Morgenausgabe Ar. 147
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Donnerstag 2&. März 1929 Groß-Äerlin 10 Pf. Auswärts 15 pf.
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Dänemarks„Zuchthausgesetz" Madsen- Mygdals lehier Streich.
Kopenhagen . 27. März.(Eigenbericht.) Im Staatsrat unterzeichnete der König das so» genannte Znchthausgesetz. das ihm der kürzlich gestürzte Ministerpräsident Madsen-Mygdal vorgelegt hat. Der Titel des Gesetzes lantet:..Gesetz zum Schutz der Erwerbs» und Arbeitsfreiheit". Das Gesetz war vor feiner Anahme im Reichstag von der Sozial» demokratie scharf bekämpft worden, weil es gegen die Gewerkschaftsbewegung gerichtet ist und strenge Gefängnis strafen für Wirtschafts blockade» und bei Arbeits konflikte» vorsteht. Das Folkething hatte das Gesetz mit nur drei Stimmen und die erste Kammer mit nur 5 Stimmen Mehrheit angenommen. Da es mehr als zweifelhaft ist, ob die Regierung überhaupt
im Lande eine Mehrheit hat. hatte» die Gewerkschaften eindringlich gefordert, daß die Regierung das Gefetz nicht in Kraft setze, was nach der Verfastung zu- lässig ist; Madsen-Mygdal hat jedoch abgelehnt. Man kann nun erwarten, daß dieses arbeiterfeindliche Ver- halten feine Niederlage bei den Wahlen am 24. April noch vergrößert. Hauptmann Lembourn begnadigt. Kopenhagen , 27. März.(Eigenbericht.) Reichspräsident Hindenburg hat dem Berliner Rechtsanwalt Arno Cohn als Verteidger des dänischen Hauplmanns Lembourn verständigen lassen, daß er die vom Reichsgericht im Spionageprozeß verhängte fünfjährige Zuchthaus - in gleichlange Festungs» strafe umgewandelt hat.
LlmTwtzki. Langwierige Erwägungen � seltsame Bedenken.
Zum Fall? ro tz k i veröffentlicht der„Bayerische Kurier", das Örgan der Bayerischen Voltspartei, ein Tele» gramm aus Bexlin) in dem prophezeit wird, das Reichs» käbinett werde das Einreisegesuch des gestürzten Bolsche- wistenführers ablehnen, diesem also nicht einmal einen Kur- aufenthalt in Deutschland bewilligen. Für diese angeblich bevorstehende Kabinettsentscheidung werden zwei Gründe an- geführt, erstens,„daß es natürlich keinen günstigen Eindruck machen kann, wenn das Deutsche Reich einer privaten Bitte Trotzkis entspricht, nachdem man eine diploma- tisch« Anfrage Rußlands vorher mit einem klaren „R e i n" beantwortet hat." Zweitens überlege man. was ge- schehen soll, wenn Trotzki nach seiner Kur Deutschland zu ver- lassen sich weigere. Kein anderes Land, einschließlich Ruß- land, würde ihn aufnehmen— und dann hätte man sich„ge- hörig festgeklemmt." Nach der Darstellung des Münchener Blattes hätte also Moskau die Zulassung Trotzkis gewllnicht, Deutschland hätte aber abgelehnt. So einfach liegen, wie wir glauben, die Dinge doch nicht. Moskau hat keinen Wunsch zu erkennen ge- geben, sondern nur eine Frage gestellt, die wohl auch nicht mit so abschließender Deutlichkeit beantwortet worden ist, wie der„Bayerische Kurier" annimmt. Aber wenn die Dar- stellung des„Kurier" richtig wäre, so wären die daraus ab- geleiteten Schlußfolgerungen erst recht absonderlich. Man fürchtet, die russische Regierung zu kränken, wenn man Trotzki «inen Wunsch erfüllt, den man ihr abgeschlagen hat? Das hieße doch wahrhaftig die sagenhafte Höflichkeit der altchinesi- schen Diplomatie übertrumpfen! Eine solche Argumentation forke'-i geradezu zum Spott heraus. Die Angst vor Trotzki soll angeblich in allen Län- dem. einschließlich Rußland , so groß sein, daß keines ihn ein- lasten will. Das ist zunächst nur eine Behauptung. Wäre sie richtig, so würde sich aus ihr keineswegs ergeben, daß w i r ebenso große Angst haben müssen. Man hat aus diesem entmachteten Mann einen Popanz gemacht, ein Iln- gobeuer. dessen Blick und Atem gefährlich ist. Wmn der gute Pastor K u p t s ch aus Riesenburg in Ostpreußen an den Reichspräsidenten und den Reichskanzler telegraphiert, Trotzki werde bestimmt von Rußland nach Deutschland abgeschoben.
