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Morgenausgabe

Nr. 317

A 160

46.Jahrgang

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Vorwürts

Berliner Bolksblatt

Mittwoch

10. Juli 1929

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Frankreichs Antwort.

Konferenz in einem neutralen Ort Anfang August gewünscht.

Paris  , 9. Jufi.( Eigenbericht.)

Der Text der Antwortnote der französischen   Re­gierung auf das letzte englische Wide Memoire über den Ort und die Aufgaben der diplomatischen Konferenz wurde am Dienstag morgen vom Ministerrat genehmigt und ist bereits am Nachmittag

in London   überreicht worden.

Frankreich   erklärt sich in der Note mit dem Zusammentritt der Konferenz in den ersten Tagen des Auguft einver­standen und ist auch zu erheblichen Zugeständnissen bezüglich der Aufgaben der Konferenz bereit. Die meisten der mit dem Boung- Plan zufammenhängenden Fragen follen in den Bollsikungen behandelt werden, an denen auch die Vertreter der mit Frankreich   verbündeten kleinen Mächte und evtl. die Dominons teilnehmen würden. Einige Spezialfragen, so vor allem Statut und Organisation der Reparationsbant, follen in einer Spezialfommission beraten werden. Das gleiche gilt für die Rheinlandfrage, an deren Beratung nur die sechs Großmächte teilnehmen würden. Die französische   Re­gierung begründet in der Note endlich ihren Wunsch, daß die kon­ferenz an einem neutralen Ort tage, da dort allein eine völlig

ruhige Atmosphäre gegeben sei.

Snowdens fritischer Vorbehalt zum Young- Plan.

London  , 9. Juli.  ( Eigenbericht.)

Der Schatzkanzler der Arbeiterregierung, Philipp Snow den, erklärte am Dienstag im Unterhaus in Beantwortung einer Reihe an ihn gestellter Fragen, daß die Regierung die Erörte rungen über die Reparationsfrage, die in Paris   vor fich gingen, mit größtem Interesse verfolgte. Die konservative Re­gierung habe bereits bei Beginn der Besprechungen über die Fun dierung der französischen   Kriegsschulden grund fäßlich betont, daß jede französische   Zahlung an Amerika   von einer gleichzeitigen proportional entsprechenden 3ah lung an Großbritannien   begleitet sein müsse. Die gegen­wärtige Regierung müsse auf den von ihrer Borgängerin fest­gelegten Grundsätzen bestehen.

Im weiteren Berlauf des Frage und Antwortspiels zwischen Abgeordneten und dem Schatzkanzler erklärte Snowden, daß Groß­ britannien  

teineswegs auf die Borschläge des Young- Berichts festgelegt sei. Die Regierung wäre durchaus in der Lage, auf der kommen­den Reparationskonferenz Aenderungen im Expertenplan zu

erlangen. Die im Young- Plan empfohlene Abänderung der so genannten Spar- Prozente würde für Großbritannien   den jährlichen Durchschnittsverlust von ungefähr 48 Millionen Mart bedeuten. Auf der Basis einer prozentigen Berzinsung kapita­liſiert, stelle diese Summe schäzungsweise einen Betrag von 740 Millionen Mart dar. Es müsse jedoch hinzugefügt werden, daß der Großteil dieser Verluste erst nach zehn Jah ren eintreten würde. Snowden stellte hierauf fest, daß die fran­ zösische   Regierung nach dem Young- Plan einen wesentlichen Teil der deutschen   Mußzahlungen erhalten werde, daß Frankreich   jedoch verpflichtet fei, einen Garantiefonds in der Höhe von 500 Millionen Mark zur Deckung eventueller Berlufte der übrigen Der britische   Anteil fei jedoch im Gläubigerstaaten zu schaffen. Der britische   Anteil sei jedoch im Fall einer tatsächlichen Schaffung dieses Garantiefonds so lange nicht ernstlich bedroht, als die Verzögerungen der deutschen   3ah: lungen sich in der vom Young- Plan vorgesehenen Frist von zwei Gegen eine längere deutsche Zahlungsfäumnis Jahren halten. werde der Garantiefonds Großbritannien allerdings feinerlei Sicherheit bieten. Sofern man diese lettgenannte Möglichkeit über­haupt in Betracht ziehe, stellten die Vorschläge des Young- Planes

eine Priorität in Frankreich   und Italien   über Großbritannien   dar.

