Nr. 539 46. Jahrgang
1. Beilage des Borwärts
Sonnabend, 16. November 1929
Alle Werktätigen für die Sozialdemokratie!
Nach einer vorläufigen Zusammenftellung werden in Berlin am.17. November für die Wahl der Stadt- und Bezirksverordneten insgesamt 3 292 737 mahlberechtigte vorhanden fein. Darunter 1476 333 Männer und 1 8 16 293 Frauen. Rach den einzelnen Bezirken getrennt, ergibt sich folgendes Bild:
2fb.
Rr
Berwaltungsbezirk
7. Charlottenburg
Zahi der Wahlberechtigten Männer Frauen
Bahl der
bftim
mungs
Ausammen bezirie
|
Wähler eingetragen ist. Auch Inhaber von Wahlscheinen tönnen nur in dem Abstimmungsbezirk wählen, zu dem ihre Wohnung gehört; die Auswahl eines beliebigen Wahlraumes ist für diese Wahlen nicht zulässig. Jeder Wahlberechtigte muß zur Stimmabgabe persönlich im Wahlraum erscheinen. Eine Stellvertretung ist unzulässig. Nur die in den Wahlräumen zur Verteilung gelangenden amtlichen Stimmzettel dürfen verwendet werden. Die Stimmzettel für die Stadtverord netenwahlen sind auf weißem Papier gedruckt, während die Stimmzettel für die Wahl der Bezirks
1
Mitte.
106 295
126 071
2
Tiergarten
102 993
137 646
232 366 240 639
3 Wedding
128 410
147 085
275 495
4. Brenzlauer Berg
113 997
137 248
201 245
172 147 192 201
5
Friedrichshain.
120 043
140 614
260 657
197
138 198
170 296
308 494
227
116 136
157 977
274 113
186
44 739
48.971
93710
9
Wilmersdorf
57827
15828
76 640
90 787 23.950 109 136
148 614
79 106
39 778
29
185 776
131
12. Steglig
59 870
13 Tempelhof
28 643
80455 34 079
140 325
103
62722
54
14 Neutöln
108 234
127883
236 117
160
Sozialdemokratische Partei
39 251
42 714
81965
63
1
27 187
30661
57848
48
81.422
85778
167 200
129
23557
26 303
49 860
39
2
2
39 699
46884
86 583
64
Schulze, Kimbel. Fedler, Philipps
47475 51755
99 230
85
2412
3
Kommunistische Partei Deutschlands . Sektion der komm. Internationale Gehlmann, Kube, Rosenthal , Grünbeck
Deutsche Demokratische Partei
4
4
Braun, Könke, Perls, Reimann
15. Treptow.
16. Copenid
18 Weißensee
19
Bantom.
20. Reinidendorf
zulammen 1 476 444 1 816 293 3 292 737
Zu den Wahlen am 17 November sind
21 Stadtwahlvorschläge mit 261 Kreiswahlvorschläge mit 331 Bezirksmahlvorschläge mit
auf: 613 Wahlvorschläge mit. augelassen worden
BP
394 Bewerbern
3140
4377
7911 Bewerbern
Bei den Wahlen im Jahre 1925 maren zugelassen 18 Stadtwohlvorschläge mit 315 Bewerbern, 217 Kreismahlnorichläge mit 2265 Bewerbern, 272 Bezirkswohlvorschläge mit 4224 Bemerbern, zusammen 507 Wahlverschlage mit 6804 Bewerbern.
Wahlrecht ist Wahlpflicht!
Zu den morgen stattfindenden Stadtverordnetenund Bezirksverordnetenwahlen ist jeder Deutsche wahl berechtigt, der am 17. November das 20. Lebensjahr erreicht hat und der bereits sechs Monate in Groß Berlin polizeiich angemeldet ist. Der Wähler bzw. die Wählerin en im Beste der bürgerlichen Ehren rechte sein. Angehörige der Wehrmacht sind bekannt lich nicht wahlberechtigt. Die Wahlen finden in einem gemeinsamen Wahlgange in der Zeit von 9 bis 18 1hr in den von den Bezirksämtern durch Säulenanschlag zur öffentlichen Kenntnis gebrachten Wahl räumen statt. Die Stimmabgabe kann nur in dem Abstimmungsbezirk erfolgen, in dessen Wählerlifte der
Johann Kamárami:
81]
He, Kosaken!