damit Sr hier„die RLterepübllk aufrichte", so mag man das hingehen lassen. Van den Spitzen der Republ-k ober darf man doch erwarten, daß sie etwas klarer und weiter sehen. Trotzki wird bestimmt in Deutschland keine„Welt- revolution" machen. Aber vielleicht wird er über kurz oder lang von Moskau wieder in Gnaden aufgenommen. Dann wird man den Mann, den man etwa zuvor als„Schnorrer und Verschwörer" von der deutschen Schwell« gewiesen, in Berlin wieder mit denselben Komvl'menten empfangen, wie jeden anderen russischen Großwürdenträg'r. Schon diese Er- wägung sollte das Kabinett veranlassen, einen Beschluß zu fassen, der vom Bewußtsein der eigenen Würde diktiert ist, und der dem Wesen Deutschlands als einer d e m o k r a- tischen Republik Rechnung trägt. Oer Hunger in Rußland . Stark steigende preise— Rationierung weiterer Waren bevorstehend. ZNoskau, 26. März.(Ost-Expreß.) Im Zusammenklang mit den dedeutenden Preissteigerungen, die neuerdings auch im staatlichen und genossenschaftlichen Handel zu oerzeichnen sind, hatte die Hondelsbehörde für das Gouvernement Moskau ein« Konferenz einberufen, an der auch Vertreter der Genossenschaften und staatlichen Unternehmungen teilnahmen. Auf der Konferenz wurde festgestellt, daß die Klein- Handelspreise für ein« ganze Reih« von Waren, die speziell im Haushalt d«r Arbeiter gebraucht werden, in letzter Zeit u m 5 bis 6 P r oz. gestiegen find, während die Preiserhöhungen bei solchen Massenbedarfsartikeln, die nicht reguliert werden, sogar 12 bis 16 Proz. betragen hoben. Auch die Butter- und Käse- preise seien bei einigen Sorten um 2S Proz. gestiegen. Durch diese Preissteigerungen werde die Lebenshaltung der Arbeiterschaft betroffen. Die Konferenz sprach sich für eine Revision der Preise für bisher nicht regulierte Bedarfsartikel aus. Angesichts der„Desorganisation des Marktes durch spekulative Elemente" sei es ferner zweckmäßig, auch für Pflanzenöl, tierische Fette und Tee Einkaufsbücher ein- zuführen..
Nordtruppen gegen Nankingregierung. Tfchifu von ihnen beseht. Tokio . 27. März. Die Telegraphenagentur Schimbun Rengo bringt«ine amtliche Meldung des japanischen Kriegsministerium«, wonach in der Rarht zum Mittwoch die Truppen Marschall Tschangtschungischangs Nach dreitägigem Kampf« die Stadt Tfchifu besetzt haben. Auf dem Stadtgebäud« wurde die alte Fahne der chinesischen Republik gehißt. Bei der Besetzung der Stadt wurden 16 000 Mann Nanking - truppen entwaffnet. Vier Generale, die den Kampf gegen Tschangtschungtschang leiteten, haben s i ch« r s ch o s s« n. Der Mar- schall erklärte, daß nach der Besetzung Tschifus durch fein« Truppen die SchaNtung- Provinz völlig frei vom Einfluß der Nankinger Re- gierung fei. Auch die zwei chinesischen Kanonenboot« in Tfchifu sind in die Hände der Truppen Tschangtschungischangs gefallen. Di« Nankingrsgierung sagt in einer Protlamqtion; daß
alle Maßnahmen zur Unterdrückung der Rebellen getroffen seien. Die Regierung verkündet die Entlassung dieser Generäle wegen Insubordination und Verrat. Der italienische Zerstörer„Muggia " ist in der Nähe von Amoy aus Grund geraten. Die Besatzung wurde gerettet. Gräßlicher Kindermord in Böhmen . Prag , 27. März. I« Kischütz-Neustadt verübte der 40jährige Land- st reich er Strba einen Einbruch in ein Bauernhaus. Als die allein anwesenden Kinder des Besitzers» das eine vier Jahre und das andere achtMonate alt» an» Furcht zu weinen begannen, schlug der Einbrecher sie mit einer Hacke tot«ab flüchtete. Er wurde zwei Stun- den später von der Gendarmerie verhaftet, die ihn nur mit Mühe davor bewahren konnte, von den Orts- bewohneru gelyncht zu werden.
