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Nr. 249» 46. Jahrgang<�901*10(11*�5 Jreifog« 31. 3Äoi 1929
Lokaltermine An der Stelle, wo Ewali Palingea, ZV. Mai.(Tigenberlcht.) Palingen... Iatubowst!... Kindesmord... Hingerichtet... Unschuldig?!... Diese Worte und Begriffe werden sich für Jahre im Bewußtsein der Zeitgenossen aneinanderreihen. Sonntag in P a l i n g e n. Kalter Novemberwind streift über die Felder. Im Dorfe liegt die Heidekate in Dunkel gehüllt. Dreißig Meter entfernt das dumpf« Gewimmer eines Kindes. Ein fester Griff um die Kehle; für einen Augenblick Todesstille. Eine Gestalt läuft über den Weg, stößt auf eine andere. Der fünfzehn- jährige Fritz eill über Heide und Ackerland zum Kaninchenloch. Stafettenlauf mit der Kindesleichel Viereinhalb Jahre später. Die Maiensonn« bestrahlt Heide und Ackerland. In langen Reihen schlängeln sich Autos nach Palingen. Lokaltermin des Ncustrelitzer Gerichtshofes. Vor der Heldskate. an einen Pfosten gelehnt Frau Kähler-Nogens, einige Schritte von ihr in Begleitung von Gefängniswachtmeistern in Zivil ihre Söhne Fritz und August. Das ganze Dorf ist auf den Beinen, um die gefesselten Dorfgenossen mit neugierigen Blicken zu betrachten. Man sieht den Stein, auf dem der kleine Ewald kurz vor seinem Verschwinden getroffen worden war: den Baum, unter dem der Mord geschah, die abgehauenen Tannen, bei denen August Rogens dem Fritz die Leiche übergeben haben soll, das Kanlnchenloch, in das der Ermordete«ingescharrt wurde. Man lernt das Haus kennen, wo Fritz noch kurz vor V Uhr mit den Möll-rschen Kindern gespielt hat, das Cckertfche Gehöft, wo Jakubowski beschäftigt war. das Haus der Frau Näck  , die er heiraten wollte. Man hatte auf den Lokal- termin besondere Hoffnungen gesetzt, man glaubte, daß es vielleicht gelingen würde, Frau Kähler-Nogens in ihrer gewohnten Umgebung zu G e st ä n d n i s s e n zu veranlassen, und daß A u g u st vielleicht zu seinem Geständnis zurückkehrt. Wohl sollte«s fast scheinen, als habe sich August, überrumpelt von der Frage des Nebenklägers, in einer Weise versprochen, daß man auf seine Mittäterschaft schließen möchte, gleich hinterher verbesiert» er sich aber. Fast hatte es den Anschein, als wollte Frau Kähler ihr Geständnis vervollständigen, aber auch diese Hoffnung blieb unerfüllt. Das Rätsel um Jakubowski ist nach wie vor ungelöst geblieben. Der Lokaltermin hat nichts Neues zugefügt, er hat aber die Angeklagten In ihrer u n g e s u n- den Umgebung gezeigt. * In dem kleinen Tagelöhnerdorf Palingen, wenige Kilo- ineter von Lübeck   auf dem mecklenburglsch-strelitzschem Gebiet, in dem am S. November 1924 der Mord an dem dreijährigen Ewald Rogens geschah, versammelte sich am Donnerstag vormittag das Neu- strelitzer Schwurgericht mit dem Oberstaatsanwalt, den vier Angeklagten, den Verteidigern, der Presie und den übrigen Prozeß- beteiligten, sowie zahlreichen Zeugen, zur Abhaltung eines Lokal- termins. Der Nachteil einer solchen Exklave, wie sie dieses kleine Mecklenburg  -Strelitzer Stückchen bei Lübeck   darstellt, hat nicht nur damals, kurz nach der Tat. die rasche Zuziehung von Lübecker  Kriminalbeamten oerhindert, sondern auch heut« wieder dem Gericht die lang« Fahrt durch ganz Mecklenburg  . Schwerin   hindurch aufgezwungen. Vtan begriff so richtig die Schäden der deutschen  , aus mon­archischer Zeit übernommenen Kleinstaaterei, als man in diesem von drei anderen Ländern, Preußen. Lübeck   und Mecklenburg  . Schwerin  , eingeschlossenen Stückchen Mecklenburg  . Strelih war. Da»»Fürstentum Ratzeburg  ". das Strelitzer   Gebiet ist, liegt 200 Kilometer von der Landeshauptstadt Strelitz   entfernt und hat außerdem noch drei winzige Exklaven im preußischen Bezirk Lauenburg  . Diese Zerrissenheit hat die Untersuchung vor fünf Jahren, die Verhandlung in Schönberg, den ganzen Ablauf des Falles Nooens-Jakubowski gelähmt und gehindert.... Man ver- sammelte sich heute am Ausgang des Dorfes In der Näh« der Heidekate in Palingen und nahm zunächst diese In Augenschein. Da» Hau» selbst ist eine niedrige, strohgedeckte Kate mit wenigen dumpf«» Räumen.
