dSefloge Montag. 3. Febi uar 1930
SivÄbmd �hnlnuianS* An Iwuhacv
Werfiarbeiier an der ArheM Sin SSÜd aus dtamburg
Die ersten �ochbahnzgg« fahren in die Station �Lanidungs- brücken� ein- Omnibusse und Straßenbahnen kommen. Sie alle bringen Arbeiter. Werftarbeiter. Schlag aus Schlag geht es setzt. Zweiminutenoertehr. Wo eben noch absolute Leere war, hasten jetzt Tausende von Arbeitern und Arbeiters/inen durch das Hamburger „Sauwetter". Kragen hochgeschlagen, Hände in den Hosentaschen. Unter den Arm geklemmt oder an einem Band über die SchUilter geworsen: Kassee-.Buddel". ein kleiner Topf Mittrg- essen und in der Rocktasche das Vesperbrot. Jungen, eben aus der Schule, und Greise, die sich mit aller Gewalt gegen die Windstärke 9 stemmen müssen, um überhaupt vorwärts zu kommen. Breite, vier- fchrötig« Nieter und Bohrer und fixe„Hamburger Deerns". Der Wind bläst ihnen in die Röcke, daß sie alle«inen Pompodourhintcrn haben. Alle, alle gehen sie in einer Richtung. Zum Elbtunnel oder zur Fähre. Vor den Tunneleingängen und Brücken zur Fähre stauen sich die Menschen. Auf und nieder sausen die Tunnelfahr- st ü h l e. Schlucken ganze Autos, Pferde urch Wagen. Und Men- scheu gleich drei Dutzend auf einmal. Unten an den F ä h r e n p o n- t o n s schlittert eine Fähr« nach der anderen heran, frißt Werstarbei- ter, schichtet und stapelt durchgeregnet« Menschen aus sich und in sich. bis der letzt« Passagier sein linkes Bein absolut nicht mehr zu lasten weiß und es einfach über die Reeling hängt Ein Glockensignal, der Schiffsjunge wirft die Haltetaue los und springt im letzten Augen- dick noch aus die Fähre, oder vielmehr auf die Menschenleiber. Ein« Fahrt auf einer Fähre im Hamourger»)asen bei Windstärke 9 lehrt Beten— oder Fluchen, je nach Temperament. Der Binnenländer möge sich eine wegen ihrer Lebensgefährlichkeit polizeilich verboten« Berg- und Talbahn vorstellen, wo einige Dutzend Männer nur zu dem Zweck angestellt sind, den Passagieren unaufhörlich und m't mathematischer Genauigkeit möglichst große Kübel mit eiskaltem Wasser direkt ins Gesicht zu gießen. Dann hat er einen ungefähren Begriff von einer Sturmfahrt auf einer Hafenfähre. Nach einigen zwanzig Minuten kommen die Anlegepontons der Dulkanwerftin Sicht In der kompakten Masse Mensch schiebt, drängt, pufft und knufft es. Jeder will zuerst an Land, unter D'ch kommen. Noch ist die Fähre einen Meter vom Ponton ab. Der Schiffssunge steht mit dem Haltetau sprungbereit Die„Nase" der Fähre schrammt langsam am Ponton entlang. Schon geht es los. Die verdammten Jungs können die Zest nicht abwarten. Ein kühner Sprung über den meterbreiten Spalt zwischen Ponton und schaukeln- der Fähre. Neunundneunzigmal gelingt der Sprung. Beim hundert» sten gleitet der Bengel aus, fällt ins Wasser, und die Fähre quetscht den zappelnden Körper an den Ponton. Quetscht und quetscht und die Maschine rast aus„Volldampf zurück". Und dann fischen sie etwas aus dem rotgefärhten Wasser, was vor kurzem noch ein leben- der Mensch von achtzehn oder neunzehn Iahren war. Es kann aber auch anders kommen. Der„Sog" der Fähre oder des Pontons holt sich— unter Wasser— den Jungen. Er erstickt und muß vom Pon- ton oder dem Schifssboden abgeklaubt werden wie«ine Pfahl- muschel. An die Arbeit! Ein elendes bleischweres Taglicht kriecht herauf, langsam. Man weiß nicht, ist es nun schon„hell" oder soll es erst Tag werden. Der Strom der Arbeiter hastet vorwärts. Jetzt ist das Tor