Nr. 301.
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Weihnacht.
Mittwody, den 25. Dezember 1895. Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3.
er
aus der verklärtes
ein
so gewiß haffen, verfolgen und einkerkern würde, wie selbst lebt verborgen unter der fremdartigen, gealterten Hülle die Juden den alten gekreuzigt haben, deren Gerichtssäle noch ein anderes, das nicht gestorben ist und heute noch Wieder ist das christliche Erinnerungsfest der Weih- noch widerhallen vom Geräusch des Essener Meineidsprozesses, die Herzen erzittern macht: die gewaltige Sehnnacht herangezogen, wieder haben, wo es die Noth des Lebens des Sanke- und des Brauweiler Arbeitshausprozesses, wird sucht nach einem Höhern, Reinern, Unbekannten," dem erlaubt, freundliche Elternhände den lieben Kleinen die mit dem Feiertagskleide jetzt wiederum die christliche in die Schmach und Noth der Menschheit, Kerzen an dem Tannenbaum entzündet, mit dichter feier- Gesinnung anziehen, wird als christliche Gemeinde" die Unterdrückung und Gewaltthat, der ewige Kampf gehässig= täglich geputzter Menge erfüllen sich die Kirchen, Orgelton Kirchen füllen und von den staatlich approbirten Ver- niedriger Leidenschaften ausgetilgt ist. Jesus , der Freund und Gesang erbrauft und von der Kanzel richtet der talar - fündigern des Evangeliums sich christlich rühren und er der Armen, ehrt den Menschen in jedem Gewande, und umhüllte Prediger fremdartige Worte an die lauschende Menge. bauen lassen. Menschenliebe ist der Kern seiner Lehre. Dann, wenn am Feiertage die Kirchenthüren sich geöffnet Friede auf Erden und den Menschen ein Wohl- Hoch in den Lüften suchte die Sehnsucht damals ihr haben und der Schwarm hinausströmt, furze gefallen! Wer kann heute in dem verheißungsvollen Weih- Ziel. Sie wollte die Menschen erheben, aber durch die Zeit der Ruhe und des bunten Vergnügungs- nachtsworte, das so fremdartig über die Köpfe dieser Ge- Vernichtung der menschlichen Natur selbst; Treibens, bis das Einerlei der harten lastenden Arbeit, der sellschaft hinwegklingt, noch einen Ausdruck eigener Ueber- Asche des wirklichen Menschen sollte ein Lärm der Fabriken und Werkstätten von neuem anhebt.zeugung wiederfinden, als eben die Feinde, die vaterlands- Wesen, das allen Drang des Jrdischen abgestreift, sich er. Jahr für Jahr immer dasselbe Bild: der dunkle Strom losen und glaubenslosen" Feinde dieser Gesellschaft? Sie stehen heben. Die Sehnsucht war religiös und visionär, das des Alltagslebens unaushaltsami vorüberrollend an der chrift- außerhalb der Kirchenmauern und suchen keinen Reich, das sie erträumte, war nicht von dieser Welt. Sie lichen Weihnachtspredigt, die ihm so wenig wie etwa dem Ruhm darin, alter Glaubenssatzung sich zu beugen. mochte die Herzen der Bedrückten in der verfallenden Sonnenballe Stillstand zu gebieten vermag. Friede auf Aber das Bild einer neuen höheren Lebensordnung, in römischen Welt mit heimlicher Hoffnung erwärmen, und in Erden und den Menschen ein Wohlgefallen! Das lichte, der sie mitten in dem Wirrwarr fapitalistischer Ausbeutung vielen Gemüthern heroijch- gläubigen Opfermuth entzünden, tröstende Wort, das wir in jeder Weihnacht hören, frohen Muthes schaffen, hebt ihren Blick über die engen doch machtlos prallte ihr Zauber am inneren Gefüge des verhallt kraftlos in dem Brausen des Strudels wie leiser, Schranken der Gegenwart hinaus. Sie haben den Glauben Völkerlebens ab. Nicht das Christenthum hat die Gesellaus der Ferne hergewehter Glockenklang. Wunder- und den Muth der Zukunft, und die Weihnachtsbotschaft, schaft, die Gesellschaft hat das Christenthum um bar ist die Macht der Gewohnheit, die