im Heidedorf. Rogens ermordet wurde. Di« Angeklagte Frau Kahler, die nun nach langer Zell  wieder die Kate betritt, bricht bei der kurzen Vernehmung durch den Vorsitzenden in Tränen aus. Die Führung übernimmt auf Anregung des Vorsitzenden der mit den Oertlichkeiten besser oertraute Ober, staatsanwalt Dr. Weber. Dann gmg der Zug vorbei an dem Stein, an dem der Angeklagte B l ö ck e r wohl als letzter von allen den kleinen Ewald sitzen sah, dem er dann riet, wegen der an- brechenden Dunkelheit nach Hause zu gehen. Die Prozeßbeteiligten begaben sich durch Wald und Feld, mitunter in ihren Wagen, zu den einzelnen Oertlichkeiten. Ueber eine Weide war Fritz nach seinen Angaben zu den sogenannten abgehauenen Tannen ge- gangen, wo ihm dann sein Druder August die Leiche de» Ewald übergeben haben soll. Interessant war die Ver- nehmung des Schäfer» Schade aus dem etwa einen Kilometer von Palingen entfernt liegenden Acker, wo er bald nach dem Mordtag seine Schafe hütete und ein Gespräch zwischen Jakubowski und Blöcker, die in der Nähe pflügten, gehört haben will. Schade gab heute an, daß er in etwa fünfzig Schritt Entfernung gehört habe, wie Jakubowski zu Blöcker sagt«:wenn da» nicht rauskommt bis Weihnachken. dann wollen wir kräftig einen trinken s" Einen außerordentlich spannenden Verlauf nimmt an den ab» gehauenen Tannen die Vernehmung de» Angeklagten August N 0» g e n s, der ja zu Beginn des Prozesses feine mehrfachen früheren Geständnisse, an dem Mord teilgenommen zu haben, wider» rufen hat. Oer Stafettenlauf mit der Leiche. Nach wie vor behauptet Fritz Rogens, er habe seinem Bruder August den toten Ewald übergeben. August, vom Gericht aufgefordert, entfernt sich von dieser Stelle bis zur Heidekate und kommt dann vor dort durch eine Sandgrube in Begleitung eines Kriminalbeamten wieder zurück. Nach semer Rückkehr fragt rhu der Vertreter der Nebenkläger, Rechtsanwalt Dr. Brandt: Sind Sie damals auch so langsam gegangen? Anaekl. August Rogens: Za. sGroße Bewegung.) RA. Dr. M u l l« r. Ver» leidiger des August Rogens: Sie meinen doch. Sie hätten jetzt nur die frühere Schilderung wiederholt, die Sie bei einer Vernehmung gaben, und Sie seien fetzt so langsam gegangen wie damals, als Sie etwas Falsches erklärten, ohne überhaupt tatsächlich jemals diesen Weg von der Kate aus mit dem toten Ewald gegangen zu fein? Angekl. August: Jawohl l Ich habe dann diese Frage wohl nicht richtig verstanden! RA. Dr. Müller erklärt, er habe die Frage Dr. Brandts leider überhört, sonst würde er einen Gerichts- b e s ch l u ß über ihre Zulassung herbeigeführt haben. August habe aufs Glatteis gelockt werden sollen, das fei aber nicht gelungen! Der Vorsitzend« betont, daß er Dr. Brandt diese Frage ausdrücklich gestattet habe und fragt dann den Angeklagten, ob er nicht doch die volle Wahrheit sagen wolle. August Rogens: Ich habe den weg nicht gemacht, da kann ich es auch nlcht gestehen! Aus August Rogens ist nicht m«hr herauszubringen. Er bleibt bei seiner Darstellung, trotzdem ihn der Vorsitzende wiederholt er- mahnt, doch mit. der vollen Wahrheit herauszukommen. In der Heidefate. Dann wird Frau Kählir-Nogens in die Heidekate geführt. wo man durch«in Kreuzverhör   nochmals versucht, die Wahrheit herauszubringen. Der Oberstaatsanwalt fragt sie z. B.. Jakubowski soll sie einmal vor Kreutzfeldt gewarnt haben. Frau Kähler- Rogens: Ja, ich sollte mich in acht nehmen, sagte Iaku« bowski, Kreutzfeldt würde mir an melnen eigenen Kindern«inen Streich spielen, daß ich daran denk«. Oberstaatsanwalt: Warum weinen Sie denn sedesmal, wenn Kreutzfeldt erwähnt wird? Die Angeklagte weicht auf diese Frage aus. Oberstaat»- anmalt: Aus dem Gefängnis hat Ihnen doch aber mal jemand Nachricht von Jakubowski gebracht. Frau Kähler-Nogin«: Ja, nach der Hinrichtung Iakubowskis kam«in ehemaliger Gesänge- ner, der mir einen Gruß und Bestellung von Zakubowski überbrachte, er hätte sich nicht an dem kleinen Ewald vergrissen. Ober-
Jach JCondon:
(Berediiigit üebersetzung von Erwin Magnus  ).
