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Morgenausgabe

Nr. 443

A 225

45.Jahrgang

Böchentlich 85ẞf monatlich 3,60 2. im voraus zahlbar, Bostbezug 4,32 m. einschl. Bestellgeld, Auslandsabonne ment 6,-. pro Monat.

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Der Borwärts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend", Illustrierte Beilagen Bolt und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wiffen"," Frauen. ftimme". Technit"," Blid in die Bücherwelt" und Jugend- Borwärts

B

Vorwärts

Beeliner Boltsblatt

Mittwoch 19. September 1928

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die einipaltige Ronpareillegeile 80 Pfennig. Reflame eile 5.- Reichs mart. ,, Kleine Anzeigen das ettge. brudte Wort 25 Pfennig( zulässig zwet fettgedruckte Borte), jedes weitere Bort 12 Pfennig. Steuengesuche das erste Wort 15 Pfennig, jedes meitere Bort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben Arbeitsmarkt zählen für zwei Worte. Zeile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen. annahme im Hauptgeschäft Linden . Straße 3, wochentägl, von 8 bis 17 Uhr.

Hentralorgan Der Gozialdemokratischen Bartel Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts: Verlag G. m. b. H.

Front gegen Heimwehr - Faschismus

Eine Rundgebung des Republikanischen Schutzbundes.

Wien , 18. September. ( Eigenbericht.) Die Bundesleitung des Republikanischen Schuhbundes beschloß im Dienstag eine Resolution, in der zu näcyst festgestellt wird, daß der Arbeitertag in Wiener= Neustadt am 7. Oftober eine Veranstaltung der gesamten politi­schen und gewerkschaftlichen Arbeiterorganisationen dieses Stadtteils ist und der Schutzbund lediglich die Aufgabe übernommen hat, diese Rundgebung zu schützen.

Börtlich heißt es in dieser Entschließung weiter: Der Schutz agrarischen Gebieten oder in solchen Gebieten veranstaltet hat, die in ihrer großen Mehrheit den Sozialisten ablehnend gegenüber­stehen. Er stellt ferner fest, daß die Heimwehren seit Monaten gerade die industriereichsten Orte zu ihren Aufmärschen aufsuchen, und zwar

bund stellt fest, daß er bisher niemals selbst einen Aufmarsch in

mit der Absicht, die Arbeiterschaft herauszufordern. Trotzdem wurden die vielen Aufmärsche der Heimwehren niemals gestört. Erst als die Heimwehrführer den Aufmarsch in Wiener­Neustadt mit den Drohungen ankündigten, daß sie gegen die freigewählte Boltsvertretung Bracchialgewalt anzu­wenden entschlossen sind und als sie von einem Marsch nach Wien redeten, dessen Auftakt die Wiener- Neustädter Veran­

staltung sein soll, erst dann wurde von den Arbeiterorganisationen der Arbeitertag nach Wiener- Neustadt einberufen, den zu schützen Aufgabe des Republikanischen Schußbundes ist. Der Republikanische Schußbund erklärt, daß er stets auf dem Boden der Demo. tratie stand, niemals das Versammlungsrecht Andersgesinnter an tastete oder geschmälert hat. Er ist aber ebensowenig gesonnen, Arbeiterorganisationen den Angriffen faschistischer Banden

aussetzen zu lassen und wird daher am 7. Oktober alle umfassenden Vorbereitungen treffen, die notwendig sind, um Leben und Freiheit der Arbeiter vor den Faschisten zu schützen." Provokateur Steidle fann nicht mehr zurück. Wien , 18. September.

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Der Heimwehrführer Dr. Steidle stellt in einem Artikel in der Bergland- Presse" gegenüber den Behauptungen Dr. Otto Bauers auf dem sozialdemokratischen Parteitag fest, daß der Heimwehr - Sonntag am 7. Oktober nicht etwa dazu veranite et werde, um das Mietengesetz abzuschaffen. Vielmehr hätten bisher die Sozialdemokraten gedroht, im Herbst mit der Obstruk tion im Nationalrat zu beginnen. Auf dem Parteitag hätten sie allerdings den Rückzug angetreten. Es liege nicht in der Absicht der Heimwehr , ihre Ziele durch einen Putsch zu erreichen, sondern durch einen Druck auf das Bürgertum und seine Bertreter, damit diese dem Kampf nicht auswichen, sondern ihn aufnähmen. Die Aeußerungen Dr. Bauers zeigten, daß die sozialdemokratische An­kündigung eines Aufmarsches von 100 000 Arbeitern in Wiener­Neustadt eine leere Drohung sei. Andererseits könne die Heimwehr­Rundgebung nicht abgesagt werden, ohne daß dies als ein zu rückweichen vor den Sozialdemokraten aufgefaßt würde.

