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Morgenausgabe

Nr. 166

A84

45. Jahrgang

35dentlich 70 Big., monatli S im poraus zahlbar, Boftbezug 3,72 einfcht Beftellgelb, Auslandsabonne ment 5,50 m. pro Monat.

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Der Borwärts" ericheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abenbausgaben für Berlin  und im Handel mit dem Titel Dez Abend", Jlluftrierte Beilagen Boll und Zeit und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen", Frauen ftimme, Techni", Blid in bie Bücherwelt und Jugend- Borwärts.

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Sonnabend

7. Apríl 1928 Groß- Berlin 10 Pt. Auswärts 15 Pf.

Die etnipattige Ronparelliezeile 30 Pfennig. Reflamezeile 5- Reichs nart Kleine Anzeigen" das fettge brudte Wort 25 Pfennig( zufäffig amet fettgedruckte Worte), jedes weitere Wort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Bort 15 Pfennig, tedes weitere Bort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwet Borte Arbeitsmart Beile 60 Pfennig. Familianzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Linden  . Straße 3, wochentägt von 8 bis 17 Uhr

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Vorwärts- Verlag G. m. b. H.

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Sächsische Industrie kauft Mandate Kriegsschulden und Räumung.

Poincaré   lernt um.

200000 Arbeiter werden wegen Lohnforderungen ausgesperrt- aber Geld für hatte Briand   angekündigt, daß das Problem der Weltkriegs einen Millionenforruptionsfonds ist vorhanden!

Herr Stresemann hat vor kurzem die Abhängigkeit der bürgerlichen Parteien von den Mächten des Kapitals beflagt. Er hat die Unternehmer beschuldigt, daß sie um Geld Mandate taufen. Angesehene Politiker müssen zurüd­treten, um Männern Blaz zu machen, die für die Mandate bares Geld zahlen- das war sein Notschrei.

Herr Stresemann, ber jahrzehntelang Syndifus des Ber­bandes Sächsischer Industrieller war, muß es wissen. Jetzt wird der Anlaß bekannt, der ihn zur Flucht in die Deffent lichkeit gezwungen hat. Unser Chemnizer Parteiblatt ver­öffentlicht das folgende Schriftstück: Verband Sächsischer Industrieller

Chemnih, den 15. März 1928,

Betr. Errichtung eines Wirtschaftsfontos des Berbandes Sächs. Industrieller

Bir beziehen uns auf das Ihnen von unserer Hauptgeschäfts­

fehr notwendigen fonft geleisteten einzelnen Beiträge für bestimmte Parteien davon in feiner Weife betroffen werden follen. Hochachtungsvoll

Berband Sächs. Industrieller, Orfsgruppe Chemnih. Der Vorsitzende: Die Geschäftsführung: gez. F. Bogel. gez. Dr. Frizz Marschner. Mit diesem Wahlfonds soll bei der Kandidatenaufstellung ein Drud auf Deutschnationale und Deutsche Volkspartei   ausgeübt werden. Beide Parteien waren im alten Reichstag durch folgende Abgeordnete vertreten:

Wahlkreis Dresden  . Deutschnationale: Quaab, geb. Regie rungsrat; Domsch, Gutsbesiger; Hartmann, Gewert. schaftssetretär, Barth, Amtsgerichtsrat. Deutsche  Bolkspartei: Heinze, Staatsminister a. D.; Dr. Schneider, Synditus des Berbandes fächsischer Industriel

[ er.

Wahlkreis Leipzig  . Deutschnationale: Philipp, Studien.