Das harte Leben am Bukon hatte nicht vermocht, Day- light zu einem harten Mann zu machen. Dieser Erfolg blieb der Zivilisation vorbehalten. In dem wilden, grausamen Spiel, das er jetzt spielte, schwand das Wohlwollen, das ihn bisher gekennzeichnet hatte, ganz unmerklich und auf gleiche Weise wie sein schleppender Dialekt. Und scharf und nervös wie sein« Sprechweffe wurde auch seine Seele. In dem rasenden Tempo des Spiels fand er immer weniger Zeit, gut- mütia zu fein. Die Veränderung zeichnete sogar seine Zuge. Die Linien wurden strenger. Seltener erschien das lustige Lächeln auf seinen Lippen und in seinen Augenwinkeln. Die Augen selbst, schwarz und feurig wie die eines Indianers, funkelten zuweilen vor Grausamkeit und brutalem Macht- bewußtsein. Die von seiner ganzen Persönlichkeit aus- strahlende, überwältigende Lebenskraft blieb, aber es war jetzt die des Siegers, des schonungslosen Bezwingers. Seine Kämpfe mit der elementaren Natur waren gewissermaßen unpersönlich gewesen; jetzt kämpfte er mit den Menschen seiner Rasse, und diese unerbittlichen Kampfe zeichneten ihn mehr, als es die Mühen seiner Schlittenreisen und Fluß- fahrten getan. Da trat Dede Mason in sein Leben. Fast unmerklich. Er hatte sie ganz unpersönlich engagiert, so wie er seine Bureaueinrichtung angeschafft, seinen Laufjungen und Morri- son, den einzigen Kontoristen und sein Faktotum, engagiert hatte In den ersten Monaten wäre er nicht imstande ge> wesen, die Farbe ihrer Augen oder ihres Haares anzugeben. Ebensowenig hatte er eine Ahnung. w,e sie sonst aussah. Für ihn war sieFräulein Mason", und das war alles, wenn er sie auch als gewandte und zuverlässige Sekretärin schale. Als er aber eines Morgens einige Briefe unterschrieb, fiel ihm eine grammatikalische Wendung auf, die er. wie er bestimmt wußte, nicht beim Diktieren gebraucht hatte. Er
drückte zweimal auf den Klingelknopf, und einen Augenblick später trat Fräulein Mason em. Hab' ich das gesagt, Fräulein Mason?" fragt« er, in- dem er ihr den Brief reichte und ihr die fragliche Stelle zeigte. Ein verlegener Ausdruck trat in ihre Züge, als wäre sie auf frischer Tat ertappt worden. Es ist mein Fehler," sagte sie.Es tut mir leid. Aber eigentlich ist es kein Fehler," fügte sie schnell hinzu. Wie meinen Sie das?" fragte Daylight herausfordernd. Meiner Ansicht nach ist es nicht richtig." Sie stand schon in der Tür, drehte sich aber mit dem un- glückseligen Briese in der Hand um. Richtig ist es doch," antwortete sie dreist.Aber wenn Sie es wünschen, ändere ich es." Uno damit nahm sie den Brief und ging an ihre Schreibmaschine. Am nächsten Morgen trat Daylight auf dem Wege ins Bureau in eine Buchhandlung und tauft« ein« englische Grammatik: und ein« geschlagene Stunde saß er. mit den Beinen auf dem Schreibtisch, und arbeitete sich durch das Buch hindurch. Ich will gehenkt sein, wenn das Mädel recht hat," mur- melte er. Als aber die Stunde um war, wußte er, daß st« recht hatte, und zum ersten Male fand er, daß etwas Be- sonderes an seiner Sekretärin sei. Bisher hatte er sie nur als ein beliebiges weibliches Wesen, als einen Teil seiner Bureau- ausstattung angesehen, jetzt aber wurde sie in seinen Augen plötzlich eine Persönlichkeit. Sie wußte offenbar manches, wovon er keine Ahnung hatte, und er begann, Notiz von ihr zu nehmen. Als sie an diesem Nachmittag das Bureau verließ, be- merkte er zum erstenmal, wie gut sie gewachsen war, und daß sie sich zu kleiden verstand. Er kannte nichts von den Einzelheiten der Frauenkleidung und sah denn auch nichts an ihrer hübschen Bluse und dem gutsitzenden Rock. Er sah nur die Wirkung im allgemeinen. Sie sah aus, wie man aus- sehen mußte. Aber das kam eben daher, daß nichts Auf- fallendes an ihr war. Netter kleiner Käfer," war sein Urteil, als die Kontor- tür sich hinter ihr schloß. Als er ihr am nächsten Morgen Briefe diktierte, bemerkte er, daß ihr Haar hellbraun mit einem Goldschimmer war. Die blasse Sonne ließ das Gold wie schwelendes Feuer schimmern, was sehr anziehend war. Er wunderte sich, daß er dieses Spiel der Natur noch nicht beachtet hatte..
