sittenbild zum niedrigsten Genre gehört. M. H.
Praktisch zeigt das neue Fünfergericht, daß der unga- risch« Vorschlag, die Frage der Schiedsgerichtsbarkeit dringlicher erscheinen zu lassen, anerkannt wird, deshalb nahm A p p o n y i sofort bedingungslos an. Titulesku aber klammerte sich immer wie- der an die Behauptung, daß der Rat bereits im September einen einstimmigen Beschluß gefaßt habe, daß Rumänien ihn amiahm und an ihm festhalt«. Dies traf so wenig zu, daß Stresemann offen und eindringlich da» Gegenteil feststellte, vrland übte keinen übermäßig starken Druck auf Tlwlestu au«, da Frank- reich aus da» Bündnis mit Rumänien Rücksicht nimmt, während Chomberlaln Ihn energischer anpackt«. Schließlich wurde die Sitzung unterbrochen ynd nach«in- einhalb Stunden dem rumänischen Wunsch durch eine Ein- leitung zu dem Ratsbeschluß Rechnung getragen. Trotzdem nahm Tltulcsku den Ratsbeschluß nicht an, sondern isokierfe sich und seit» Regierung völlig. Dabei hatte gerade er sich heran»- genommen, den Ratsbeschluß dem Ginne nach al««in Eockall, als da Gemisch aus den'Selsten Absicht- n der Raksmächte and der ungarischen Hartnäckigkeit zu bezeichnen. Praktisch wird nun abgewartet, wie sich die rumämsch« Regierung entscheidet, ob sie sich der Zuständlgkov de« Fünfer- gerichie fügen wird oder ob sie weiter sabotiert. Darüber wird'n der Iunitagung berichtet und weiter verhandelt. So ist diesmal die groß« Aureinardersetzung innerhalb des Rates über die Anrufung de» Haager Gerichts in letzter Instanz vermieden. Ader wenn die Regierung Bratianu nicht von der Vauernopposition gestürzt wird, und wenn Titulesku» körperlicher Verfall nicht weiter sortschreitet, dann sind die Aussichten aus«in« Erledigung des Stroi- tos im Völkerbundsrat auch im Juni gering. Der-rationalistische Demagoge Titulesku hat sich festgerannt und ihn durch einen dsplö- malischen Druck zur Vernunft zu bringen, dazu sind die europPichen Mächt« sich nicht einig genug. Aus dem hinter der heutigen Ver. lagung drolienden Konflikt hat jedoch bereits die Erklärung Deutsch- land» den Weg gewiesen: Der Haag als letzt« Instanz! Die Türkei wird eingeladen. Wir meldeten kürzlich, daß Litwiunw beim Generalsekretär ö.-s Völkerbundes telegraphisch angeregt hatte, daß man dse Türkei ausfardere, an der bevorstehenden Tagung der vorbereitenden%b- rüstungskommisston teilzunehmen. Daraufhin hat prompt der polnische Außenminister in einem Schreiben an den Rat die gleiche Anregung unterbreitet, und der Rot hat gestern In diesem Sinne beschlossen. Stresemann, dem diese» Verstcckspiel an- scheinend nicht behagte. ersuchte das Generalsekretarlat. auch Litwinow von diesem Beschluß in Kenntnis zu. setzen, was ihm zugesagt wurde. Es wäre in der Tat würdiger gewesen, wenn die Rqtrinächte auf diese kleine Prestigekomödie verzichtet und die sowjetnissischc Anregung unmittelbar befolgt hätten, ohne den polnischen Minister dazwischenzuschirben. Der Rat nahm auch Kenntnis von der ablehnenden Antwort Woldemara»' an van Dlokland und beschloß, den litauisch- polnischen Streit auf die I u n i- T a g u n g zu setzen, in der Host- nung. daß sich bis dahin die beiden Parteien, die ihre Bereitwillig- keit zu direkten Verhandlungen inzwischen kundgegeben haben, ge- einigt haben worden.(?) Die Resoliftisn des Rate«, durch die Brasilien und Spanien gebeten werden, ihre Kündigung zurückzuziehen, soll auch Costa> Rita übermittelt werden, da» vor Iohressrist au« dem Völkerbund ausgetreten ist._ Oer Elendszug beendet. Freie Kmkfahrk für die Teilnehmer. Kopenhagen , 9. März. Da« Eingreifen des Iustizininisters gegen die Prozession der Erwerb»- und Obdachlosen hat zwar unter den jüngeren Elementen de» Zuge» einigen Protest hervorgerufen, die weltau» größte Zahl der sehr besonnen und ruhig austretenden Demonstranten hat sich jedoch ohne Murren dem Auslösungsbcsehl gefügt. Leutnant Ctonson-Kaas, der technische Führer de» Zuge», hql bei dem Mi- nlsterlum durchgesetzt, daß all« Teilnehmer de» Zuges kostenlos auf der Staatsbahn dorthin befördert«erden. wohin sie gebracht werden wollen, in den meisten Füssen also in ihr« Heimatsorte.