-Unterhaltung unö Wissen
Vellage des Vorwärts
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OTit Jim mar es seit einiger Zeit nicht mehr geheuer. Di« saftig dicken Nüstern seiner übermäßig breitgedrückten Nase blähten sich zu häufig ohne Anlaß in dem wie mit billiger Schuh- wichse blankpolierten Negergesicht; wobei die Augen ihre Räder schlugen, irrer als sonst— zwei große, weiße Taler von sagenhaftem Wert. Der Neger haßte. Er haßt« ziellos darauf los, körperlich schmerzhaft: er haßte den Zirkus, in dem er arbeitet«, er haßte sich innerlich wund. Das Schicksal war es, das da haßte. Jim fegt« verbissenen Gesichts den schwarzgrünen Klumpen auf. den Allah im Sand der Arena hinterlassen hatte, der wuchtig« Greis unter den Elefanten. Jim hörte den glückhaften erfrischenden Jubel nicht, der sich fontänenmäßig, Ruck um Ruck aus tausend Kinder» kehlen über die Späß« des Clowns in die hoch oesdämmernd« Zelt- kuppel warf, deutlich unterschieden vom abgestandenen Gelächter der Logen. Athletisch schullerzuckend steht Jim abseits: feine eierweißen Augäpfel drehen sich blicklos, träge in ihren Scharnieren, während das loyal«, weiche Kamel mit dem menschlichen Gesichtsausdruck eines entlegenen Exoten hin und wider schreitet, oder während mager« Mädchen Jet-flirvend hopsen, hin und wieder aufpiepsend, wie Puppen, denen man auf den Bauch drückt. Jim, der Lakai im bunten Dreß, ein Knecht und ein Stück Pixh, weniger kostbar als der sechsundzwanzigste Seehund im klebrig» kallen Fischegeruch des Bassins, bleckt die räuberischen Zähne und wirft den wollig verputzten Schädel leicht nach hinten, daß eine dick« bloßrosa Zunge sichtbar wird und außerdem ein unangenehm Helles, verwaschenes Zahnfleisch. Eben sind sechs verschieden« Persönlich- keiten draußen, die Elite der Pferd«.„Ediths und„Iwan" sind renitent. Während das Publikum atemlos bangt, muß Jim plötzlich lichen. Breit, satt, bis an die Ohren: die riesenrunden weißen Augen werden gemütlich klein in seinem großen Grienen:„Ach, ihr ver» elendeten Biesterl Schlaft doch nicht. Tierel Ihr! Warum ver» bündete ihr euch nichtl? Er ist ja nur so«in dünner Mensch im Frack! Alle zusammen seid ihr ihm doch über!* Jetzt!! „Jimmey, schmutziges Dieh, döst wieder. Rranl' knurrt und krächzt es in türkischer Sprache. Richtig. Nun kommen die großen Tiere, fünfzig Löwen , sieben Tiger. Das hohe Eifengerüst der Manege, mit den Eisengerüsten des Ganges in die Käfig«, steht. Das klein« Türchen seitlich, da« der Dompteur mit lässigem Lächeln, elegant scharwenzelnd, gleich de» treten wird, ist aufgeschlossen. Brüllend springen die ersten Könige
der Wüste ins freie Rund, gähnend trottet einer an mit dem schlaffen Gang eines bankerotten Bankiers, ältlich, wurstig, mit einer ver. lotterten Seele: ein anderer hemmt hie und da den energisch ver. haltenen Schritt, ein leises Grübeln im sagenhaften Antlitz. Sphinxe, die an ganz ander« Dinge denken, hocken sie endlich auf ihren be» mallen lächerlichen Sockelchen. Es mutet gemein wie ein« Zote an, wenn alle plötzlich Männchen machen. Jim ist erregt. Zorn und Gelächter randaliere» auf seinem Herzen wie mit Fäusten. Während mit leichten inneren Wider» ständen die lächerlichen Akte der Löwendressur im atemlosen Gaffen der Masse stehn, hat„Jack", der Tiger, sich dekorativ� abseits zu hallen, bis er dran kommt..Lack' drinnen hinterm Türchen, Jim draußen davor..Lack' schlechtgelaut, Jim, mit dem Eisenhaken. muß ihn von. draußen pieken. Oder... man könnte das Türchen auch öffnen. Das wäre ein Spaß. Es trommelt los in Jim, er möchte steppen, er möchte singen, klagend und brüsk, tierisch, innig. Die Tür ist offen. Jim hat es nicht gewollt. Der Tiger ,Lack' ist in der roten Loge. Im Gang zum„ersten Platz' steht Lack' ver. wundert still.