staatsanwalt: Und da haben Sie angefangen, bitterlich zu weinen. Warum denn? Da muß Ihnen doch das Gewissen. geschlagen haben! Frau Kähler-Nogens: Weil ich gleich wieder an Kreutzfeldt und Blöcker denken mußte. Da nichts weiter aus ihr herauszubringen ist, wird ihre Vernehmung ab- gebrochen. Frau Kähler-Nogens verläßt schluchzend das Haus, in dem sie mst Ihrer Familie jahrelang gewolint hat. OaS Kaninchenloch, wo die Leiche verscharrt war. Das Gericht begibt sich dann mit Fritz Wagens in halb­stündigem Fußmarsch zu dem Kaninchenloch, in dem die kleine Leiche gefunden wurde. Es liegt mitten in der Palinger Heide. Fritz Rogens schildert dort nochmals, wie er die Leiche dort ver- s ch a r r t hat. Der ganze Kaninchenbau ist inzwischen aufgedeckt worden. Der Aufsinder der kleinen Leiche, der Zeuge Faust, schildert, wie er an dem Kaninchenbau s r e t t i e r e n wollte, und zwar 14 Tage nach dem Mord. Das Frettchen blieb zu lange im Bau, infolgedessen grub er nach und stieß auf die Leiche. Er deckte das Loch oberflächlich zu, um dem Ortsvorsteher sofort Meldung jjU machen. Das Loch war so weit, daß das Kind bequem darin liegen konnte. Fritz Rogens erklärt, er habe kein bestimmtes Loch gesucht, Jakubowski hätte ihm nur gesagt, an dieser Stelle mühlcn passende Löcher sein. Darauf war der augenscheinliche Termin be- endet, worauf sich das Gericht nach Herrnburq zum Grabe des kleinen Ewald begab, an welchem Frau Kähler nochmals ver- nommen werden soll. Außerdem folgt noch eine kommissarische Vernehmung von Frauen, die nicht an Gerichtsstatt sein könne». Die Verhandlung wird am Freitag früh in Neu- strelitz fortgesetzt._____
Drei Unschuldsengel von derRoten Fahne" Jeder zu 6000 Mark Geldstrafe verurteilt. Bor dem Erweiterten Schössengericht Berlin  . Mille standen am Donnerstag drei Bebak- teure derBoten Fahne", die für die Artikel, die gegen das Demonstrationsverbot hetzten, verantwortlich zeich. neten. Und zwar waren es die Bedakteure Borden  . Schräder und Hirsch, die abwechselnd in den Monaten März, April und Mai verantwortlich gezeichnet hotten. In dieser Zeit wurden eine Unmenge Artikel ver- ö f f e n t l i ch t, die trotz Demonstrationsverbot ausforderte 11, am 1. Mai aus den Straßen zu demonstrieren. Die Staateanwaltschast hatte die drei wegen dieses Ungehorsams gegen die Anordnungen einer Behörde unter Anklag« gestellt. Die Ver- Handlung fand unter Vorsitz des Amtsgerichtsrats S p 0 n e r statt, der zu Beginn der Verhandlung etwa 8S Artikel verlas, in denen Immer wieder dieselbe Aufforderung, zu demonstrieren, ent­halten war. Die drei Angeklagten äußerten sich sehr ausführlich und glaubten, da sie jetzt kem« Phrasen schreiben dürfen, um so dümmer« Phrasen reden zu können. Als Grund ihrer langwcillgen und durch nichts interessanten Ausführungen vor Gericht gaben sie an, in der Oesfentlichkeit und vor der Presse etwas über die Maivorgänge sagen zu müssen, weil ihnen dl« Möglichkeit, es zu publizieren, durch das Verbot derRoten Fahne" genommen sei. Selbstverständlich sind die Kommunisten die Unschuldsengel, die durch ihre Parolen über- Haupt größeres Blutvergießen verhindert