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BERLIN  Montag 30.September 1929

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228 46. Jahrgang.

Der Abend

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Spätausgabe des Vorwärts

Reichstag und Arbeitslose.

Großkampftag um die Versicherung der Arbeitsopfer.

Glauben die Bolkspartei und ihre Presse ernstlich, daß die Reform gegen die Sozialdemokratie und gegen die Gewerk­schaften gemacht werden kann?"

reaftionären Angriffe der Unternehmer und ihrer politischen Organe [ prengen wollten. Die Entscheidungen über die Arbeits­losenversicherung werden im übrigen nicht heute, sondern voraus sichtlich erst am Mittwoch und am Donnerstag fallen.

Die entscheidende Schlußßigung des sozialen Ausgerung der Gemeindefürsorgelaften in einem Maße,| hier wieder die Abwehrfront der Arbeiterklasse gegen die sozial­schusses zur Arbeitslosenversicherung hat am Montag daß eine starte Erhöhung der Realsteuern unvermeidlich wäre". vormittag stattgefunden. Der§ 1 der Vorlage über das Im Anschluß daran wird gefragt: bis 31. März 1931 befristete Gesek wurde gegen die Stimmen der Rechtsparteien und der Kom­munisten angenommen. Der Paragraph enthält die Neuregelung der Unterstützungssäte für die Saisonarbeiter, die danach wieder in die Ver sicherung einbezogen werden, so daß auch die bisher bestehende Bedürftigkeitsprüfung endlich in Wegfall

tommt.

Alsdann kam der heißumstrittene Paragraph 2 zur Abstimmung, der die allgemeine Kürzung der Unterstützungssäte bei weniger als 52 Arbeits­wochen bezweckt. Dieser Paragraph der Regierungs­vorlage ist gefallen. Auf Antrag Lemmer  ( Dem.) wurde ein neuer§ 2a beschlossen, wonach bei erit maliger Inanspruchnahme der Unterstützung die An­wartschaft 52 Wochen betragen soll.

Die im§ 3 vorgesehene Verlängerung der Wartezeit für die Saisonarbeiter wurde abgelehnt. Der Sonderbeitrag von 1 Proz. für die Saison­arbeiter im§ 5 ist ebenfalls abgelehnt worden. allgemeine Beitragserhöhung um ½ Proz. ist im Ausschuß auch diesmal nicht zustande. gekommen, da nur die Sozialdemokraten dafür stimmten. Diese wichtigste politische Entscheidung wird im Plenum des Reichstags fallen müssen.

Im Reichstag   herrschte heute vormittag jene lebhafte Be­wegung, die stets den großen Tagen vorangeht. Die Plenar­fizung ist auf nachmittags, 3 Uhr, anberaumt, aber schon in den Morgenstunden haben sich mehrere Ausschüsse versammelt. Im Sozialpolitischen   Ausschuß werden die letzten Vorberei tungen für die Entscheidungen getroffen, die der Reichstag   für die Arbeitslosenversicherung zu fällen hat. Der Handelspolitische Aus­schuß führt eine Aussprache über den Stand der Handelsver­tragsverhandlungen. Der Ausschuß für die besetzten Ge­biete beschäftigt sich mit einer großen Anzahl von Petitionen. Um die Mittagsstunde kommen auch die Abgeordneten, die an den heutigen Ausschußverhandlungen nicht beteiligt sind. Ununterbrochen läuten die Telephone im Bureau des Reichstags, in den Zimmern der Fraktionen und der einzelnen Abgeordneten. Immer wieder der Wunsch nach Tribünenkarten. Aber die verhältnismäßig geringe Bahl von Plätzen ist längst vergeben.

