Morgenausgabe
Jr. 563
A 283
46.Jahrgang
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10.
Vorwärts
Osantag
1. Dezember 1929
Die
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blamage in ein politisches Abenteuer stürzen wird. Die Kräfte sind einstweilen zu ungleich verteilt. Aber zweifellos wird die Hugenberg- Politit mehr als je darauf gerichtet sein, die republitanische Staatsgewalt zu erschüttern und hinterm Busch einen günstigen Augenblick zum Losbrechen abzuwarten.
immer noch eine gewaltige politische und wirtschaftliche Gegenmacht, und daß sich ihr nicht ein geschlossener Arbeiter blod gegenüberstellen kann, dafür sorgen schon die Kommunisten.
Die parlamentarische Niederlage, die 5 ugenberg| fich nun gleich aus Wut über seine beispiellose Reichstags- bürgertum ist aber, troß seiner politischen Zersplitterung, gestern erlitt, fann nicht an den absoluten Zahlen der Abstimmung gemessen werden. Mehr als 100 Mann waren so wie so nicht aufzutreiben, gelang es, mit ihnen in die Schlacht und dann wieder einigermaßen geschlossen aus der Schlacht zu marschieren, so war das schon ein Erfolg. Von den 100 waren aber bei der Abstimmung über den§ 1 nur 82 vor handen und bei§ 4 waren es nur noch 60. Das heißt, die nationale Opposition ist nicht nur geschlagen, sondern auch gersprengt.
Daß von den 12 Nationalsozialisten 4 fehlten, war wohl nur Zufall. Kein Zufall war es, daß von den 78 Deutschnationalen 9 von Anfang an nicht anwesend waren, nämlich Bachmann, Bazille, Haßlacher, Klönne, Philipp, Reichert, Schmidt- Stettin, Bogt und Wallraf. Parteioffiziös wird von diesen Herren behauptet, fie feien frant oder sonstwie behindert" gewesen. Krant maren fie gewiß nicht, zumindest einige von ihnen hatte man noch am Morgen desselben Tages in ihrer vollen förperlichen Frische bewundern fönnen. Behindert" waren fie allerdings hauptsächlich durch den Umstand, daß sie vor fünf Jahren für den Dames Blan gestimmt hatten. Das trifft auf 5 von den 9 Herren zu, nämlich auf Bach mann, Bazille, lönne, Reichert und Wall raf.
Zu diesen 9 Abftinenten gesellten sich beim§ 4 weitere 14 nämlich Fromm, Hartwig, Hoesch, ülser, Reudell, Lambach. Lejeune Jung, Lindeiner Wildau, Menzel, Mönte, Rademacher, Schiele, Schlange Schöningen und Trepiranus. Auch hier findet man neben Neubelehrten wie Schlange und Treviranus und Zuzüglern wie Lindeiner viele betannte Gesichter aus der alten Dames- Garde.
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Auch die Christlich- Nationalen, die bei§ 1 mit Ja gestimmt hatten, traten bei§ 4 in Streit.
So ist nicht nur die Niederlage da, es ist zugleich auch da, was das sicherste Symptom jeder echten Niederlage ist: nämlich der Streit darüber, wer sie herbeigeführt hat. Die Deutsche Zeitung", die mit Argusaugen darüber wacht, daß die Diktatur der Altdeutschen in der Deutsch nationalen Boltspartei nicht angetastet wird, fordert gegen die Sezessionisten, die sich zu dem Parteitagsbeschluß von Kassel und dem unzweideutigen Willen der Gesamtpartei in Widerspruch gesetzt hatten, ein hochnotpeinliches Parteiverfahren.
Ein solches Verfahren schwebt bekanntlich schon gegen den Abg. Treviranus . Mit ihm haben sich nun die drei christlich- nationalen Gewerkschafter Hartwig, Hülser und Lambach solidarisch erklärt. Die drei hatten auch schon vor der gestrigen Sigung öffentlich angefündigt, sie würden dem Beispiel Schieles folgen und sich der Stimme enthalten. Wieviel Streitigkeiten und Händel noch aus der siebenstündigen Nachtsizung der Reichstagsfrattion übrig geblieben find, entzieht sich zunächst der Feststellung. Der deutschnationale Barteivorstand, der, wie parteiamtlich gemeldet mird, am Dienstag wegen der Veröffentlichung der Hartwig, Hülser und Lambach zusammentritt, wird gut tun, sich in Permanenz zu erklären.
