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Beilage

Donnerstag, 23. Mai 1929

Euthanasie

oder: Die Tötung unrettbar Kranker

Bei der Beratung des neuen deutschen Strafgesezes wurde auch das Problem der Euthanasie( Tötung Sterbender, um die Qual des Sterbens abzukürzen) eingehend erörtert. Als Vor­auslegung der Sterbehilfe wurden drei Momente hervorgehoben: Das Leben müsse im Erlöschen sein, der Tod müsse mit absoluter Bestimmtheit eintreten und zwischen dem vorauszusehenden und dem verursachten Tod müsse eine furze Spanne Zeit liegen. Nicht völlig geklärt wurde die Frage, ob das Einverständnis des Kranten notwendig sei und ob die Sterbehilfe nur vom Arzt, oder auch von einem Laien geleistet werden könne.

Die Unklarheit der Materie, die nicht nur vom wissenschaft: lichen, sondern in erster Linie vom ethisch- menschlichen Standpunkt beurteilt werden muß, macht einige grundfäßliche Bemerkungen erforderlich. Das menschliche Gefühl fordert, daß ein Mensch, der aus Menschenliebe einem unheilbaren Kranken, dessen letzte Stunden türzt, straflos ausgeht. Die Justizgeschichte ist reich an Beispielen der Sterbehilfe Verwandter. Es ist noch nicht allzulange her, daß eine Pariser Schauspielerin, die ihren Mann, der in endlosem Todestampf lag, auf sein eigenes Verlangen tötete, frei. gesprochen wurde. Der Freispruch entsprach dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden. Nicht zu kontrollieren und zu übersehen find die zweifellos zahlreichen Fälle, in denen Aerzte Sterbehilfe loiſten, wenn die Beschleunigung, und Erleichterung des Todes sich mit dem ärztlichen und menschlichen Verantwortungsgefühl ver­einigen läßt. Sterbehilfe hat es also trotz der Lücke im Gesetz immer gegeben.

von furchtbaren Qualen begleitet werden, den Todeskampf ab­

Wenn heute der Ruf nach einer ausdrücklichen Straflos: machung ertönt, so geschieht es in erster Linie aus zwei Momenten: Ethisch einwandfreie, ja als Akte menschlicher Liebes­tätigkeit notwendige Handlungen sollen nicht durch Hintergehen des Gesetzes, gewissermaßen in: Gnadenwege, durch ein Augen­zudrücken, straflos gemacht werden. Die moralische Kraft des Ge feges läßt ein solches stillschweigendes Rompromiß, das aus besonderen Gründen Handlungen, die ausdrücklich als Vergehen oder Verbrechen flaffifiziert sind, übersieht, nicht zu. Auf der anderen Seite läuft derjenige, der Sterbehilfe geleistet hat, immer Gefahr, sich vor dem Gesetz verantworten zu müssen und als llebertreter des Gesetzes verurteilt zu werden. Eine klare Ent. scheidung ist also notwendig. Eine andere Frage ist aber, ob sie technisch möglich ist.

Die Formulierungen von Binding, dem berühmten Juristen, der sich mit der Frage der Euthanasie beschäftigt hat, lassen die Kompliziertheit des Problems in voller Klarheit auf leuchten. Binding hat in kurzen Worten die Puntte berührt, die auch unserer Meinung nach zu klären sind:

" Die Personen, die für die Freigabe ihrer Tötung allein in - Betracht kommen, sind ftets nur die unrettbar Kranten, und zu der Unrettbarkeit gefellt sich stets das Verlangen des Todes oder die Einwilligung, oder sie würde sich dazu gesellen, wenn der Krante nicht in dem kritischen Zeitpunkt der Be=

Der Abend

Shalausgabe des Vorwärt

Staub, der Arbeiterfeind!

Was Untersuchungen bei Metallschleifern ergaben

In die neue Berordnung über die Ausdehnung der Unfallversicherung| gebnisse der von ihnen vorgenommenen mühevollen Staubzählungen auf Gewerbekrankheiten sind auch die Stauberkrankungen der Metall­schleifer aufgenommen worden. Wie notwendig das war, zeigt folgender Beitrag.

Staubgefährdung und Staubschädigungen der Metallschleifer, in3­Telety, Cochtfemper, Erika Rosenthal- Deußen und Derdad: besondere der des bergischen Landes. Heft 9 der Schriftenreihe ,, Arbeit und Gesundheit". 1928. Berlin  , Reimar Hobbing.

