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Morgenausgabe

Nr. 491

A 247

46.Jahrgang

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need

Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Sonnabend

19. Oftober 1929

Groß- Berlin 10 Di. Auswärts 15 Pt.

Die

alliga Ronperettegette 80 Biennig. Refiame etle 5. Reichs merl. Aletne Anzeigen das eige Brudte ort 25 Pfennig gulding met fettgebrudte Borte), jebes weitere Bor 12 Bfennig. Stellenge! uch das erite Wort 15 Bfennig, jebes mettere Bort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben gablen für wel Borte Arbeitsmart Zeile 60 Pfennig. Famillenanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme im Haupt eschäft Lindenstraße 3, mochentäglic son 8 bis 17 Ubz.

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Hugenbergfront gegen Hindenburg  ! 3ft es ein Bolksbegehren?

Offene Stellungnahme gegen den Reichspräsidenten.

Hugenbergs Reichsausschuß" hat die Erklärung des Reichspräsidenten  , daß er nicht in den Kampf für und gegen den. Young- Plan gezogen werden wolle, mit freudi gem Dante" begrüßt. Nach seiner zweiten Erklärung, die den§ 4 des Boltsbegehrens als einen unsachlichen und persönlichen politischen Angriff bedauert und verurteilt", it folche Heuchelet nicht mehr möglich. Mit einem Rud ist die Hugenberg- Bresse in die nationalfozia­listische Front gegen den Reichspräsidenten eingefchmentt.

Nicht mit freudigem Danfe"- nein ,, mit Bedauern und machsendem Befremden" stellt der Berliner   Lofal- Anzeiger" fest, daß der Herr Reichspräsident abermals falsch unter richtet worden ist". Der Reichspräsident ist ein Jurist, und alles Juristische liegt seinem Wesen welten fern. Also mird er nachträglich belehrt, daß sich der§ 4 überhaupt nicht gegen die jeßige Regierung richte, fon­dern nur die Zukunft im Auge habe. Diefe, Rechtsbelehrung" ist freilich nur ein täglicher Rückzug und eine elende Rabuliftit, wie eine amtliche Erklärung, die wir weiter unten wiedergeben, schlagend beweist.

Der Berliner Lokal- Anzeiger" findet ferner, daß die Stellungnahme des Reichspräsidenten   in einem bedauer lichen Gegensatz" stehe zu dem Schreiben des Reichspräsidenten  vom 16. Oftober. Wir vermögen diesen Gegensatz nicht zu erkennen, denn der Reichspräsident hat in jenem Schreiben lediglich gewünscht, daß man ihn im Streit um Annahme oder Ablehnung des Young Planes aus dem Spiel loffen folle. Seine Meinung über den§ 4, über die Bucht hausdrohung gegen die Minister, hat er aber schon zweimal unzmeideutig ausgedrückt: einmal durch den Dant, den er der Haager Delegation aussprach und dann durch die Art seiner Teilnahme an Stresemanns Leichenbegängnis.

de Die Hugenberg  - Leute fonnten gar nicht im Zweifel sein und waren auch gar nicht im Zweifel darüber, wie der Reichspräsident über den Zuchthausparagraphen dachte. Sie glaubten aber, ihren Anhängern seine Stellungnahme ver bergen und ihnen einreden zu können, wer Hindenburg   ge­wählt habe, müsse nun auch für ihr Boltsbegehren" sein. Das war eine bewußte Irreführung. Ihre Wut, die fich jest teils gegen den Reichspräsidenten  , teils gegen den Reichskanzler richtet, ist die But der Ertappten.

