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Morgenausgabe

r. 183

A 93

45.Jahrgang

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Der Borwärts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abenbausgaben für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend, Illuftrierte Beilagen Boll und Zeit und Kinderfreund" Ferner Unterhaltung und Wiffen".. Frauen­ftimme". Technik". Blid in die Bücherwelt" und Jugend- Borwärts".

Vorwärts

Berliner   Bolksblatt

Mittwoch

18. April 1928

Groß- Berlin 10 Pt. Auswärts 15 Pf.

Die einipattige Nonpareillezetle 80 Pfennig Reflamezeile 5.- Reichs mart.Kleine Anzeigen" das fettge druckte Wort 25 Pfennig( zuläffig gwei tettgedruckte Worte), jedes weitere Bort 12 Bfennig Stellengesuche das erste Bort 15 Brennig. jedes meitere Wort 10 Pfennig Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte Arbeitsmarkt Beile 60 Bfennig Familianzeigen für Abonnenten Zeite 40 Pfennig Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Linden. ftraße 3. wochentägl von 81%, bis 17 Uhr.

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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ADGB. und Reichstagswahlen. Bersorgung oder Blockade?

Alle Gewerkschaftsstimmen der Sozialdemokratie!

Gestern hielt Genosse Peter Graßmann  , Bor-| ten eine zweimalige Mieterhöhung um je 10 Proz., die fizender des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes  , im Steigerung der Preise für Lebensmittel und Be­großen Saal des Gewerkschaftshauses vor den Mitgliedern darfsartikel durch eine unsinnige Zollpolitik, die die Sozialdemo­des Verbandes der Lithographen und Stein- fratie veranlaßte, zum erstenmal feit Bestehen der Republik   gegen druder einen Vortrag über die Gewerkschaften den Etat zu stimmen. Der Entwurf eines neuen Strafgefeß und die Reichstagswahlen, in dem er die Stellung buches ist über den Entwurf nicht hinausgefommen. Der Ent­der Gewerkschaften zu der bevorstehenden politischen Entschei- wurf eines Schulgesetes tann als gescheitert betrachtet wer dung programmatisch umriß. den. Das Gesetz über den Arbeitsschutz ist zwar dem Reichs­rat zugegangen, aber von ihm so verzögert worden, daß seine Be­ratung im Reichstag nicht mehr möglich war. Die Sparer find mit ihren Aufwertungswünschen scharf abgewiesen worden. Die Besoldungsregelung hat besonders den unteren Beamten nicht das gebracht, was sie von ihr erhofften.

Genosse Graßmann führte aus: Der oberflächliche Renner der freigewerkschaftlichen Statuten fann aus ihnen folgern, daß sich die Gewerkschaften nicht um die Politik kümmern. Dies trifft je­doch nicht zu. Die Gewerkschaften haben stets neben ihren program­matischen Zielen, wie es zum Beispiel die Verkürzung der Arbeitszeit und die Herbeiführung ausfömmlicher Löhne sind, versucht, sich auch der politischen Fattoren zu bemächtigen. Es ist unbestreitbar, daß es in der Borkriegszeit mit der Sozialpolitik überhaupt nicht vorwärts gegangen wäre, wenn nicht die Gewerkschaften als treibende Kraft vorhanden ge­wesen wären. Um nur ein Beispiel zu nennen, sei daran erinnert, Daß es vornehmlich der kritisierenden Tätigkeit der Gewerkschaften zuzuschreiben war, daß die berühmte" 3uchthausvorlage zerschlagen wurde. Die Gewerkschaften waren immer politisch orien­tiert und interessiert und sind es auch heute!

Wir stehen heute vor der Alternative, uns entweder in die Opposition zu stellen oder heran an den Staat zu gehen.

Die Frage der Koalition ist heute anders zu beurteilen als im früheren Obrigkeitsstaat. Sie ist nach der Staatsumwälzung zu einer Frage der 3wedmäßigteit geworden. Wenn man auf den Staat Einfluß ausüben will, muß man auch jede Gelegen­heit benutzen, diesen Einfluß zu erlangen, wozu bei den bevor­Stehenden Neuwahlen der Parlamente wieder die Möglichkeit besteht.

