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(60. Fortsetzung.) „Ich mein', wer hat Sie daran gehindert, auch Arbeiter zu sein und auch mit einem Ranzel in der Hand als einzigen-Besitz auf die Walz zu gehen?" „Wer mich gehindert hat? Ich will Doktor sein. Das ist der Aufschwung, der Titel Doctor"Nledicinae. Mein Urgrotzoater war Bauer, mein Großvater war schon Kaufmann, mein Vater ist Ve- amter, er ist Staatsbeamter, jawohl, mit einer Uniform, und ich muß auch höher hinauf, ich muh Doktor sein. Das ist der Aufstieg." „Sieben Sie die Medizin oder lieben Sie die Menschen, daß Sie ihnen helfen wollen?" „Nein, die Medizin ist schwer und die Menschen verachte ich, weil sie sich nicht rein halten: ich mein', ihre Rasse nicht rein halten, wie man Hunde verachtet, die ihre Rasse versauen. Aber Doktor muß ich sein, was Hütt' ich sonst tun sollen? Ich will nicht in der gesellschaftlichen Reihe zurück, ich will vorwärts!" „Werden Sie Arbeiter. Stellen Sie sich an die Maschine, ver- dienen Sie Geld und tun Sie, was Ihnen beliebt, auswandern... werden Sie Kolonist... in Brasilien oder sonstwo... man spricht jetzt viel davon." „Nein," erwiderte Svectooitz hartnäckig,„ich muß zuerst Doktor sein... Doctor Medicmac... Herr Doktor Svectooitz..." „Dann beklagen Sie sich nicht, wenn Sie sich selber anbinden und um eines Titels willen in der Ecke bleiben." „Ich beklag' mich nicht... aber ich hast' ihn, den Wagner..." „Pfui, Svectooitz!" Er- duckte sich, als ob er Prügel erwarten mühte. „Na ja... er, immer er..." „Aber was bilden Sie sich denn ein? Wo stört er Sie?" „Ob er mich nicht stört? Glauben Sie, ich seh' nicht, daß Sie ihn lieben?" „Sie sind ja ein Narr!" rief Hilde. Und nach einer Pause:„So was schreit man einem Mädchen nicht ins Gesicht, selbst wenn es wahr wär'.." „Alles hat er für sich, der Arbeiter!" fuhr Svectooitz diesmal unbeirrt fort.„Freiheit, Reisen und selbst... di« Hilde Fern- leitner!" „Jetzt hören Sie sogleich auf, sonst sprech' ich mit Ihnen nie mehr ein Wort. Uebrigens stören Sie mich nicht bei der Arbeit!" Aber Svectooitz, der sonst so scheu den Tadel Hildens entgegen- nahm, gab noch immer nicht nach. „Das ist der Abstieg unseres Volkes! Daß Höhere die Der- bindung mit Niederen nicht von sich weisen, Blonde die nicht mit Schwarzen, di« in kulturellem Belang Verfeinerten nicht die mit den Zurückgebliebenen. Unbegreiflich..." Hilde legte wortlos ihr Mesier, mit dem sie im Seziersaal arbeitete, nieder und ging in die Garderobe, um den Mantel ab- zustreifen. Svectooitz holte sie ein. „Nicht bös' sein, Fräulein Fernleitner. Ich weiß ja nicht, was ich sag', was ich tu'. Wahr ist'ja das olles, aber ich Hab' vielleicht unrecht gehabt, es auszusprechen. Unser einer soll schweigen, die große Wahrheit, die in uns ist, verbrennt uns." „Nein, ich bin Ihnen nicht böse, aber jetzt lassen Sie mich! Ich vertrag' das viele Roden beim Arbeiten nicht." „Ich darf mit Ihnen gehen? Bielleicht... auch wieder.,. einmal zu Ihnen kommen, Fräulein Fernleitner?" „Gewiß, gewiß!" Zwei Tage später kam Svectooitz ganz verstört zu Hilde in die Wohnung— es war Sonntag vormittag, und er wußte, daß sie zu Haus« war. „Ich will nur rasch Abschied nehmen... da, ein Brief.,. »eincn Vater hat der Schlag getroffen..." Lilde reichte dem Svectooitz die Hand. „Er lebt noch... vielleicht komm' ich nie wieder, wer weiß, was mir bevorsteht." „Sagen Sie, Soectovitz, und entschuldigen Sie die Indiskretion," sagte langsam Hilde.