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BERLIN  Sonnabend, 16. Juni

1928

Der Abend

Erfcheint täglich außer Sonntags. Sugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition: Berlin   SW 68, Lindenstr. 3

Spätausgabe des Vorwärts

66

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Nr. 282

B 140 45. Jahrgang.

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Das Schicksal der kleinen Marie

Verleumdungen im Kampf um die Elternbeiratswahlen.

Wir stehen vor einer außerordentlich wichtigen Entschei­dung: morgen find in Berlin   die Wahlen zu den Elternbeiräten. Leider haben noch manche Kreise auch aus den arbeitenden Klaffen für die Vorgänge, die mit Schule und Erziehung zusammenhängen, nur recht geringes Intereffe. Anders die sogenannten Chriftlich- Unpolitischen". Sie ent­falten eine außerordentliche Rührigkeit, fie haben besondere Organisationen von Elternbünden geschaffen, um bei den morgigen Wahlen zu den Elternbeiräten die nach vorwärts drängenden Boltsschichten zurückzuhalten. Zu diesem Zweck wird eine Wahlagitation betrieben, für die jedes, auch das schlechteste Mittel recht ist. Da man mit sachlichen Gründen die kulturelle Entwicklung im Schulwejen nicht aufhalten fann, so bedient man sich der häßlichsten Kampfesform. Selbst vor Berleumdungen und Berdächtigungen scheuen die Chriftlich- Unpolitischen" nicht zurück. Im Mittel­punkt dieser Angriffe ftehen naturgemäß die weltlichen Schulen. Auf fie fonzentrieren sich vor allem die verlogenen Angriffe der, Christlich- Unpolitischen" Partei.

Wie es im einzelnen gemacht wird, dafür ein geradezu er schütterndes Beispiel:

In einem letzten Flugblatt der christlich- unpolitischen Eltern­bewegung wird unter allen anderen Berlogenheiten auch auf sittliche Verfehlungen an einer weltlichen Schule hingewiesen, die in ihrem Umfang das Unglaublichste und im deutschen Schulleben überhaupt noch nicht Dagewesene darstellen sollen. Man weiß zu gut, daß die Wahlspekulation auf ferueller Basis immer zum Erfolg führt. Man dente nur an die verlogene Nadtkulturtampagne bei früheren Wahl­entscheidungen.

Welche wahren Tatsachen liegen nun der in aller Deffentlichkeit verbreiteten heuchlerischen Verdächtigung wirklich zugrunde?

Die angegriffene weltliche Schule ist im April 1927 unter be fonders schwierigen Umständen ins Leben gerufen worden. Ihr anfänglich abgestedtes bescheidenes Ausmaß ist durch den während lebung, solche Dinge zu vertuschen. Eine eingehende Untersuchung Kinderscharen überflutet worden.

Die Schuld der chriftlich- bürgerlichen Gesellschaft.

So tam auch die elfjährige Marie zur weltlichen Schule, mit einer Borbelastung an fiftlicher Berfommenheit, die sich natürlich erst nachher herausstellte, deren Vorhandensein aber gerade der noch furz vordem besuchten ,, christlich- unpolitischen" Schule zur Laft ge­legt werden könnte, im wesentlichen aber von jedem Kenner der tieferen Zusammenhänge legten Endes nur auf das Schuldtonto der chriftlich- bürgerlichen Gesellschaft gesetzt werden kann.

Marie benutzte in der neuen Schule die zufällige Abwesenheit eines Lehrers, um sich den in der Klasse mitanwesenden Jungen ihres Alters in unzweideutiger Weise zum feguellen Spiel anzubieten. Der Vorgang ist selbstverständlich sofort der Schulaufsichtsbehörde gemeldet worden sicherlich wie jeder Er­- entgegen der anderswo zu beobachtenden Klugen

fahrene weiß

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eines halben Jahres andauernden Zustrom unerwarteter wurde sofort eingeleitet, ste hat auch bald restlose Aufklärung ge­bracht.

Die Familie der kleinen Marie.

Die damit im Zusammenhang stehenden fürsorgerischen Er.. mittlungen in der Familie der fleinen Marie haben ein faum glaubliches Bild sozialen Elends und damit im Zusammen­hang stehender sittlicher Hemmungslosigkeit ergeben.

Marie ist das Kind einer finderreichsten Familie. Der Bater hat sich von der Mutter scheiden lassen und wohnt mit den ihm über­laffenen Jungen noch im gleichen Hause, in einer Kleinstwohnung. Mutter hat sich mit ihrem langjährigen Freund, der wahrscheinlich auch Anlaß zum Auseinanderfall der Familie gegeben hat, wieder verheiratet.

