(Beilage rrcitag, 17. August 192S.
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Wissenschaft von der Zeitung.
Ein Kongreß auf der Pressa.
Wos misten mir van den Stücken bedruckten Papiers, die wir Leitung nennen? Jeden Tag aufs neue bringt sie uns der Bot« oder die Frau ins fyiusi auf den Straßen wird sie uns von den Händlern zum Kauf angeboten: kein Bahnhof, kein öffentlicher Platz ohne Aeitungsstand. Wir lieben die Zeitung und wir hasten sie, wir segnen ihr Dasein und verfluchen es zugleich. Die«inen preisen die Zeitung als die Trägerin der menschlichen Kultur, und die anderen beschimpfen sie als Folfchmünzerin der öffentlichen Meinung. Aber können wir uns das heutige Leben ohne die Zeitung vor- stellen? Gibt es«in Land, ein« Staatsform, wo man ohne ein« Zeitung auskommen kann? Die Demokratie gewährt ihrer Presse voll« Bewegungsfreiheit, und da ist es selbstverständlich, daß sich unter ihrem Schutze ein« außerordentlich reichhaltige Zeitungs- literatur entwickelt. Die Diktatur schafft die Pressefreiheit ab, sie unterdrückt die ihr unbequemen Zeitungen, aber sie sieht sich sofort dazu gezwungen, einen neuen Blätterwald aufzurichten, frei- lich für ihr« eigenen Zwecke. Rottet am Vormittag das Zeitungswesen aus. und ani Nach. mittag wird es wieder auferstanden sein! Was die Leute von der Wissenschaft sagen. Da war vor einigen Togen auf der K ö l n« r P r e s s a, jener großen internationalen Schau für das Zeitungswesen, ein Kon» g r c ß beisammen, der über das Problem der Wistenfchaft von der Zeitung gegrübelt Hot. Männer der grauen Theorie und der grünen Praxis saßen nebeneinander. Es wurde berichtet, was in den einzelnen Bezirken des Reichs und in anderen Ländern für diese Wissenschaft bereits getan worden ist. Wir haben in Deutschland schon eine ganze Reihe von Instituten und Seminaren, die sich mit Zeitungskund« und mit Zeitungsforfchung beschäftigen: In Aachen , Berlin , Dortmund , Freiburg , chall«, Hamburg , Heidelberg , Leipzig . Münster , Nürnberg und Köln . Aehnlich« Einrichtungen kennt man auch im Ausland, so in der Schweiz , in der Tschechoflowakei, in Sowjetrußland, in den Bereinigten Staaten von Nordamerika . An den Universitäten, an Technischen Hochfulen, in Volksschulkursen, in freien Vorträgen wird über die Zeitung gesprochen. Aber wenn die Leute von der Wissen» schaft nebeneinander tagen, dann gibt es ebenso viel« Lehrmeinungen wie Köpfe. m Die einen sagen: Wir wollen unbeeinflußt«,„reine' Wissen- ..schost treiben, nach Erkenntnis suchen. Der Inhalt der Zeitung geht uns erst in.zweiter Linie etwas an, zuerst wollen wir die Form der Zeitung erforschen und«rNären. Di« anderen meinen: Unsere Wissenschaft soll dazu dienen, gute Journalisten heranzuziehen. Don den einen wird gesagt, daß die Zeitungswissenschaft dem Getriebe des Tages fernbleiben müsse, von den anderen dagegen wird oer- langt, daß die Wissenschaft von der Zeitung im Leben der Gegenwart stehe und der Presse ihre künftigen Ausgaben weis«. Vorläufig also