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BERLIN  Sonnabend

1. September 1928

Der Abend

Ericheint täglich außer Sonntags. Bugleich Abenbausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat.

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Nr. 414

B 205 45. Jahrgang.

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Politische Betrüger am Werf.

Der Schwindel mit dem Volksentscheid.

In einer öffentlichen Verſammlung der Kommunitie Die Schloßbrücke in Charlottenburg  .

Partei in Halle erläutrte der politische Bezirks=

leiter der KPD., Schröter, nach dem Bericht des dor­

tigen Bolschewiſtenblattes den Sinn des von seiner Partei geleiteten Boltsentscheids, folgendermaßen:

,, Bir( Schröter) zerstören alle 3llufionen darüber, daß der Boltsentscheid an fich die imperialistische Politit aufhalte und die Trustbourgeoisie an der Heranbildung eines neuen Militarismus hindern würde. Nur ein ausgesprochener Dummkopf fann an­nehmen, sagt Genosse Schröter, daß das die Erwartung der Kom­munisten wäre, sondern wir wollen den Arbeitern beweisen, daß die Sozialdemokratie gegen diesen Boltsentscheid anfämpfen wird und den proletarischen Schichten wird flar werden, welche infame Rolle die Sozialdemokratie spielt. Es liegt uns fern glauben zu machen, daß es möglich wäre, mit Hilfe des Bolfsentscheids die Kriegsrüstungen der deutschen   Imperialisten aufzuhalten."

Also die Kommunisten wissen, daß ihr Volksentscheid volltommener Betrug ist. Sie proflamieren diesen Betrug sogar unter richtigem Namen. Alles das wird sie natürlich nicht abhalten, die a ble hende Stel lung der Sozialdemokratie zu diesem Bolksentscheid wieder zu einem fogenannten Entlarvungsmanöver zu benutzen

Künstler als Köder!

Der neueste KPD  . Schwindel.

Die fommunistische Reichstagsfraktion, gezeichnet B. Pied, verbreitet heftographierte Einladungen an alle fozialdemo tratischen, fommunistischen und parteilofen Betriebsräte" zu einer Konferenz, die sie veranstalten will. Als Redner ist Pied an­gekündigt. Dann heißt es weiter:

Der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Künster ist von der fommunistischen Reichstagsfraktion aufgefordert worden, in dieser Konferenz das Korreferat zu übernehmen.

Dadurch soll bei Unkundigen der Anschein erweckt werden, als ob mit einem Erscheinen Künstlers auf dieser Kommunistenton­ferenz zu rechnen wäre. Tatsächlich ist aber Künstler eine der artige Aufforderung noch gar nicht zugegangen, und außerdem wissen die Kommunisten selbstverständlich genau, daß Künstler nicht daran denkt, ihr zu folgen. Es handelt sich um nichts weiter als um eines jener plumpen Schwindelmanöver, die für die Kampfes­weise der Kommunisten tennzeichnend sind.

Sozialdemokraten haben auf einer Konferenz, zu der Herr Pieck einlädt, nichts zu tun.

Zentrum und Panzerschiff.

Vor einer fenfationellen Wendung? Im Badischen Beobachter" veröffentlicht der Reichstags­abgeordnete Dr. Föhr, einer der Führer des badischen Zentrums, einen Artikel, der, wenn er ernst zu nehmen ist, den Anfang einer fenfationellen Wendung in der Panzerschiff- Angelegenheit bedeutet. Herr Dr. Föhr macht nämlich den sozialdemokratischen Miniſtern bittere Borwürfe, weil sie dem vom 3entrum mitbeschlossenen Schiffbau teine Hindernisse in den Weg gelegt haben und ver fichert:

Bezüglich des Zentrums ist bekannt, daß schon im letzten Reichstag nur die Mehrheit der Fraktion im Hinblick auf die feinerzeitige Haltung der Reichsregierung, speziell des Reichswehr  ministers, sich für die Zustimmung ausgesprochen hatte, eine starte Minderheit jedoch dagegen war. In zwischen hat sich die der Zentrums= personelle 3usammensetzung frattion erheblich geändert, und die Zahl derjenigen, welche gegen den Panzerfreuzerbau sind, ist sicherlich größer ge­worden. Wenn die Reichsregierung selbst den Vorschlag gemacht hätte, den Panzerfreuzerbau nicht auszuführen, bin ich überzeugt, daß nicht nur eine große Minderheit, sondern die gesamie Fraktion sich damit einverstanden erklärt hätte Meines Erachtens wäre im neuen Reichstag eine Mehrheit gegen den Panzerkreuzer zu haben gewefen, aber eines wäre allerdings die Folge gewesen nämlich Der Krach mit der Deutschen Volkspartei  , und den sucht die Sozialdemokratie um jeden Preis zu verhindern wie man aus den Tagen der Regierungsbildung weiß.