der Werft erreicht. Die Menschen stauen sich, sortieren sich, werden zu einer Nummer. Wohl ein Dutzend Holzhäuschen nebeneinander, getrennt durch je ein Drehkreuz. An jedem Häuschen Nummern: 1— 1000, 1000—2000, 2000— 3000, und so fort, bis über 10 000. Jeder auf der Werft Beschäftigte hat„seine" Nummer,„sein" Häus- chen, wo er„seine" Ausweisblechmarke bekommt,„sein" Drehkreuz, durch das er zu gehen hat, morgens und abeirds. Weiter: zur Gar- derobenhalle. Zehn Minuten noch bis Arbeitebeginn. Noch ist Feiertagsruhe. Selbst die Nachtschichten haben schon halbwegs Feierabend gemacht. Zehn Minuten, dann, fast mit einem gewal- tigen Schlag, springt dich der Lärm an. lieber dicht bei dicht liegende Gleise der Werftbahnen, an Maschinenhallen, ganzen Schup- pen- und Gebäudekomptexen. weiten Kohlenhalden, unermeßlichen Lägern von Eisen und Stahl, von der Schraubenmutter bis zur Panzerplatt« und haushohen Eisenträgern vorbei geht es zu den Umkleideräumen. Jeder Arbeiter, jede Nummer hat«inen Kleider- f p i n d. Runter mit den durchnäßten Brocken. Für Momente tauchen nackte Männcrbrüste aus den Spindreihen, dann gleitet dos trockene Arbeitshemd über die Leiber. Die Arbeitshosc und-jacke folgen. Ein kräftiger Schluck aus der Kasfee-„Bubdel". Eben m II man seinen Spind nachbar begrüßen, da haut einem die Werst- s i r e n e das Wort vom Munde. Arbeitsbeginn. Aus den Garderobehallen strömen die Arbeiter: zur Werkzeugausgabe, in die Montagehallen, auf die Schiffe, In die Docks, in die Hclligen, in die Werkstätten. Und jetzt, Neuling, wenn du mit mir reden willst� wenn du mir vielleicht erzählen willst, daß du mit der kleinen Blonden aus der Kantine einen netten Abend verlebt hast, form« beide Hände zum Sprachrohr und brülle es mir ins Ohr. Was hast du geflüstert? Ich habe nichts verstanden. Spar« die armselig« Kraft deiner Stimm« bis zur Mittagspause. Jetzt regiert der Lärm. Preßlufthämmer jagen weißglühende Nieten Ins Eisen. Bohrer fressen sich brüllend in stählern« Schiffsplatten. Elektrizität. Dampf und hydraulische Krast werden losgelassen auf dröhnendes Eisen. Zersägt, zerteilt und formt e, nach des Mannes Willen, der auf einen Knopf drückt oder einen Hebel einstellt. Lokomotiven kreischen in den Kurven, strömen Dampf aus, pfeifen gellend. 5>of- kolonnen transportieren Eisenplatten, Wersen sie aus einen Stap'l. Zyklopen schwingen Vorschlaghämmer, lassen sie nicdersausen auf das Arbeitsstück auf dem Amboß . Lärm. Lärm um der Sache willen, die später einmal Schiff oder Lokomotive oder Maschine heißen soll. Seim Schiffsbau S ch i f f s n e u b a u. Er hat bereits die Helligen, das Dock, ver- lassen und schwimmt. Aber fertig, fahrbereit sst-das Schiff noch lange nicht. Di« ganze Inneneinrichtung, die ganzen Maschinenanlagen und Deckaufbaulcn fehlen noch. An der Kaimauer ist der Neu- hau festgemacht. Ein riesiges rostbraunes und mennigerotes, ganz und gar unfertiges Baby. Bon der Kaimauer führen Laufplanken on.D.'ck. Werftpol zei, Feuerwehrleute, kontrollieren die Blechmar- ken. Chaos in höchstex Vollendung umbrondet dich bereits an Deck. Wie soll es erst unten'werden? Riesenkrane und Winden. Menschen» und Dampfkraft schleppen, hieven und fahren ununter-
