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Sonnabend

5. Oftober 1929

Unterhaltung und Wissen

Ein maler der Bourgeoisie

Zum heutigen 100. Geburtstage von Ludvig Knaus

Um dieser Frühbilder aus den 40er und 50er Jahren willen ift Knaus denn auch als Maler ernsthaft zu schäzen. Aber es sind nicht allzu viel Bilder, an denen man sich widerspruchstos erfreuen fann.

Benn wir uns an feinen 100. Geburtstag des einst so be| Mommsen, die durch sinnlose Addierung von Aeußerlichkeiten auf rühmten Malers Ludwig Knaus   erinnern, so geschieht es mit einem harmlose Gemüter zu wirken versuchen. Gefühl starker Fremdheit. Was Knaus zu einem Repräsentanten feiner Zeit gemacht hat, ist gerade das, was wir heute von der Runst zu allerlegt erwarten: freundliche Belehrung, literarische Anekdote und Unterhaltsamkeit des Inhalts. Die Zeiten haben sich fehr gewandelt, das Berständnis für eigentlich fünstlerische Werte hat sich im letzten Menschenafter ganz unleugbar gehoben; und zu allen anderen Gründen der Distanzierung zu dieser Malerei der Grüßner, Knaus, Defregger   und A. v. Berner fommt das Gefühl, daß sie Vertreter einer extrem bourgeoisen Gesinnung find, die längst am Aussterben ist.

Daß wir gleichwohl seiner gedenten und mit Gewinn hinab­tauchen in jene Jahrzehnte um 1870, die Knaus erhoben haben, liegt nicht nur an der unleugbaren malerischen Quafität seiner Jugendwerte bis 1860, sondern gerade auch an seiner typisch bürger­lichen Einstellung zum Leben. Denn an diesem, mas einmal galt und mas nun schon historisch wirft, tönnen wir lernen, mie Beben und Kunst nicht sein dürfen: das ist ein unbestrittenes Berdienst folcher Gegenbeispiele. Ich leugne nicht, daß ich die Bilder diefer Genremaler stets mit größtem Bergnügen betrachte. Es ist freilich fein ästhetisches, sondern ein Bergmügen der fritischen Bermuft, die den vergangenen sozialen Zustand in solchen eindeutigen Schilde­rungen äußerst lebhaft und abschredend durchschauen läßt.

Rünstlerisch hat Rnaus zunächst jogar revolutionär gewirtt. Am 5. Oftober 1829 in Wiesbaden   geboren, fam er fchon 1845 an die Düsseldorfer Akademie, lernte aber weniger von der dortigen ledernen Historienmalerei, als an den Vorbildern der alten Holländer mie Ostade und Brouwer, und erregte mit seiner realistischen weichen und stoffbezeichnenden Malweise so großen Widerspruch vor allem bei dem hochmögenden Akademiedirektor Wilhelm Schadow  , daß er im Revolutionsjahr 1848 die Düsseldorfer   Kunstschule für immer verließ und fich, erst 19jährig, selbständig machte. Er begab sich in das hessische Dorf Willingshausen   und studierte dort die Natur, d. h. er malte Bauern und Kinder mit der Abficht, sie zu Genrebildern zu verwerten; mit folchem Erfolg, daß ihn sein erstes größeres Bifb Hessischer Bauerntanz von 1849 mit einem Schlage in ganz Deutschland   berühmt machte und den Zwanzigjährigen an die Spize der sogenannten Realisten stellte; d. h. der Anekdotenmaler, die sich im Gegensatz zu der offiziellen Langeweile der blechernen Ritter­schinten wenigftens im Detail an die Natur hielten.