Nach zweijährigem Umbau ist die Brücke jetzt wieder für den Verkehr freigegeben worden.

Der König der Ausbrecher.

Die Urlaubsreisen von Franz Kirsch.

Wie im Borwärts" von heute morgen gemeldet| konnte., Man vermißte ihn zwischen Paulinenaue   und Nauen  . Am wurde, ist es gestern abend wieder einmal gelungen, den Geld­Schranktnader Franz Kirsch, der die Behörden schon so oft in Bewegung gefeht hat, in Reinidendorf auf der Straße ,, vorläufig" festzunehmen.

Die letzten Jahre waren ein wahres Kaz- und Mausspiel zwischen der Kriminalpolizei und Kirsch. Kaum hatten ihn die Be­amten festgenommen und er saß im Buchthause, so gelang es ihm, dort die Ausseher zu überlisten und auf diese oder jene Weise Montag, dem 2. Juli 1928, entwich Kirsch aus dem Zuchthause in Sonnenburg. Der Präsident des Strafvollzugsamtes ordnete sofort eine genaue Untersuchung an, und man erfuhr: Kirsch und ein anderer Gefangener namens Nehrhoff hatten sich zu einer Bernehmung bei der Zuchthausleitung melden lassen. Auf dem Wege von dem Verwaltungsgebäude nach dem Direktions­immer gelang es beiden, beim Aufseherwechsel, zu entschlüpfen und sich im Vorratskeller zu verstecken. Mit Dietrichen schlossen sie die Tür hinter sich ab, durch sägten die Fenstergitter, gelangten in den Vorhof und von dort über die fünf Meter hohe Mauer ins Freie. Von dem Ausgang der Untersuchung, woher die Gefangenen, die Dietriche und Sägen hatten, hat man bisher nichts wieder gehört.

zu entkommen. Nur turz seien einige Daten erwähnt. Am

Ein anderer Glückstag für Kirsch war der 7. Oktober 1927. An jenem Tage entwich er aus einem Transportzug, der ihn Don Hamburg, wo man ihm 10 Jahre Zuchthaus   zudiftiert hatte, nach Sonnenburg zurücbringen wollte. Wieder war er auf un. erflärliche Weise in den Besig von Sägen und anderen Werkzeugen gekommen, so daß er die schwere Fesselung beseitigen

In der neuen Regierung find zwei Barteien vertreten, die Ein Geisteskranker als Brandstifter.

schon der alten angehört haben: Zentrum und Volkspartei. Beide haben für das Panzerschiff gestimmt und ihre Stellungnahme auch gegen den Einspruch des Reichsrats aufrechterhalten. Darum waren ( Fortjeßung auf der 2. Seite.)

Die Liechtensteiner   Affäre.

Berichte 2. Seite.

16. November v. J. wurde er bei einem Einbruch in die Sta­tionskaffe zu Belzig   überrascht und mußte flüchten, wurde aber am nächsten Morgen schon in Baiz, einem Drt in der Nähe, fest. genommen und abermals eingeliefert. Im Frühjahr 1928, furz vor seiner Aburteilung in Potsdam  , wurde bekannt, daß er wieder einen Flucht versuch vorbereitete. Eine Durchsuchung seiner Jelle förderte wieder Stahlfägen und andere Werkzeuge zutage. Vas rechtzeitige Eingreifen hatte die Flucht vereitelt.

Gestern abend wurde Kirsch festgenommen, als er gerade einen

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Straßenbahnzug besteigen wollte. Seine Ausflüge" sind ihm sehr gut bekommen. Wie bisher, ist es auch diesmal kaum festzustellen, wer ihm in der Zwischenzeit unterschlupf ge währt hat. Seine gute Kleidung läßt aber darauf schließen, daß er feinen Mangel an Geld gelitten hat. Obwohl er sofort von dem Leiter des Sonderdegernats, Kriminalfommiffar 3 a pfe, eingehend vernommen wurde, verweigert er jegliche Aussage.

Kirsch wird nach Sonnenburg zurückgebracht werden, wo er noch über 10 Jahre zu verbringen hat.

Große Unterschlagungen im Rheinland  .

Eine Selbststellung, eine Verhaftung.

Aachen  , 1. September.

Bei der staatlichen Kreis- und Forstkasse für die Kreise Heinsberg  , Jülich  , Geilenkirchen   und Erkelenz   in Jülich   ift man großen Unterschlagungen auf die Spur gekommen. Es wurde festgestellt, daß die Eintragungen in den Kassenbüchern

unrichtig waren.

Der Kassengehilfe Roll stellte sich der Aachener Kriminal. polizei. Er hat nach seinen Angaben etwa 45 000 Mart unterschlagen. Auch der Oberrentmeister Kauseid ist unter dem Verdacht, der Beihilfe verhaftet worden.

Ueber die wirkliche Höhe der unterschlagenen Gelder wird vorläufig Stillschweigen bewahrt.