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9. Deutscher   Volksbühnentag Die Kundgebung im Mainzer   Stadtiheaier.
Mainz  , 1. Juli. Eine große öffentlich« Kundgebung befchloh die Veranstaltungen des Neunten Valksbühnentages. Das Stadttheater war überfüllt, ein« festlich«, gehobene Stimmung lag über der Ver- fannnlung. Sie ging gleichermaßen von den künstlerischen Dar- bietungen des Abends wie von den Reden aus, die im Mittelpunkt der Veranstaltung standen. Ein ousgezeichntes, pch ständig steigerndes Programm gab der Kundgebung ein« ungewöhnlich propogondistifche Bedeutung. . Zunächst spielte das städtische Orchester unter Leitung seines ausgezeichneten Dirigenten. Generalmusikdirektors Breisach  , die Freischiitz-Ouvertü-re. Darauf sang der Bolkschor. Und sodann brachte die Vorsllhrung eine» Bewegungschorwerk,Reue IugovV  allen Anwesenden ein tiefes Erlebnis. Unter Leitung des Führers der Tanzgruppe am Mainzer   Sladttheoter. Jos. verdolt, hatten 130 junge Menschen, meist au» der Arbeiter- fugend, zu Beethovenscher Musik ein« Tonzdichtung einstudiert, die in einlach symbolischer Handlung, ganz auf Rhythmus und Farben gestellt, den flegreichen Kampf einer neuen Jugend gegen Schul- meistere! und Gewinnsucht zu lebendiger Anschauung brachte. Als erster Redner nahm Franz Kaibel, Weimar  , das Wort. Er sprach von den Ausgaben der Volksdühnenbewegung im Kampf um eine neue Westanschauung. Er verwies auf die Berufung des Dichters und besonders de» Dramatiker», neu« groß« Ideen, neue Wcltanfchouungsbegrisfe zu gestalten und zum Besitztum der Masse zu machen. Er bekannte sich zu einem Theater, dos Kultbühn« fein wolle im Gegensatz zur reinen Unterhaltungsbühne. Er erklärte es als Aufgab« der Volksbühne, diesem Theater sein Publikum zu sichern, e» aus einem Besitztum der Gebildeten zur Sache aller zu machen und ihm zugleich den Unterbau einer wirklichen Gemein- schaft zu sichern. Reichstogsabgevrdnete Clara Bohm-Schuch   behandelte das Thema vokksbühnenbewegtmg and Frauen". Die Volksbühnen, sagt« sie, böten heute vielen tmisend Frauen die einzige Möglikett, sich aus niederziehender Alltagsarbeit in lichte« Gefilde emporzuheben. Gerade bei den Frauen klaffe ein« tief« Kluft zwischen heißer Kuliurfehnsucht und eienden sozialen Per- hältnissen: gerade für sie sei deshalb das Kunsterlebnis so besonders wichtig. Aus diesem Erlebnis werde dann auch neues Gemeinschafts- gefühl wachst«. Nicht nur auf kulturellem, auch auf sozialem Ge- biet« löge die Bedeutung der volksbichnenbewegung. Ob dos, was die Boltsbiihnen böten, in alier oder neuer Zeit wurzele, sofern es den Menschen, den ringenden, den erliegenden, den siegenden, zum Erlebnis mache, fei es westntlich, könne es reicher und besser mächen. Frauen und Volksbühnen gehörten auf» engst« gifaimnen. Al« dritter Redner betrachtete Dr. Carl Gebhordt, Frankfurt   a. M., die Bolksbühnenbew�gung in ihre? Eigenschaft als Glied der Lolksbildungsbewegung. Moderne Bokksbildungs- bestrebungen und Dolksbührienidee zeigten gemeinsame» Wesen und gsmeinsam« Ziel»«. Hier sprach Gebhordt von der neuen Völkerwanderung", die begonnen habe: eine Dölkerwanderiing oon unten nach oben, die dos Gesicht der Erde vielleicht entscheidender ändern werde, als