— Und nun erst haben sie alle ihn gesehen. Ein Schrei aus tausend Schreien, nicht enden wollend, gründliches Geschrei, Gepoller, Flucht, Flüche, Geheul bricht los. Der große Zirkus ist in Minuten geräumt. Di« Riesenkatze schreitet gelassen die runden Reihen ab, sie faßt es wohl nicht, frei zu sein, doch den todbleichen Bändiger saucht sie an— und dann ist sie verschwunden... Bis in die späte Nacht ist die Umgebung erfüllt vom ängstlichen Gewisper der Gaffer und vom Kommandogeschrei empörter Polizisten. Der Tiger Lack' häll sich verborgen. Als aber Jim im kalkigen und schimmelbleichen Morgen-Mond» licht schlotternd, denn ihm war übel, um die düster geklumpten Stallungen schlich, begegneten ihm vor dem verriegelten Käfig der sieben Tiger die schwefligen Blicke der ausgesperrten Bestie, die dort. mit dem Kopf aus den Tatzen, sehnsüchtig lagerte. Jack!! Ein heißes Brüllen,«in Gurgeln geifernden Speichels— und des Negers Knochen krachten: zu einer Faust voll Fraß geknäult. Blutgeruch. Ein Knurren und Raunen die Reihen lang. Ein Paar Dromedare wiegen gütig, mit weit hervorgekrümmte» Hälsen ihre unwahrscheinlichen Windhundgesichter... verschmitzt. Fünf riesige Büffel aber, die sicherlich viel von Sterndeutung wissen, nicken weise und kaiserlich in ihrem bedächtigen Traum vom Untergang Aethiopiens im bleichen Mond eines weihen Morgens.
Mittwoch 24. Zill» 1929
Anlon Schnack: Südliche W.orgenUunde Jetzt ist das Zimmer erfüllt von einer großen Hornisse, die den süßen und ausreizenden Geruch aus einer Schal« voll zuckersaftiger Kirschen weit in ihrer grauen Felsenrist« oder in ihrem zerschabten Baumloch gespürt hat. Sie fliegt suchend die weiße Decke entlang. ihr ganzer Leib ist durchzittert von Spürsinn, der sie immer wieder von der harten Källe der geweißten Decke zurückprallen läßt. Zornig klingt ihr Flügelgeräusch auf dem lichtblauen Glas des geschlossenen Fensters, auf das sie sich gestürzt hat, und durch das trügerisch der unzetrübte Himmel, die glühende Fläch« de» Meeres und im Felsgestein der immergrüne Strauch der aromatischen Myrrhe mit elsenbeinweißen und zärtlichen Blicken lockt. So ist es immer: du goldenes Tier mit wildem spielenden Stachel, auch uns locken die Düfte unbekannter und süßer Dinge, die in irgendeinem Dunkel verborgen sind und denen wir entgegen. treiben, erwartungsvoll, suchend, neugierig, unüberlegt und bereit, Gefühl. Hunger und Wißbegierde an ihnen zu erproben und zu be- friedigen. Ich lauere auf diese Stachelliere, sie sind die einzigen Tiere, die ich hasse: und zwar schon von den Tagen der Kindheck on. da ich an einem Rain mck kleinen braunen Schneckenhäuiem spielt« und plötzlich von einer dieser Wespen in das weiche Fleisch des Kinder- arms gestochen wurde, obwohl ich nichts anderes tat als dazusitzen, mit einem Brot daneben, auf das mir die Schwester süßes Zwetschgenmus gestrichen hatte. Es ist schon die Fünfte, die mit gekrümmtem und auseinander- gerissenem Leib am Boden vor dem Fenster liegt. Verzeih« mir, Geist der Tier«, daß ich sie mordet« mit der dünnen Spitz« meine» Schreibstistes: es ist die einzige Grausamkeit, deren ich gegen Tier« noch sähig bin! Du mußt es wissen, Geist, wie es mir unmöglich war, dem kleinen Krebs« Beine und Scheren abzureißen, um den Leib an die Angel zu spießen: denn der Meersisch beißt nur das, was gleich ihm im Meer« lebt und gedeiht. Du mußt es wissen, wie mein Iagdblut sich nach dem schwanken- den Bambus des Angelsteckens sich sehnt, wenn die Schwärme der Fische aus dem schwarzen Schein der Tiefe auftauchen und am Uferrand entlangtreiben, um den verfaulten Schlamm nach Fraß zu durchstreifen. Hier sah ich auch eine jung« Meerschildkröte schwimmen: ich an dich großen und wilden Geist der Tiere denkend, enthiell mich jede» Steinwurfes und l'eß sie, die unbeirrt und