sucht man»och noch der besten Methode für diese Wistenschast. Die Berufsbildung der Journal'sten. In den Erörterungen des Kongresses nahm die Frage einen breiten Raum«in. ob mit der wissenschaftlichen Arbeit in den Zei- tungsinstituten die Ausbildung der Journalisten verbunden werden sollte. Es gibt bestimmte Kreis«'m bürgerlichen Presselager, die auch den jmirnal'stischev Beruf mit Titeln und Graden umgeben wollen. Man möchte nur solche Leute als vollwertig« Zeitungs- fchreiber anerkennen, die sich nach mehrjährigem Studium den „Doktor' erworben haben Wie lächerlich ein« solche Forderung ist. geht schon aus der Tatsache hervor, daß das Zeitungslchreiben eigent- lick gar nicht gelernt werden kann. Man kann sich gewisse technisch« Kenntnisse einpauken lasten, und es ist gewiß richtig, daß die bloße Routin« um so eher an die Stelle des Könnens treten muß, je mehr auch das deutsche Zeitungswesen„amerikanisiert' wird, oder mit anderen Worten: je mehr die Nachricht den politischen Inhal, oerdrängt. Es soll auch zugegeben werden, daß bestimmte Teile der Zeitung einer besonderen Berufsbildung bedürfen. Das ist vor allem dort notwendig, wo es sich um Fragen der Wirischast und der Sozialpolitik handelt. Aber im wesentlichen ist das Zeitung» schreiben und das Zeitungmachen«!n freier Berus wie tauin ein anderer. An- meisten wird immer der Journalist leisten, der neben einem gründlichen allgemeinen Wissen die Gabe der anschaulichen und flüssigen Darstellung besitzt. Und die kann nicht erlernt werden. Für die Arbeiterpresse kommt ja die Bedingung der aka- demischen Vorbildung ihrer Redakteur« überhaupt nicht in Betracht. Hier wird nicht aus den Doktortitel gesehen, sondern aus die F ä h i g- k e i t Es ist kein Zufall, daß in der Arbeiterpreste die Akademiker einen sehr kleinen Test des Redaktionsstobes ausmachen und daß selbst diese wenigen Titelträger bei uns keinen Wert daraus legen, ihren Universitätsgrad zur Schau zu tragen. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, steht die Arbeiterpresse, das kann ohne Ueberheb- lichkeit gesagt werden, was ihren Inhalt anbelangt, hoch über dem Durchschnitt der bürgerlichen Zeitungeliteratur. Die Derleqer und die Wissenschaft. Auf dem Kölner Kongreß sind Vertreter der Zeitungsverleger ausgestanden und haben erklärt, daß ihr Gewerbe eigentlich gar kein Gewerbe sei, sondern sie sozusagen«in« höher« Sendung zu erfüllen hätten. Es sind schöne Worte darüber gesprochen worden, welche großen Ausgaben die Zeitungsverleger in der Oeffentlichkeit hätten. Man hörte, daß„Zeitungsbesig oerpslichte', und man hätte daiaus den Schluß ziehen können, daß für die Zeitungsverleger das Geld- verdienen beinahe eine peinliche Angelegenheit sei.„Auf dem Wege des Molerialisinus' würden die Zeitungen zwar mehr Ueber- fchüste einbringen, aber sie mühten in ihrer geistigen Entwicklung zurückbleibest, so wurde dort gesagt. Man braucht neben diese id«al«n Sätze aber nur die Wirklichkeit zu stellen, um dann 5«nau Sejcheitz d» wist«H.
