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10 Pf.
Nr. 214
Der Abend Th
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B 106 45. Jahrgang.
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Die Geheimniffe im Café.
Eine Konferenz am Moffatisch und eine deutschnationale Rede.
Die Arbeiter- Fußballmeisterschaft.
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I
Einige peinliche Fragen.
Wollen die Deutschnationalen Südtirol opfern?
Es erregte berechtigtes Aufsehen, als vor einigen Tagen in meinem Hugenberg- Blatt ein Bericht über eine Unterredung mit Mussolini erschien, die sich des langen und breiten mit den unterdrückten Südtirolern befaßte und dem Duce, der bisher alles zur Berdrängung des Deutschtums im neuen Norditalien getan hat, merkwürdig anmutende Aeußerungen in den Mund legte:
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Mussolini versicherte, daß die Südtiroler , wenn sie sich nur loyal verhalten, alles von ihm erhalten könnten, was sie wollen." Diese Anbiederung Mussolinis wurde von bürgerlichen Blättern viedo haud bereits zurüdgewiesen. Sie erhielt einen besonderen Sinn durch die innenpolitischen Konsequenzen, die der deutschnationale Interviewer an die Unterredung knüpfte:
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18091
Eine gewaltige Menschenmenge wohnte gestern dem Fußballspiel um die Bundesmeisterschaft des Arbeiter- Turn- und Sportbundes bei. Adler 08- Berlin siegte über Frankfurt- Westend 5: 4.
Von der Frau im Schlaf erschlagen!
Der Nauener Gattenmord aufgeklärt.
nehmen mit der Staatsanwaltschaft und der Ortsbehörde das gefamte Material erfaßte und kriminalistisch auswertete. Diese Feststellungen ergaben so dringende Momente gegen die Annahme einer Notwehr, daß zur weiteren Ermittlung noch Kriminalrat Gennat , der Leiter der Mordinfpettion, nach Nauen entsandt wurde. Frau Noack wurde erneut einem eingehenden Berhör unterzogen und legte nach langem Sträuben endlich unter bramatischen Umständen.
Die Bluffat in Nauen , wo vor etwa vierzehn Tagen| nalassistenten Wermte von der Mordinspektion, der im Einverder Schlächtermeister Gustav No ad tot aufgefunden wurde, ift aufgeklärt: Noad ist im Schlaf von seiner Frau mit einem Beil erschlagen worden! In der Nacht zum 25. April stellte sich die Ehefrau des Schlächtermeisters Gustav Noad aus der Holzmarktstraße 18 zu Nauen der dortigen Bolizei mit der Angabe, daß sie ihren 50 Jahre alten Mann in der Notwehr mit einem Schlächterbeil erschlagen habe. Ihr Mann sei, wie sie sagte, wieder betrunten nach Hause gekommen und habe sie beschimpft und bedroht. Als sie gefehen habe, daß er aus dem Laden ein Beil holte, sei fie aufgefprungen, um einen Angriff abzuwehren. Mit einem Had beil in der Hand habe Noad sich auf sie stürzen wollen. Nach heftigem Ringlampf sei es ihr gelungen, den Angreifer abzuwehren und niederzuschlagen.
Die Polizeiverwaltung von Nauen nahm mit mehreren Beamten sofort eine Ortsbesichtigung vor und stellte fest, daß Noad durch zwei wuchtige Hiebe in die rechte Schläfe getötet wor den mar. Die Behauptung seiner Frau, daß sie in Notwehr gehandelt habe, erschien an und für sich nicht unglaubwürdig, benn Noad, der häufig trant, hatte sie schon oft nicht nur bedroht, sondern auch schwer mißhandelt. So wurde denn die Frau zunächst auffreiem Fuß belassen. Auffallend war aber doch, daß der gesamte Befund
feinerlei Spuren eines Kampfes erfennen ließ. Die Lage des Erschlagenen machte vielmehr deri Eindrud, als sei er ohne jede Gegenmehr getötet worden.
ein umfassendes Geständnis ab. Seit fünf Jahren verheiratet, hatte sie ihr Grundstüd verkauft und den Erlös in das Geschäft ihres Mannes hineingesteckt. Durch ihn war sie so um ihr ganzes Eigentum gebracht worden und fah sich mit den Kindern in ihrer Eristenz bedroht. In der Nacht zum 25. April hatte Noad sie wieder beschimpft und bedroht, sich dann aber ermüdet auf einem Sofa niedergelegt. Im Schlafe war er, wie die Frau sagt, vom Sofa gefallen. Durch den Fall wieder ermacht, fegte er die Schmähungen gegen fie fort. Gleich darauf aber verfiel er wieder in Halbschlaf. In ihrer Angst und Erregung holte nun Frau Noad leise ein had beil aus dem Laden, trat neben den Kopf ihres Mannes und brachte ihm die tödlichen Verlegungen bei.