In seiner großen Rede vor dem Senat Ende Januar schulden noch vor Ende des Jahres 1928 neu aufgerollt wer den würde. Er dachte dabei offenbar nicht nur an die von Parter Gilbert empfohlene Revision des Dawes- Planes, insbesondere an die Festsetzung der noch immer offen gelasse­nen Endsumme der deutschen   Reparationen, sondern auch an eine gleichzeitige Regelung des interalliierten Schuldenproblems. Da aber Briand   weiß, daß vor den amerikanischen   Präsidentschaftswahlen, die Anfang No­vember 1928 stattfinden, die unerläßliche Mitwirkung der Bereinigten Staaten unmöglich ist, so hat er als Termin für den Beginn solcher Verhandlungen das Ende des laufenden Jahres bezeichnet. Bisher hat sich die amerika­ nische   Regierung, vor allem der Schaßsekretär Mellon, allen Plänen, die auf eine Verquidung der beiden über verhalten. Er versteift sich darauf, 3 un ä ch ft alle Schuld Fragen hinzielen, sehr fühl und sogar ablehnend gegen ausgearbeiteten Schuldenregelungsabkommen zu zwingen. ner der Vereinigten Staaten   zur Ratifizierung der von ihm Das ist ihm bisher bei allen Schuldnern gelungen- mit Ausnahme Frankreich   5. Eine Aenderung dieser Tattit ist vor der Präsidentenwahl nicht zu erhoffen.

An diesem starren Standpunkt der offiziellen

fielle zugegangene Rundschreiben Z. M. 3/28 vom 15. Februar. rat; Hoesch, Professor. Deutsche Volkspartei  : Dr. Wunder Kreise in Washington   ist seinerzeit die Fortführung der Ver­lich, Landgerichtsbirettor; Thiel, Angestelltenverhandlungen von Thoiry gescheitert. Dagegen stehen ein­

Seit Absendung dieses Rundschreibens besteht Gewißheit darüber, daß der Reichstag vorzeitig aufgelöst und vermutlich Neuwahlen im Mai ausgeschrieben werden. Um so dringender ist es erforderlich, daß die vom Verband eingeleitete Sammlung zur Unter­ffügung industrieller kandidaturen mit aller Energie fortgefekt wird. Gemäß den Absichten des Gesamtvorstandes follen

mit diesen Mitteln diejenigen Barteien unterstützt werden, die sich bereit erklären, Juduftrielle an fichere Stelle in ihre Reichstagswahlliffe zu sehen. Die Industrie mar bisher im Reichstag ganz außerordentlich schwach vertreten im Gegensatz zu der Landwirtschaft, Handwerk, Angestellten- und Beamtenschaft. Nach Beschluß des Gesamtvor­flandes in Dresden  , dem fich der Vorstand der Ortsgruppe Chemnih

treter.

Wahlkreis Chemnih. Deutschnationale: Biener, Bäder. meister; Rademacher, Bergwertsdirektor; Diege, Rit. tergutsbesiger. Deutsche Volkspartei  : Brüninghaus, Syn. difus, Admiral a. D., Findeisen, Raufmann.

Ein einziger Industrieller und zwei Syndizi waren bisher von diesen Parteien in den Reichstag   gewählt. Nun soll unter chub vorgenommen werden, Mandate für Scharfmacher dem Druck der Kapitalsmacht ein großer Abgeordneten und ihre Syndizi sollen gekauft werden. Daher der Notschrei Strejemanns!

Jetzt versteht man, warum 200 000 fächfifche Metall. arbeiter ausgesperrt werden sollen!

flußreiche finanz fapitalistische Kreise, vor allem die New Yorker Bantwelt, diesem Gedanken um so sympathischer gegenüber, als sie bei einer solchen generellen Regelung des Weltkriegsschuldenproblems wieder einmal ein fettes Geschäft machen würden.