Er hat bann wenigstens bis in den Anfang der 60er Jahre diese Naturtreue in freier toniger Malerei festgehalten, nicht bloß in Bauern, Kinder- und Zigeunerbildern, sondern vor allem auch in Porträts( von denen einige, wie der ausgezeichnete Waagen, in der Nationalgalerie hängen), die zweifellos das Beste und Feinfte seiner ganzen Runst darstellen nicht zu verwechseln mit den Schrecklichen Porträtmaschinen seiner späteren Zeit, wie z. B. dem

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Denn das ist das Rennzeichnende an seiner Entwicklung, daß er mit seinem ersten Auftreten, seiner ersten Stoffwahl fogleich ins Zentrum des allgemeinen Wohlgefallens traf; daß er seine Bauern und Kinderbilder, feine Schilderungen von humorvoll triften Eristenzen der Landstraße und von der Großstadt nun unentwegt meitermalen fonnte und mußte, von der Volksgunft und vor allem von der Gunst kaufkräftiger Schichten getragen und genötigt; daß er eigentlich niemals zur Besinnung gekommen ist über Wert oder Unmert seines Genres. Anous fand, wie Defregger  , instinktio sofort das allen Zusagende in der Wahl seiner Stoffe; und dies schon 1849. Er ist der stärkere Bertreter der bourgeoisen Auffassung vom Leben: es ist beinahe gleichgültig, ob er in dem ersten Dutzend Jahre seiner Tätigkeit gut gemalt hat und erst nach 1860( vor allem, seit er 1874 endgültig nach Berfin übersiedelte) immer mehr ins Fahrwasser akademischer Routine geraten ist, die ihn bis zu seinem Tode am 7. Dezember 1910 in Berlin   treulich geleitet hat.

Diese allgemeine Anerkennung in der Gesellschaft des 19. Jahr hunderts hat Knaus   schwer gebüßt mit seiner pofthumen und, man muß sagen, innerlich gerechtfertigten Mißachtung. Denn er gehörte mit Haut und Haaren jener Epoche eines ,, verruchten Optimismus an, die Schopenhauer   vorausahnend gebrandmarkt und verworfen hat; er ist einer der stärksten Exponenten der Bürgermoral, die nicht ins Besen der Dinge dringt, sondern sich an ihrem schönen Schein ahnungslos und oberflächlich ergött. Man fann vom Dornbusch nicht Feigen verlangen; das Genrebild der Knaus und Grüßner ist der lebendige Abglanz einer Zeit, die es nicht besser wußte, die den Schrei der Kreatur nicht hören fonnte und sich mur an den grotesten Fragen des Bajazzo ergötte. Man betrachte alle Bilder von Knaus auf ihre soziale Grundlage hin, und man wird mit Erschütterung feststellen, daß er überall, bei Schusterjungen und Schwälmer Bauern, beim Leiertastenmann, beim Seiltänzer, Schwälmer Bauern, beim Leiertastenmann, beim Seiltänzer, Hausterer oder Zigeuner, über das Menschliche mit unnachahmlicher Leichtfertigkeit hinweggleitet, die innere Not der Menschen nicht bloß mißversteht, sondern ihre fomische Außenseite auch zu einer heiteren Berbrämung der Menschenqual umfälscht, mit einem entsetzlichen Optimismus, der nicht sehen will und nicht sehen kann, was in dem Menschen vorgeht.

Uebersehen wir diese furchtbaren Mißverständnisse, die aus dem eigentlich Tragischen das Amusement zahlungsfähiger Spießer deftillieren, so müssen wir wohl unsere Zeit für beffer halten, die an fich durchaus nicht ideal geworden ist, aber dies Eine wenigstens, diefen blutigen Hohn über Erniedrigte und Beleidigte, offenbar Dr. Paul F. Schmidt. nicht mehr gestattet.

Henry Williamson  : Tarka geht auf Jagd

us bet tu Berlage Dietrich Reimer, Berlin  , erscheinenden Berk Tarla ber Otter, fein luftiges Leben im Waffer und sein Tob im Panbe bet amet life, von denen Billiamson, entnehmen wir mit Genehmigung des Berlages folgenden Abschnitt.