jene horizontale Völkerwanderung vor 2000 Iahren. Ein Klassen­kampf werde gefichrt, ober doch nicht um seiner selbst willen, sondern mit dem Ziel einer neuen Einheit des Doltes. Ein neues Kollektiv-Bewußtstin steige herauf, das alle zur Bejahung zwinge als Ausdruck der Zeit. Auch im Theater forderte Gebhardt Be- jahung dieses neuen Volksbegriffes. Es müsse zur Stätte des Nachdenkens über den Sinn des Lebens werden. Nicht«ine Ober- schicht dürfe das Theater trogen, sondern das Volk in stiner Ganz. heit müsse an ihm teilhaben. Nur dann werde die Zeit im Lebens- gefühl oller zu sich selbst kommen können. Mit leidenschaftlichen Worten forderte Gebhardt eine Zeit, in der sich alle Menschen als Zeitgenossen empfänden. Diesen Begriff in jedem wachzurufen und jedem Zugang zu den schöpferischen Kräften der Zest zu schaffen. das sei gleichermaßen die Aufgabe der Dolksbühncnberoegung wie der Voltsbildung. Als letzter Redner betrat dann Fritz v. Unruh dos Podium. Aeußerlich ruhig, abee von innerer Glut erfüllt, sprach er mit den beschwingten Worten des Dichters von der Dramatik und dem Theater der Zeit und auch von dem. was hier zu hoffen, wo» von. nöten sei. Wer sucht, so fragt« er, heute noch im Theater, gläubig- bereit, den einigenden Gott? Wer sieht im Theater noch den Tempel, au» dessen Tief« er Orakel hören will? Und noch andere Fragen warf er aus, Oragen nach dem Wert, der Bedeutung der heutigen Bühne. Und er sucht« nach den Gründen, die es bewirkt hätten, daß d« Schwungrad der Zeit den Dichter aus der Arena geworfen und Boxer, Ballspieler dafür hereingetragen hob«. Man dürfe nicht nur das Versagen der Dichtung verantwortlich machen. So kam Unruh zu dam Ruf: Laßt Masse« i» die Theater! Laßt un» wieder zu empfänglichen Menschen reden mst allen primi- tiosten Instinkten! Die Masse fft Druckmesser unstre» eigenen Blutes. Weiter sprach Unruh von den seelischen Bindungen, au» denen der Voltsbegriff erwachst. Er bejahte die Möglichkeit einer gemeinsamen Kunst und gemeinsamen Bühne. Auch die Gotik hob« keine stärkeren Bindungen gehabt al» unstre Zeit. Gegen sarkastische Geringschätzung nahm er den Heroismus der Seele in Schutz. Ueber all« Widrigkeiten hinweg werde sie sich doch erheben.Einmol wird aus Morgen und Abend der erste Tag unserer Bühne werde«/ Er erinnert« an die Inschrift über dem Potsdamer Schoi�pielha«: Dem Vergnügen der Einwohnet/, und an Beethovens Wort, daß die Menschen nicht eher Frieden haben würden, als bis es ge- lungen fei, da« schöpferisch Gute so verschwenderisch mit den Reizen der Verführung auszustatten wie bisher das Böse. Beide Worte verbindend, erklärte er es als die Aufgab« der Bühne,den Wein der Erleuchtung zu keltern". Dann werd« Lust zur Freude werden. Freude sei der Stern über unseren Bühne«, in dessen Zeichen ein Volk zu neuem Mittag aas- steigt." Prächtig schloß sich an diese mit stürmkschem Beffoll auf- genommene Rede WagnersMei st e rs i n g« r"- O u o« rtü r e, die da» Orchester uMer Breisachs beschwingter Leitung spielt«. Ei« wahrhast großer, schöner Ausklang des Neunten Deutschen Volks- Kuhnen tage«!