„Haben Sie das Geld zur Heimfahrt?" Soectovitz wurde im Gesicht tiefrot. «Na ja, ich weiß doch, daß Sie es nicht so dick haben. Und— vielleicht dürft' ich Ihnen an die Hand gehen." „Aber woran denken Sie? Ein Mädchen einem Mannel" „Tias sind doch unter Kameraden überholle Vorurteile..." „Nein!" „Man wird doch noch redlich teilen dürfen, wenn ich's zufällig kann. Glauben S' nicht, daß ich immer nur so ins Schubladl greifen muß!" „Nein, nein, das war' für mich entwürdigend... solche neue Sitten anerkenn' ich nicht. Uebrigens... Hab' ich das Geld, das ich für meine Reife brauch'... ich habe feste Bauernstiefel, die Hab' ich verkauft." „Sie hätten sich zuerst an Ihre Freunde wenden sollen." „Ich Hab' keine Freunde, nur Sie... und Sie sind doch ein Mädchen..." „Da müßt' man eine Mohrenwäsche machen, um alle Vor- urteile, die in Ihnen sitzen, loszukriegen... Na. lafsm Sie bald von sich hören und schreiben Sie vor allem, was Sie zu Haufe an- getroffen haben." Der Gleichklang der Tage wurde lange nicht unterbrochen. Nur daß Hilde sich endlich entschloß, die Bücher, die Wagner zurückgelassen Vtte. zu sich herüberzunehmen. Drobauer leitete den Transport. Cr fuhr mit Hilde nach Kagran hinaus, überwachte, wie die Bücher verpackt wurden und wie man sie auf«inen Handwagen verlud. Dies alles nahm viel Zeit in Anspruch— Drobauer sprach dabei kein Wort von Wagner. Hilde fragte di« Hausfrau, ob sie irgendwelche Nachrichten von ihrem Mieter erhalten habe. Nein, gor keine, er sei halt zuletzt gar so verschlossen gewesen. Und das Fräulein wisse auch nichts? „Gar nichts," antwortete Hilde kurz und wendete sich ab. Hilde las jetzt immer in den Büchern, denen sie in ihren paar Regalen den Ehrenplatz eingeräumt hatte und die fast deren ganze Breite einnahmen. Es wären schöne und zerlesen« darunter, solche, die Hilde schon kannte und sogar seit langem besaß, und andere, die ihr neu waren. Sie beschloß, alles wieder durchzulesen, weil da ein Bleistiftstrich, da ein Rufzeichen, oft, besonders In den wisien- fchaftlichen Büchern, ein Hinweis auf anderes, und manchmal auch eine Randbemerkung vor ihr förmlich das Bild Wagners wieder ersteben und sie an seiner Arbeit, an seiner Lektüre mitarbeiten ließ.
Und sie vermeinte, daß die Lebendigkeit dieses geistigen, wenn auch durch Zeit und Raum so getrennten Beisammenseins ihre Sehnsucht von neuem stark genug machen würde, Wagner wieder in ihre Nähe zu ziehen. Sie ertappte sich bei solchen abergläubischen Gedanke», die jenseits aller Vernunft und gar aller wisienschaftlichen Begründung sind und nur in einem liebenden Sinne zu ketmen vermögen, und sagte sich dann, sich selbst verhöhnend: Ein Liebes- tränklein gefällig? Nem, auch die Lektüre der Bücher, die in Wag- ners Hand gelegen waren, brachte ihn nicht nahe, er blieb persönlich fern, wie von mysteriösen Weiten verschlungen, und es kam von ihm kein Zeichen seines Lebens und Gedenkens. HUde sprach mit nie- mand darüber, dieses Geheimnis war vielleicht das erste ernste, das
sich zwischen ihr und ihrer Mutter erhob, von beiden gewußt und doch von keiner der beiden erwähnt. Auch Drobauer, der bei aller seiner Derbheit sehr zartfühlend war, schien etwas zu merken und sich so manche Gedanken zu machen. Er redete kein Wort von Wagner, war aber jetzt doppelt aufmerksam und gab sich offenkundig Mühe, Hilde zu zerstreuen: bald lud er sie in ein Konzert in der Hofkapelle ein, bald nahm er sie zu einem Vortrag mit, und an Sonntagen zwang er sie förmlich, mit ihm und Inge in den Wiener Wald zu gehen. Und einmal kam er, um mitzuteilen, daß er an einem