Im Verlauf der Debatte über Industrieschutz erklärte der Schatz fanzler, er hoffe, daß die Arbeiterregierung im Verlauf ihrer Regierungszeit in der Lage sein werde, alle Lebensmittel Einfuhrzölle völlig zu beseitigen.

Deutscher   Schritt in Paris  .

Paris  , 9. Juli.

Der deutsche Botschafter v. Hoesch hat im Verlauf feiner geftrigen Unterredung mit Außenminister Briand   über die Vor­bereitung der Regierungskonferenz dem französischen   Außenminister eine Aufzeichnung unterbreitet, die sich mit dem organisatorischen Aufbau dieser Konferenz beschäftigt und diesbezügliche deutsche Vorschläge enthält.

Dieses Dokument ist, wie verlautet, auch in London  , Rom  und Brüssel überreicht worden. Es wird der Vorschlag gemacht, in beschleunigter Weise die im Anhang zum Young- Plan vorgesehenen Organisationskomitees zusammentrefen zu lassen, und zwar, wenn irgend möglich, bereits am 15. Juli in Berlin  . Eine Entscheidung über diese Frage dürfte bereits in den nächsten Tagen zu erwarten sein.

Kirchenvertrag angenommen.

Mit großer Mehrheit.- Debatte über die Mißtrauensanträge.

Der Preußische Landtag hat am Dienstag den Staats­vertrag zwischen Preußen und der Kurie in dritter Lesung mit 243 gegen 172 Stimmen endgültig ange.

nommen.

Für den Vertrag stimmten die drei Regierungsparteien und die Wirtschaftspartei, dagegen, aus Gegnerschaft gegen den Inhalt des Bertrages, die merkwürdige Zusammenstellung von Deutscher Volkspartei  , Kommunisten und Nationalsozialisten, wegen der angeblichen Zurücksetzung der evangelischen Kirche die Deutsch

nationalen.

Die Kommunisten überhäuften die Sozialdemokraten wegen ihrer Zustimmung zu diesem Staatsvertrag noch einmal mit wüsten Beschimpfungen. Sie müssen aber wohl überzeugt sein, daß das Konkordat seinem Inhalt nach zu solchen Angriffen gar feinen Anlaß bietet, denn sie erfanden die wirklich plumpe Lüge, daß die Zustimmung der Wirtschaftspartei durch ein Versprechen der Miet erhöhung erkauft worden wäre. Dabei waren die Kommunisten so total von allen guten Geistern verlassen, daß sie gegen den fozialdemokratischen Antrag stimmten, durch den der Regierung das Recht gegeben wurde, den Freidenferorgani

land etwas zu spüren bekommen, weder ein Lehrer, noch ein Arbeiter, und tatsächlich wird durch diesen Kirchenvertrag am be­stehenden Rechtszustand auch nicht im geringsten etwas zum Nachteil

des Staates geändert.

Der Bandtag wandte sich dann der Erledigung eines halben Dutzend von Mißtrauensanträgen zu, die von allen Rechtsparteien beantragt waren, teils wegen der Studenten­ausschreitungen am 28. Juni in Berlin  , teils wegen der Frankfurter   Reichsbannerrede des Genoffen Grzesinsti. Die Debatte darüber nahm viele Stunden in Anspruch und zog sich bis spät in den Abend hin. Besondere politische Bedeutung tam dieses minderwertige Sommertheater nicht beanspruchen.

