Die Korruption der Diftatur.
Der Faschismus als lebender Leichnam.
Der große Hörsaal der Deutschen Hochschule für Politik am Schintelplatz ist gut besucht. Den Redner, Professor Hermann Heller , der über die faschistische Diktatur spricht, grüßt afademischer Beifall. Zustimmungskundgebungen, die sich im Verlauf des Vortrages mehren, beweisen, daß auch der junge deutsche Student, soweit er in der Politit feine Sache der Phrase, sondern einen Gegenstand ernster geistiger Prüfung sieht, sich abwendet von Ungeist und Methoden des Faschismus.
Lüge ist, daß Mussolini , daß der Faschismus Italien vor dem Bolschemismus gerettet habe. Mussolini marschierte oder viel mehr, er ließ marschieren,
er selbst saß mit Auslandspäffen in Mailand , Der Ministerpräsident als der Bolschemismus ausgebrannt war. Der Ministerpräsident Facta verlor den Kopf, sonst hätte der Staat die nicht richtig bemaffneten Horden Mussolinis leicht abwehren können. Es war nach Shaw der Marsch auf Rom ein Schuß durch ein Pfund Butter. Was wollte Mussolini in Rom ? Regieren! Wie, das wußte er selber nicht. Er wollte die Gewalt an sich reißen. 1919 noch hatte er Thesen aufgestellt, rein demokratischer Art, die eine tonstituierende Versammlung, Arbeit für die Völkerner ständigung, Abschaffung der Monarchie, der Wehrpflicht und der Polizei und volle Meinungs- und Bressefreiheit verlangte.
strenge Zensur der faschistischen Präfekten. Von Versammlungsund Koalitionsfreiheit ist natürlich nicht die Rede.
Mussolini spricht von den Aussichten auf einen Ständestaat. Aber in Wirklichkeit glaubt kein nachdenkender Italiener, daß es zu diesem Gebilde kommt. Mussolini hat
verordnete Gewerkschaften
gegründet. Das Gewerkschaftsgesetz enthält pro forma zudem den Sag, daß jeder Italiener Gewerkschaften gründen dürfe, die frei lich zum Abschluß von Tarifverträgen nicht be rechtigt find, als in der Taverne sizen und Domino spielen fönnen. Die Bestimmungen über die Arbeitsgerichtsbarkeit enthalten den seltsamen Satz, daß die Richter Doktor irgendeiner Fakul alle Faschisten. tät oder sonstwie bewährte Männer sein müssen. Natürlich find fie
Hat Mussolini außenpolitische Erfolge gehabt? Hat sich das Ansehen Italiens seit dem Marsch auf Rom gehoben? Troß der lauten Sprache, die geführt wird, glauben es einsichtige Italiener selbst nicht. Das Abenteuer in Albanien ist höchst zweifelhaft, die Freundschaft mit Ungarn , Polen und anderen zweitklassigen Staaten wird aufgehoben durch die Bündnisse Frankreichs mit der Tschechoslowakei und Jugoslawien . Der legthin veröffentlichte eng lisch - französische Vertrag war eine lisch- französische Vertrag war eine
schallende Ohrfeige für das neue Italien : Mussolini redete, England und Frankreich feßten sich über die
auseinarber, ohne Stom gu fragen. Die Roften bes Regiments, namentlich die Polizeifoften, find außerordentlich hoch. Die wid tigste Frage, die Agrarfrag e, ist der Lösung nicht näher ge= bracht worden.
Wenn von Enteignungen des Großgrundbefizes gesprochen wird, so ist daran tein Wort wahr.
Das wenige, was geschah, machte man auf nach der Art der Potemfinschen Dörfer. In der Verwaltung wehte im Anfang ein frischerer Wind; aber da jeder Zentralismus notgedrungen im Zentrum, int Gehirn, sich konzentriert, ist das Verantwortungsbewußtsein der Beamten im Lande außerordentlich gesunken. Man fragt vorher in Rom an, aber auch hier sind hohe Ministerial beamte ängstlich, da sie nicht wissen, was der Duce mill. So arbeitet die Maschine außerordentlich langsam. Steht die Mehrheit des Volkes hinter dem Faschismus? Die Frage ist sehr deutlich mit Nein zu beantworten. Brachte der Faschismus die Elite, ans Ruder? Wiederum heißt es: Nein. Kein Wort ist wahr, wenn behauptet wird, der Faschismus habe die Korruption gedrosselt.