Dr. Steidle macht sodann Mitteilung über die Sicherheitsmaß nahmen für den Heimwehr - Sonntag. Die Kundgebung werde auf einem Turnplatz stattfinden, der Raum für 20 000 Teilnehmer biete. Die Berbände würden nach einem genauen Plan dirett zum Turnplatz und nach der Feier wieder direkt zu den Bahn­höfen marschieren. Für Drdnungsdienst werde gesorgt sein. Der reibungslose Transport der rund 18 000 Teilnehmer sei gesichert.

Hermann Müllers Bericht.

Räumung/ Reparation/ Kontrolle.- Geschichte eines vergessenen Dokumentes.

Der gestern nach Berlin zurüdgefehrte Reichskanzler legte am Nachmittage einem großen Kreise von Bertretern der deutschen Bresse ausführlich den Hergang und das Ergebnis der vierzehn tägigen Genfer Verhandlungen dar.

Er stellte fest, daß die deutsche Delegation stets die Räumung des ganzen besetzten Gebietes verlangt hat. Briand hat im Lauf Der Berhandlungen sich zu der Geste bereit erklärt, die

Räumung der zweifen 3one vor Ablauf der Frist

zuzusagen. Die deutsche Delegation stüßte ihr Räumungsverlangen auf den Art. 431 des Friedensvertrages zu dessen Auslegung be nußte sie die berühmte Abmachung zwischen Wilson, Lloyd George und Clemenceau über die frühere Räumung vom 16. Juni 1919 ( dem Tage des Ultimatums), indem sie sich gegenseitig zur früheren Räumung verpflichteten, sobald Deutschland seinen Ver­pflichtungen getreulich nachkommt. Diese

von Lloyd George dem englischen Parlament mitgeteilte Ber­einbarung war sowohl Briand wie Cushendun unbekannt! Wenn auch ein Rechtsanspruch Deutschlands aus dieser Vereinbarung nicht ab­zuleiten ist, da es sich um eine Vereinbarung der Alliierten unter= einander handelt, so war der Eindruck dieser Bereinbarung auf die beiden Staatsmänner, deren Vorgänger das Dokument unter­zeichnet haben, doch unverkennbar groß. Die deutsche Delegation hat unverändert den Standpunkt beibehalten, daß Räumung und Reparationsregelung unabhängig voneinander behandelt wer den müssen. Das ist wegen des deutschen Anspruches auf Räumung richtig, aber auch aus dem sachlichen Grunde berechtigt, weil

die Berhandlungen über die Reparation längere Zeit hingehen

fönnen.

Es ist die amtliche französische Auffassung, daß die Besetzung des Rheinlandes nicht mehr wegen der Sicherheit, sondern einzig und allein aus finanziellen Gründen aufrechterhalten wird. Dem­gegenüber hat der Reichskanzler immer wieder darauf hingewiesen, daß Deutschland

unmöglich abfichtlich seine Zahlungen einstellen könne, weil es dadurch seinen Kredit selber zerstören würde. Wenn es aber wirklich ohne fein Verschulden zahlungsunfähig sei, dann hüifen dagegen auch keine 65 000 Bajonette am Rhein . Bas die Berföhnungstommiffion" anlangt, lo hat Briand den Standpunt vertreten, daß durch sie das Anrufen des Bölkerbunds. rates fich vermeiden ließe. Deutschland dagegen hat ausgeführt, daß eine solche Kommission allzu häufig in Fällen angerufen werden würde, die feine Berechtigung hätten; das würde das Mißtrauen fördern, statt es zu beseitigen. Jedenfalls hat sich Deutschland auf