Es war bisher nicht ganz flar, inwieweit das französische  Gesamtministerium mit dem Gedanken Briands einverstanden Rammer erklärt, daß die Gesamtsumme der deutschen   Re­ist. Noch vor wenigen Monaten hatte Poincaré   in der parationen durch die Reparationskommission auf 132 Mil­liarden festgesetzt worden sei und daß diese Ziffer nach wie vor gelte. Das klang wie eine Antwort auf die Bestrebungen des Reparationsagenten Parker Gilbert   zugunsten einer Re­Summe auf Grund der inzwischen gesammelten praktischen Er­vision des Dawes- Planes und einer Festsetzung der End­Korfahrungen. Eine Verbindung des Reparationsproblems mit dem interalliierten Schuldenproblem, die zu Neujahr 1923 bom damaligen britischen Premierminister Bonar Law  vorgeschlagen worden war, hatte Poincaré   damals schroff zurückgewiesen und die Befegung des Ruhrgebietes vorge­ogen. Und eine Verbindung des Schuldenproblems mit der Frage der Rheinlandräumung schien bei ihm erst recht auf Widerstand zu stoßen.

in einer starkbesuchten Vorstandssitzung einstimmig und mit Nach- Mittel, um damit Mandate, politische Macht zu laufen. Die sächsischen Industriellen benutzen die verfügbaren drud angeschloffen hat, wird jede Mitgliedsfirma gebeten, min- massenaussperrung und Bildung eines Korbem interalliierten Schuldenproblem, die zu Neujahr 1923 deffens 20 Bf. pro Arbeiter und pro Monat für die ruptionsfonds: beide Maßnahmen sollen der unter drückung der Arbeiterschaft, der Aufrichtung der Kapitals herrschaft dienen.

Monate Februar, März, April und Mai an das

Wirtschaftskonto Sächs. Industrieller

bei der Allg. Deutschen   Credit- Anstalt, Dresden  , zu überweisen. Besonders erwünscht ist Gefamtabführung in einer Summe. Firmen, die dazu in der Lage find, werden gebeten, no ch über diefe Mindeftfumme hinauszugehen.

Der Verband legt aber Wert darauf, daneben zu erklären, daß es sich bei dieser Geldjammlung nur um die Unterstützung industrieller kandidaturen handelt, während er es ats felbstverständlich anfieht, daß seitens der industriellen Firmen die monatlichen oder zeitweisen oder mindestens zu Zeiten der Wahlen

Es ist das den Arbeitern vorenthaltene Geld, mit dem die sächsischen Industriellen Mandate kaufen und den Wahl­fampf führen!

Der Reichsarbeitsminister greift ein.

In den Konflikt in der sächsischen Metallindustrie, der nach dem Beschluß der Unternehmerverbände zur Aussperrung von 200 000 Metallarbeitern am 12. April führen soll, wird das Reichsarbeitsministerium nach Ostern eingreifen, um die Aussper rung zu verhindern.

Gastatastrophe in Aachen  .

Eine ganze Familie in der Nacht erstickt.

Aachen  , 6. April.

In der Wiesenstraße plagte in der vergangenen Nacht gegen 4 Uhr vermuflich durch Erdjentung ein großes Gasrohr. Das Gas drang durch den Keller in das Haus Wiesenftraße 5 ein und ver­Sperrte den in den oberen Stodwerten wohnenden Familien den Ausweg. Ueber zwei mechanische Leitern wurden mehrere Personen ins Freie geschafft. Bier Personen haben schwere Gasver­giffungen erliffen. Bei der Anfahrt der Motorsprige brach das Erdreich plöglich zufammen und das herausströmende Gas entzündete sich. Die Flammen schlugen bis über den Motorfühler hinweg. Den angeffrengten Bemühungen der Feuer­wehr gelang es im lehten Moment, eine Explosion zu verhüten.

Wie sich erst in den Morgenstunden herausstellte ist bei dem Gasrohrbruch das Gas auch in ein Haus, das dem zunächst betroffenen Haus Wiesenstraße 5 gegenüberliegt, ein­gedrungen. Gegen 11 Uhr wurde man auf die Ruhe im Erd­geschoß des Hauses aufmerksam, drang in die Wohnung ein und fand eine viertöpfige Famille, Bater, Mutter und zwei Töchter im Alter von 18 and 20 Jahren, tot auf.