immer wieder die in den Kirchen als ein leeres Wort, als ein frommer Gebet- gewandelt, sie hat es zum Herrschaftsmittel ansgestaltet. gerne der alten nie erfüllten Prophezeiung lauscht, wunder- wunsch wirkungslos verhallt, hier in den Herzen der Un- Wie lichtes Gewölk zogen die Träume der Sehnsucht bar ist es, daß nicht den Predigern unter dem ewig er- gläubigen und Vaterlandsfeinde klingt sie mächtig wieder. über die nachterfüllten Tiefen des Lebens dahin. Aber hier neuten Jammer des Lebens endlich die Sprache stockt. Aber freilich, der Sinn, mit dem wir diese Bot- in den Tiefen, wo die Arbeit ausgebeutet um des Lebens Wo hat dichterische Phantasie jemals eine schneidendere schaft uns zu eigen machen, ist mit dem Sinn, den Nothdurft ringt, wird das Wesen des Menschen geschmiedet, Satire, 100 einen gewaltigeren Kontrast zwischen frühere Jahrhunderte mit ihr verbanden, nicht eins. Wie hier in dem Getümmel widerstreitender Interessen wird das Werken und Worten, Wirklichkeit und Träumen etwa der erwachsene Mann, der einem alten in der Kinder- Ziel des täglichen Strebens und der Stempel seiner Dentersonnen, als er hier auf des Lebens Bühne zur Weih- zeit vernommenen Weisheitsspruche nachsinnt, dieselben art ihm eingeprägt. Zu welch übermenschlich- idealen Friedensnachtszeit an unseren Augen vorüberzieht? Was ist Worte anders deutet als der unentwickelte Geist des Kindes, bildern auch die Phantasie in Feierstunden sich aufschwingt, diese Gesellschaft, in der die Völker, gepeitscht durch und wie in dieser veränderten Deutung sich die in dem Kampf, zu welchem täglich Hunger und Begierden mörderischen Konkurrenzkampf, für die phantastische geistige Entwickelungsbahn, die im Lauf der treiben, müssen sie verlöschen. Habsucht des Kapitals frohnden müssen? Diese Gesell- Jahre durchmessen, wiederspiegelt, so wandelt auch im Aber mitten aus dieser Noth der Wirklichkeit, in schaft, deren wirthschaftliche Ordnung den schwelgenden Reich- Wölferleben sich Geist und Meinung alter Worte. welcher der alte Glaube, wenn auch die Lippen ihn thum Weniger und daneben die Armuth der Massen, den Geschwunden ist die wundergläubige Messiashoffnung, noch bekennen, in den Herzen erlischt, ringt sich Jammer der Arbeitslosigkeit, Degeneration, Verbrechen und dahin der weltflüchtig- asketische Sinn, der durch die im Laufe der Jahrhunderte ein neuer hervor, als Ergänzung der Familie die käufliche Massenprostitution Abtödtung des Fleisches himmlische Freuden im Jenseits irdisch menschlicher Glaube, der mit festen, martigen erzeugt; beren staatliche Ordnung, auf waffenstarrende zu erringen hofft, der Glaube an die Erbsünde und die Knochen auf der wohlgegründeten, sicheren Erde" Armeen gestützt, mit Polizei, Staatsanwalt und Erlösung der Menschheit durch Jesu Opfertod hat bei stehend, nicht mehr in ein erträumtes Wunderreich hinüberein Glaube der ernüchterten Wienschheit, mit Arbeitshaus, Gefängniß und Zuchthaus vielen Menschen seine Kraft verloren. Entgöttert, durch eigene späht, und die Verzweiflungsthaten der Armen Gesetze nach Naturnothwendigkeit bewegt, liegt die Welt vor ihres natürlichen Wesens, der Bewegung ihrer Geschichte, ebenso wie den Befreiungskampf der Arbeiterklasse unseren Augen in grenzenloser Unendlichkeit ohne Himmel und in dieser Bewegung des Fortschritts sich bewußt niederzuhalten sucht? Was ist sie christlich gesprochen und Hölle. Die Friedensbotschaft, welche die Engel in geworden. Die echt menschliche, unvergängliche Sehnsucht nach - auders als der fleischgewordene Antichrist? Oder ver- der Weihnacht brachten, war eine Botschaft an die Glän- einem Reiche des Friedens und