Alles in allem handelt es sich nicht nur um eine parlamentarische Niederlage, sondern um eine schwere Bartei frise, deren Ausbruch über den Tag der Volksabstimmung, den 22. Dezember, hinauszuzögern man sich vergeblich bemüht hatte. Diese Krise zeigt, aus wie verschiedenen Bestandteilen die Deutschnationale Bolkspartei notdürftig zusammengeklebt ist. Sie macht aber vor allem zwei Flügel sichtbar, von denen der eine die demokratische Republik und die Berständigungspolitit als unwiderruflich gegebene Tatsachen anerkennt, während der andere nicht bloß außenpolitisch, sondern auch innen politisch zu Abenteuern geneigt bleibt.
Mit den Nationalsozialisten, die sich in den wildesten Ausdrücken zum gewaltsamen Umsturz bekennen, hat Hugenberg feinen ,, nationalen Blod" zu bilden versucht. Ein sehr großer Teil seiner Partei hat ihm dabei die Gefolgschaft versagt. Man soll nicht glauben, daß durch diese Sezession der ,, nationale Block" ungefährlich wird. Wenn eine radikale Bewegung die Erfahrung machen mußte, daß sie sich auf dem Boden der Legalität nichts als Niederlagen holen fan, dann wächst bei ihr die Neigung diesen Boden zu verlassen und wächst bei ihr die Neigung diesen Boden zu verlassen und anderswo ihr Heil zu versuchen.
Mit dieser Auswirkung des sog. Boltsbegehrens" wird man ohne Schwarzmalerei und Scharfmacherei mit der größten Ruhe und Kaltblütigkeit rechnen müssen.
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von Kardorff gestern in tomischer Verzweiflung, aber Was zunächst parlamentarisch geworden ist, das hat Herr richtig, dargestellt. Durch das Zerfallen der Deutschnationalen Volkspartei in einen putschistischen und einen antiputschistischen Flügel ist die Aussicht, eine feste Regierungsmehrheit gegen Die Sozialdemokratie bilben zu fönnen, bis auf weiteres voll ständig zerstört. Die Stellung der Sozialdemokratie als Regierungspartei ist also jezt viel günstiger als sie es wäre, wenn die Mitte nach Lust und Laune bald mit ihr, bald mit der Rechten eine arbeitsfähige Mehrheit bilden fönnte. Kar dorffs grenzenloser Merger über Hugenberg fommt daher, daß die Boltspartei durch Hugenberg einen Bundesgenossen gegen die Sozialdemokratie verloren hat.
Je weiter nun die politische Gewebezerstörung auf der rechten Seite fortschreitet, desto stärker wird die taktische Stel lung der Sozialdemokratie und desto größer die Verzweiflung des Herrn v. Kardorff und seiner Freunde.
Leider ist die Angst, die sie zeigen, wesentlich unbe gründet. Denn so angenehm es ist, sich in einer guten taftiichen Stellung zu befinden, so fann man sie doch nur nach maßgabe seiner mirtlichen Kräfte ausnutzen. Das Groß
Wenn Herr v. Kardorff meint, die Sozialdemokraten Schuldeten ugenberg ein Denkmal, so mögen auch die deutschen Kapitalisten nicht vergessen, was sie Thäl= mann zu verdanken haben.
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Einstweilen will Herr Hugenberg seinen Tatendrang, der gehemmt wird, auf einem Boden austoben, der nur für ihn auf parlamentarischem Gebiet durch irgendwelche Komplere gefährlich ist, nämlich auf dem des Gerichtssaales. Er will, wie der Abg. und Rechtsanwalt Everling gestern im Reichstag mitteilte, den Vorwärts" wegen feines Auffages über den Krach der Oftbank verlagen.
Gut so. Der Borwärts" wird den Handschuh aufnehmen. Die deutsche Deffentlichkeit braucht eine Reinigung von den Aspirationen des Reinigers und Retters Hugenberg. Der ,, Borwärts" wird sich um diese Reinigung bemühen. Das Biel muß aber eine Gesamtreinigung sein, eine Abrechnung des Kontos Hugenberg überhaupt, das seit der Vorkriegszeit durch Krieg und Inflation gelaufen ist und das noch von feiner Treuhandgesellschaft durchleuchtet worden ist. In das Zeitalter der Rationalisierung paßt ausgezeichnet auch die Rationalisierung durch zusammengefaßte Abwicklung des politischen Kontos Hugenberg . Wir freuen uns auf diese Abwicklung des Hugenberg- Kontos vor den deutschen Gerichten, wir werden, trotz des schlechten Beispiels, das uns Herr Hugenberg soeben im Reichstag gegeben hat, nicht tneifen!