Caus dem Ungarischen von Cllexander von Sacher Masoch Copyright by Büchergilde Gutenberg, Berlin .
Aber diese abendliche Laune der Kosaken war irgendwie gezwungen. Bielleicht machten sie diese großen Töne nur aus Gemohnheit, zur Erheiterung des Oberkosaken. Vielleicht fühlten sie, daß sie sehr an ihm gesündigt hatten, als sie ihn in seiner schweren Stunde verließen.
Sie blieben auch nicht lange, sondern gahen dem Alten nach einem letzten Schluck die Hand und verschwanden einer nach dem anderen in der blauen Nacht.
Als der Oberkosak allein geblieben mar, verriegelte er vorsichtig die Türen. Dann nahm er die Lampe vom Halen, ftellte sie auf die Ofenbant, breitete seine Bunda auf die Erde und setzte sich darauf. Und beim schmelenden Licht löfte er den flirrenden Beutel von seinem Halse und leerie feinen Inhalt. Aengstlich lugte ich unter der Dede hernor, denn nie hatte id) soviel in einem Haufen gesehen. Da lagen Gulden und Fünftronenstüde, mindestens fünfhundert
Der Oberkosa? beugte sich vor und seine spizze Schnabel nale hob sich verlegend scharf ab im russigen Betroleumlicht. Er beugte sich vor, und mährend er die Geldstücke mit einem Lappen blizschnell zu reinigen begann, sprach er zu sich selbst. Manchmal horchte er unerwartet auf: ob in der Nacht fein Geräusch zu hören sei? Die Guldenftüde sah er der Reihe nach an, und wenn eines genügend blant war, stedte er es jäh in den Beutel zurüd, und dann fuhr er genau so schnell in der Reinigung der übrigen fort. Er zog feine Stirne in Falten. Liefer Kummer mochte ihn in dieser Nacht peinigen. Dann feufzte er auf: Sai, bai... Schmer hat es die
Armut
Der nächste Tag war ein Sonnabend. Meine Großmutter machte sich daran, mich für die Reise auszurüsten. Am dritten Tage mußte ich zu meiner Mutter fahren. Denn der Sominer war vorbei und es blieben mir faum zwei Wochen bis zum Kollegium. Der Oberfofaf rief, als er erfuhr, daß ich bald fort müsse, meine Großmutter ins Borderhaus herein. Später perlangte er auch nach mir.
Großmutter stand beim Kamin, der Alte neben dem Tisch. Auf der Tischplatte lagen ausgezählt eine Reihe Gilber gulden. Er minfte mir, ich möge näherkommen. Ich trat an den Tisch und sah aufmerksam zum Alten auf. Er nahm
10
5
6
Rred
1. S. W.
Kraise, P-
1☑
3
71
Die Namen der Kandidaten sind von Wahlkreis zu Wahlkreis verschieden, aber überall steht die Sozialdemokratische Partei an erster Stelle.
In den ersten Kreis gehört dein Kreuz!
haupt nicht gekennzeichnet sind, find ungültig. Jeder Parteigenosse und jeder ,, Vorwärts"-Leser wird schon in den Vormittagsstunden sein Wahlrecht ausüben, damit er noch Gelegenheit hat, seine Nachbarn, Bekannten und Berwandten auf ihre Wahlpflicht aufmerksam zu machen. Es empfiehlt sich die Mitnahme geeigneter Ausweispapiere sowie eines Bleistiftes. Gleichzeitiges Erscheinen zusammengehöriger Familienmitglieder beschleunigt ebenfalls die Abfertigung.
Heute und morgen muß noch jede Stunde und jede Gelegenheit benutzt werden, um für die Sozialdempfratische Partei zu werben. Am heutigen Abend finden noch in allen Zeilen der Stadt große sozial= demokratische Wahlkundgebungen statt. Hier wird ein lekter Appell an die Berliner Wähler and Wählerinnen gerichtet. Sorgt für Massenbesuch in diesen Versammlungen. Es gilt bis zum lekten Augenblick zu kämpfen für den Sieg der 2iste 1, für den Sieg der Sozialdemokratie!