der Gerechtigkeit hat ihre mag die Phantasie der Gläubigen einen schärferen Gegensat bigen, eine Verheißung des fommenden Gottesreiches, fie religiösen, überschwänglichen Formen abgestreift, sie, die so zu Jeju Barmherzigkeits- und Bruderlehre zu erfinnen? trug die Farbe jener christlichen Gedankenwelt. schwärmerisch, so astetisch, so weltflüchtig im Christenthum Und diese selbe Gesellschaft, die einen neuerstehenden Jesus auftrat, hat nun in dem Getünimel der sozialen Kämpfe fein Drischelschlag erklang, nur aus den Ställen, in welchen Die Senechte den Milchtrog saßen und Strohbänder flochten, tönte ab und zu das zufriedene Brummeln einer Ruth. Crescenz empfand bei dem gleichmäßigen stundenlangen Dahinschreiten nicht die geringste Langweile. Die Sonne schien auf die weite reine Schneefläche, und diese glänzte, funkelte und glizerte, daß ihr die Augen schmerzten. Sie schloß sie zur Hälfte und gab ihren Gedanken Audienz. Und wie Schwalben um ihr Der Angesprochene erhob sich und schob sich, breitbeinig auf Nest, so schwangen sich diese immer wieder zu dem alten Hause tretend wie alle Holzhauer, zur Thür hinaus. Kaum war diese droben am Waldrande zurück. Ob er wohl allein mit den Wildin den federnden Schlußpflock eingeschnappt, wandte sich die Frau lingen fertig werden würde, und was sie den ganzen Tag im Sprimge nach der Bettstelle, an deren Fußende ein bunter anfangen würden ohne sie. Sie sah ihren Kleinsten zum Greifen Vogel prangte, den man mit demselben Recht als Stieglitz und deutlich vor sich, wie er Stirn und Nase ans Fenster drückte und als Specht ansprechen konnte. Sie spuckte in die Hände und immer und immer wieder fragte:" Du, Vater, wo ist denn die mit einem Ruck war die Kugel des Bettpfostens heraus- Mutter? Kommt sie noch nicht bald?" Dann wieder überrechnete gedreht. Die Finger fuhren in die Höhlung, holten sie, was sie wohl lösen würde aus dem, was sie zum Markte ein Dutzend Fünfpfennigstücke hervor und ver- brachte. Um die Kienbüscherin war ihr nicht bange, die hatten schwanden mit ihnen in der Leinentasche, welche die Frau ihren festen Preis, auch für die Ameiseneier" wußte sie einen Abumgebunden unter der Schürze trug. Nach einigen Minuten nehmer. Würde aber der Meßner ihren„ Weihrauch" noch brauchen war die Kugel wieder an ihrer Stelle und die Frau blickte auf- fönnen? Es war spät diesmal, und er hatte sich für die Feier athmend ihrem Mann entgegen, der mit dem derben Naturstock tage gewiß schon versorgt. Nun, sie hatte ja noch das Säckchen in der Hand wieder in die Stube trat. Er half ihr den bepackten mit den getrockneten Schwämmen. Es waren die letzten für Buckelforb auf den Rücken, noch ein Wort zum Abschiede, und dieses Jahr, aber sie waren alle ausgelesen, und nicht ein zerdie Frau schritt, mit dem rechten Fuße zuerst, über die aus- schnittener Stengel war darunter. Sie würde damit in die getretene Holzschwelle. Es war noch früh, die Schleier des Zwie: Häuser gehen, und die Geschichte würde sich schon machen. Und lichts taum niedergesunken. Der erste Blick der Frau galt dem dann Sie fuhr mit der Hand in die Leinentasche und ließ Bayreuther Wetterwinkel. Dort brodelte und quirlte es wie die Fünfpfennigstücke, die sie sich nach und nach vom Munde der Dampf über einem kochenden Kessel. Das gefiel ihr nicht. abgefpart, ohne daß ihr Mann etwas davon wußte, befriedigt Aber sie mußte in die Stadt, und wenn es Spithacken schneien durch die Finger gleiten. Da war ja auch noch etwas! Nein, würde. diesmal würde sie ganz gewiß ihren Buben etwas mitbringen
Richter das Elend
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[ Nachdruck nicht gestattet.]