Kreuz- Zeitung  " und Deutsche Zeitung" find so vor­fichtig, den Reichspräsidenten aus dem Spiel zu laffen. Sie toben gegen den Reichskanzler, weil er die Aeußerung des Reichspräsidenten veröffentlicht hat, und lassen durchblicken, daß diese Veröffentlichung gegen den Willen des Reichspräfi­denten erfolgt sein könnte. Jedoch ist die Annahme, der Reichspräsident molle seine Meinung der Deffentlichkeit vor­enthalten, ebenso unmöglich wie die andere, daß der Reichs­fanzler die Veröffentlichung gegen den ausdrücklichen Wunsch des Reichspräsidenten   vollzogen hätte. Daß die Aeußerung selbst gefallen ist, wie sie wiedergegeben wurde, wagt niemand 34 bestreiten. Es bleibt also nichts übrig, als der Zorn dar. über, daß das Bolt erfahren hat, wie Hinden­ burg   denkt. Für die Hindenburg  - Schwärmer von gestern,

hingestellt und damit gegen die Reichsregierung der Vorwurf er­hoben, daß fie fich einer, nach Aaffaffung der Antragsteller mit Suchthaus zu bestrafenden Tat schuldig mache.

Jeder, der für das Boltsbegehren eintritt, macht fich diesen Vorwurf zu eigen und beteiligt fich an dem unsachlichen und persönlichen politischen 2n. geil, den der Herr Reichspräfident in feiner Aeußerung an den Reichskanzler bedauert und verurteilt hat.

Rückwärts, rückwärts!

d

3mmer weniger Inflationsfreunde in Berlin  . Die Zahl der Eintragungen für Sugenbergs Inflationsbegehren zeigte auch am Freitag, dem dritten Tage, in den folgenden Berliner   Bezirken einen Rüdgang: Bol na 1384( 2. Tag 1699 1. Tag 1878) 671( 2. 1. 749) 1403( 2. 1751) 324( 2. 526( 2. 308( 2.

Tiergarten

Wedding  .

Areuzberg.

Tempelhof  Neukölln Reinickendorf

An

P

627 1562

"

1.

404 1.

420)

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622 1. 331 1.

699) 376)

Am zweiten Tag überall Rückgang. In Roin haben sich bei einer Gesamtzahl von etwa 530 000 Stimmberechtigten am ersten Tage 356 und am zweiten Tage 433 Personen für das Boltsbegehren eingezeichnet. In Aachen   zeichneten sich am ersten Tage 92 Personen ein. In Düsseldorf   am ersten Tag 618, am zweiten Tag 552. In Hamburg   am ersten Zag, 1650, am zweiten Tag 1280. Am Abend des ersten Tages sprach Hugenberg   in Hamburg  . Ergebnis: Ric gang um 300 Eintragungen.

In Altona   am ersten Tag 256, am zweiten Tag 219. In Bremen   am ersten Tag 1585, am zweiten Tag. 952. In Magdeburg   am ersten Tag 1463, am zweiten Tag 1237. In Leipzig   am ersten Tag 797, am zweiten Tag 682. In Breslau   am ersten Tag 1007, ant zweiten Tag 860. In Stuttgart   ani ersten Tag 767, am zweiten Tag 603. In Braunschweig  , einer Hochburg der Rechtsparteien, am erften und zweiten Tag zusammen 322.

Republikschuk fommt.

Gesetzentwurf dem Reichsrat zugeleitet.

Das Reichskabinett verabschiedete in seiner gestrigen unter dem Vorsitz des Reichskanzlers abgehaltenen Sigung den Entwurf eines Gesetzes zum Schutze der Republik  , der unverzüglich dem Reichsrat zugeleitet wird.

Der suspendierte Regierungsrat.

Der Hugenberg- Ausschuß in Berlegenheit.

Der Hugenberg  - Ausschuß will die Tatsache verbergen, daß der Regierungsrat Bierbach in Düsseldorf   vom Amt suspendiert morden ist, weil er die niedrige Hugenberg  - Propaganda unterhüßt noch Bierbach selbst etwas

Zeitgemäße Frage und Antwort.

Von Eduard Bernstein  .

Eine geschichtstritische Betrachtung der Entwicklung des politischen Lebens in Deutschland   seit dem Zusammenbruch des faiserlichen Regierungssystems fann nicht an den charat­teristischen Alenderungen der selbstgewählten Namen seiner politischen Parteien und Agitationsvereine, die sich in dieser Seit nollzogen haben, vorübergehen.