brachen. Eisen und Stahl an Deck, aller Ausmaß«, aller Formen. Gewimmel arbeitender Menschen. Sie hocken aus dem eisernen D.ck und bohren Löcher und thronen auf wackligen Stellagen hoch oben» wo ein Holzgerüst die spätere Cisenkonstrukt on anzeigt. Fau- chend« Preßluft und brausende Elektrizität bohrt und nietet.„Näht " die Platten zusammen. Schneidebrenner zer- teilen Eisenträger und Platten von Zentimeterdick«. Und über allem der Mensch. Er befiehlt dem Riesenkran, tausend Zentner zu heben. Er„spielt" mit Preßluft- und Dampfatmosphären. Er„näht" mit Startstrom Panzerplatten und befiehlt dem Sauerstoff, die Platten zu zerschneiden. Nach unten geht es. In den„R a u m", in den Schiffs- bauch, den Bauch, dem die Eingewerde noch fehlen. Ein riesiges rechteckiges Loch im Deck, notdürftig durch ein paar Holzlatten ein- gefriedet. Auf einer Holzletter geht es in die Tiefe. Leiter reiht sich unter Leiter. Station folgt auf Station. Ueberall arbeiten Msn- schen. Bohren, nieten, schweißen, brennen, bauen l)olzstellag«n und transportieren mühselig, kriechend und rutschend, Material. E l« t» trische„Sonnen" erleuchten das nähere Arbeitsfeld tagh.ll, das andere liegt im Halbdunkel. Roch tiefer geht es. Wir sind bereits unter den Räumen, die die Maschinen ausnehmen sollen. Die Luft wird schlechter und schlechter. Schneidebrennerundoffene Kohlenseuer zum„Kochen" der Nieten vergiften jeden Atemzug. Eng wird es, sehr eng. Wo sind wir? Im „Well e n t u n n e l". kaum meterhoch. Mann kauert neben Mann. In halbvergifteter Luft, im Höllenlärm. Die Sprache des Mundes ist hier abgeschafft, zwecklos. Gesten, Blicke und die Hand in Hand Arbeitenden verstehen sich. In einem nur einen halben Meter hohen Kanal soll gebohrt und genietet werden. Wiz soll da ein Mensch hineinkommen? Auf dem Rücken liegend, Ge> ficht und Hände mit dicken Lappen umwickelt, nur die mit Schutzorille versehenen Augen bleiben
frei. wird einBohrermitseinerelektrischenHand- bohrmaschine in den Kanal geschoben. Wie ein Brot in den Backofen. Direkt über sich, wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt, soll der Mann Nietlöcher bohren,„aufreiben". Die Maschine ruckt an, bohrt. Glühende Bohrspäne sal- len auf den Bohrer, durchfressen die dicken Lappen und verbrennen die Haut. Nach einigen Minuten wird der Mann aus dem Backofen gezogen. Schweißtriefend, erschöpft. Ein anderer läßt sich hineinschieben. Tiefer geht es. Wir sind auf dem Grund des Schiffes. Einige Zentimeter unter uns ist die Elbe . Aber auch hier ist es schon recht feucht. Das„B I l s ch"-W asser geht bis an dic Knöchel. Der ganze Schiffsboden ist eingetellt in Kammern, die. jede für sich, durch Schotten wasserdicht verschließbar sind. Tritt an irgendeiner Stell« des Bodens ein Leck ein, bedarf es nur einer Meldung: Leck ln Kammer Ättmmer soundso. Und die Kammer wird durch einen Handgriff vom übrigen Schiff wasserdicht abgeriegelt. Schmal«, niedrige Gänge, links und rechts Kammer neben Kammer, unter sich durch rund«„Mannlöcher" miteinander verbunden. Halt! Weiter geht es nicht, die Schotten sind geschlossen. Nach dem Be uch. Nach oben. Es wird auch Zeit. Im Kops summt und brummt es, vor den Augen tanzen Feuerräder. Kalter Schweiß bricht aus, die Knie zittern. Luft, frische Luft. Klettern.' Endlich, die letzte Leiter. Wir sind wieder an Deck. Der Regen hat aufgehört. Auch der Sturm hat sich gelegt. Ab und zu brechen Sonnenstrahlen aus den jagenden Wolken. Da— die W e r f t s i r« n«: Mittag. Aus dem Schifjsbauch kommen hungrig« Menschen. Sie kneifen di« Augen zusammen vor dem Taglicht. Dann aber nehmen si« die Beine in die Hand und trudeln in die Speisehalle. Es g.bt Erbsen mft Speck. �Villem.