einer solchen Kommission bis nach 1935 nicht eingelassen. Briand hat darauf vorgeschlagen, daß man 1935 über diese Kommission wieder verhandeln könne, nach dem man gesehen habe, ob sie funktioniere. Der Reichskanzler erklärte darauf, daß dieser Ausweg diskutabel sei, in erster Linie müsse man aber doch wissen, wie diese Rommission zusammengesetzt werden solle. Darüber hat auch Briand genaue Vorschläge nicht gemacht. Ein Sonderregime gegenüber Deutschland wird jedenfalls nicht anerkannt. Das Resultat von Genf Deutschland wird jedenfalls nicht anerkannt. Das Resultat von Genf ist: die anderen Locarno - Mächte haben die Räumungsfrage dilatorisch zu behandeln versucht, es ist erreicht worden, daß amtliche Verhandlungen über die Räumung eröffnet worden find. Ein unmittelbarer politischer Erfolg ist jedoch noch nicht erreicht, weswegen es in Deutschland Enttäuschung geben muß aber diese Enttäuschung wird insbesondere auch in England geteilt, wo das Parlament die Regierung auf die baldige Räumung festgelegt hatte. Jedenfalls ist die

Räumungsfrage auf die Tagesordnung der europäischen Politik gestellt; sie wird aus ihr nicht mehr verschwinden, bis sie gelöst ist.. Was die angebliche Behauptung des polnischen Außenministers über die Zugehörigkeit Bolens zu den Verhandlungen angeht, so ist sie unverständlich. Weder hat Balesti dem Reichstanzler gegenüber einen derartigen Wunsch geäußert, noch haben die anderen Mächte daran gedacht, Polen hinzuzuziehen. Der Auswärtige Ausschuß wird erst dann zusammentreten, wenn feine parlamentarischen Mitglieder aus Genf zurückgekehrt sind. Ebenso werden erst nach Abschluß der Bölferbundsversammlung, wenn die anderen Außenminister nach Hause zurückgekehrt sind, die Verhandlungen weitergehen.

Bayern will Bericht haben.

München , 18. September.

Dei bayerische Staatsregierung hat an Reichstanzler Müller das Ersuchen gerichtet, zum Zweck der Information und Ausspra he über die Ergebnisse der Genser Besprechungen über die Rheinland­räumung die Staats- und Ministerpräsidenten der Länder zu einer Besprechung nach Berlin zu berufen.

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Postschedkonto: Berlin 37 536. Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten Wallstr. 65. Diskonto- Gesellschaft, Depofitentasse Lindenstr. 8

Keine Wohnungen!

Kommunisten und Deutschnationale verhindern den Wohnungsbau in Berlin .

Im Haushaltsausschuß der Berliner Stadtverordneten­versammlung gab es gestern eine Sensation. Die von dem sozialdemokratischen Stadtrat Czeminski bearbeitete und be­fürwortete Vorlage über den zusätzlichen Bau von 2000 Wohnungen wurde durch eine Mehrheit von Kommunisten, Deutsch nationalen und Deuts scher Volkspartei abgelehnt. Nur Sozialdemo fraten, Demokraten und Zentrum stimmten dafür.

Der Vorgang ist interessant und lehrreich genug, um furz den Inhalt dieser Vorlage ins Gedächtnis zurückzurufen. Weil im laufenden Jahre nur 24 000 Wohnungen aus Mitteln der Hauszinssteuer bezuschußt werden können und eine weitere Streckung der Hauszinssteuer nicht möglich ist, forderte der neue sozialdemokratische Dezernent die Mittel für diese 2000 Wohnungen aus den zu erwartenden Mehreinnahmen aus Steuern in diesem Jahre an. Das Einkommen an Steuern ist zwar noch immer auch nach den Ergebnissen der letzten Monate nicht ganz leicht zu übersehen. Aber immerhin werden erhebliche Mehrbeträge aus Nachzahlungen auf die Gewerbe- und Lohnsummensteuer sowie aus der Grunderwerbssteuer der toten Hand erwartet werden können.