Im ersten Teil der eingehenden Untersuchung gibt der Landes­gewerbearzt Dr. Teleky einen Ueberblick über die Sozial- und Gesundheitsgeschichte der Solinger   Schleifer an Hand der älteren Literatur und ergänzt sie durch einen Bericht über die gegenwärtige Sterblichkeits- und Krankheitsstatistik der Schleifer Solingens, Cronenbergs und Remscheids. Er zeigt, daß die Sterblichkeit der Schleifer, insbesondere die Tu bertulofesterblichteit, auch gegenwärtig noch erheblich höher ist als diejenige der sonstigen männlichen Bevölkerung. Freilich sind die von ihm benutzten älte­ren und neueren Statistiken nicht in jeder Hinsicht einwandfrei. Insbesondere läßt sich aus den älteren Statistiken mit dem Durch schnittsalter der in verschiedenen Zeitabschnitten gestorbenen Schleifer nicht viel anfangen. Wenden sich z. B. die Schleifer in höherem Alter einem weniger gefährlichen Beruf zu, so erhöhen fie infolge des natürlichen Ablaufes des Lebens das durchschnittliche Sterbe­daß über die Berufsgefährdung damit etwas ausgefagt werden kann. alter" dieses zweiten Berufes, erniedrigen aber das des ersten, ohne Daher wird von dieser Berechnung des Durchschnittsalters der Ver­storbenen in der neueren Statistik kaum noch Gebrauch gemacht; einen Einblick in die Sterblichkeit nach dem Beruf bzw. die Berufs. gefährdung gibt nur die Berücksichtigung der jeweiligen Alters­besetzung, die in den Standardmethoden der englischen Statistik weitestgehend benutzt wird. Leider haben wir in der deutschen amtlichen Statistik dem michts an die Seite zu setzen. Aus der jüngsten Zeit vergleicht Teleky die Sterblichkeit der Schleifer in Solingen  , Cronenberg und Remscheid   mit derjenigen der entsprechenden männlichen Bevölkerung. Danach be trug die Tuberkulosesterblichkeit der Schleifer im Durchschnitt der fünf Jahre 1923/1927 in Solingen   29,9, in Cronenberg   73,5, in Remscheid   sogar 97,6 auf je 10 000 Lebende, während die Tuber tulosesterblichkeit der männlichen Bevölkerung in Solingen   nur 14,7, in Remscheid   nur 17 war. Die ungewöhnlich hohen Ziffern aus Cronenberg   und Remscheid   müssen mit einiger Borsicht verwendet werden, da die Relativzahlen aus sehr fleinen absoluten Zahlen ( 273 Schleifer mit 10 Todesfällen an Tuberkoluse in Cronenberg  , 616 mit 31 Todesfällen in Remscheid   im Verlauf von fünf Jahren) berechnet und naturgemäß Zufallsschwankungen in hohem Maße ausgesetzt sind. Am meisten beweisen hingegen die Zahlen aus. Solingen  , da hier die benutzten absoluten Zahlen viel größer 3. find( 1608 Schleifer mit 24 Todesfällen an Tuberkulose   im Verlauf von fünf Jahren) und die hieraus berechnete Relativzahl der Tuber­fulosesterblichkeit mit 29,9 auf 10 000 Lebende noch immer viel

wußtlosigkeit verfallen wäre oder wenn der Kranke je höher ist als die der entsprechenden männlichen Bevölkerung

zum Bewußtsein seines Zustandes hätte gelangen können."

Dann: Jede Freigabe der Tötung mit Brechung des Lebenswillens des zu Tötenden oder des Getöteten ist ausgeschlossen."

Die unrettbar Kranten. Hier stock' ich schon. Ist die Wissenschaft so weit, einen Kranken als unbedingt dem Tode ver­fallen bezeichnen zu können? Nein! Die Fortschritte der Wissen schaft gehen oft sprungartig vor sich. Die Sterbehilfe an einem scheinbar unrettbaren Kranten fann eine reine Tötung im juristischen Sinne sein, wenn in einer Zeit, wo menschlichem Er­messen nach ohne Sterbehilfe der Kranke noch gelebt hätte, eine wissenschaftliche Entdeckung gemacht worden ist, die die Rettung des Kranken ermöglicht hätte. Gewiß, es ist dies ein extremer und krasser Fall. Aber der stetige wissenschaftliche Fortschritt läßt uns auch mit solchen Möglichkeiten rechnen.

Solingens; nach Teletys Angabe ist sie reichlich doppelt so hoch.