Operettencheater unter dem nichtssagenden Künstlernamen Dreher eine Sprecherrolle übernommen habe. „Was ist denn, Drobauer," fragte Hilde erstaunt.„Sie hoben sich ja geschworen, daß Sie nur Vortragskünstler und nie so ein gewöhnlicher Schauspieler sein wollen— und jetzt gar in elner Operette? Dahinter steckt etwas!" „Dahinter steckt— nein, dahinter steckt gar nichts. Ich muß einmal wirkliche Bühnenluft riechen." „Ist nicht wahr." „Na also, Fräulein Untersuchungsrichter, ich brauche Geld." „Wofür denn?" „Um mir eine Villa und ein Automobil zu kaufen, wenn Sie'» wissen wollen. Und das hat man ja heutzutage ohne weiteres, wenn man als fremder, wohnungsuchender Herr im ersten Akt der Ope- reUe„Komtesse Bubikopf" auftritt." „Für wen brauchen Sie denn Geld? Für sich doch nicht. Sie sind ja der bedürfnisloseste Mensch, der mir begegnet ist, und� leben doch rein von der Luft und von Broschüren. Also, seien Sie zu mir ausrichtig wie gewöhnlich." Aber Drobauer war trotzig und wollte nicht mit der Sprach« heraus. Hilde wußte trotzdem den Reim zu diesem Entschluß: sie erriet in ihm die Opserwilligkeit und Hilfsbereitschaft des Freundes, der selbst seinem Widerwillen vor dem landläufigen Theaterbetrieb Zwang auferlegte, um sich die Mittel zu verschassen, ihr selbst und ihrer seelischen Mt zu helfen. Welch guter Junge, dieser wilde, un. gestüme Mensch, der, ohne viel Worte, zur Stelle war, sich förmlich herandrängte, um beizustehen, wie gut er es verstand! Wie rührend war er in seiner Verschlossenheit, wie unbeholfen, um zu oerbergen, was in ihm vorging und— wie unglücklich war er doch in seiner stillen, demütigen Lieb«. Hilde sagte ihm:„Ich bin gescheiter, als Sie glauben. Drobauer." Der erwiderte grimmig:„Nein!" „O ja. und Sie sind sehr lieb und sehr dumm, wenn Sie mir ein wirtliches Opfer bringen wollen, das ich gar nicht oerdien'. Bitte, geben Sie das Engagement wieder auf, ja? Es ist mir peinlich." „Nein," jagte Drobauer kurz und küßte die dargeboten« Hand. Der Winter war schon vergangen und der Frühling, der es In Wien besonders gnädig hat und dieser Stadt auch besonders gnädig ist, war da und erfüllte die jungen Herzen mit Sehnsucht und brach wieder einmal das Eis um die Sinne derer, die überzeugt waren, dagegen gewappnet zu sein. An einem solchen Frühlingstag stand Svectooitz wieder an seinem Seziertisch, pünktlich uin die gewohnte Stunde fing er die anatomische Arbeit dort an, wo er sie seinerzeit oerlasien hatte. Alles, als ob er gestern abend fortgegangen wäre und heute eben das Begonnene neu aufgenommen hätte. Als Hilde eintraf— sie kam immer in der letzten Minute— war sie nicht wenig erstaunt. „Seit wann sind Sie denn in Wien ?" „Seit gestern nacht," antwortete Svectooitz und arbeitete weiter. „Warum haben Sie denn gar nicht geschrieben? Gar nichts von zu Haufe mitgeteilt?" Svectooitz zuckt« die Achseln. Dann sagte er nach einer Pause: „Mein Vater lebt." „Das freut mich." sagte Hilde ledhaft.(Forts, folgt.)
WAS DER TAG BRINGT. DiiiiiinniinimnminuimiouimiimimnmranmmiiraauniumiDnDiiminnmimiai'inuiininniiiRntnniiuiiiiomiinuiiiiinimiiiuiiiiiiiiiiiMuiiiiiiiimiuumiimimmmiutBivmg
Die Ehe als Geschäft. Ein heiratslustiger Arzt scheint den Glauben daran verloren zu haben, daß Ehen im Himmel geschlossen werden. Deshalb ließ er in Nr. 217 der.Münchener Neuesten Nachrichten" folgendes Inserat los: Ich suche zwecks Ehe für meinen Dater gebild. Dame. Er ist groß, schlank, interessant. SO Jahre. Ich suche zwecks Ehe für meine Schwester gebild. Herrn(mögl. Arzt). Sie ist blond, schlank, 2S Jahre. Ich will b. Lugano «in naturgemäßes Er- holungsheim eröffnen. Land, Haus vorhanden. Kl. Kapital zwecks Umbau nötig. Arbeitsteilung: Sie: Hausfrau, Er: Arzt. Pa: Propaganda und Vor- träge, Schwester: Gymnastik und Sport. Ich bin noch 6 Tage in München . Schnellste Offenen mit Telef.