Der Parlamentarismus wird aber gerade von den ertremen Barteien herabgewürdigt, die sich von der Beschränkung der demo­fratischen Volksrechte Borteile für ihre Parteien versprechen. Für die Arbeiterschaft tann es im bevorstehenden Wahlkampf zunächſt einmal nichts anderes heißen als:

,, Keine Stimme den Rechtsparteien!" Die Rechtsparteien behaupten nicht zu Unrecht, daß sich ihre Wähler nicht nur aus den besitzenden Schichten, sondern zum größten Teil aus der Arbeiterschaft refrutieren. Die Ursachen, die diese Arbeiter zur Stimmabgabe für die Rechtsparteien bewegen, find ganz ver­schieden und nicht immer klar zu erkennen. Mit diesem sogenannten Treibholz in der Wählerschaft muß aber jede Partei rechnen; von ihnen hängt wesentlich das Wahlglück" ab. Unsere Aufgabe muß es sein, diese massen, die auf Grund ihrer Stellung zu uns gehören, für uns zu gewinnen.

Wenn man die Tätigkeit des Bürgerblocks Revue passieren läßt, muß man feststellen, daß er nur die Intereffen des industriellen und landwirtschaftlichen Kapitals wahrgenommen hat, nicht aber die der arbei tenden Schichten. Dem Bürgerblock haben wir zu verdan­

Die Sozialdemokratie, die von dem größten Teil der Gewert. schafter als ihre politische Interessenvertretung betrachtet wird, hat leider zweimal erfolglos versucht, diesen Reichstag zu beseitigen, weil er nach ihrer Auffassung schon lange nicht mehr das Spiegelbild der politischen Meinung des Volkes darstellte.

Die Sozialdemokratie wird im nächsten Neichstag alles daran setzen, um endlich den Achtstundentag gesetzlich zu verankern.

Daß der Achtstundentag den deutschen   Arbeitern wieder verloren ging, war eine Folge der Inflation, die die Gewerkschaften zu Boden warf, nicht zuletzt aber auch eine Folge der Passivität der Arbeiterschaft selbst. Es ist eine zwar bedauerliche Tatsache, daß die Arbeiterschaft viel leichter in der Lohnfrage an die Front zu bringen ist als in der Frage der Arbeitszeit.

Man tönnte mir Feigheit verwerfen, wenn ich nicht zu der Frage sprechen würde, ob es richtig ist, daß Gewerkschafter auch Frage sprechen würde, ob es richtig ist, daß Gewerkschafter auch ihre Stimmen für die Kommunistische Partei   abgeben.

Der Gewerkschafter, der mit beiden Füßen auf dem Boden der Beschlüsse der Gewerkschaftskongresse steht, wird den Kommunisten seine Stimme nicht geben tönnen.

Die Kommunistische Partei   bekämpft die Politik der Gewerk­schaften und beabsichtigt, diese für ihre politischen 3mede zu be mutzen. Dieses Bestreben tönnen wir verstehen. Die Kommunisten müssen aber auch verstehen, daß wir diese Bestrebungen be­fämpfen. Wir müssen es ablehnen, die Arbeiterschaft dauernd in der Gefechtsfront zu halten, wie es die Kommunisten wünschen, weil es unmöglich ist, auch mit der stärksten Truppe dauernd sieg reiche Schlachten liefern zu können. Die Befolgung einer solchen Taktik würde in der Praxis dazu führen, daß die Gewerkschaften gegenüber den Unternehmern bald machtlos am Boden liegen würden. gebunden, sondern von ihr völlig unabhängig. Die Gewerkschaften find nicht an die Sozialdemokratische Partei  

Die Sozialdemokratie hat aber stets die Forderungen der Ge­werkschaften unterſtüßt, ſo daß es für den vorwärts strebenden Ge­werkschafter im bevorstehenden Wahlkampf nur die eine Parole geben fann:

Jede Stimme der Sozialdemokratie!

Der Wahlkampf in Amerika  .

Norman Thomas   Präsidentschaftskandidat der Sozialisten.

New Yort, 17. April.