Darum
Die Korruption ist zentralisiert worden. Früher gab man kleine Beträge den kleinen Beamten, heute gehen große Beträge an die großen Beamten. spricht ganz Italien heimlich vom Mangiare, vom Fressen und Geldschlucken des Faschisten. Ein Staatssekretär, der vor einigen Jahren seine Miete noch nicht bezahlen fonnte, ist heute Millionär. Und so lassen sich viele Fälle anführen. Noch schlimmer ist die politische Korruption. Kluge Männer, die an den Faschismus nicht glauben, reden und schreiben für den Faschismus. Ein Universitätsprofessor, der über die Außenpolitik öffentlich gesprochen hatte, sagte mir, einem Ausländer:
1920, am 6. April, schrieb er:„ Nieder der Staat! Der sozialistische mie der bürgerliche!" 1921 fagte fein Programm: Alles für den Staat, nichts außer dem Staat, nichts gegen den Staat!" Der Machtverhältnisse im Mittelmeer , im Mare Nostrum( unser Meer!) Hoffentlich haben Sie fein Wort geglaubt, von dem, was ich
Faschismus von 1929 ist das gerade Gegenteil des Faschismus von 1919. Mussolini mollte Revolution, nicht mehr und nicht weniger. Es tam ihm nicht darauf an, wohin sie enden würde, und es war ganz ungewiß, ob sie nach rechts oder links ausschlage. Das Gefühl im italienischen Volk: lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, spielte mit. So fam die Diktatur. Brachte fie eine Stärkung der Monarchie? Nein. Ich glaube, sagt Heller, daß mit dem Faschismus auch die Monarchie zu Ende ist. Im Italien von heute kann der Bürger
nur mit Witzen Politik machen.
Man fragt nach der Telephonnummer des Königs und erhält die Antwort: 610", was im Italienischen gleichzeitig 610 und Du bist eine Null" bedeutet. Wenn der König im Lande umherreift, stehen in den Blättern drei Zeilen. Hustet Mussolini , sind Seiten gefüllt. Die Diftatur brachte die Aufhebung der Gewaltenteilung. Legislative und Eretutine wurden eins. Ein Scheinparlamentarismus wurde eingeführt. Nur Faschisten sitzen auf dem Monte Citorio . Die Rechtssprechung ward im höchsten Maße politifiert. Sondergerichte sind an der Arbeit. Angesehene Universitätsprofessoren werden verhaftet. Man sagt ihnen nicht, warum. Sie werden
nach vier Wochen wieder entlassen, und man sagt ihnen wiederum nicht, warum.
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Das Briefgeheimnis, die Freiheit der Wissenschaft, sind aufgehoben. Es gibt nur außer dem„ Osservatore Romano ", dem Blatt des Vatikanseine einzige Presse. Jede Zeitung toftet 15 Pf. Die Regierung füllt den politischen Teil, der lokale Teil geht durch die
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Staats- Oper Staatl. Schausph.
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AM ABEND
gejagt habe."
Auf meine erstaunte Frage, wie er denn das verantworten fönne, meinte er:„ Sie fennen meine Situation nicht, und wissen nicht, in welche Situation ich erst tommen würde, wenn ich anders han= delete." Ein mittelalterliches Spigelsystem, das seine Agenten auch in den Zentralen des Auslandes hat, belauscht jedes Wort und hat sicher auch in diesem Saal seine Vertreter. Die Arbeiterschaft muß aus wirtschaftlichen Gründen der faschistischen Gemertschaft angehören. Die Großindustrie hat Angst vor dem immer mehr anwachsenden fostspieligen Staatsapparat bekommen, das Heer unterhält, wie mir ein sehr hoher Offizier fagte, forrette 17.30,, Merz". Roman von Martin Raschke . Bruchstücke, gelesen vom Autor. Beziehungen" zur Regierung, haßt aber die Miliz, in der es 18.10 Sprachliche Plaudereien( Deutscher Sprachverein ). Generale" von 20 bis 25 Jahren gibt. Vertraute Mussolini wirf18.30 Hans- Bredow - Schule: Englisch für Anfänger.
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19.30 Prof. Otto Baschin :..Die ersten Südpolarfiüge und ihre Ergebnisse". 20.00 Gespräch zwischen Walter von Molo und Hermann Kasack .
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22.30 Funk- Tanz- Unterricht.
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16.00 Englisch ( kulturkundlich- literarische Stunde). 17.30 Dr. W. Blumenthal: Friedrich August von Platen.
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entlassen. Der faschistische Staat mird getragen von dem Strid, an dem er hängt. Die Angst vor dem Chaos, das fommen würde, erhält ihn. Der Faschismus wird enden spätestens mit dem Abdanten Mussolinis.
Er gleicht einem Lungenfranfen, den die Aerzte aufgegeben haben: Er fann noch Jahre leben, aber die kleinste Erkältung fann ihn umwerfen.
Wer, wie Spengler, an den Untergang Europas glaubt, mag im Faschismus eine geeignete Regierungsform sehen. Ber aber auf einen Aufstieg der europäischen Bölter vertraut, muß ihn mit allen Mitteln bekämpfen.me
Berantwortl. für die Redaktion: Wolfgang Schwarz, Berlin ; Anzeigen: Th. Glode, Berlin Berlag: Vorwärts Verlag G. m. b. Betlin Drud: Borwärts Buchbruderei und Verlagsanstalt Paul Ginger& Co., Berlin SW 68, Lindenstraße 3.
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