Wir kennen diese Lieder von der idealen Gesinnung des Unter- nehmcrtums. Wir haben sie so oft schon von den Geschäftemachern der anderen Industrien gehört, daß wir auch den Aussagen der Zeitungsverleger gegenüber etwas mißtrauisch sind. Ohne Profit raucht kein Schornstein. Und das bürgerliche Zeitungsgewerb« wirst immerhin recht schöne Profst« ab. Wenn die Zeitungsverleger nur einem idealen Zweck dienen wollen: warum lehnen sie dann den Vorschlag ab, den schon Ferdinand Lastalle gemacht hat, daß nämlich der Inseratenteil von der Zeitung getrennt und verstaatlicht werden solle? Wie wir dazu stehen. Wir wissen, daß die Zeitungswissenschaft wie jede andere Wissen- schaft so lange keine„reine' Erkenntnis finden kann, solange sie ihr Gepräge von der kapitalistischen Umwelt erholten muß. Es ist kein Zufall, daß die Zeitungsverleger für die Zwecke der Zeitungs- wistenschast eine offene Hand haben. Daß auch die großen Wirt- schaftsmächte Interesse für diese Sache haben, zeigte die Anwesenheit des Leiters der Pressestelle der I. G. Farbenindvstri«, des großen chemischen Trusts. Freilich hotte auch die Sowjetunion «ine stark« Delegation zu diesem Kongreß entsandt, die den bürgerlichen Herren in mehreren Referaten auseinandersetzte, wie herrlich weit es die Arbeiterschaft in Rußland gebracht habe. Die arbeitende Klasse in Deutschland verkennt nicht den Wert wissenschaftlicher Forschungen aus dem Gebiete des Zeitungswesens, selbst wenn sie noch vom kapitalistsschen Geist erleuchtet werden. Dies« Bestrebungen, die vorläufig zumeist der bürgerlichen Press« zugute kommen werden, müssen uns wieder einmal vor Augen führen, wie notwendig der Ausbau unsereseigenen Zeitungswesens ist. Wir haben schon einmal Lassalle zitiert, und so mag noch daran erinnert werden, daß er nicht nur über die Presse, sondern auch darüber geschrieben hat. daß die W i s s e n s ch a s t und die Arbeiter zusammengehören. Für uns besteht die Auf- gab« der Zeitung darin, daß sie in den vordersten Reihen des Kampfes des Proletariats um«in« höher« Lebensgestoltung steht. Sie kann diese Aufgabe aber nur erfüllen, wenn sie ein lautes Echo im Proletariat selbst findet. E. P.
Vom Kommiß. Das„Zivil". In der ersten Zeit der Internierung der Kameruner Truppen in Spanien liefen Mannschaften und Offiziere noch in ihren Uniformen herum. Es war eine Bullenhitze, und ein Hauptmann hatte den obersten Knopf seiner Litewka, der besseren Ventilation wegen nicht eingeknöpft. Da gewahrte ihn der nächsthöhere Chef. Mit auf den bloßen Hals einge- stellten Stielaugen entringt er sich die Worte:„Nee, Herr Kamerad sind wohl schon janz ins Zivil überjetreten?' Der Kasernenhof. Der Feldwebel kloppt mit der Kompanie Griffe. „Aaachtunk! Preeefentiert daaaas... zick!' Den Bruchteil einer Sekunde lang wirbeln drechundert Hände durch die Luft, dann stehen wie die Latten eines Zaunes die Gewehre. „Einjähriger Manske, wissen Sie, was eine Idee ist?" „Zu Befehl, Herr Feldwebel!" „Na wat denn?" „Der griechische Philosoph Plato nimmt an, daß in einer höheren intelligiblen Welt die höheren Begriffe wirtlich vor- handen sind und daß sie, in der sensiblen Welt unvollkommen ausgedrückt, von der sensiblen Seele, die sie im Vorleben erblickt hat, wiedererkannt werden.. „Na, wenn Sie das so schön wissen, dann nehmen Sie Ihr Gewehr jefälligst eine Idee links!" Bazillenträger. Von einer vornliegenden Kompanie wird durch die Division ein Mann als Ordonnanz für das Kasino angefor- dert.— Der Mannschaftsbestand war durch das Fieber stark gelichtet. Die Kompanie antwortet, es wäre nur Soldat Müller V verfügbar und selbst der wäre Bazillenträger. Es kommt von oben folgender Bescheid zurück: Müller V ist umgehend als Ordonnanz zu entsenden, an seiner Stelle so- fort ein anderer als Bazillenträger auszu- bilden!