Der Vater muß den eindringenden Gasgeruch noch wahrgenommen haben, denn er war in das Schlafzimmer feiner Kinder gegangen um sie zu retten und war dort mit einem Mädchen auf dem Arm zusammengebrochen.

Flugzeugabsturz in Wilhelmshaven  .

Der Pilot getötet.

Rüftringen, 6. April.  ( Eigenbericht.) Auf dem Flugplah Rüftringen- Wilhelmshaven ereignete sich am Karfreitag, nachmittags 5 Uhr 30, ein schweres Flug. unglüd. Der Pilot Robert Müller flieg mit einer neuen Fottermaschine auf. Er war furze Zeit in der Luft und nur knapp 100 Meter hoch, als das Flugzeug plöhlich ab­stürzte. Die Maschine faufte mit der Spike in die Erde und begrub den Piloten unter sich, der schwer verleht geborgen wurde, aber bereits nach furzer Zeit starb. Müller war Geschäftsführer der Cuftverkehrsgesellschaft Rüftringen- Wilhelmshaven.

Die Schlußfäße der Rede, die Poincaré   am Sonntag in Carcassonne   gehalten hat, geben auf diese doppelte Frage eine zwar noch nicht sehr flare, noch immer sehr vorsichtige, aber immerhin genügende Antwort: die vom französischen   Mi­nisterpräsidenten gebrauchten Wendungen beweisen, daß er fich den Ideen von Briand   beträchtlich genähert hat. Nicht allein, daß er den Gedanken einer Berquickung der deutschen   und der interalliierten Kriegsschulden ausdrücklich billigt, er stimmt darüber hinaus grundsäglich einer gleich zeitigen Erörterung aller anderen Probleme" zu und erklärt sich zur Annahme von Kombinationen" bereit ,,, unter dem Vorbehalt, daß die französische   Sicherheit und das französische   Recht auf Reparationen gewahrt blieben" Bei aller gewollten Unbestimmtheit dieser Ausdrucks weise hat Poincaré   mit den anderen Problemen" un< zweifelhaft die Frage einer früheren Räu mung des Rheinlandes gemeint( denn was hätte sonst die Sicherheit" in diesem Zusammenhang für einen Sinn?). Wenn man bedenkt, daß diese Erklärung von dem­selben Manne stammt, der noch vor vier Jahren den grau­famen Standpunkt vertrat, daß die Räumungsfristen noch gar nicht zu laufen begonnen hätten, und daß sie erst zu laufen nicht zu laufen begonnen hätten, und daß sie erst zu laufen beginnen würden, wenn der letzte Reparationspfennig bezahlt wäre, so zeigt das, wie sehr der sprichwörtlich eigensinnige Poincaré umgelernt hat. Der Spißnahme Poincaré­la- Ruhr, den er im legten französischen Wahlkampf verdienter­meise trug, erscheint demnach durch seine eigene Entwicklung überholt. Es wäre zwar noch verfrüht, in dem Poincaré von 1928 einen zuverlässigen, weitherzigen Anhänger der euro­ päischen   Verständigungspolitik etwa im gleichen Sinne wie Briand   zu erblicken, aber ein unbelehrbarer Gegner dieser Berständigung ist er jedenfalls nicht mehr. Diese Tatsache fann Don besonderer Wichtigkeit sein, falls die französischen   Wahl­ergebnisse die Bildung einer ausgesprochenen Lintsregierung nicht gestatten sollten.( Mit dieser Möglichkeit muß man schon deshalb rechnen, weil die geradezu irrsinnige Taktik der jeden Breis zu schwächen, auch wenn diese Schwächung nur den Anhängern Poincarés zugute kommt).

Noch ist es zu früh, um zu den Problemen, die die Rede von Carcassonne   angedeutet hat, konkret Stellung zu nehmen.