Neue kommunistische Fälschung. Die Verwendung der Hanszinssiener in Preußen.
Der Amtliche Preußische Pressedienst" schreibt: Trotzdem erst vor zwei Tagen der Amtliche Preußische Pressedienst" an Hand authentischen Materials festgestellt hat, daß von dem Aufkommen der Hauszinssteuer über 50 Proz. zur Förderung der Bautätigkeit und die andere Hälfte von Staat und Gemeinde vornehmlich zur Erfüllung sozialer und kultureller Aufgaben verwandt werden, bringt die ,, Rote Fahne" es fertig, zu behaupten, daß 25 Broz. der Hauszinssteuer für Neubauwohnungen für Reiche und 75 Broz. zum Unterhalt der Staatsbürokratie" verwandt werden. Sie fälscht also die ihr zweifellos bekannten amtlichen 3iffern um und verschweigt außerdem selbstver ständlich ihren Lesern, daß die Hauszinssteer vornehmlich für den Kleinwohnungsbau, also gerade auch für Arbeitermohnungen in Stadt und auf dem Lande, Verwendung findet. Es ist notwendig, diese demagogische Kampfesweise an den Branger zu stellen.
Eine lebendige Feuersäule.
verordneten hellgrün gehalten sind. Die weißen Stimmzettel für die Stadtverordnetenwahlen tragen noch die Vermerke Stimmzettel für Männer" in schwargem Druck bzw. Stimmzettel für Frauen" in heti. braunem Druck. Beide Stimmzettel dürfen nur in einem amtlich abgestempelten Umschlag, der ebenfalls im Wahlraum ausgehändigt wird, dem Wahlvorsteher übergeben werden. Die Wahl geht so vor sich, daß der Wähler auf jedem Stimmzettel in den an der rechten Seite des Stimmzettels befindlichen leeren Kreis der Liste 1 ein Kreuz macht. Stimmzettel, die mehrfach oder über- zündet haben.
Köln, 15. November.
Ein grauenhafter Borfall spielte sich an der Aachener Straße ab. Eine Bassantin hörte einen Mann, der an ihr vorübergegangen mar, I aut aufschreien. Im gleichen Augenblick stand der Mann in hellen Flammen. Die Injassen eines vorüberfahrenden Kraftwagens, die die Feuersäule bemerkten, eilten hinzu, doch war der Mann schon verbrannt. Die sofort alarmierte Feuermehr fand noch die verlohlte Leiche vor. Wie verlautet, soll der Mann sich mit Benzin übergossen und dann selbst ange
meinen Kopf zwischen die Hände: Du tommst also doch ins junge Frau Emmi die Stufen herab, um sich umzusehen, ob Rollediom?"
Jawohl, Großvater."
" So, so", und er sah mir lange forschend ins Gesicht, während er mortlos nidte. Na, und habt ihr das nötige Geld fürs Kollediom?"
"
Ich weiß es nicht, Großvater", antwortete ich etwas betlommen. Der Alte gab sich einen Rud: Also, ich weiß, daß ihr es nicht habt. Sechzig Gulden find nötig fürs erste Jahr, Kamerad, nun, dieses Geld werde ich hergeben. Hier ist das ganze auf dem Tisch. Und außerdem ein Gulden für dich, damit du nicht ohne einen Kreuzer dastehst..."
"
Ich dankte ihm. Der Alte sah meine Großmutter an: Wenn ich einmal sterben sollte, gehört die Hälfte des Geldes, das du bei mir findest, dir. Die andere Hälfte dem Jungen." Großmutter schwieg. Der Oberfosat sah mir jetzt fest in die Augen: Du wirst einmal groß werden, Kamerad, aber dann werde ich nicht mehr sein. Also, ich sage dir nur das eine, dente manchmal an mich. Ich war mein Lebtag arm, aber die Ehre ist geblieben..
Dann ging er aus der Stube.
Bon da an sah ich den Alten nur noch zweimal. Am nächsten Tage, Sonntag nachmittag, gab Brugos den Ko faten zu Ehren ein Fest. Noch in den frühen Morgenstunden war der Schloßhof voll von Gesang. Dieses Fest war der gelungenen Ernie wegen entstanden. Außerdem mar der Bermalter feit langer Zeit zum ersten Male wieder fröhlicher Laune, denn zwei Tage vorher hatte ihn seine Tochter Emmi überrascht. Natürlich mit ihrem Gatten.