schwankend vorwartsschwamm. in den Höhlungen des Uferrandes verschwind«». Ich weiß, bah du mir. da ich diese» denke, gütig gesinnt bist: denn im Gewirr der phoniztschen Sadebäum« und de« immergrünen Kreuzdorns singt«in mir unbekannter Bogel, ein« Längergrosmücke oder«ine Llaudrossel vielleicht, jetzt die Melodie feiner Stund«. Dann,»>enn der heiß« Mittag kommt, wird sie schweigen. Zunächst ist es ein Ton, als hätte er zu warnen oder einer Erregung Aus- druck zu geben. Dann wird er süßer, schwellender, mit schluchzenden Lauten angefüllt, hingeworfen o»i««in abgestimmter Fall von klingenden Kugel» und in einen langen klagenden To» hingehalten. Dazwischen hwein springt und fällt da» zwckschernd« Geplapper einer Felsen meise. Dreimal am Tage läßt du mich ihn, Geist und Pan des steinigen Abhanges, hören. Zum erstenmal morgens, wenn die dunklen und verbrannten Jnfelbauern, mit den roten Mützen auf den Ohren und den riesigblauen Pluderhosen um die Schenkel auf Segelbooten in die Bucht treiben und die Berg« ganz erstarrt und steinkalt aus der kühlen Rächt sich schälen. Ehe ich noch meinen Traum beende, singt der Vogel sein« zarte, schwermuthafte Strophe aus dem wilden Granatapselbaum. Man kann feine Kehle einer Flöte vergleichen, die ein trauernder und in sich versponnener Knabe bläst. Wie soll ich ihn deuten, diesen reinen rufenden Ton der Morgenkühle, der ich mich mck nackten Füßen über den Stein der Terrassen schleich«, um nach dem Sänger zu spähen, wie er seine klopfend« Kehle durch das Gezweigs pochen läßt. Unergründlich bleibt mir. wovon der Vogel singt: von dem Haus« vielleicht, das Schatten über den Baum wirft, der da am Felsen hängt, und in dessen Gabel dein Reit, selig« Kreatur, in kaum gewahren Wind« zittert? Bon dem Mädchen, da» bald an den Strand kommen wird und mck Mlffcheln spielt? Von mir, der ich nach den Segelbooten spähe, die hölzerne Fässer an Bord und weiße erlegte Fische unter den Ruderbänken haben. Aber was geht ihn das Menschlich« an! Sein« Geheimnisse, fem« Gefühle, sein« Stimmungen, seine Klagen bleiben mir so unbekannt wie die Gesetze, die das Gestirn des Großen Wagens im diamantenen Wirbel der hohen Sommernacht aufbauen. Den ganzen Mittag wird er ruhen: dann ist nur das Geräusch der Wellen vernehmbar und das leichte Sausen des Mistralwindes, der weit draußen auf dem Meer« sich um die Zeit erhebt, wen« die Kraft der Sonn« am stärksten und glühendsten ist. Der Bogel ist verstummt, nun ist Schweigen. Aus der Terrasse liegt mit weißen atzenden Feuern die Sanne. Der Ausschnitt der Tür«, durch die ich schiue, halt mir die Spitz« einer Zypresse ent- gegen, di« starrend und unbewegt mit schwarzem Riß die Bläu« schneidet.
�ropJfcfic Früchte bei SSerttn Wie bekannt ist der Bersuch. mck Abwärme Tomaten- und Gurkenzucht einzurichten, in verschiedenen Kraftwerken mit Erfolg durchgeführt worden. Zuletzt im Kraftwerk Klingenberg bei Berlin . Wenn man die Abwärme nitht für städtische Zeickral- Heizungen verkaufen kann, und das wäre sa nur einig« Wintermonate hindurch möglich, so ist die landwirtschaftliche Verwertung von größter volkswirtschaftlicher Bedeutung. Diese gelungenen Bersuch« haben weitere Pläne gezeitigt. Man sagt sich: wenn die Gurken bei 24 Grad gut gedeihen, warum sallen wir nicht Bananen oder Orangen bei 26 und 28 Grad zu ziehen versuchen? Dieses Problem ist volkswirtschaftlich noch inter- essa nter, weck es— tn weiter Ferne zunächst— uns unabhängig nwchen tonn von Einfuhr, well es viele Millionen jährlich er- sparen lehrt... sobald die Sache gelungen sein wird. In aller ©litte sind Voroersuch« ausgeführt, die an Erfahrungen in thürin. gifchen Treibhäusern anknüpjen. Was daraus wird, kann noch nicht festgestellt werden. Auf oll« Fälle sind die Versuch« inter- essant und wichtig.