Danach wird jedenfalls daran kein Zweifel sein, daß in der Tat die Metallschleifer durch ihren Beruf in viel höherem Maße durch Tuberkulose gefährdet sind als die sonstige männliche Bevölkerung im Durchschnitt. Es ist daher sehr verdienstvoll, daß es Teleky mit feinen Mitarbeitern unternommen hat, auch der Natur dieser Schädigungen, die ja wahrscheinlich mit der Staubinhalation der Schleifer in ursächlicher Beziehung stehen, weiter nachzugehen. Da­von handeln die weiteren Abschnitte der monographischen Dar­stellung. Nach einer furzen Darstellung der Arbeitsverrichtungen der Schleifer an Hand guter Photogramme geben zunächst Dr. Erika Rosenthal Deußen und Teleky selbst die Er­

Ganz abgesehen davon ist es in einer Reihe scheinbar hoffnungsloser Fälle nicht möglich, mit einer hundertprozentigen Ermessen Sterbehilfe leisten? Bindings Unterstellung, das Ver­

in den Betrieben wieder, die mit dem von Owens, einem eng­lischen Meteorologen. angegebenen Apparat zur Staub. zählung in 13 Betrieben an 146 Arbeitsplägen in Mundhöhe des Schleifers bei verschiedenen Arbeitsverrichtungen durchgeführt wurden und für den praktischen Gewerbehygienifer von größter Bedeutung sind, da derartige Luftuntersuchungen nur in geringerem Maße existieren. Dabei ergab sich unter anderem die wichtige Tat­sache, daß beim Naß schleifen, das im allgemeinen als weniger gefährlich gilt, mehr Staubteilchen in der Luft der Arbeitsstellen gezählt wurden als bei dem meist geübten Trockenschleifen mit Absaugung. Nun tritt aber beim Naßschleifen nicht nur die größte Menge Staub in die Atemluft, sondern dieser Staub enthält auch große Mengen Quarz, der ja als besonders gefährlich gilt." Die geringsten Staubmengen wurden bei Benutzung fünstlicher Schleifsteine mit Abzugsvorrichtung gefunden. Um nun noch die verschiedene Gefährlichkeit der Staubarten zu beurteilen, wurden die statistischen und experimentellen Ergebnisse durch eine Reihe flinisch- röntgenologischer Untersuchungen vervollständigt, die von Dr. Lochttemper, dem Leiter des Röntgeninstituts bei ber Landesversicherungsanstalt der Rheinproving an 100 Schleifern aus verschiedenen Betrieben nach verschieden langer Berufstätigkeit vor­genommen wurden.

Diese Untersuchungen, die insbesondere für den ärztlichen Klini fer von Bedeutung sind, werden durch eine Reihe vorzüglicher Röntgenbilder veranschaulicht. Sie hatten das Ergebnis, daß die Naß fchleifer am Sandstein am schwersten und verhältnismäßig frühzeitig durch die dauernde Einatmung des quarzhaltigen Staubes geschädigt werden; schon nach 4-5 Jahren zeigten fie im Röntgenbild Zeichen einer Staublunge, nach 8, 10 und mehr Jahren in den meisten Fällen ein vorgeschrittenes Stadium dieser Erfran­fung( Pneumokoniose), die zwar von der Lungentuberkulose auch im Röntgenbild meist zu unterscheiden ist, aber gerade die Dispofi­tion zu dieser Erkrankung der Lungen vermehrt. Im Gegensatz dazu zeigten die Schleifer an fünstlichen Steinen erst nach 10-13 Jahren deutliche Veränderungen im Röntgenbild, aber auch nach 32jähriger Arbeit noch nicht sehr starke. Am geringsten waren die Veränderungen in den Lungen jener Arbeiter, die mit Wiener Kalk polierten, was wiederum in Uebereinstimmung mit früheren Angaben die relative harmlosigkeit des Kalfstaubes im Gegensatz zum Quarzstaub erweist.

In ihren Schlußfolgerungen fordern Lochtfemper und Telety aber mit Recht eine beffere Staubabsaugung bei allen Verrichtungen, soweit das technisch möglich ist, sonst aber Ersatz des den gefährlichsten Staub erzeugenden Sandsteines durch künstlichen Schleifstein, der in England schon in weiterem Maße Verwendnug findet als bei uns. Sie fordern außerdem, da die Staubkrankheit der Schleifer mit Sicherheit im Röntgenbild zu diagnostizieren und eine wohl charakterisierte Berufskrankheit darstellt, ihre Gleich­

stellung mit den Unfällen. Besonders notwendig und ge= rechtfertigt erscheint diese Gleichstellung deshalb, weil heute durch technische Maßnahmen es nicht möglich ist, das Entstehen dieser Krankheit in ihren schwersten Formen bei Naßschleifern zu verhüten."