Skandal in Xondon 3)08 Ende eines Glücksritters der 3£ocfifliiatt£
„E l a r e n c« Charles Hatry, Sie sind nach Ihrem eigenen Geständnis der abscheulichsten Betrügereien schuldig, die jemals die Handelsehre Großbritanniens besteckt haben." Mit diesen Worten des Richters Avory vor dem Old-Bailey-Gericht in London siel der Borhang über ein« der dramatischsten Episoden in der Ge- schichte des Finanzkapitals. Es ist«jne Geschichte von der Hinter- treppe des stolzen Gebäudes der Hochfinanz, mit Kinoeffekten, melo- dramatischen Weinszenen, großartigen Gesten und jämmerlichen Zusammenbrüchen. Die Verurteilten haben ihre Strafe angetreten. Aber auf der Anklagebank saß neben dem Spieler Hatry und seinen drei armseligen Helfershelfern ein ganzes System. Clarence Charles Hatry begann seine Karriere, die ihn in schwindelhafte Höhen und von dort in steilem Abstieg ins Gefängnis führen jollt«, vor zwei Jahrzehnten als«in kleiner Im- p o r t e u r von Materialien für Zylinderhüte Mit 21 Iahren machte er bankrott— es war die erste einer Reihe von Insolvenzen, die. seltsam genug, dic Sprossen seiner Leiter zu Geld, Ansehen und Macht bilden sollten. Der Spieler und Spekulant war nunmehr in Clarence Hatry erwacht. Noch hatte er kaum liquidiert, so schwamm er ichon wieder oben. Das neue Abenteuer ist bezeichnend, wenn es auch nur ein kleines, armes Vorspiel für die kommenden Er- eigniss« darstellen sollte. Hatry hatte erfahren, daß gewisse bäuerliche Auswanderer aue dem Osten Europas vor ihrer Abreise all ihr Hab und Gut verkauften, um nur zu oft, von den Einwanderungsbehörden in der neuen Welt zurückgewiesen, der bittersten Armut ausgeliefert zu sein. Hatrys warmes Herz war gerührt. Er versicherte die Auswanderer gegen ihr Risiko und rechnete ihnen 1054 Mark als Zuschlag zur Schisfskarte auf. Gleichzeitig ging er selbst eine Rückversicherung ein, die hn pro Person 1 Mark kostete. 954 Mark strich er, ohne jede Gefahr, bei jedem Versicherten ein. Di« Unternehmung blühte, in Rußland , Spanien und Italien wurden Tochtergesellschaften gegründet. Hatry hatte während weniger Zahle eine halbe Million Mark verdsenl. Da kam der Krieg. Die Auswanderung brach ab, dos Unter- nehmen krachte zusammen. Mit einer großen, weithin sichtbaren Geste zahlt« Hatry den Aktionären großmütig die Hälft« ihres Kapitals zurück, obwohl gesetzlich keinerlei Verpflichtung hierzu vorlag. Er wußte, warum. Dies Geschäft war nur«in Anfang und es galt, die Mitwelt von der eigenen Korrektheit und geschäftlichen„Smart neß" zu überzeugen. Der Appettt kommt beim Essen, sagt ein französisches Sprichwort. Hatrys Appetit war inzwischen ins Gigantisch« gewachsen WEr war nicht mehr der Spieler nur,— sein persönlicher Ehrgeiz. sein Geltungstrieb, wie die Psychologen es nennen, seine Eitel - lest waren mvZeheuer geworden. Der Krieg gab ihm ein neues Stichwort. War ein Großteil des Rückoersicherungsgeschäftcs nicht bisher von deutschen und österreichischen Firmen besorgt worden? Nichts naheligendcr als der Gedanke, sich die einzigartige Chance zunutze zu machen und sich'die �finanzielle Kontroll« einer altangesehenen britischen Berstcherungs- Gesellschaft zu sichern. Der lllorfall selbst ist wie«in Akt aus einem Senfationssllm: Hatry trifft einen Freund in Uniform, der ein« Option auf die CLy Equitable besitzt. Der Freund muß ins Feld und überläßt Hatry für die Kleinigkeit von 100 000 Mark diese Option, es fehlen nur noch die 15� Millionen für den Kauf der Anteile selbst.' Hatry läuft von Pontius zu Pilatus : niemand hat Geld. Da erhält er eine Empfehlung on einen lSoumwoll- Magnaten in Manchester , stürzt sich in den Zug. überredet seinen neuen Bekannten, fährt nachts nach London zurück, rast auf die Bank, kassiert seinen Scheck, stopft die Wt Millionen in Banknoten m seine Altenlasche und bei ritt das Zimmer des Rechtsanwalts der City Equitalbe ein paar Minuten vor Ablauf der Optton. Nach sechs Monaten hat er seinen Auteil an der Bant mit