Ministerpräsident Braun erflärte furz und flar, daß Studenten, die die Bannmeile verlegen, von der Polizei genau so behandelt werden müßten wie kommunistische Arbeiter, die das gleiche tun, und Innenminister Grzesinski   erläuterte seine Frankfurter   Reichsbannerrebe, in der er von den Laternenpfählen gesprochen hatte, fehr einfach, indem er ihren Wortlaut vorlas. Die Abstimmung über die lächerlich gehäuften Mißtrauens­voten findet am Donnerstag mittag statt.

Danzig   und Gdingen  .

Bom Fischerdorf zum Konkurrenzhafen.

Von Fritz Hirschfeld- Danzig.

Als vor etwa neun Jahren langsam und zaghaft in einem fleinen polnisch gewordenen Fischerdörfchen an der Ostsee   die ersten Spatenstiche zum Bau eines großen Hafens getan wur­den, variierten die Danziger Freunde des Herrn Her gt sein bekanntes Wort aus dem Weltkrieg von den Amerikanern, die nicht über den Ozean fliegen könnten": Laßt die Polen  in Gdingen   nur ruhig bauen, meinten sie, daraus wird doch nichts, und wenn, dann wird kein Schiff, das eine andere als die polnische Flagge trägt, in diesem Hafen anlegen. Nun, die Herren haben sich mit derselben Eleganz geirrt wie damals Hergt. Die Polen   haben gebaut, sie bauen noch, und es fahren Schiffe aus und ein, deren Flaggen den ver­schiedensten Nationen angehören,

Aus dem Fischerdorf Gdingen   ist in nicht einmal zehn Jahren eine Stadt von 30 000 Einwohnern geworden. Eine Stadt, von der man meinen fönnte, sie sei hergerichtet für eine Filmaufnahme. So fast unwirklich ist sie für west­europäische Begriffe. Auf einem großen Gelände verstreut stehen Billen und kleine Häuschen, Bretterbuden mit Stroh= dächern, kleine, halbzerfallene Katen und unmittelbar daneben erheben sich großartige moderne Bauten, Staatsgebäude, die eine Zier für jede Großstadt sein könnten, städtische Bauten und Wohnhäuser. Eine Bautätigkeit ist hier entfaltet worden, zu der nicht nur der irrationale Begriff des polnischen Nationalstolzes, sondern in erster Linie der reelle Wert guten Geldes aus der Tasche der Steuer­zahler verwendet worden ist. Und dieses Geld ist es auch, bas Gdingen   daran denken läßt, in nächster Zeit ein großes Theater, ein Krantenhaus und wer weiß was noch alles zu bauen. Borläufig aber genügen noch für die ,, kul­turellen Bedürfnisse" dieser aus dem Boden gestampften Stadt einige Kaffees mit Musik und Tanzdielen. Und wichtiger als ein Theaterbau, ist für eine Hafenstadt die Anlage guter Straßen. Außerdem sieht es besser aus und wirkt repräsen= tativer, wenn die Verkehrspolizisten, die heute an den Kreuzungspunkten von schlechten Dorfstraßen stehen, auf Pflastersteinen oder gar Asphalt ihren bisher nicht sehr an­strengenden Dienst versehen.

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Gdingen   ist also als Stadt sehr interessant. Aber es hat den Vorzug, noch mehr zu sein. Es ist ein Problem". Militärisch, wirtschaftlich und politisch. Ein Problem, das unter engerem polnischen Gesichtswinkel seine erfreulichen Seiten haben mag, unter Danziger Aspekten einige Bedenklich­feiten hat, und vom deutschen   Standpunkt aus auch nicht mit den angenehmsten Gefühlen betrachtet werden kann.