Sachsenwahlen und KpO. Die Richtungen im Wahlkampf. Die kommenden Landtagswahlen in Sachsen werden Ge- legenheit zu einer Auseinandersetzung zwischen den kommunistischen Richtungen geben. Die Rechtsopposition, geführt von Brandler. hat in Sachsen be- sondere organisatorische Stärke. Sie besitzt in der in Leipzig erscheinenden„Arbeiterpolitik" ein eigenes Organ und ar- beitet daran, weitere Zeitungen in anderen Orten zu schaffen. Die Gesamtauflage der Organe der kommunistischen Rechts- opposition beträgt nach eigenen Angaben mehr als 13 000, wovon ein erheblicher Teil auf Sachsen entfällt. Der Wahl- kämpf der beiden kommunistischen Richtungen gegeneinander wird Klarheit über ihr Stärkeoerhältnis schaffen. Die Rechts- opposition hat sich bisher sehr siegesgewiß gegeben und auf ihre Fortschritte in Sachsen , Thüringen , Hessen , in den schwäbischen Industriegebieten hingewiesen. Es mag sein, daß ihr die offene Auseinandersetzung mit den Mitteln des demokratischen Wahlrechts zu früh kommt. Auf jeden Fall aber werden wir in Sachsen das Schauspiel erleben, daß zwei kommunistische Richtungen gegeneinander in den Wahlkampf ziehen. Fragt man nach der politischen Bedeutung dieses Gegensatzes, so darf man die Frage nicht so stellen, welche der beiden Richtungen der Sozialdemokratie näher steht. Unter diesem Gesichtspunkt ist ein Urteil nicht möglich. Beide Richtungen stehen der Sozialdemokratie haß- erfüllt gegenüber. Für beide Richtungen ist der Haupt- feind die Sozialdemokratie. Was sie unterscheidet, das sind lediglich die Methoden, mit denen sie die Sozialdemo- kratte zu schwächen oersuchen. Ein großes politisches Ziel haben trotz aller revolutio- nären Deklamationen weder die Zenirale-Kommunisten noch die Brandleristen. Bis zum Jahre 1923 tonnte man den Prophezeiungen der kommunistischen Führer über die bevor- stehende Eroberung der politischen Macht durch die Kommu- nisten noch einen gewissen inneren Glaubenswert zugestehen. Nach dem Jahre 1923 sind solche Prophezeiungen nur noch hohle Deklamationen, an die die Führer der Kommunisten selbst nicht mehr ernsthaft glauben. Wenn sie ehrlich sind, reden sie von der„weiten Perspektive", d. h. von der Per- tagung des kommunistischen Endziels, der Errichtung der Sowjetmacht in Deutschland in die fernste Zukunft. Die praktische Politik der Kommunisten von diesem Zeit- punkt ab besteht nicht mehr in der Borbereitung von Putschen und Aufständen, sondern in dem haßerfüllten Versuch, den deutschen Arbeitern einzureden, daß die Methoden des sozial- demokratischen Kampfes falsch und zur Resultatlosigkeit ver- urteilt seien. Dieser Versuch wird immer wieder durch die stetige Zielbewußte Arbeit der Sozialdemokratie, durch ihren zähen Kampf um die Verstärkung der Arbeiterrechte, durchkreuzt. Deshalb benutzt die Kommunistische Partei die Siel- lung, die ihr die Unaufgeklärtheit gewisser Arbeiterschichten und ein durch Wirtschaftskrise und Erwerbslosigkeit hervor- gerufener zielloser unpolitischer Radikalismus geben, um die sozialdemokratische Arbeit nach Möglichkeit zu stören. S t ö- r u n g, n i ch t K r i t i k ist ihre Haltung gegenüber der sozial- demokratischen Arbeit. Sie hängen sich der Sozialdemokratie an die Fersen, um nach Möglichkeit Voraussetzungen für eine Kritik an der Sozialdemokratie zu schaffen. Im Parlament tritt diese Tätigkeit der Kommu- nisten am stärksten hervor. Sozialdemokraten und Kommu- nisten hoben im Reichstag 207 Mandate von 493. Wäre die Kommunistische Partei eine aufrichtige Arbeiterpartei, so müßte die Möglichkeit bestehen, diese 207 Stimmen als ge- schlosienen Block für die Wahrung der Arbeiterinteresien ins Treffen zu führen sowohl in der Gesetzgebung wie bei der Aufstellung des Reichshaushalts. Das aber würde bedeu- ten, daß die Kommunisten nicht nur das Fehlerhafte der eigenen Politik zugeben, sondern daß sie gleichzeitig auch ihre Existenzberechtigung als gesonderte Partei verneinen müßten. Aus diesem Grunde kämpfen die Kommunisten nicht mit der Sozialdemokratie für Arbeiterrechte, sondern gegen die So- zialdemokratie und damit gegen die Arbeiter. Die kommu- nistische Fraktion des Reichstages steht nicht mit der Front gegen das Bürgertum gewandt, sondern gegen die Sozial- demokratie. Die Existenz der kommunistischen Fraktion im Reichstag bedeutet eine Schwächung der politischen Position der deutschen Ar- b«iterschaft. Was für die parlamentarische Praxis der Kommunisten gilt, ist auch für ihre gewerkschaftliche Taktik richtig. Sie sind jetzt daran, die Front gegen die Gewer'- schaften zu nehmen und die Arbeiterbewegung in den außer- parlamentarischen Auseinandersetzungen mit dem Unter- nehmertum zu schwächen. Eine Politik, die nach großen Zielen strebt und die Massen für sie begeistern will, muß ehrlich sein bis zum Letzten. Vor allem müssen ihre Führer selbst von der Wahr- heil ihrer Argumente den Massen gegenüber überzeugt sei». Die kommunistische Politik, di« in den Arbeitern revolutionäre