Nach diesem Geständnis wurde Frau Noad dem Amtsgericht Nauen wegen Totschlages vorgeführt.
Man glaube nicht, daß ich nun die logische Frage gescheut habe, was denn der Mächtebund, dem Deutschland jede Sekunde 100 Mart als Kriegstribut zu zahlen hat, dazu sagen würde, wenn sich das deutsche Volt wieder eine nationale Regierung geben würde. Die Antwort, die Mussolini gab, fonnte selbst die ängstlichsten Gemüter in Deutschland beruhigen.".
In der„ Leipziger Volkszeitung" erzählt nun ein Parlamentarier ein Erlebnis, das die Geschichte des Interviews in das eigenartigste Licht rückt. Er war vor etwa sechs bis acht Wochen im Café Schottenham I am Tiergarten. Da plöglich öffneten sich die Borhänge an der Haupttür nach dem Kemper- Platz. Wer trat herein?
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der Präsident der italienischen Handelsgesellschaft in Berlin , der Dugfreund Mussolinis, der amtliche Vertreter des Landes, in dem Tizian wirfte. Ich hatte so fährt der zunächst noch unfreiwillige Beobachter fort Renzetti früher durch Zufall fennengelernt. Durch einen besonderen Vorfall hatten sich seine Gesichtszüge in meinem Gedächtnis besonders eingeprägt. Er schritt suchend den Mittelgang entlang und blieb stehen am Tisch mir gegenüber, an dem vorher zwei Herren Platz genommen hatten.
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Renzetti musterte eingehend die gesamte Umgebung und forderte schließlich beide Herren auf, mit ihm zu gehen. Was geht da vor?" so fragte ich mich. Man steigt nach" was im Café Schottenhaml durchaus alltäglich ist, aber Herr Renzetti, der Major a. D., war nirgends zu entdecken. Weder in der lichtdurchfluteten oberen Diele, noch auch im jazzerfüllten Mittelgeschoß. In der großen Rotunde sprang inzwischen das Wasser ohne Unterlaß, aber Renzetti und seine beiden Begleiter waren nicht wieder aufzufinden.
Doch da, in einem verschwiegenen Winkel hatten sie sich geruhsam niedergelassen. Man steigt nach", als Liebespaar in spe, woran denn auch die Herrschaften keinerlei Anstoß nahmen. Die drei an dem einen Tisch, das Pseudoliebespaar an dem Tisch vis- à- vis, das waren die einzigen Gäste in dem weiten Raum. Und schon hatte Renzetti mit seinem Vortrag begonnen. Die beiden anderen lauschten aufmerksam den Worten, die der Duzfreund des großen Duce vom Stapel ließ. Und siehe da, das Interview des Tag- Vertreters vom 29. April formte sich aus Herrn Renzettis Munde. Auch dort stand. Südtirol im Vordergrund. Renzetti legte eingehend dar, daß die Diktatur Muffolinis in Bozen und Meran von der jüdischen Presse bewußt erlogen
fei, und daß Südtirol einer Verständigung zwischen dem großen dürfe. Im übrigen alle die schönen Worte, die Mussolini gegenüber Duce und dem ,, nationalen" Deutschland keinerlei Hindernis bieten
dem Tag- Vertreter selber fand.
Ein merkwürdiges Zusammentreffen.
Ich erinnerte mich dabei jener Säge, die Freiherr v. Frey. tagh Loringhoven am 30. Januar 1928- also etwa einen Monat früher im Reichstag sprach. Er redete zum Etat Dr. Stresemanns und wandte fich mit dem Haß des grimmigsten der
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Deshalb rechnete bie Bolizeiverwaltung von Nauen auch mit Ser Ueber 3 Millionen Wähler in Berlin . is gegen die außenpolitischen Linien, die während der legten
Möglichkeit eines Verbrechens und machte auch der LandesBriminalpolizeiftelle Berlin Mitteilung. Diese entsandte den Strimi
Berichte 2. Seite.