Nach einem kurzen Beitrag über die technischen Maßnahmen zum Schutz der Schleifer durch den Gewerberat Derdad wird das inhaltreiche Buch in einem Anhang noch durch die Wiedergabe der preußischen und englischen Polizei- und Gesetzesverordnungen ab­geschlossen, die in England bereits eine weitgehende Berücksichtigung der neueren gewerbehygienischen Untersuchungen zeigen und zum Bergleich auch für deutsche Verhältnisse von Bedeutung sind, zumal die hier geltenden Polizei verordnungen sehr weit zurückliegen. Dr. G. Wolff( Berlin  ).

Sicherheit die Unrettbarkeit festzustellen. Dort aber, wo die langen des Kranten wäre vorhanden, wenn er nicht das Bewußt. Wir sind entschlossen...

Hoffnungslosigkeit der Lebenserhaltung sicher ist, muß nach Bindung das Moment der Einwilligung oder des Verlangens hinzukommen.

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wenn

Das Einverständnis des Kranken. Die Sterbehilfe ist begründet, wenn der Kranke nach ihr verlangt. Die Ein­willigung", wie dies Binding formuliert, tommt unserer Ansicht nach als Sonderfall nicht in Frage, denn das würde ja man sie dem Verlangen gegenüberstellt voraussetzen, daß die geistige Initiative zur Sterbehilfe nicht vom Kranken, sondern von einer dritten Person ausginge. Diese Voraus setzung ist unter allen Umständen abzulehnen. Unter Einverständnis fann nur das Verlangen verstanden werden. Die Einwilligung" fetzt einen Vorschlag eines Dritten voraus. Auf einer solchen Basis ist die Sterbehilfe ein Verbrechen.

Der Krante verlangt die Tötung. Auch hier ist die Entscheidung schwer. Voraussetzung wäre, daß der Kranke bei flarem Be= wußtsein ist. Die Sterbehilfe hat nun feinesfalls den Zweck, ein verlorenes Leben früher, als es die Natur will, zu beenden, sondern die Todesqualen abzukürzen und dem Todestandidaten ein schmerzloses Ende zu bereiten. Nur dann also, wenn das Sterben von Qualen begleitet wird, ist die Sterbehilfe zulässig. Kann man aber in dieser Lage beim Kranken flares Denken vorausseßen? Ist es nicht sehr leicht möglich, daß ein Kranten im Augenblick eines qualvoll gesteigerten Schmerzes nach dem Tode verlangt und dieses Verlangen im Augenblick eines Nachlassens der Schmerzen wieder fallen läßt, ja mit Entsetzen bereut? Jeder Arzt und Psychologe weiß, daß die Stimmungen der Kranten aus einem Extrem in das andere hinüberwechseln. Ich bin überzeugt: So mancher Arzt, der sich vom Kranken bestimmen ließe und ein tod­bringendes Opiat am Krankenbett stehen ließe, würde am nächsten Morgen den Trant vom Kranten unberührt wieder finden.

Die Erwägung also, ob das Berlangen" des Kranken den Arzt zur Herbeiführung einer Entscheidung veranlassen fann, muß der Gewissensforschung des Arztes überlassen bleiben. Er muß mit der Möglichkeit rechnen, daß der unbesiegbare Lebenswille des Kranken ihn bei Abflauen der Schmerzfrise wieder das Verlangen zurückziehen läßt.

Dazu kommt, daß in vielen Fällen eine Klarheit des Dentens bes Patienten schon deshalb unmöglich ist, weil der Patient das Bewußtsein verloren hat. Darf der Arzt nach eigenem

sein verloren hätte oder wenn er je zum Bewußtsein seines Zu­ftandes hätte gelangen tönnen, ist unbedingt abzulehnen. Kein Mensch kann beurteilen, wie ein Kranker handeln würde, wenn er bei Bewußtsein wäre. Kein Mensch tann beurteilen, wie ein Kranker sich entscheiden würde, wenn er Kenntnis von seinem wahren Zustand hätte; vorausgesetzt, daß ihm diese Kenntiris aus Gründen der Menschenliebe vorenthalten wird.

Zusammenfassend fann man sagen: Das Berlangen des Kranten geschieht meist in einem geistig nicht mehr vollwertigen Zustand. Die psychologische Verfassung des Sterbenden läßt ein flares Verlangen überhaupt nicht zu. Die ethische Rechtfertigung des Arztes vor sich selbst kann sich also beim Ver­langen" allein nicht beruhigen.