Diese Frage wird mit der Aufstellung folgender Rechnung be­antwortet: Wenn sich eine Koalition zum radikalen Abbau der Arbeitslosemunterstützungen bereitfände, so würden ihr nicht nur 153 Sozialdemokraten, 54 Kommunisten und 12 Nationalsozialisten gegenüberstehen, sondern zu ihnen müßte man auch noch die 28 Ge­werkschaftsabgeordneten der übrigen Parteien zählen. Den 244 Ab­baufreunden würden also 247 Abbaugegner gegenüberstehen."

Es bleibt abzuwarten, welchen Eindrud Ausführungen dieser Art auf die Volkspartei machen werden. Der Standpunkt der fozialdemokratischen Fraktion und der freien Gewerkschaften, der fich gegen jeden allgemeinen Abbau der Arbeits. losenversicherung richtet, ist bekannt genug, so daß er hier nicht noch einmal dargestellt werden braucht. Von diesem Standpuntt werden sich die Sozialdemokraten nicht abbringen lassen, auch wenn die Kommunisten mit ihrem bekannten Berratsgefchrei auch

Beschluß der Zentrumsfraktion.

Die Zentrumsfraktion des Reichstages hielt am Sonntag im Reichstage unter Vorsitz des Abgeordneten D. Perlifius eine Sigung ab, über die folgender Bericht ausgegeben wurde:

,, Die Zentrumsfraktion des Reichstages hat sich in ihrer heutigen Sihung in eingehender Aussprache mit dem gegenwärtigen Stand der Verhandlungen über die Arbeitslosenversicherung beschäftigt. Sie fieht Peine   Beranlassung, von den in Koblenz   gefaßten Beschlüffen abzugehen, die den Unterhändlern der Fraktion entgegen anderslautenden Meldungen in den letzten Verhandlungen als Grundlage gedient haben. Sie billigt einmütig die Bemühungen ihrer Unterhändler, eine für alle Regierungsparteien annehmbare Lösung zu finden."

Bon diesem Beschluß ist die sozialdemokratische Frat­tion in kenntnis gesezt worden. Nach der Sigung des Sozialpolitischen Ausschusses tritt die Zentrumsfraktion heute zu erneuter Beratung zusammen.

Wetterfatastrophe in Amerika  .

Ueberschwemmungen und schwere Schäden.

Wie aus Havanna   berichtet wird, stehen dort die Uferstraßen

Wie aus Miami   gemeldet wird, herrschte in Key| beraubt und zahlreiche Palmenbäume direkt über dem west ein Wind von 65 Meilen. Alle Häuser in Boden abgebrochen. Rehwest sind mit Brettern verschlagen. Die Schiffe haben doppelte Ankertrossen ausgebracht. Die kleineren Fahrzeuge sind auf den Strand gezogen worden. Die Straßen in Miami   sind fast ganz verlassen. In vielen Stadtteilen sind die Häuser teilweise ihrer Dächer

Terror.

Auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung steht nur die erste Lesung der Arbeitslosenversicherung. Der sozialdemokratische Präsident Löbe muß sich außerhalb Berlins  einer langwierigen Kur unterziehen. Daher wird Vizepräsident Daß man in Rußland   politische Gegner erschießt, ist in den Augen

der Kommunisten tein Terror.

Esser, der Vorsitzende des Sozialpolitischen Ausschusses, die heu­tigen Verhandlungen leiben. Es ist zu erwarten, daß die Deutsch­nationalen ebenso wie die Kommunisten den Versuch unternehmen werden, den Beginn der sachlichen Verhandlungen des Reichstags zu unterbinden. Schon fündet die Deutsche Zeitung" an, daß die Deutschnationalen ,, unter allen Umständen eine außenpolitische Aus­Sprache erzwingen wollen", und bei diesem Versuche rechnen sie sicher auf die Unterstützung der kommunistischen   Fraktion. Es hat sich allerdings bei ähnlichen früheren Gelegenheiten gezeigt, daß die Deutschnationalen das Erzwingen" nicht so ernst nehmen, sondern Daß Mussolini   seine politischen Gegner auf öde Inseln verbannt,

es den Kommunisten überlassen, sich gegen die parlamentarische Ordnung aufzulehnen und die Folgen dafür auf sich zu nehmen. Inzwischen dürfte man auch in der fommunistischen Fraktion aus den bisherigen Erfahrungen gelernt haben, so daß man, abgesehen von einer gewaltigen deutschnational- tommunistischen Redeschlacht zu Beginn der Sigung, mit einem ruhigen Verlauf der Berhand­lungen rechnen fann.