„ Ich bin fertig, Anton! Die Brotsuppe für Dich und den Buben steht dort auf dem Herd, in dem braunen Henkeltopfe. Aber Deinen Steden mußt b' mir noch borgen. Droben auf'm Boden hinter der Laden hab' ich ihn ehgestern g'sehen. Gelt, Du holst ihn? Aber mach' mir die Buben nicht munter!"
Winter- Sonnenwende. Winterwind heulet, Wintersturm brauff, Wüthend den Wald in den Wipfeln er zauff, Reihet hernieder, was morsch und was schwach Hilft den Gezeichneten Weh nicht und Ach! Möget euch fräuben und stemmen und Sperr'n, Mefflein ihr droben ohn' Mark und ohn' Kern! Horch! wie es kniffert dort oben und knarkt! Heft steht der Stamm, wie der Sturm ihn auch packt. Tief steigt die Wurzel ins Erdreich hinab, Wiege des Lebens daraus nur Todten ein Grab. Stamm seid Thr, Völker im West und im Dst, Wild von den Stürmen des Winters umfolt; Wurzel ist„ Arbeit", die Völker erst schafft, Tief aus dem Boden erneut ihre Kraff. Arbeitsgenossen, drum reicht Euch die Hand, Schlinget der Einigkeit brüderlich Band Durch alle Völker in Süd und in Word! Einig fets pranget und grünet Ihr fort. Mag dann der Wintersturm heulen und foben, Mag es dann knacken und krachen hoch oben! Dh auch die Sonne fief niedrig noch steht, Morgen schon höher Thr steigen sie seht. Sonne der Freiheit steigt höher und weiter, Bald Brahlt der Maientag, goldig und heiter, Strahlet für alle mit siegender macht. Auf denn, Ihr Völker! verscheuchet die Macht! Gebet Euch einig zur Arbeit die Hände!
die
So lang sie konnte, ging fie am Rand des Waldes dahin. fönnen. Das Kleine Fichtenbäumchen, das ihr Mann gestern aus Hier pfiff der Wind nicht so scharf, die jungen Fichten guckten dem Wald geholt, und das gerade so groß sei wie ihr kleiner nur mit den Spizen ihrer Herztriebe hervor und sie sahen aus Hans, würde nicht unbenutzt zu verdorren brauchen. wie die Schneemänner, die ihre drei Buben auf dem kleinen freien Fleck vor ihrem Hause gewälzt.
Beinahe mußte fie lachen. Als sie den Wald im Rücken hatte, fam es ihr vor, als sei es doch nicht so falt, wie sie gedacht. Sie schob das Wärmegefühl auf die schweren Waldstiefel ihres Mannes, in denen ihre Füße staken und in welchen es sich gar trocken, aber doch auch etwas unbequem ging.
Die Thürme und Dächer der Stadt tauchten vor Grescenz auf, und sie beeilte sich, um noch hinabzukommen, bevor der Markt geschlossen wurde. Auf dem Wege sprach sie beim Vogelhändler und beim Meßner vor und zu ihrer eigenen Ueberraschung machte sie an beiden Stellen ein ganz glattes Geschäft. Dann stellte sie sich auf den Markt zu den anderen Frauen und Mägden, welche mit lauten Worten und zuthunlichen Redensarten Milch, Butter Nun, wenigstens brauchte sie nicht gar so ängstlich auf den und Käse, lebende Hühner und geschlachtete Gänse ausboten. mitunter ganz überwehten Steig zu achten; durch tam fie schon. Crescenz verstand nicht so zu schreien und zu schmeicheln wie So marschirte fie tapfer vorwärts, den langgestreckten kahlen Höhen- jene, aber ihr Kienholz war schier im Handumdrehen verkauft. rücken hinab und dann auf der Ebene weiter, rechts und links Mun ging sie mit ihren gedörrten Schwämmen von Thür zu Thür. an Dörfern vorbei, die unter dem weichen Schneemantel dalagen, In den reichen Häusern wollte es ihr nicht einmal glücken. Die
Das ist zur Freiheit die Sonnenwende. als würden sie schlafen. Nur durch ein Dorf kam sie. Auch das Köchinnen hatten mit dem Braten und Backen zu thun, die meiſten
20. Dezember 1895.
Jda Altmann.
erfchien wie ausgestorben. Es war der Tag vor Weihnacht, wurden gleich grob und schlugen der Holzhanerfrau die Thür