Dieses Fest murde ein unerhörter Rummel.
Als ich mit meiner Großmutter dort anfam, fchmang der Oberfosat bereits mit wilher Miene eine Rede auf den Verwalter. Darauf erhob sich Brugns. Sein Schnurrbart mar nadelspig ausgezmirbelt. Er begrüßte in den Kosaken feine fleißigsten Helfer.
Sie faßen vor langen Holztischen auf Banten. Ganz oben ber Berwalter, an seiner einen Seite fein Schmieger john, der junge Kunstmaler, an der anderen unser alter Lehrer. Dann folgten die Rojafen und die übrigen Ernte arbeiter. Reben dem jungen Herrn der Oberfojat, ihm gegen über Urgroßvater, den mein Bater und mein Onkel, von zwei Seiten geftüßt, hergeführt hatten. Unter den Bäumen auf dem Rasen versammelten sich die Mädchen und Frauen in Sonntagsfleidern.
Die Laune war froh und die Unterhaltung murde immer lauter, denn auch die Zigeuner waren im richtigen Zeitpunkt aufgetaucht und versuchten zirpend thre Instrumente zu ftimmen. Auf der Beranda leitete die Frau Verwalter das Ganze mit großer Beweglichkeit, und plötzlich tam auch die
alles in Ordnung. Frauen und Mädchen begannen zu flüstern, als sie auftauchte. Sie war schön, nur etwas ernst. Sie hatte für jeden ein gutes Wort und vor dem Oberkosaken blieb sie besonders lange stehen. Sie legte ihm ihre kleine Hand auf die Schulter und beugte sich zu dem Alten vor, als fragte sie ihn etwas. Dann richtete sie sich auf und jah in jene Richtung, wo ich mit meiner Großmutter stand. Sie lächelte mir zu wie in alten Zeiten und winkte mich zu sich. Freudeftrahlend lief ich ihr entgegen. Sie neigte sich zu mir und fah mir in die Augen: ,, Liebst du mich noch, Hänschen?" ,, Sehr..."
Sie nahm mich bei der Hand, hinauf zur Veranda.
Drunten auf dem Hofe verstrich allmählich die Zeit. Nach dem Essen begannen sie zu trinken. Die Augen glänzten, die Rosaten rauchten aus ihren aufwärtsstehenden Pfeifen. Brugos schüttelte seinen Bauch und lachte heiser. Der bejahrte Bikor erhob sich und tront auf das Wohl der braven Herren. Urgroßvater griff sich ins Haar und begann mit zitternder, zwirndünner Stimme: ,, he- e- ejh! Ha- a- ajh:" Die Zigeuner gaben einen Zusch und dann begannen fie mit diesem Liede: ,, Wenn der Wirbelsturm naht
Frauen und Mädchen bewegten sich auf dem Rasen. Der Brimas Vidra zerrte mit ganzer Seele den Bogen hin und her, und die Kofalen fangen dazu:
"
Wenn ich auch einfältig lebe, Will mit feinem Herrn tauschen..
Die Rosafen hielten mit einer Hand ihren Hinterkopf, mit der anderen ihre Pfeifenstiele. Urgroßvater flatschte mit rotem Gesicht Beifall. Sie waren schon an dieser Stelle angelangt:
,, D, mir schmeckt die fette Gerste, Wie dem Grafen die Schildkröte..."
Da sprang der Obertofaf plöglich auf. Im blauen Csikoshead, mehenden Leinenhofen, tnarrenden Stiefelschäften. Er stand schon vor den Zigeunern, und während er mit den erhobenen Fingern fräftig schnalzte, stieß er den Ruf aus:„ Das Meine, ihr Laniepelze!"
Die Mores fiedelten das traurige Lied aller Chifosburschen. Der Alte wiegte sich hin und her, knallte die Abfäße zusammen und fang:
Auf die Pferde, Csifosburschen, Denn die Herde lief zum Teufel...!"
Er flatschte in die Handflächen und hieb sich auf den Stiefelschaft: Babgeiger!!" ( Fortjegung folgt.) J