Lardillac." Hiaotkioper am Plast der Republik  . JCardtlkat", das neue Wer» Paul Hindemith  », ist der erste, ganz ernst zu nehmend« Vorstoß der jungen Musiker- generatio« in dem Bezirk der Opernbühne. Um so ernster zu nehmen, al» e» der anerkannte Führer der Generation ist, der ihn unter- nimmt. Um so wichtiger zu nehmen, als die Eroberung des Opern- publlkwns, also des Operntheater,, in überraschendem Grad gelingt. Es ist, am Premierenobeich. nicht«in..Erfolg", den die zu ollem entschlossenen Anhänger vortäuschen; es ist die Sache, die sich durch- setzt, das Werk, das einschlägt. Allerdings dank Klemperer in einer Wiedergabe, die eine musikolsschc Tat ist. Ein großer Abend de» Berliner Opernjahre». Noch allen mölichen halben versuchen, hingesudelten Sinoktern. Operettenseltensprüngen, Revueverirrungen, holbernsten Bemühun- gen, sich über da« Problem der modernen Oper bluffend hinweg- zusetzen, nun endlich eine ausgewachsene, nämlich abendfülltnde Oper großen Stil» was ist an der Sache Besonderes? Was ist Neue» geschehen? Die Musik diese» letzten Iahrzehiü», von ihrem literarffchen vor- und Rachreitern gern dieneue genannt lassen wir die Frage offen, ob sie den anspruchsvollen Namen in der Tat verdient; sicher ist, daß neue Anschauungen, Strebungen, Stil- und Formprinzipien
al« gemeinsame» Entwicklungsmotw, richtungb«stimmend, weite Kreise der jungen Mustkerschast beherrschen. Und iese neuen Prin- zipien, um davon nun aus dem einstweilen greifbaren Niederschlag einer in ihren Ansängen höchst verworrenen Umsturzbewegung zu reden, haben in ihrer Auswirkung den jungen Musiker, der ihrem revolutionären Terror unterlag, zwangsläufig von der Opernbühne immer weiter entsert. Vorsätzlich strengste Gebundenheit in engen Formen, bedingungslose Unterwersung unter die Regeln des poly­phonen Satzes, asketische Abkehr vomschönen" Klang, strikte Ver- neinung des Rechtes auf Wirkung auf dem Boden solcher Bor- aussttzungen sollte eine Oper entstehen? Paul Hindemith  . dessen Urmusikantentum an aller Musikentwicklung der letzten zehn Jahre stärkst«« Anteil hat, hat die Voraussetzungen, die seine eigenen ge- wesen und geworden sind, nicht verleiignet. Er wogt, mit allen theaterseindlichen Maximen seiner Musikerrlchtung belastet, den ge- fährlichen Schritt zur Oper. Das Wagnis getingt, weil ein ganz starker musitdramatischer Instinkt, wenigstens an allen enffchetden- den Punkten, die Widerstände seiner Richtungsgebundenheit über- windet. So bedeutend, so bewundernswert des Komponisten mustkalifch-sormal« Satzkunft, so sehr freilich auch sie an manchen Stellen vom Bühnenvorgang ableirft, ihn hemmend eher al» daß sie ihn beflügelt, al« Ganzes istCardilloc" ein echtes Bühnenwerk geworden, und wir dürfen in Zukunft der deutschen   Oper vertrauen- der als vor kurzem noch entgegensehen. Ein sehr starker Stoff allerdings(aber der Griff nach dem Stoff
fft ja die erste, entscheidend wichtige Leistung des Vpernkompvnisten) kommt der Wirkung entgegen; Ferdinand Lion   hat ihn nach einer Novelle oon E. T. A. Hoffmann geformt. Nicht durchaus mit glücklicher Hand. Was begibt sich in drei Akten? Mordlust liegt, wenn sich der Borhang zum ersten öffnet, schwer über Paris.(Dem Paris   Ludwig XIV.  : eine Kostümoper.) Ein Sondergericht, die brennend« Kommer", soll endlich den geheimnisvollen Uebektäter fassen und richten, dessen nächtliche Verbrechen, ungefühnt noch alle, immer wieder auf dieselbe Spur führen: wer oon Cardillac  , dem berühmten, vom Volt geehrten Goldschmied, ein Schmuckstück taust. fällt am selben Tpg dem unbekannten Mörder zum Opfer. Der Mörder, wir erfahren es bald, fft kein anderer als Cardilloc. Die Werke, die er schafft, sind sein Leben; er hütet jedes, als wär's ein Stück von ihm. Der Käufer wird ihm zum Räuber, zum verhaßten Feknd; aus unwiderstehlichem Zwang muß er ihn töten, ihm die Beute wieder entreißen. Ein pathologisches Scheusal von Massen- Mörder; doch in aller Verirrung eine Gestalt von phantastischem Wuchs. Wie er, getrieben von Msrd zu Mord, endlich am Wider- stand eines Stärkeren, der bewußt ihn herausfordert, zerbricht, wie er öffentlich bekennt, vom Volk erschlagen, doch dann, in einer Art versöhnten, verzeihenden Verstehen?, in den Tod gesungen wird, das bildet, kurz zusammengefaßt, den Vorgang der Oper. Diese Oper Paul Hindemiths ist ein Wurf. Und am Platz der Republik   wird sie in einer Aufführung geboten, die sie zu einem Theaterereignis macht. Xlsus?rjns»ke!m. Neues Arbeiierferienheim. Der sozialdemofrafffche Abgeordnete Stelling fordert Zerienzulagen für die Arbeiter. Teupitz   sMark), I. Juki.(Eigenbericht.) Anspruchsvoll nennen sich die Gestade des Körffer Sees die mär. tische Rioieva. Doch k«ne mondäne Wert wandelt dort unter Palmen. Wer mit Dampfer und Motorboot kommt, steht hinter Ruderern und Paddlern an flacheingehendem sondigem Podegelönde erst ausruhend« Werktag»menschen und dann endlose Kiefernwaldungen. In einer Lichtung am See liest er: Ferienheim. Hier in Klem-Köri» fft gestern ein« neu« g« noj f e»s cho s t- li che Gründung dem Verkehr übergeben worden: dos.zwölfte Haus der IertenheinvGenaflen-schost Jena  . Warum kommt die Pro- vinz damst nach Berlin  ? Der Vorsitzende der Jenaer  , Landtags-
abgeordneter Dr. Kieß, begründete das in seinem Willkommen an die zahlreichen Vertreter von Organisationen der Arbsiterschast. In Jena   hotten die Zeitz  -Arbeiter dank Abbe, dem Philanthropen und Freunde Bebel», schon lange vor dem Kriege ein gesetzliches Recht gzif Ferienwochen. Heute, so jährte Johannes Stelling   vom Pami- vorstand de» SPD.   in der Weiherede aus, vertcmge die täglich schärfer werdend« Ratianalffieiung, der entsetzliche Raubbau an Menschen'- kraft, gebieterisch nach Erholung sür den Arbester, noch Heimen, in denen nach gemeinnützigem Prinzip die Ferien bewirtschaftet werden. Wenn von Jena   au» Im Thüringer   Waldd, wo erst vor acht Tagen da« Heim Frauenwald auf lichter Höh« eröffnet wurde, im Erzgebirge  , in der Lüneburgs   r und w der Dübener Heide   Ferieichäuser begründet worden, so sei mit Freude zu begrüßen, daß nun für den Berliner  auch ein Heim in der Röhe der Stadt errichtet weide. Allein, vor die Tor« der Stadt fahre gezwungenermaßen nur, wer über wenig Mittel und geringere Ferienzeit verfüg«. Wenn wir auch mit Stolz auf die nun sür manch« Arbeiterkotegonen tariflich festgelegten Ferien al» Errungenschaft der Arbeiterbewegung sehen, so ver- langen wir nun genügenden Urlaub und Feriengeld für alle Arbeiter. um sie an den Schönheiten der Natur der weiten Welt teilnehmen lassen zu können. Das neu« Heim fei mit dieser Forderung als ein Glied tn der Kette de» sozialen und kulturellen Aussstegs der Arbeiter- Hasse geweiht. Danach brachten Vertreter dos Ortsausschusses� Berlin de» ADGB   der Berliner   Konsumgenossenschaft, des ADB., der Freidenker und der Arbeitersänger herzliche Wünsche für das neue Hau« und die Genossenschast aus. 1. Krets Mltte. Heute, Montag. 2. Juli, W/j Uhr, bei Dobrohlow, Swinemünder Straß« 11, Sitzung de» erweiterten Kreisvorstonde». Ersch«in«n dringend erfordertich.