Eines Abends, als die Bojen im Kanal sich durch den Drud der Ebbe westwärts neigten und die Seemöwen still und tief über dem Meere flogen, den dunkelnden Klippen der Landzunge zu, begaben sich Tarta und Greymuzzle auf eine Reise. Sie waren den Lachsen den Fluß hinauf gefolgt, und Greŋmuzzle war mit einer bestimmten Absicht wieder zurückgekommen. In der flaren Luft blinkte das funkelnde Auge des Leuchtturms, der wie ein hoch aufragender, gebleichter Knochen am Rande der Dünen stand. Die Fischottern ritten auf den wirbelnden Wellen, die das Kielwasser eines Segelbootes bildete, stromabwärts, und das Brausen des Baffers in der Barre flang immer lauter. Trübe und umwölbt war der Tag hinter dem von grauen Wellentämmen gezadten Horizont verschwunden und hatte einen bleichen Schein auf dem falten Meer zurüdgelaffen.

Die Wellen hoben und sentten sich unter dem fleinen Segel boot, das die weiße Brandung der Barre von seinem Bug fort stieß. Ein Wellenkamm schob sich unter seinen Kiel, und es stürzte in ein Bellental Lints stieg eine Nebelwand hoch und schwebte über einer grauen Klippenreihe, auf welcher das Wrad eines Tor pedos lag. Das zerstückelte Brad batte schon seit Jahren da gelegen, wie Fragmente eines in einem Spinnengewebe gefangenen Käfers. Ein hoher Seegang, der den fliegenden Gifcht weit über bas Moorland schleuberte, hatte das Boot auf die Klippen geworfen. Am Tage schliefen Tarta und Greymuzzle behaglich zusammen gerollt auf den von den Wellen glattgescheuerten Steinblöcken, die manche Sturzjee dorthin gemälzt hatte.

Zwei Stunden nach Mitternacht   waren die Fischottern schon zehn Kilometer weit an der tiefliegenden Küfte entlanggeschwommen und hatten die Bucht in der Bandgunge erreicht, an die sich Grey­muzzle noch erinnerte, denn sie hatte sie aufgesucht, als sie das Leben ihrer Jungen in fich fühlte. Die Flut hatte tiefe Wafferlachen zwischen den Felsen zurückgelassen, die die Fischottern nach Schleimfifchen, Meergrundeln und anderen fleinen unter dem Seetang lauernden Fischen absuchten. Sie fingen Steingarneelen, deren Schwänge fie zuerst fraßen; die Köpfe ließen sie immer liegen. Von den Felsen rissen sie mit den Zähnen die Mießmuscheln herunter, die sie mit den Pfoten festhielten, um sie aufzutnaden und das Tier herauszu­schlürfen. Während Greymuzzle einen Sandaal herausbuddelte, durch forschte Tarfa einen tiefen Pfuhl, in dem ein Hummer lebte, der nur eine Schere befaß. Dieser lag zwei Meter tief im Felsen ver­steckt, am äußersten Ende einer Felsspalte, die so schmal war, daß Tarta nicht hineinschwimmen fonnte. Biermal versuchte er, den Hummer mit der Borderpfote, deren Klauen schon durch das viele Scharren im Ries und Sand fehr stumpf gemorden waren, heraus: zuholen, und in seinem Eifer, die Beute zu ermischen, riß er mit den Zähnen den Seetang von der Felsmand herunter. Der Hummer mar schon sehr oft in seinem Leben belästigt worden, denn jaft jeder Mensch aus den umliegenden Dörfern hatte versucht, ihn mit langen Stöden, on deren Enden Haten befestigt waren, herauszuholen. Das Tier hatte bereits fo viele Scheren verloren, daß jest nachdem ihm

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neun gewaltsam abgerissen worden waren teine mehr hatte macysen wollen. Sein Hauptfeind war ein alter Mann, der mit Raninchenfellen handelte. Jeden Sonntagmorgen ging diefer zur Zeit der Ebbe nach dem Bassertümpel hinunter und warf den Balg und das Eingeweide eines Kaninchens in das Wasser, um den Hummer aus der Kluft herauszuloden. Der Hummer war jedoch zu schlau, und darum lebte er noch.