Coorn, im August. Wenn Wikhelm II.,„Deutscher Kaiser und König von Preußen', noch Zvjähriger Regierungstätigkeit sich nicht in den„wohlverdien- ten' Ruhestand zurückgezogen hätte, wäre vor einigen Wochen in Deutschland das Fest des-lOjäHrigen Regierungsjubiläums zweifellos festlich begangen worden. Ebenso kann man es als feststehend be- trachten, daß ER an diesem Tage an mehreren Stellen„Seines' Reiches prunkvolle Denkmäler häkle enthüllen lassen. Leider aber, wie uns Sein« Getreuen versichern, mußte ER den Tag in der holländischen„Einöde' verbringen, wo zwar Sein Hof- staat täglich in großer Uniform erscheint, darüber hinaus aber
niemand Sein» heute noch regelmäßig erscheinenden Tagesbefehle zu befolgen braucht. Doch ER weiß sich zu helfen. Allerdings ist es nicht ganz so schlimm geworden, wie ER es dereinst in der Blüte seiner Jahre verkündete, daß ER jeden zerschmettern werde, der gegen IHN sei. Was aber andre nicht für IHN tun, tut ER selbst! ER ist immer ein guter Reklamcchef Seiner Firma gewesen. Und so legte er an der Umsassungsmaucr seines Besitzes einen Rosen- garten an. „Setzer Wilhelm Rosarium' benannt. Die Sache war gar nicht einmal teuer, denn alle Pflanzen. Bänke, ja felbst die Eingaogspforte, erschnorrt« ER sich bei
vermögenden Freunden, deutschen Genexalen und holländischen Baronen. An jedem Stück ist sein säuberlich ein Schild befestigt, wer der freundliche Geber war. Seinen Namen findet man nirgends, denn ER ist arm, wenn ER auch nicht gerade Arbeitslosen- Unterstützung zu beziehen braucht. Damit aber Sein Name und Seine Toten nicht vergessen werden, setzte ER Sich mitten in dem Part ein— Denkmal. Anläßlich des„Regierungsjubiläums" wurde es enchüllt. Etwa drei Meter hoch ragt es inmitten der Rosen, geschmückt mit der kaiserlichen Krone, seinem Monogramm und der Jahreszahl 1928. Man muß es gesehen haben, aber nicht jeder ist in der Lage, zu diesem Zweck eigens noch Doorn zu fahren. Deshalb möge es im Bilde Seinen getreuen Untertanen zu Angesicht kommen... Das Beste an der Geschichte ist zweifellos die Urne. Leider war aber nicht festzustellen, ob sie bestimmt ist, dereinst Seine Asche aufzunehmen, oder ob er heute schon seinen Verstand darin beigesetzt hat. Vielleicht gibt einer Seiner Generaladjutanten demnächst Auskunst über dieje Streitfrag«. Der Gemeinde Doorn ist das Rosarium gewidmet. So hat ER es bestimmt. Man könnte annehmen, daß der kleine Park eine besondere Zierde des Ortes darstellte, wenn man den Redereien und Schreibereien der Hoflakeien Glauben schenken wallte, die den Wohn- sitz„Seiner Majestät' als eine„einsame Wüste" darzustellen be- lieben. Weit gefehlt! Doorn liegt inmitten großer Wälder und Gärten. Die ganze Gegend ist zweifellos die schönste Hollands und sucht in ganz Mitteleuropa ihresgleichen. Die Einwohner des Fleckens machen auch nur einen geringen Bruchteil der Besucher des Rosariums aus. Der Fremdenverkehr ist aber ganz immens. Zur schönen Sommerzeit treffen täglich neugierige Pilger massenweise dort ein. Ein Cas6 neben dem anderen ist dort entstanden, um sie zu bewirten. Aber Wilhelm ist auch hier geschäftstüchtig. Der Eintritt in das Rosarium ist frei, aber ein Türhüter bewacht sorgsam die Pforte. INau muh nämlich eine Eintrllkskarte haben!
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DAQ KAART vor het , KEIZER WILHELM ROSARIUM" IE DOORN
Alleen Qeldig voor den
Diese erhätt man in dem sogenannten Torgebäude ausgehändigt, aber nur, wenn man sich in das ofsenliegende— Besuchsbuch einträgt. Abends blättert ER dann höchstpersönlich in dem dicken leder- gebundenen Buche und freut sich über die Anhänglichkeit seiner „Untertanen". a» geht doch»cht» üb« dch»rtianrt