Ein Teil dieser nicht vorgesehenen Einnahmen, rund 15 Millionen, sollten, wie gesagt, für den Wohnungsbau ver­wendet werden. Etwas über 2000 Wohnungen waren damit zu erbauen. Berlin könnte dann in diesem Jahre insgesamt 26 000 Wohnungen, genau soviel wie im Vorjahre, erstellen. Darüber hinaus fündigte der Stadtrat neue Projekte an, die alljährlich den Bau von weiteren 6000 Wohnungen er­möglichen sollen.

dreißig Prozent als Anderthalb- Zimmer Wohnungen mit Von den vorläufig beantragten 2080 Wohnungen sollten dreißig Prozent als Anderthalb- Zimmer Wohnungen mit 48 Quadratmeter Grundfläche( 20 Quadratmeter Stube, 10 Quadratmeter Kammer, 8 Quadratmeter Küche sowie Flur und Bad ), fünfzig Prozent als Zweizimmer- Wohnungen und der Rest als Zweieinhalb- und Dreizimmer- Wohnungen er­richtet werden. Zu einer solchen Verteilung führte einmal die Statistik der Wohnungsuchenden in Berlin und sodann die Tatsache, daß die Linke des Rathauses im Vorjahre das Bempoag- Projekt abgelehnt hatte, weil es auf die Bedürfnisse

der

minderbemittelten Bevölkerung nach kleinen Wohnungen

nicht genügend Rücksicht nahm.

Berlin hatte am Stichtag des 31. Mai d. 3. 179 000 Woh­nungsuchende, darunter befanden sich 28 000 alleinstehnde Ber­fonen, 88 000 Familien mit einem Kind unter 12 Jahren und 45 000 Familien mit zwei Kindern. Die neuerbauten Andert­halb- Zimmer- Wohnung beansprucht heute eine monatliche Miete von 50 m., die Zweizimmer- Wohnung eine Miete von 60 M. Die Tatsache, daß gerade für die minderbemittelte Bevölkerung die Spanne von 10 M. hoch ins Gewicht fällt, hat zu der starken Berücksichtigung von Anderthalb- Zimmer­Wohnungen geführt, die trotz der räumlichen Beschränkung einen erheblichen Fortschritt gegenüber den Altwohnungen mit gleicher Zimmerzahl bedeuten, weil sie in Borderhäusern mit Querlüftung sowie mit Flur und Bad hergerichtet werden sollen.

Man rechnete in ganz Berlin mit der einstimmigen Annahme dieser Vorlage. Bedeutet sie doch den ersten Schritt auf dem dringend notwendigen Wege einer Verstärkung des Wohnungsbaue's und wird zugleich allen berechtigten Anforderungen nach Größe anders fommen! Die Parteien der konsequenten Oppofition und Hygiene der neuen Wohnungen gerecht. Aber es sollte im Rathause brachten es auch hier nicht über sich, einem sozial­demokratischen Projekt und mochte es noch so gut be­gründet sein- ihre Bustimmung zu geben. Wieder ein­mal umarmten sich Deutsch nationale und Kommunisten und brachten diese von der gesamten arbeitenden und wohnungsuchenden Bevölkerung sehnlichst erwartete und freudigst begrüßte Vorlage zu Fall.

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Sie wollten der Sozialdemokratie den Triumph nicht gönnen, etwas für die Not der Wohnungslosen in Berlin getan zu haben. Das war der - allzu offensichtlich eigentliche Grund ihrer Ablehnung. Die Gründe, die sie nach außen hin dafür ins Feld führten, waren interessant genug. Es zeigte sich einmal wieder, wie die Kata­strophenpolitifer von links und rechts aus ganz entgegengesezten Forderungen heraus zu demselben Endergebnis fommen fönnen. Den Kommunisten war die Anderthalb- Zimmer- Wohnung zu flein, sie, die bei dem Bewoag- Programm Kleinstwohnungen vermißten und des

Kommunisten töten Sozialdemokraten. halb diefes Projekt ablehnten, verlangten nun auf einmal

Einheitsfront" in Estland .

Reval , 18. September. ( EP.) Der fozialdemokratische Funktionär( holl wohl heißen Partei­fefretär. Red.) des kreises Pernau ist von kommunisten etmordet worden. Einzelheiten fehlen noch.

awei 3immer als Mindestmaß für die kleinste Wohnung. Die Mietsdifferenz wollten sie aus laufenden Etatsmitteln alljährlich decken, obgleich fie doch wußten, daß solche Zu­schüsse letzten Endes auch von den arbeitenden Schichten ge= tragen werden müssen. Die Deutschnationalen dagegen wollten die Bäder in den Kleinstwohnungen gestrichen haben - was brauchen Broleten ein eigenes Bad!