Das Militärische sei hier ausgeschaltet, obwohl Gdingen  wohl vor allem darum entstanden ist. Das Politische ergibt fich, wie überall, aus dem Wirtschaftlichen  . Gdingen   hat heute einen fast so großen Schiffsverkehr wie die alte Hafenstadt Königsberg  . Nach dem polnischen Projekt soll es 1932 der modernste Hafen der Ostsee   sein. Es ist fein Zweifel, daß es Bolen gelingen wird, wenn vielleicht auch nicht in der vor­gesehenen Zeit, so doch einige Jahre später, dieses Ziel zu verwirklichen. Schon in diesem Jahre soll Gdingen   die gleiche Umschlagsfähigkeit haben, die im vergangenen Jahre Danzig  geleistet hat.

An sich ließe sich wenig dagegen einwenden, daß ein 30- Millionen- Staat neben dem Hafen des Freistaates Danzig  , durch den ihm ja ,, der freie Zugang zum Meere" gewährleistet ist, noch einen eigenen Hafen besitzt. Doch diese beiden Häfen liegen in der Luftlinie nur 15 Kilometer ausein­ander, so daß man mit bloßem Auge ganz klar und deut­lich von dem einen Hafen aus die Schiffe auf der Reede des anderen Hafens liegen sieht. Platonisch ist Gdingen   also nur eine gewaltige Erweiterung des Danziger Hafens auf polni­schem Boden. Praktisch dagegen ist es ein eigener, unter Um­ständen sogar ein Konkurrenzhafen. Denn Gdingen  besitzt eine eigene Eisenbahnzufuhrstraße, die der polnische Verkehrsminister Kühn in einem Artitel als ,, eine Umgehung Danzigs  " bezeichnet hat.

Bei dem Bau des Hafens Gdingen   hat man an alle Eventualitäten gedacht und sich darauf eingerichtet, ganz ab­gesehen von der Konkurrenz gegen die deutschen   Häfen, auch mit Danzig   auf das Babanque- ,, Spiel der freien Kräfte" ein­laffen zu können. In Danzig   selbst haben zuerst die Leute mit dem faufmännischen Fingerspißengefühl diese Tatsache in ihre Kalkulationen einbezogen und find unter großzügiger zurück­stellung ihrer sonst so gern betonten inneren Berbundenheit mit Deutschland   nach Gdingen   übergesiedelt. Fast alle

fationen von sich aus die Rechte öffentlicher Körperschaften zu Großfeuer in Alt- Stralau Danger Großfirmen find dort bereits vertreten, einzelne

verleihen. Erst sehr energische Zurufe veranlaßten die fom­munistischen Vorfämpfer der Freidenker, sich wenigstens der Stimme zu enthalten. Mit den Stimmen des Zentrums wurde

Die Engelhardt Brauerei brennt.

der Antrag zugunsten der Freidenter ange. Die Engelhardt Brauerei in Alt- Stralau

nommen.

Der Kampf um das Konkordat war damit abgeschlossen. Wir find überzeugt, daß er in den breitesten Boltsmassen noch rascher vergessen sein wird als andere große politische Kämpfe. Denn tat­fachlich wird von diesem Kirchenvertrag niemand in ganz Deutsch

wurde gestern abend von einem verheerenden Groß. feuer heimgesucht. Bei Redaktionsschluß ist noch ein großes Feueraufgebot mit den Löscharbeiten beschäftigt. ( Weiterer Bericht siehe 2. Seite 1. Beilage.)

Warenzweige find ganz und gar ,, ausgewandert".

Man scheint demnach auf die Zukunft Gdingens min­destens ebenso viel zu geben wie auf die Gegenwart Danzigs  . Das ist um so verwunderlicher, als auch der Danziger Hafen   sich ständig modernisiert und außerdem Polen   verpflichtet ist, den Hafen Danzigs   voll auszunuzen." Der polnische Handelsminister Kwiatkowski, der als Ingenieur gern Vergleiche aus der Physik heranzieht, hat einmal die Erscheinungen der Wirtschaft in Parallele zu den