einem Gewinn von annähernd 4 Millionen Mark verkauft. Kurze Zeit später bricht die Gesellschast unter Riesenoerluste«. für die Gläubiger in sich zusammen. Run gründet Hatry Kompagnie aus Kompagnie, darunter die Commercial Corporation. Die Gesell- schaften machen in der Zeit der Rächkriegsdeslation, eine nach der anderen.!Sankrott. Darunter auch sein Augapfel, die Commercial Corporation. Hatry legte 154 Millionen Mark aus eigener Tasche zu Befriedigung der Gläubiger auf den Tisch. Alles schien verloren, außer die Ehr«. Die hatte er auf theatralische Weise nach außen durch sein persönliches Opfer gerettet. Hatry schien abgetan. Die City mißtraute ihm. trotz seiner großzügigen Liquidierungen. Er war ein Abenteurer in einer Uni- wett bequem und solid gewordener Kapitalisten. Seine Karriere. so glaubte man, war zu Ende. Aber Hatry war nicht der Mann, das Spiel verloren zu geben. Sein neuer Wiederaufstieg setzte alles frühere in den Schatten. Cr gründete neue Gesellschaften, wurde zu einer Großmacht im Tuchhandel und schickte sich eben an, mit der Bildung eines riesigen S t a h l k a r t e l l s die Kontrolle in einer der Schlüsselindustrien Großbritanniens an sich zn reißen. Da begann es im Gebälk zu krachen. Seine Gesellschaften und Iitteresscn waren hundertfältig, unübersehbar ineinander ver- schachtelt. Es gelang, hier dos Geld zu nehmen, um dort«iü Loch zu stopfen. Di« Risse wurden immer größer, dos Spiel immer verwegener. Bis schließlich kein anderer Ausweg mehr offen schien. als Betrug und Fälschung. Die Panik auf der Böff« setzte ein und mit einem, in der Geschichte der britischen Finanz einzig dastehenden Krach stürzte die ganze, auf der Spitze stehende Pyramide in sich zusammen, tausende von Kommunen, kleinen 2lktionör«n und Firmen mst sich reißend. Der Monsterprozeß, der mit der 14jährigen Verurteilung Hatrys endete, war nur das Nachspiel und vorläufige Ende. Es kann nicht geleugnet werden, daß dieser Hatry aus einem Stück gemacht ist: nicht minder größenwahnsinnig als seine gelchäsi- lichen Transaktionen war der Stil seines privaten Lebens. Hatry hotte neben seinem. Landhaus, seiner Jacht und seinen Renn! st allen einen Stadtpalast. der in seiner bombastischen Pracht an Hollywoods paroenühaftesten Träume«rinnen«. Seine Freunde von gestern erzählen von dem orientalischen Pomp seiner Empfänge� von- dem marmorenen Luxusschwimmbad, das er in feinem Haufe zu seiner und seiner Gäste Erlustigung ein- gebaut hatte.„Auf dem Grund seines Schwimmbades," so bcrichiet einer derjenigen, die seine Gastfreundschaft genossen haben,„waren lange Reihen farbiger Lichter angebracht. Wurden sie angedreht, so hatte man das Gefühl, nicht im Wasser, sondern in einem regenbogenfarbigen Likör zu schwimmen." Die Vutgariiöt des Geldes hotte bei diesem Hasardeur des Daseins offenbar einen Gipfel erreicht, on dem gemessen olle Erinnerungen an die Daliitaichieiier und Jnflationsgewinnler unserer eigenen Nach- kriegszeit ins Nichts versinken. Neben einem Hatry werden sie alle zu armseligen, phantasielosen Stümpern. Und Stinncs gar wird, mft ihm verglichen, zur Inkarnation eines moralischen Prinzips. Hatry sitzt heute im Kerker. Darf man den Berichten der Zeftungen trauen, so wäscht er jeden Tag selbst seine Zelle und muß jeden anderen Tag auf Fleisch verzichten. Sein Sturz ist, gemessen on seinem Gestern, gewiß tief genug. Aber Hundert- � tausende fragen sich, ob mft diesem einen Hatry im Kerker wirklich das Uebel gebannt und ob nicht rief, ganz rief, etwas faul sei im Staate der Hochfinanz. Man ist skeptisch geworden Man weiß: derselbe Mann mft den' selben Anlagen und Grundiätzen, mft den selben Gcschäftsmethoden und Praktiken säße vielleicht morgen als Peer von England im Hause der Lords, wem,, ja wenn er zuletzt statt Pech ein wenig Glück gehabt hätte.. Egon Wenheimer, London .