SCardl norm: Ä«? AntvIRvStt „Wie sah er denn aus?' fragt man Amalie.„Wie ein Per- brecherl' Und nun schildert Amalie, wie sie sich einen Verbrecher vorstellt. Das ist also ein Mann mit blitzenden Augen, vorspringen- dem Kinn,«in Mann, der ein Knüpftuch um den Hals und eine Mütze auf dem linken Ohr trägt. Amalie schildert den Verbrecher so. wie sie ihn in Detektivfilmen gesehen hat. Nun ist das Leben eines.Film-Berbrechers' meistens viel amüsanter als es In Wirk- lichkeit ist. Die Verbrecher im Film oder im Roman sind mit einem Schimmer von Romantik umgeben, sie gehen nachts vermumntt auf Raub aus, sie hocken in Kaschemmen, die einen malerischen Anstrich haben. Solche Kaschemmen, wie sie im Aufnahmeatelier aufgebaut werden, gibt e» in Wirklichkeck gar nicht. Die Lokale, in denen Verbrecher verkehren, unterscheiden sich im Aeußeren absolut nicht von einer Stehbierholl«. Und die Herren Verbrecher gehen tadellos in Schale, sie pfeifen auf das Knüpftuch und di« Ballonmütz«. Ach, und sie haben so gar nichts van Roman- tik an sich, di« Geldschrankknacker, Hochstapler und Taschendieb«. Eine verhöllnizmäßig kleine Schar ist es. die den gewaltigen Appa. rat unserer Kriminalpolizei in Bewegung hält. Eine verlialtnis- mäßig kleine Schar ist es, di«. sobald ste ihr« Strafe abgesessen hat, sofort wieder zu ihrem Werkzeug greift und Geldschränke knackt. Taschendiebstähle ausführt, erpreßt, betrügt oder gar mordet.$ie Straf« schreckt den Berufsverbrecher nicht ab. Mag man ihn fünf oder zehn Jahre einsperren, er wird sich in sein Schicksal fügen wie ein Soldat, der in der Schlacht gefangengenommen wurde. Der bekannte Kriminalist Robert Heindl findet beim Beruf?» oerbrecher drei charakteristische Merkmale vertreten.„Das Motiv der Tat ist Gewinnsucht. Das zweite Charakteristikum fft die rasch« Aufeinanderfolge der Straftaten. Das drille besteht in der An- wendung einer ganz bestimmten Arbeitsmethode. Nichts kann den Berufsverbrecher hindern, immer wieder dasselbe Spiel zu spielen. Und wenn er auch weiß, daß es sein Verderben bedeutet, er kehrt wieder unter hypnotischem Zwang stet» zu seinem Spezialtrick zu- rück. Ein Beispiel: Der englische Bankräuber Mahon. der 1!V>8 in der bayerischen Hypotheken- und Wechselbonk zu München eine Gastrolle gab. Er wechselte Geld, griff im„psychologischen Moment' durch» Schalterfenster nach einem Bündel hochwertiger Banknoten und rannte damit davon. Er hatte allerdings den stämmigen Portier nicht in Rechnung gestellt. Dieser sonst etwas phlegmatische Türhüter hielt den Flüchtling am Hauptportal der Bant an. Per- sonolien, Antezedenzien, letzter Aufenthalt waren zunächst nicht zu ermftteln. Der Engländer verweigerte jed« Aussag«. Schließlich stieß ich beim Durchsuchen seiner Effekten, die man in einem Hotel- zimmer fand, auf ein Reichskursbuch. Es war offenbar viel ge- braucht, aber noch tadellos sauber erhalten. Ich stellte nun fest, »»«lchs Seiten benutzt waren, indem ich ein van mir schon öfter erprobte» Verfahren anwandte: ich preßte das Buch zusammen und betrachtete dann die Schncktflächen. Di« benutzten Sellen hoben sich als dunkle Streifen auf weißem Grunde ab. So konnte ich die Reiseroute des Engländers, di« durch Deutschland , Oester» reich, Italien und Frankreich führte, in allen Details konstruieren. Allen Polizeibehörden, die auf der Route lagen, wurde der Sach- verholt und das genaue Signalement mitgeteilt, und au» den meisten Städten tras die Antwort«in, daß dort genau derselbe Nebersall sich obgespieU hotte.' Die Berufsverbrecher bilden einen Staat im Staate. Sie sind ausgezeichnet organisiert. Meist finden sie sich in Vereinen, die «inen harmlosen Namen tragen, zusammen. Wer einmal Gelegen- hell hatte, einer Geselligkeit oder einer anderen Veranstaltung der Professionellen beizuwohnen, ist zumeist enttäuscht von disser Art