Die zweite Zone ist frei!
Jubel im Rheinland. - Befreiungsfeiern in Aachen und Koblenz .
Koblenz , 30. November. 19,25 Uhr.
Reichskommissars hat der französische Außenminister Nach einer soeben eingegangenen Mitteilung des Briand dem Reichskommissar mitgeteilt, daß die weite Zone freigegeben worden sei. Diese Meldung ist auch von General Guillaumat in Mainz bestätigt worden.
Die fremden Fahnen sinken. Die Trifolore auf dem Ehrenbreitstein eingezogen. Koblenz , 30. November.
Heute vormittag 11,15 Uhr wurde auf dem Ehrenbreitstein in Anwesenheit der Rheinlandkommission, des Oberkommissars Tirard, des fommandierenden Generals Thevenin und des Chefs der Rhein armee, Generals Guillaumat, sowie des Restes der Koblenzer Befagungstruppen die Trikolore eingezogen. An der Feier nahm auch eine Abteilung der französischen Rheinflottille teil. Das Fahnentuch lenkte fich unter den Klängen der Marseillaise , und die Truppen marschierten darauf nach dem Mosel Güterbahn hof, wo sie in die berei stehenden Züge verladen wurden. Um 12,55 Uhr setzte sich der Truppentransport nach Metz hin in Bewegung. Später folgte eine Autofolonne von 60 Wagen auf dem Wege nach Mainz . Der Abmarsch der französischen Truppen
vollzog sich in voller Ruhe. Es waren außer zahlreichen Pressevertretern und Photographen nur wenige Neugierige zugegen.
Aachen , 30. November. Heute vormittag furz nach 12 Uhr wurde die belgische Fahne, die seit 11 Jahren auf dem Turm des Hauptquartiers wehte, eingeholt. Die Truppen hatten vor dem Gebäude Baradeausstellung genommen. Nachdem der General die Front abgeschritten hatte, spielte die Kapelle die Brabançonne, bei deren
Klängen die Fahne langsam niederging. In den angrenzenden starter Spannung folgte. Bald darauf setzten sich die Truppen in Straßen hatte sich eine nach Tausenden zählende Menschenmenge eingefunden, die der Einholung des belgischen Hoheitszeichens mit Bewegung. Sie werden mit der Bahn nach Namur befördert. Der Kommandant folgt nach Erledigung der offiziellen Abschiedsbesuche im Kraftwagen. Bei der Absperrung trat zum erstenmal die Schutz polizei in Aktion, die zum Teil bereits in Aachen den Dienst wieder übernommen hat, zum anderen Teil heute abend eintreffen wird.
Bald nachdem die belgische Flagge eingeholt worden war, setzte die Bevölkerung an vielen Häusern die deutsche Fahne. Die, Freude über die Befreiung tommt damit allgemein und sichtbar zum Ausdrud.
Zum Abmarsch des letzten belgischen Kommandos aus Aachen Truppen zum Bahnhof begleitete. Der Zug verließ den Hauptwar von Verviers eine Mufiffapelle herangezogen worden, die die bahnhof Aachen um 12,18 Uhr in Richtung Lüttich . Gegen 3 Uhr nachmittags verließ der belgische Kommandant Aachen im Kraftwagen in Richtung Eupen . Damit ist Aachen vollständig geräumt. Auf dem Gebäude, das bisher der belgischen Kommandantur gedient hatte, wurde unter dem Jubel der Bevölkerung die deutsche Flagge gehißt.
Amtliche Kundgebungen.
Der Reichspräsident richtete an den Oberpräsi denten in Koblenz aus Anlaß der Befreiung der zweiten
Bone folgendes Telegramm:
,, In der Stunde, da die Räumung der zweiten Zone brendet und diesem Gebiet die Freiheit wiedergegeben ist, gedenke ich in Dankbarkeit der treuen rheinischen Bevölkerung. Sie hat in den 11 Jahren fremder Befaßung schweres Schicksal erduldet, aber die Treue zum Vaterlande in harten Tagen erprobt. Freiheitsgloden sich zur Erneuerung ihres Bekenntnisses zum Das soll ihr unvergessen bleiben. Allen denen, die im Klange der Baterlande in dem nun befreiten rheinischen Gebiet versammeln, entbiete ich in enger Berbundenheit herzlichste Grüße. Ich ver