Am Tage ruhten sich die Fischottern auf einem Felsengefims in der Höhle unter der Bandspite aus. Hier wohnte auch Jarrt, der Seehund, der immer, wenn er fie tommen hörte, euf eine tiefer liegende Felsenspalte herunterhumpelte. Manchmal schwamm Tarka in den tieferen Tümpel der Höhle umher, legte sich auf den Rücken, um nach den Tropfen eisenthaltigen Waffers zu schnappen, die vom Felsenbach herunterfielen. Aber das tat er nur, wenn Jarrt fort war und im Meere nach dem Riesenaal jagte, dort mo die Felsen, die das Bolf ,, Matrosensprung" nennt, Gischt aus der Flut rissen.

Dieser Riesenaal, der größte in der Gegend, war niemals ge fangen worden, denn jedesmal, wenn er Jarrt, seinen Feind, fah, versteckte er sich tief unten im frabbengrünen Wasser, in einem Loch im felfigen Grund des tiefsten Wassers, wo die mit Muscheln be­deckten Kanonen eines vor hundert Jahren gesunkenen Kriegsschiffes lagen. Wenn fein Seehund in der Nähe war, pflegte der Aal aus feinem Loch herauszutommen, und ohne zu blingeln, ins Wasser gu seinem Loch herauszukommen, und ohne zu blingeln, ins Wasser gu ſtarren und auf dische zu tauern, die er verfolgte und verschlang. Eines Morgens, als Tarta nach einer stürmischen Nacht großen Hunger verspürte und den Seetang fünf Mafter tief unter der schimmernden Oberfläche nach Futter absuchte, gligerte etwas über ihm, und als er hinauffah, erblickte er einen schmalen Kopf mit einem fangen gebogenen, beutegierigen Schnabel und zwei große, mit Schwimmhäuten versehene Füße, die jeden Augenblid bereit waren, ein Opfer zu umflammern. Es war der Schlangenhalsvogel, dessen ölige, grünschwarze Federn ein sonderbar bleiches Licht verbreiteten. Plötzlich zuchte der glatte, schmale Kopf, und ein Pollack, der unter ihm schwamm, hielt das Flimmern seiner Federn für einen feineren Fisch. Der Pollac wandte sich, damit er hinaufschwimmen und den Fisch pacen fönnte. Der Schlangenhalsoogel fah das Blinten seiner Floffen im selben Augenblid wie Tarta. Mit fräftigen Stößen feiner Füße schoß der Vogel abwärts, dem Pollack nach, schneller als ein Otter schwimmt. Seine Federn gligerten und glänzten, als er dem Fisch nachjagte. Der Aal sah jetzt ebenfalls den Pollack und löste seinen muskulösen Schwanz von einer hervorspringenden Feffenspige, um die er ihn gewunden hatte, um sich festzuhalten. Der Aal war länger, als ein erwachsener Mann groß ist, und sein Körper war dicker als Tarkas. Er wog neunzig Pfund. Er schlängelte sich um die mit Seetang bedeckten Schiffsballen, und als er vorüberglitt, ver­steckten sich die Krabben in den Mündungen der Kanonen.

Vogel, Otter und Fisch bildeten zusammen einen jagenden Pfeil, dessen Spize der schimmernde Pollack war, der Aal der biegsame Schaft, während der Otter und der Schlangenhalsvogel die Wider hafen bildeten. Der Bogel   mit dem gebogenen Schnabel schwamm mit lang ausgestrecktem Halse, fangbereit, mährend Luftbläschen aus seinem Schlund strömten. Der Bollad mandte sich Tarka zu, der sich sofort umdrehte und ihn verfolgte. Jetzt wirbelte der Bogel   mit

Beilage des Borwärts

einer jähen Schwentung seiner vierzehn furzen, steifen Schwanz federn und einer nach oben gerichteten Schwimmhaut herum. Der Bollad schoß eine steile, mit Seetang bewachsene Felsmand herunter, aber als er Tarta unten begegnete, schwamm er wieder hoch und wurde von dem Schlangenhalsvogel gepact.