übelster Spießbürgerlichkeit, die sich unter ihnen breit macht. Ich habe einmal erlebt, daß ein mehrfach mck Zuchthaus bestrafter Junge vor einem würdigen Brautpaar die kitschigsten und senti- mentalsten Gedichte aussagte, in einer absolut nicht parodierenden Weise. Er tratschte von sonnigem Familienglück, Kindersegen, und war von seinen Phrasen derart. gerührt, daß ihm die Tränen in den Augen standen. Drei Tage später schlug er einem Familien- vater mit einem Eisenstück auf den Kopf. In diesen Sport- oder Geselligkeitsvereinen werden oftmals sehr hohe Beiträge erhoben. Und das ist ja auch verständlich, wenn man bedenkt, daß die Organisation die Rechtsanwälte bezahlt, flüchtende und im Gefängnis sitzende Mitglieder unterstützt, llnd der Berufsverbrecher ist ja überhaupt nicht knauserig. Es tomlnt ihm gar nicht darauf an, den Erlös einer Beute an einem Abend mck Freunden und Mädchen zu verjuxen. Außerdem muß er stets damit rechnen, gefaßt zu werden, und dann mill er wenigstens die Genugtuung haben, auf ein paar flott erlebte Wochen zurückzu« blicken.
Weinrich'Memmer:&ilv dt 6 Dos chinesische Totenfest— das in die heißest« Jahreszeit fällt— hat nichts von der unsicheren Melancholie des unseren, Man zieht freudig aus(ein ganzes Dorf, eine Stadt), um die Toten als gute Freunde zu besuchen. Die chinesische Religion kennt weder Gott , noch Jensecks, sondern nur vergötterte Menschen, und das sind eben di« Ahnen, die man aus tiefstem Grund der Seele ver» -ehrt und im übrigen behandelt, als wären sie gar nicht tat: als waren sie nur pensioniert vom Leben und seinen Mühen und nähmen Anteil an unserem Tun und Treiben und wären bereit, Uns" zu helfen, wenn mir danach sehen, daß ihnen ihrerseits nichts ab» geht, draußen in ihrer Retrait«, im Hause der Ewigkeit, das man einander ja schon bei Lebzeiten schenkt, als passendes Geburtstags- g«schenk oder so. Man bringt den Taten daher nicht so llnnützes wie Blume», sondern stellt ihnen Leckerbissen auf di« weißgetünchten Grabhügel: da? Beste vom Besten. Dabei entschuldigt man sich wie(vi einem fürstlichen Gast, daß man ihm nicht noch mehr bieten könne, weil eben dies und jenes in dieser verslirten Zeit nicht recht gestoppt habe, und bittet die Toten, mit dem Gebrachten gütigst vorlieb zul nehmen und es sich gut schmecken zu lassen. Ich habe«ine chinesische Mutter an einem kleinen Grabhügel ihr Kind anrufen hören: es möge sich vor dem Gewitter nicht fürchten, die Sonne käme gleich wieder zum Dorschein. Wenn die Chinesen mit ihren Tpten ge- sprachen und ihnen den letzten Tratsch erzählt haben, fühlen sie sich in ihrem materialistischen aber treuen Herzen erleichtert, plouder», lachen und rauchen... � Nun hat für da» sünftausendjöhrige Reich ein« neue Estachs begonnen, es gibt Tausende der modernsten Schulen, geineinsain« Erziehung der Gsschlechter, frei« Zeitungelesehallen und Vortrags-- fäle, Freiluft- und Analphabetenlschuleo, den modernsten Komfort und den Klimbim europäischer Bergnügungsetablissements. Einmal traf ich in einem Schanghaier Nachllakal, wie man es am Kur» sürstendamm nicht luxuriöser findet, einen Chinesen von dör letzte» Boulevardeleganz und eine Bubikopfchinesin, die ich beide zu meinem Erstaunen beim letzten Totenfest die altväterlichen Speijeschüssel» auf«in Grab hatte stellen sehen. Nachdem mir viel geplaudert, ge- raucht und getrunken hatten, erlaubte ich mir die Frage, ob. nach Ansicht des chinesischen Dandys die Ahnen tatsächlich von de« Speisen essen, die man ihnen auf» Grab hinausstellt. „Oh ja,' sagte mem genialer Mann,„die toten Chinesen esse» von den mitgebrackten Speisen mit ebensoviel Genuß wie die toten Europäer an den Blumen riechen, di« ihr ihnen aufs Grab legt.'