Viel beachtet wurde ein Artikel der Kölnischen Volkszeitung", dem führenden Zentrumsorgan im deutschen   Westen. Dort wird zuerst der Deutschen Volkspartei gesagt, daß deren Ein sparungsantrag gar feinen Nuzen bringe, denn jede Sen­fung der Leistungen an den Unterstützungsfäßen bedeute eine Stei­

ist für den Faschisten auch kein Zerror an.

AN DIE LATERNE

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ZUCHTHAUS

SCHUTZGESETZ

der

REPUBLIK GESETZ  

Daß aber die Deutsche Republik sich ein Schutzgesetz gegen Atten tate und Beschimpfung schafft, das klagen Kommunisten und Faschisten als Gipfel aller Zerrors an!

teilweise einen Meter hoch unter Wasser. Die Schiffahrt ruhte auch weiterhin vollständig. Das Wetterbureau hat eine neue Sturm­warnung ergehen lassen, in der es heißt, die Schiffahrt in der Florida  - Enge und an der Südostküste Floridas   sei äußerst gefährlich. Man rechnet damit, daß die Bollkraft des Sturmes, der jetzt schon seit Tagen das Gebiet zwischen Florida   und dem merikanischen Golf im Alarmzustand hält, nachmittags oder abends Keywest erreichen wird. Für Kuba   bestehe teine wesentliche Gefahr mehr.

Wie aus August a gemeldet wird, ist die Stadt noch vom Verkehr mit der Umgebung abgeschnitten. Der Savannah  - Fluß, der den. Rekordwasserstand von 15 Meter erreicht hatte, ist wieder im Fallen begriffen. Zwei Bruchstellen in dem Augusta schützenden Deich sind wieder ausgebessert worden. Der gegenüberliegende, mehrere hundert Einwohner zählende Negerort Hamburg   in Süd­karolina und die Niederungen nördlich Augusta stehen teilweise noch 5 Meter hoch unter Wasser. Hamburg   ist gestern von den Einwohnern geräumt worden.

Wie aus El Paso in Tegas gemeldet wird, werden die in der Umgegend von San Maricial durch Ueberschwemmungen an­gerichteten Schäden auf 2 bis 3 Millionen Dollar geschätzt. San Maricial ist geräumt worden. Ein Teil der Flüchtlinge soll in der Nacht in die Stadt zurückgekehrt sein, um die Läden zu plündern.

Labour macht Geschichte.

Der Parteitag der Arbeiterregierung.

Brighton  , 30. September.  ( Eigenbericht.) Der diesjährige Arbeiterparteitag, welcher im Zeichen der zweiten Arbeiterregierung steht, wurde in Anwesenheit von rund 1000 Delegierten aus allen Teilen Groß- Britanniens am heutigen Bormittag durch eine Rede des Parteivorsitzenden   Herbert Morrison  - des jetzigen Verkehrsministers Morrison betonte, daß die zweite Arbeiterregierung außenpolitisch bereits jetzt Geschichte gemacht habe.

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eröffnet.

Die Haager Konferenz schließe das häßlichste Kapitel der Geschichte der Nachkriegszeit. Nach dem Kriege erblickten die sozialistischen  Parteien Europas  , einschließlich der Deutschlands  , in der Wie der= erstellung der verwüsteten Gebiete Frankreichs   und Belgiens   auf often Deutschlands   und wo immer möglich, durch deutsche   Arbeit, das Symbol für einen neuen Geist und die