Die jagende Pfeilspige drückte sich in einem förmlichen Wirrwarr von Seetang und Luftbläschen, die zur Oberfläche stiegen, gegen den Felsen. Der Riefenaal hatte dem Bogel   den Naden durchgebiffen. Flügel flatterten, und ein tnarrender, gedämpfter Schrei erflang. wie das Geräusch von Luft, die einer Flasche entweicht. Tarfa sperrte das Maul weit auf, aber sein Gebiß tonnte die dicke Haut des Aols nicht durchdringen. Die Dunkelheit nahm zu, denn jetzt begann sich eine undurchsichtige Flüssigkeit dort auszubreiten, wo vorhin Be wegung gewesen war.

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Nun fah Jarrt, der Seehund, der am Fuße eines Felsens nach Futter gesucht hatte, den Kopf eines Fischotters aus dem Wasser auftauchen, und als er sich gerade umdrehte, um auf ihn zuzu­schwimmen, erblidte er den Riesenaal, der durch seine mallenden, das Blut des zappelnden Bewegungen die Undurchsichtigkeit Schlangenhalsvogels, das das düstere Grün des Waffers rötlich färbte vertrieb. Der Aal hielt dert toten Bogel zwischen den Riefern. Die Wolfe unter dem Wasser wurde schließlich von den wirbelnden Floffen des Seehunbes völlig zerstreut, als diesen dem Aal nachjagte. Der Aal ließ den Bogel fallen, und die Felsen spalte nahm thren grauen Bewohner wieder auf. Jarrt schwamm mit ammutigen Bewegungen feines glatten geschmeidigen Rörpers an die Oberfläche, um Luft zu schöpfen. Dort erblickte er Tarfa, der ungefähr zehn Meter von ihm entfernt war. Buff- muff", fagte Jarrt übermütig. 3B-", rief Tarta erschroden. Der Bollad enttam, und bab darauf fraß er zusammen mit anderen Fischen den von Krabben angefnabberten Radaver eines Schlangenhals. vogels.

Flugzeug über die Taiga

Noch bis vor furzem fonnte man die 2700 Kilometer lange Strede Irkutst- Jatutst nur im Winter zurücklegen, wenn der ftellenweise fumpfige und moraftige Boden fest zugefroren war und mit Schlitten befahren werden konnte. Eine solche Reise entbehrte jeder Annehmlichkeit; man ftelle fich vor, was es bedeutet, bei schrecklicher Kälte volle drei Wochen unterwegs zu sein und nicht weniger als hundertvierundreißigmal Pferd, Renntier   oder Fuh:- mert wechseln zu müssen. Nachdem nun im Sommer Flugversuche mit deutschen   Wasserflugzeugen erfolgreich verlaufen waren, fonnte man an die Einrichtung einer Verbindung für den Winter gehen. Drei Flugzeuge vom Typ der Bremen  ", mit der Hünefeld und Roehl ihren Flug nach Amerika   ausführten, wurden zur Eröffnung der Linie nach Irkutst geliefert. Die Motore haben 310 PS, ent­mideln eine Stundengeschwindigkeit von 200 Kilometern und können bis zu 1300 Kilogramm Laft an Bord nehmen. Der Flugplatz von Irkutst liegt am Angarafluß. Der Flug selbst stellt an den Piloten, der bei einer durchschnittlichen Kälte von 60 Grad eine Geschwindig­tett von 200 Kilometern in der Stunde einhalten muß, die größten Anforderungen; er schützt sich gegen die eisige Luft, so gut er tann Obwohl ich auf einiges vorbereitet war, verblüffte mich im ersten Augenblic doch der Anblick des Piloten, schreibt der bekannte russische Sibirienforscher D. Brutschem in einem russischen Blatt. Man stelle sich einen auf den Hinterbeinen stehenden Bären, in ein Schaffell gewickelt, vor. Das Geficht, in eine Wollmaste gehüllt, erscheint wie eine schredliche Frage. Der Pilot trägt soviel Bela am Leib, daß er sich taum bewegen tamm. Trotzdem hat er Unsäg­liches unter den furchtbaren Temperaturen des sibirischen Winters zu leiden.