Der Kongreß der sozialistischen   Partei in Marion, Staat Ohio  , hat befchloffen, Norman Thomas   zum Kandidaten für die Präsidentenwahl aufzustellen. Nachdem dieser Beschluß gefaßt worden war, hat die Versammlung nicht weniger als 55 minuten Beifall getlatscht.

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Viele Jahre war J. V. Debs der sozialistische Präsident­schaftskandidat und er hat es zuletzt auf über eine Million Stimmen gebracht. Der Name dieses alten Vorfämpfers und Märtyrers der Kriegsgesetze er mußte als alter, franter Mann viele Jahre im Zuchthaus Atlanta   verbringen, weil er wider die Beteiligung der Vereinigten Staaten   am Weltkrieg gegen Deutschland   und seine Verbündeten auf­getreten war hätte sicher wieder große Werbekraft ent­faltet; da er inzwischen gestorben ist, mußte ein neuer Kandidat gesucht werden.

Wenn auch der Sieg des sozialistischen   Kandidaten einst weilen nicht zu erwarten ist, so hat doch noch jede Wahl­kampagne die proletarische Bewegung gestärkt.

Norman Thomas   ist einer der wenigen Arbeiter­führer in den USA.  , dem die Finanzlage seiner Eltern er­laubte, Hochschulstudien zu treiben. Er war zuerst Pastor, dann Richter, und die Erfahrungen in diesen Aemtern haben seine sozialistische Gesinnung gefestigt. Auch er gehörte zu den entschiedensten Kriegsgegnern. Schon bei der vorigen Präsidentschaftskampagne stand er neben dem Präsident fchaftsfandidaten Debs als Wahlbewerber für die Stelle des Bizepräsidenten der Republik  .

Chinesische Bergwerkskatastrophe.

470 Bergleute ertrunken!

Der Handel unter dem Kapitalismus und Bolschewismus. Bon Wladimir Woytinsky  .

In der kapitalistischen   Wirtschaft, wo zwischen dem Er­zeuger und dem Verbraucher eine ganze Kette von Vermitt­lern steht, beansprucht der Verteilungsapparat unzweckmäßig viel Arbeitskraft und Rapital, treibt die Preise in die Höhe und gehört zu den Seiten des bestehenden Systems, die am meisten eine Kritik veranlassen. Die grotesten Aufwendun­gen für die Reflame, die Unübersichtlichkeit der vorhandenen Warenvorräte, das Spiel der Spekulation sind für den mo­dernen Handel charakteristisch.

Troß allen seinen Mängeln erfüllt aber der moderne Handelsapparat eine außerordentlich wichtige Aufgabe, und zwar nicht nur im Bereiche der Verteilung der Waren, sondern auch bei der Preisbildung. Auf dem Markte wird nämlich entschieden, ob bestimmte Aufwendungen und Rapitalinvestierungen zweckmäßig( gesellschaftlich notwendig) oder unzweckmäßig gewesen sind; hier kommen die Geseze des Wertes zur Geltung, hier werden die Kräfte der Ein­zelnen zur produktiven Kraft der gesamten Gesellschaft zu­sammengeschmolzen. Die sozialistische Umgestaltung des Handels muß deshalb unter aufmerksamer Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Bedeutung durchgeführt werden.

Gleich­

Die Sozialdemokratie sucht die Lösung dieser Aufgabe in der allmählichen Ersegung der wichtigsten Teile des vorhan­denen Handelsapparates durch Organisationen, die die ent­sprechende Funktion besser als die Privatbetriebe erfüllen und zugleich dem Interesse der Gesamtheit dienen- diesen Forderungen entsprechen die Konsumgenossenschaften sowie die fommunalen und von den Gemeinden kontrollierten ge­mischten Einkaufs- und Verteilungsgesellschaften. zeitig fordert die Sozialdemokratie den Eingriff der öffent­lichen Hand, der die Spekulation drosseln, die scharfen Breis­schwankungen ausschalten und die Geheimnisse der Preis­gestaltung enthüllen soll. Unter bestimmten Voraussetzungen fann das staatliche Handelsmonopol als die beste Lösung des Problems gelten( so wird es für die Kohlenverteilung und -ausfuhr in Großbritannien  , für die Versorgung der Städte mit Lebensmitteln in den Ländern, wo die Landwirtschaft unter den Schwankungen der Preise des Weltmarktes leidet, gefordert). Die Anwendung aller dieser Maßnahmen soll nicht nur die Milderung der Not der Volksmassen im Rahmen der kapitalistischen   Gesellschaft anstreben, sondern auch den Uebergang von dem kapitalistischen   Wirtschafts­system zum Sozialismus vorbereiten und erleichtern, da auch die sozialistische Gesellschaft in der ersten Zeit nicht ohne Markt, Geld, Warenpreise wird auskommen können.