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Wer darf Sterbehilfe leisten? Binding schreibt: Ausgeschlossen ist die Freigabe der Tötung an jeder mann... Wie die Selbsttötung nur einer einzigen Berson freigegeben ist, so fann die Tötung Unrettbarer nur solchen frei gegeben werden, die sie nach Lage der Dinge zu retten berufen wären, deren Mitleidstat deshalb das Verständnis eller richtig empfindenden Menschen finden wird." Die Hilflosigkeit unserer eigenen Einstellung zu der Frage der Euthanasie zeigt sich in dieser vagen Formulierung. Jedermann darf nicht Sterbehilfe leisten- und doch jedermann. Die Be schränkung der Hilfeleistung auf den Arzt ist aus ver= schiedenen Gründen abzulehnen. Zwar hat der Arzt vor dem Richt­arzt voraus, daß er mit einiger Wahrscheinlichkeit die Unrettbarkeit feststellen kann wenn auch, wie oben gesagt, nicht mit absoluter Gicherheit soweit die Wissenschaft überhaupt eine solche Fest­ftellung zuläßt. Aber die Sterbehilfe nur auf den Arzt beschränken, hieße, die Macht fülle des ärztlichen Standes ungeheuerlich ver­mehren, den Arzt gewissermaßen zum Herren über Tod und Leben der Kranken machen. Dagegen spricht die katastrophale Bertrauenstrife, die die Folge einer solchen Einstellung, wäre. Aber selbst wenn man dem Arzt die Möglichkeit gibt, Sterbe hilfe zu leisten, wie fann man Mißbräuchen entgegentreten? Wir fönnen deshalb keine positiven Vorschläge machen. Die Sterbehilfe ist auch weiterhin eine Gewissensfrage. Sie erfordert strengste Gewissensforschung beim Helfer, rigorose Rechtfertigung vor dem Richter in der eigenen Brust und Menschengüte und humani­täres Verständnis beim gesetzlichen Richter.

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Medicus

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Der Groß- Berliner Aerzte bund widmet meinen Aus­führungen im Abend" über die Geschlechtskrankenfürsorge einige Bemerkungen, mit denen ich mich erfreulicherweise prinzipiell ein­verstanden erklären kann. Er schreibt: Für die Durchführung des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten trägt die alleinige Verantwortung die zu diesem Zwecke geschaffene Gesundheitsbehörde, das ist in Berlin   das Hauptgefund­Einvernehmen wieder hergestellt sein wird. Der Konflikt entstand heitscant. Nach diesem Bekenntnis hoffe ich, daß sehr bald das gute ja mur daraus, daß das Hauptgesundheitsamt, als der alleinige Bere antwortliche, sich von einer privaten Organisation feine Vorschriften über den Umfng seiner Maßnahmen machen lassen fonnte. In einem Schreiben, das der Groß- Berliner Aerztebund am 14. Mai 1929 an seine Mitglieder geschickt hat, ist noch trasser betont, daß die Berliner   Aerzteschaft nur in Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen Interessen handelt und eine Mitverant­wortung für die gesundheitlichen Belange der Bevölkerung ablehnt. Es heißt in diesem Schreiben wörtlich: Wir sind entschlossen, unseren Befihstand zu wahren! Alle neuen oder neu zu besetzenden Arzt­stellen an Fürsorgeeinrichtungen aller Art der Stadt Berlin  , fofern mit diesen ärztliche Behandlung verbunden ist, werden ge­sperrt. Gesperrt wird ferner in denjenigen Stellen, in denen bisher nur Beratung stattfand, eine jetzt einzuführende Behandlung. Unter Behandlung verstanden wird jede Leistung, die über die erst malige Raterteilung hinausgeht.

Also Kampf auf der ganzen Linie gegen die anerkannt allein verantwortliche Behörde, gegen die Volksgesundheit!

Im übrigen gibt der Aerztebund in seiner Erwiderung auf meinen Artikel einige wichtige Fingerzeige, die sicher nicht unbeachtet bleiben werden. Er sagt, daß ein finanzielles Risiko für die Für forgestellen eine überflüssige Gefahr angesichts der schwierigen Finanzlage der Stadt bedeutet und erwähnt eine Aeußerung des Leiters der Gesundheitsbehörde, nach der bei Besuch der städtischen Stellen von einigen Personen noch eine Stigmatisierung befürchtet wird. Diesem llebel ist nur abzuhelfen, wenn die bejagten Stellen gründlich und modern ausgebaut werden, am besten in Form all. gemeiner Ambulatorien, bei denen eine solche Gefahr nicht mehr bestehen kann. Im übrigen ist es nicht meine Aufgabe. Aeußerungen des Hauptgesundheitsamtes zu vertreten, mit denen ich mich nicht identifiziere.

Dr. Käte Frankenthal  .