Die letzten Formalitäten sind erledigt, und unser Flugzeug er hebt sich in die Lüfte. Bald liegt Irkutst tief unter uns, während im Often die weiße Linie des Baitalfees zwischen schwarzen Berg­fetten schimmert. Wir überfliegen ausgedehnte Gebirgsplateaus, die den Angarafluß von der Lena trennen. Immer höher schraubt fich das Flugzeug, um das Beresowoj- Bergmassiv zu überqueren. Es geht über die waldigen Höhen, hinter denen die Lena auftaucht, deren Lauf wir im Fluge verfolgen. Die Baifalberge verschwinden im Nebel. Gegen Sonnenuntergang landen wir in der Siedlung Uft- tut, wo sich ein Salzbergwert befindet. Mitten in der Schnee­wüste hat sich europäische Zivilisation mit Theater und Kino heimisch gemacht. Am nächsten Tag geht es weiter. Wir fliegen über die unbekannten Witimer- Berge. Der Pilot will unbedingt noch am felben Tage Olefminst erreichen, und er schafft es tatsächlich. Hier schließt sich noch ein Bassagier, ein Jatute, an. Der Flugverkehr ist hier bereits popular. Man bittet, ein Flugzeug zu dem Frauen. tag" in Jatutst nach Dletminst abzusenden, um 25 Jatutenfrauen nach Jakutsk   zu befördern, wo eine Tagung des Frauenverbandes zur Emanzipierung der Jatutenfrau stattfinden soll. Wir fliegen weiter und müssen 300 Kilometer vor Jatutit wegen eines Motoren defektes notlanden. Der Pilot ist verzweifelt. In zwölf Jahren Arbeit bei dem Dobrolet, der Sowjetrussischen Fluggesellschaft, hat er 450 000 Silometer ohne einen einzigen Unfall zurückgelegt. Jeßt muß er beim Flugzeug bleiben, während die Passagiere auf Rennta tieren nach Jatutst befördert werden. Jedenfalls bedeutet die Er richtung des Flugverkehrs eine neue Aera für Jatutst. Mostau,

das ehedem frühestens in einem Monat zu erreichen mar, rüdt näher; heute gelangt man in acht Tagen nach der Hauptstadt. Nach der Eröffnung der Luftlinie Mostau- Irkutst wird die Flugdauer mur noch fünf Tage betragen. Die Einwohner von Jakutst, die sonst Boft und Zeitungen mit einem Monat Berspätung bekamen, fühlen fich jetzt beinahe in Europa   und spüren den Segen des technischen Fortschrittes, ber Me Erbe immer fleiner werden läßt und das Tempo des Lebens beschleunigt."

Sonderbare Staaten

Der fleinste Staat der Erde ist der neugeschaffene Vatikanstaat, er hat mur 382 Bürger. Der erste ist Seine Heiligkeit, der letzte iit erst vor einiger Zeit auf die Welt gekommen. Das Gebiet der Batikanstadt ist übrigens einer der am meisten vernachlässigten Quartiere von Rom  , es bietet einen geradezu standalösen Anblic.

Eine andere Sensation" bietet Monato. Dieser Staat vor 21 Quadratkilometern hat immerhin 22 150 Einwohner, die, wie be fannt, feine Steuern zahlen müssen, da die Fremden in der Spiel bant genug verlieren. Aber dafür hat der Besitzer der Spielbant, nämlich der Fürst, ihnen bis heute fein Barlament gewährt, sondern fie, abfolut" regiert. Aber die Monatessen wollen ein Abgeordneten haus, fie schwärmen geradezu für den Parlamentarismus. Der Fürst und Spielbankbefizer, aus begreiflichen Gründen, scheut is offene Regierungsformen. Er hat sich aus seinem Reiche" hinweg ins benachbarte Frankreich   begeben, um dort zu schmollen. Aber er wird nachgeben müssen....