-

Politische Parteien im heute geltenden Begriff dieses Wortes find in Deutschland   erst im neunzehnten Jahr­hundert erstanden. Entscheidend war dabei, daß fie fich auf Grund von Abmachungen- später Wahlen rekrutierten, die über die ständischen Abgrenzungen hinausgriffen. Daher mählten fie sich zunächst Ramen, die eine bestimmte politische zeichneten, wie tonservativ, fonftitutionell usw. Das dauerte Tendenz zu erfennen gaben, geradezu ein Programm vor= auch noch nach dem Revolutionsjahr 1848 an. Die neuen Parteien, die sich da bildeten, hielten gleichfalls darauf, in ihrem Namen ihre pofitische Tendenz deutlich fundzugeben. In der Epoche, welche die nationalistischen Kriege an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ein< leiteten, bricht jedoch in dieser Hinsicht ein Wandel an. Wie bei diesen Kriegen die Regierungen der Ursprungsländer bei deren Begründung vor dem Auslande an die Stelle unzmeis deutiger Begriffe vieldeutige Schlagworte treten ließen, lo auch die hinter jenen stehenden Barteien im politischen Kampf daheim. Diesem Beispiel folgend veranlagte bei uns im Leben gerufene Bereine für die agitatorische Unterstützung Weltkrieg Herr Tirpig die pon seinen Barieigängern ins feiner von Wilhelm II.   und dem Reichsfanzler Bethmann Hollweg   als unmöglich erkannten Bolitit, fich ,, pa i erlän Dische Vereine" zu nennen und damit zu unterstellen, daß allen, welche jene Politit nicht unterstüßten, es an der richtigen vaterländischen Gesinnung" fehle. Und als dann das Kaisertum der Hohenzollern   zusammenbrach, änderte die Bartei des agrarischen reftionären Junfertums und der mit diefem verbündeten Schlotjunter ihren Namen aus Konserva­tive Partei in Deutschnationale Boltspartei". Warum? Nun, in dem Wort fonservativ" lag noch etwas von einem ehrlichen Bekenntnis zu einer bestimmten politischen Tendenz, Was aber liegt unzweideutig in dem Wort Deutsch­nationale Bolfspartei"? Nichts, absolut nichts! Denn deutsch ist jeder Deutsche  , teine Partei von Landes­angehörigen Deutschlands   fagt etwas fie von anderen deut­ schen   Parteien genau Unterscheidendes, wenn sie ihrem Namen das Wort deutsch  " Doranstellt. Auch der Zusatz ,, national" ändert daran nichts. Denn es gibt in Deutich­land feine politische Partei von Landesangehörigen, die nicht zugleich national im überkommenen Begriff dieses Wortes Deutschlands   einträte. wäre, das heißt, grundsäßlich für die nationalen Interessen

Allerdings kann man in tonkreten Fällen darüber ver­schiedener Meinung sein, ob ein nationales Intereffe Deutsch­ lands   vorliege und was es erheische. Aber der Name allein gibt dafür feine zuverläffige Weffung, er läßt die weitest auss einandergehenden Auffassungen zu. In den Augen der Leiter der Partei allerdings fein Mangel, sondern ein Borteil. Ge= stüßt auf diese Eigenschaft des Namens feine Bieldeutig­teit tann man der eigenen Bartei alle möglichen Rechte zusprechen, anderen Parteien alle möglichen Berstöße unter­ſtellen. Und auch der Zufaz Bolkspartei" ändert daran gar nichts. Er ist da im Gegenteil Mittel der Berichlechte­rung der politischen Sprache Deutschlands  . Mech

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die Anhänger einer ,, perstärkten Macht des Reichspräsidenten" hat. Der Hugenberg  - Ausschuß verbreitet eine Meldung, monadh im ganzen 19. Jahrhundert verstand man in Deutschland   all­

mahrlich ein sehr merkwürdiges Verhalten!

Herr ugenberg läßt anfündigen, daß er sich heute in Karlsruhe   mit der Erklärung des Reichspräsidenten be­fassen wird. Hoffentlich friegt er nicht zuvor wieder, wie bei der Dames- Abstimmung im Reichstag, eine herzattade, die ihn ins Bett zwingt.

Young- Plan und Zuchthaus.

diefem Echritt befannt fei.