haben. Herr Hirsch' er- klärt« außerdem noch, daß die KPD. nur durch einen Aus- stand zur Macht gelangen könne: sie lasse sich aber den Termin, an dem sie den Arbeitern das Signal zum bewaffneten Aufstand gebe, nicht vorschreiben. Staateanwaltschastsrat Kirch­ner beantragt« gegen jeden der Angeklagten fünf M 0 n a t e G e f ä n g n i s mit Rücksicht darauf, daß das Verhalten der Redakteur« Schuld an den Mai-Unruhen aewesen sei. Rechts- anwalt Apfel sagte selbst in seinem Plädoyer, daß er von den An- geklagten den Eindruck Hobe, daß sie die Geister, die sie gerufen hätten, nicht losgeworden wären. Nach längerer Beratung ver- kündet« d«r Borsitzende, daß j« d e r der Angeklagten zu 6900 M. Geldstrafe verurteilt werde.
Schwerer Arbeilsunsall. Bei Kanalisationsarbeilen ans dem Scholzplatz in Charlottenburg   erlitt der 19jährige Ar- beiter Paul Bloch aus Cladow   einen schweren Unfall. Er glitt aus, wurde von kochendem Teer überschüttet und erlitt an Händen, Armen und Gesicht schwer« Verbrennungen. Der Ver- unglückte ist in ein Krantenhcnis übergeführt worden.
Mitten im Briefe kam derselbe Satzbau vor, der am vorigen Tage den Zwischenfall veranlaßt hatte. Er erinnerte sich der Grammatik und diktierte den Satz in derselben Weise, wie sie ihn verbesiert hatte. Fräulein Mason blickte schnell auf. Sie tat es ganz un- willkürlich und tatsächlich überrascht. Im nächsten Augen- blick senkte sich ihr Blick wieder. Aber in dieser Sekunde hatte Daylight bemerkt, daß ihre Augen grau waren,'daß zuzeiten «in goldener Schimmer in ihnen sein konnte; aber fürs erste genügte, was er gesehen, um ihn zu überraschen, denn er wurde sich plötzlich klar, daß er bisher immer geglaubt hatte, «ine brünette müsse auch braune Augen haben. Als er eines Tages an ihrem Schreibtisch vorbeiging, fand er einen Band Gedichte von Kipling und guckte vcr- blüfft auf die Seiten. Sie lesen gern, Fräulein Mason?" fragte er und legte das Buch wieder hin. Ja." lautet« die Antwort,sehr." Ein andermal war es«in Buch von WellsTtte iVeels of Chance". Wovon handelt es?" fragte Daylight. Ach, es ist nur ein Roman, eine Liebesgeschichte." Sie schwieg: er aber blieb wartend stehen, und sie fühlte, daß sie noch etwas sagen mußte. Es handelt von einem kleinen Londoner   Kommis, der in den Ferien einen Ausflug macht und sich in ein Mädchen verliebt, das sehr hoch über ihm steht. Ihre Mutter ist eine beliebte Schriftstellerin und so weiter. Die Situation ist sehr eigenartig und traurig, teilweise direkt tragisch. Möchten Sie es lesen?" Kriegt er sie?" fragte Daylight. Nein, das ist es ja eben. Er war nicht--" Er kriegt sie nicht, und da lesen Sie dreihundert Seiten, bloß um das herauszufinden?" murmelte Daylight erstaunt. Fräulein Mason ärgerte sich, war aber doch belustigt. Sie sitzen ja auch stundenlang da und lesen Bergwerks- und Geschäftsberichte, erwiderte sie. Aber davon habe ich was. Das ist Geschäft und ganz was anderes. Ich schlage Geld daraus. Was haben Sie von Ihren Büchern?" r Neue Gesichtspunkte, neu« Ideen. Leben. Das ist alles nicht einen Pfennig wert." Das Leben ist mehr wert als Geld," meinte sie. tFortjetzung folgt.)