Von diesem Gesichtspunkt aus verdienen die Versuche der Bolschewisten auf dem Gebiete des Handels die ernsteste Aufmerksamkeit. Unter dem Kriegsfommunismus sollte der Handel in Rußland   so gut wie vollständig abge­schafft werden: der Staat übernahm es, der Bevölkerung alles Notwendige unmittelbar zu liefern. Das Kartensystem, das bereits während des Krieges in Rußland   angewandt wurde, wurde auf alle Güter erstreckt man verteilte alles, solange die Vorräte reichten. Dieses System, das ausschließ­lich auf der Ausplünderung der Dörfer und der vorhandenen Warenläger beruhte, versagte aber vollständig. Eigentlich fam es auch niemals zu seiner vollen Auswirkung: es wurde stets durch den illegalen Handel ergänzt.

Die neue ökonomische Politit" hat dem Handel die Tür geöffnet, aber in einer eigentümlichen Weise. Nach der offiziellen Auffassung setzt sich die Wirtschaft unter der Herrschaft der Nep aus zwei Elementen zusammen: dem fozialistischen Element( der Planwirtschaft) steht das kapita­listische Element( der Markt) gegenüber. Nach diesem Schema ist der freie Markt ein Erbfeind des sozialistischen   Staates: der Markt, der sich stärker als der Staat erweist. sprengt die der Staat versucht dem Markt seine Gesetze aufzuzwingen, Berechnungen der Amtsstellen und macht ihre Pläne zunichte. Da springt die Tscheka   ein, und so erhält Stalin die Möglich­feit, Trogfis Prophezeiungen zuwider zu beweisen, daß der freie Markt in Rußland   an Bedeutung nicht gewinnt. Sicher wäre eine Entwicklung des freien Marktes und des privaten Handels mit der Sowjetwirtschaft unvereinbar. Wie würden die Staatsbehörden dem Bauern sein Getreide für 29 Broz. feines Wertes abnehmen können, wenn der private Käufer hemmungslos, im beliebigen Umfange für dasselbe Getreide 40 Proz. feines Wertes vorschlagen fönnte? Wir würden die staatlichen Trusts ihre Waren absehen, wenn es dem privaten Kaufmann gestattet wäre, dieselben( oder beffere) Waren ausländischer Herkunft um 50 Proz. billiger zu ver­

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faufen?

Wenn man die Produktion in nachteilige bureaukratische Fesseln hineingezwängt hat, fann man nicht dem freien Bei der Schwäche der politischen Arbeiterbewegung in Nordamerika  , die nur über wenige Zeitungen verfügt und Das berühmte Bergwerk von Fushung, der größte Tagebau- Markt die Bildung der Preise und die Entscheidung über die 3weckmäßigkeit diefer oder jener Aufwendungen und In­beren Organisationsnet auch nicht allzumeit verbreitet ist, betrieb der Welt, der der Südmandschurischen Eisenbahngesellschaft veftierungen überlassen- das Land der Sowjets soll dem­stellt die Präsidentschaftskampagne die beste Werbegelegenheit gehört, ift infolge eines gewaltigen Wassereinbruchs aus einer still- nach von der Außenwelt abgeschnürt werden! Den Erzeug­für den Sozialismus dar; sie läßt die Bewegung besonders gelegten Bergwerksanlage teilweise überschwemmt worden. Etwa niffen der Bauernwirtschaft muß der Ausweg nach dem Welt­auch auf die neu eingewanderten Massen übergreifen. 470 Bergarbeiter follen ertrunken sein. marft versperrt werden, ebenso wie den billigen ausländischen