Gegenüber diesem kläglichen Bertuschungsversuch teilt der Amt liche Breußische Bressedienst den folgenden Beschluß des Breußischen Innenministers und des Finanz­

ministers mit:

Gegen den Regierungsrat Johannes Bierbach- Düffel dorf, welcher hinreichend verdächtig erscheint, die ihm durch sein Amt auferlegten Pflichten dadurch verleht zu Durch WIB. wird bekanntgegeben: Die Pressestelle der Deutschnationalen Bolkspartei wendet sich haben, daß er sich agitatorisch, so durch Unterzeichnung eines in unter der Ueberschrift Jrreführung des Reichspräfi- Jr. 521 der Düsseldorfer Nachrichten" veröffentlichten verhehenden denten" gegen die Feststellung, daߧ 4 des Volksbegehrens jeden Aufrufes zugunsten des Boltsbegehrens( Freiheitsgefeh") betätigt Minifter oder Bevollmächtigten für den Abschluß des Young- hat, obwohl dieses in seinem Paragraph 4 den Herrn Reichstanzler Bertrages oder ähnlicher Abmachungen wegen Landesver- und die Herren Reichsminister als Personen fennzeichnet, die das Ber­rat bestrafen will. Demgegenüber wird von zuständiger Selfe brechen des Landesverrals zu begehen gewillt seien und vor deren feffgestellt, daߧ 4 des Boltsbegehrens in Verbindung mit deffen § 3 den Abschluß aller Berträge, die Reparationsverpflichtungen enthalten, schon jeht als landesverräterische Hand. lung brandmartt. wenn auch felbstverständlich wie bei jedem Strafgesetz eine strafrechtliche Verfolgung im Einzelfalle erst für die nach dem Inkrafftreten diefes Strafgefehes begangenen Handlungen eintrefen kann. Insbesondere wird im§ 3 die

Zustimmung zum Young- Plan als landesberräterische Handlung

Beginnen sich das deutsche Bolf nur durch Zuchthausstrafen schüßen fönne, wird auf Grund der§§ 2 und 23 des Gesetzes, betr. die Dienstvergehen der nichtrichterlichen Beamten vom 21. Juli 1852 ( Gef.- Samml. S. 465), das förmliche Disziplinarper­fahren mit dem Ziele der Entfernung aus dem 2mte eingeleitet. Gleichzeitig wird auf Grund des§ 50 des Disziplinargefehes die fofortige Suspension des Ange­fchuldigten von feinem Amte verfügt. Amb

chen Tendenzen der ärmeren Boltsflaffen. Durch die Anfügung dieses Wortes an das deutsch- national" haben die Macher der Partei aber jenen sehr bestimmten Sinn ins pöllig unbestimmte verwischt. Ein der Biel­deutigkeit entsprechend formuliertes Programm hat es er­die Bartei aufzunehmen, aber an der politischen Natur ber möglicht, einige nationalistisch bearbeitete Arbeitervereine in Partei ist dadurch absolut nichts Wesentliches ge­ändert. Auch wenn sie ihrer Arbeitersektion, um sie bei der Stange zu halten, gelegentlich fleine politische Zugeständnisse macht, ist und bleibt sie darum doch in Fragen, wo es ihr darauf ankommt, Partei der Intereffen der Be= en den, die ihr angeschlossenen Arbeiter aber sind im legten Grunde immer nur Anhängsel einer solchen. von Leuten zu, die, ohne der Partei der Deutschnationalen Und das trifft auch für alle politischen Parteibildungen formell angeschlossen zu sein, gleich ihr das Wort ,, national" in den Bordergrund stellen und es in ihrem Sinne ausbeuten. Ein flaffisches Beispiel ist die Berbindung, die sich National­fozialistische Arbeiterpartei" nennt. Ihr Berhalten in Frazen von entscheidender Bedeutung für die innere und äußere Bo­ftellung des Wortes ,, national" in ihrem Namen lediglich die litik Deutschlands   läßt feinen weifel daran, daß die Baran­Tendenz anzeigt, in ihrer politischen Braris die Tragweite des Begriffs fozialistisch" nach Möglichkeit zugunsten des