Sie wohnt mit ihm und den ihr überlassenen Mädchen in der alten Wohnung, in Stube und küche. In dieser engsten Proletarierbehausung sind vorhanden außer Maries Mutter und Stiefvater eine erwachsene Tochter mit ihrem unehelichen Kinde, dazu in der Küche ein er­wachsener Bruder mit seiner Braut, also 5 erwachsene Menschen von oft unbeherrschter Triebkraftigkeit. Und die elfjährige Marie mitten dazwischen, alles mit­erlebend, allem nachspürend.

( Fortsetzung auf der 2. Seite.) 26

1920

Fortschritt in der Schule.

Xevisses

In den Berliner   Schulen wird neuerdings praktischer Unterricht für Großstadtkinder erteilt. Unser Bild zeigt das Studium der Hastragsäulen und der Einrichtung des Verkehrsturms.

Nobile in neuer Gefahr.

Er fürchtet immer weiter abgetrieben zu werden.

Die Rettungsaktion für Nobile und die Italia- Mann-| müßten, durch das Aufgehen des Eifes vollkommen vom schaft find jetzt im vollen Gange. Mehrere Flugzeuge find fuchend im Polargebiet. Aber eine neue Gefahr droht der Expedition. Wie aus Kingsbay gemeldet wird, bricht das Eis im Nordosten Spitbergens auf. Nobiles lehter Funkspruch erklärt, daß er und seine Begleiter fürchten

Sieben Streckenarbeiter getötet

Ein entsetzliches Unglüd, wie es in der Geschichte der Unfälle bei Eisenbahnstreckenarbeiten selten ist, hat sich heute morgen in Polnisch  - Oberschlesien   zugetragen. Nach einer Drah­tung aus& atto with fuhr auf der Eisenbahnstrecke zwischen Bedzin   und Dabrowa ein Eilgülerzug mit voller Geschwindig. teit in eine Bahnarbeiterkolonne hinein, die einem aus entgegengesetzter Richtung kommenden Zuge ausweichen wollte. Sechs Arbeiter wurden auf der Stelle getötet. Ein weiterer Arbeiter, der die Geiffesgegenwart besaß, sich neben das Geleis zu werfen, wurde so schwer verletzt, daß er auf dem Trans­port zum Krankenhaus ver starb.

Die Untersuchung ergab, daß den Lokomotivführer eine Schuld trifft, da die Strecke an der Unglücksstelle sehr un übersichtlich ist. Die Schuld dürfte den Kolonnenführer treffen, der allem Anschein nach nicht die nötigen Vorsichts­maßnahmen getroffen hatte.

Będzin   liegt etwa 40 Kilometer östlich von Beuthen   jenseits der deutschen   Grenze. Das Unglüd erinnert an das furchtbare Gefcheh­nis vom Januar 1917, als 19. Stredenarbeiterinnen bei Wusterhausen   vom in voller Fahrt dahinsauseftden Baltan­expreß im morgendlichen Winternebel überfahren und ge­tötet murden.

D

Lande abgeschnitten zu werden. Seine Gruppe werde durch den Sturm immer weiter nach Osten getrieben. Spitzbergen   abgegangen. Major Ein finnländisches Hilfsflugzeug ist Freitag abend aus Helsingfors   nach Maddalena hat Badsö erreicht und ift am Freitag gegen Mitternacht wieder in Richtung auf Spihbergen gestartet. Er hat mit ungünstiger Witterung zu fämpfen.

Rom  , 16. Juni. Die Citta di Milano meldet, daß die Hobby und die Braganza, die gemeinschaftlich mit Nordostwind, der die Eis Schollen ein wenig auseinandertreibt, dahinfahren, sich in der Nähe vom Nordkap befinden. Die norwegischen Flugzeuge versuchten von der Hobby aus einen Flug, wurden aber durch den dichten Rebel zur Rückkehr gezwungen. In Kingsbay herrscht sehr schönes

Wetter.

Das Flugboot Dornier Wal   des Majors Penso ist von Duchy   fommend auf der Fahrt nach Spitzbergen   am Freitag abend 6 Uhr in Amsterdam   gelandet und wird heute früh weiterfliegen. Fliegerkommandant Maddalena hat infolge des schlechten Wetters über der Barandsee noch nicht von Badsö nach Spitzbergen weiter­fliegen fönnen. Der Eisbrecher Malighin" hat sich in Alegan­browse mit Kohlen versorgt und die Fahrt nach Norden fortgesetzt. An Bord befindet sich der russische Flieger Babuschin mit einem Flugzeug, das auch auf Schnee und Eis niedergehen kann. Der ,, Malighin" fährt direkt nach Kap Leigh- Smith weiter, während der Eisbrecher ,, Krassin" zuerst in der Kingsban anlegen und dann das Nordostland von Norden umschiffen wird. Die beiden Schiffe hoffen sich beim Kap Leigh- Smith zu treffen. Die russischen Flieger wollen den Schiffsbrüchigen große, schwarze Tücher zuwerfen, damit sie ihnen damit einen Landungsplatz auf dem Eise bezeichnen können.