-Angabe u..Lugano 24S2S0. Vater, Sohn. Tochter starten gemeinsam zum„Sprung in di« Ehe". Man gründet sozusagen«ine Aktiengesellschaft auf Gegen- seitigkeit mit rationeller Arbeitsteilung. Die gesuchten Ehepartner müssen das nötige Geld mitbringen. Nicht lang« überlegt! Nur schnellste Offerten werden berücksichtigt. Heiligkeit der bürgerlichen Ehe... Die Detekteien und das Publikum. Vor einiger Zeit brachten wir unter der Ueberschrift„Im Spiegel der Auskunft" einen Artikel, in dem einer unserer Mitarbeiter eine Unterredung mit dem Inhaber eines großen Auskunftbureaus wiedergab. Es hieß darin, daß die Auskunfteien sich nicht mit Privatleuten befoßten, da es immer schwieriger sei, deren Der- hällnisse zu ermitteln. Das werde den Detekteien überlasten, die dann meistens beide Parteien schröpften. Wie uns der 1. Vdrsttzende des Reichsbundes Deutscher Detektive, Herr H. Sachse, dazu schreibt, sei diese Darstellung in ihrer Verallgemeinerung nicht richtig. Es mag vereinzelt ein derartiger Fall vorgekommen sein, man dürfe dafür aber nicht den ganzen Stand verantwortlich machen. Um un- lautere Handlungen unmöglich zu machen und dem Publikum größt- mögliche Sicherheit bei der Ausführung der Aufträge zu bieten, habe der Reichsbund schon seit Iahren die Konzessionierung der Detektiv- betriebe verlangt. Der Reichstag habe auch schon im Januar 1927 die Reichsregierung ersucht, ein« derartige Vorlage auszuarbeiten. Modemer Welterlöser. In vergangenen Jahrtausenden hatten'? die Welterlöser leicht. Sie brauchten nur ein paar Jünger um siä» zu sammeln, von Ort zu Ort ziehen und predigen. Für die Wunder sorgten die beredten Zungen der Gläubigen. Heute ist das etwas komplizierter geworden,
im Zeitalter der Rotationsmaschinen. Wer will unter di« Propheten. der muß haben«in« Zeitung____ Ob man nun die Welt nach dem Rezept des Propheten Häußer, ob nach Hakenkreuzmanier oder sonstwie erlösen will,— ohne Zeitung geht's heute»«cht. Das hat auch der neueste Welterlöser eingesehen und deshalb am 16. September ein Inserat in der„Frankfurter Zeitung " oeröffenllicht. Das sieht so aus: Für den erstandenen(Iefaja II) Welterlöser' suchen wir zur Entfaltuno Redakteurstell« füc Politik bei durchaus bestrebter demokratischer Presse— und wollen Inhaber nur führender Tageszeitungen gefl. Angebote einreichen unter.... Die Welt ist groß und st« hat auch Platz für solche Käuze. Im übrigen gratulleren wir schon im voraus der.durchaus bestrebten demokratischen" Zeitung, di« den Welterlöser in ihren Rcdaktionsstab aufnehmen wird. Das Rasierzeug der Pharaonen -Mutter. Hatte die Mutter des Pharao Cheops einen Schnurrbart? Wir wissen es nicht, aber soviel steht fest, daß sich dies« altägyptisch« Herr» scherin rasiert hat. Im Museum von Kairo , wo jetzt di« Fund» gegenstände aus dem von dem amerikanischen Profestor Reisner ent- deckten Grab der Königin ausgestellt sind, sind auch zwei Rasier» apparate zu sShen, die der Mutter des Cheops mit ins Grab gegeben wurden. Beide, wie es sich für«ine so hohe Frau gehört, aus Gold und sogar mit goldenen Klingen: auf jedem ist ihr Name eingraviert. Di« Vorrichtungen«rinnern bereits an den mechanischen Rasier- apparat. aus dessen Erfindung die Amerikaner so stolz sind. Die Landkarte auf der Münze. Von 120 Modellentwürfen für die neuen Gold- und Silber. münzen Frankreichs , die m der Münze in Paris ausgestellt waren. sind jetzt 20 vom Prüfungsausschuß in die engere Wahl gestellt worden, und zwar 10 für die Gold- und 10 für die Silbermünzen. Diese Modelle werden m Metall ausgeführt, und drei Muster von jeder Art werden ausgewählt und dem Finanzminister vorgelegt werden, der die endgültige Auswahl treffen wird. Auf allen En!« würfen ist auf der Vorderseite der Kopf der Republik im klassischen Stil ausgeführt Das Münzenbild auf der Rückseite hat zumeist Beziehungen auf die wirtschaftliche und finanzielle Wiedergeburk Frankreichs nach dem Kriege und zeigt als ornamentalen Schmuck Oelzweige, Lorbeer. Eichenblätter und Getreideähren. Em Ent» wurf stellt einen Bienenkorb dar, und auf einem ist sogar est« Landkarte von Frankreich im Miniaturbild zu sehen.