Nr. 67.Erscheint täglich außer Montag».Prel» pränumerando: viertel-jährlich«,zo Mark, monatlicht.io Mk., wöchentlich 28 Psg. freiin'k Hau». Einzelne Nummer8 Psg. SonntagS-Nummer mittllustr. Sonntag»-Beilage„NeueWell" w Psg. Post-Abonnement:s.so Mk. pro Quartal. Unter Kreuz-band: Deutschland u. Oesterreich-Ungarn 2 M., für da» übrigeAu»land 8 Mk. pr. Monat. Eingetr.in der Post- Zeitung»- Preislistefür is«s unter Nr. 7277.13. MW.«nsertionS-Eebühr beträgt für diefünfgespaltene Petitzeile oder derenRaum 40 Pf., für Beretns- undVersammlung»- Anzeige» 20 Psg.Inserate für die nächste Nummermüssen di« 4 Uhr nachmittag» inder Expedilton abgegeben werden.Dt- Erpeditton ist an Wochen-tagen bi» 7 Uhr äbeud», an Tonn-und Festläge» bi« s Uhr vornititag«geöfsnet.Lernsprech er: Zimt 7, Mr. 1508Telegramm-Kdresse:«Koiialdemostrat Oerlin".Verliner NMsdlalt.Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands.Wedaktion: S¥. 19, Weuty-Straße 2. Donnerstag» den 19. Marz 1896.| Spedition: SW. 19, Wenth-Straße 3.Die Dinkifemiken.Paris, den 14. März.Dieser Tage besuchte mich ein befreundeter Genosse; vollerIngrimm zerknitterte er drei Nummern der„Libre Parole' inseinen Händen, und zwar die vom IS.. IS. und 25. Februar:„Hier, sehen Sie nur, wie dieser Drumont, der doch manchmal mit dem Sozialismus kokettirt, uns behandelt: Wir sinddie Hörigen des jüdischen Sozialismus'.... Wenn sich dieMißstimmung gegen den schädlichen Einfluß des jüdischenKapitalismus wendet, so kommt der Sozialismus mitseiner bekannten Redensart:„„Es giebt keinen jüdischenKapitalismiis, es giebt nur das Kapital. Nicht der Jude istder Feind, sondernDder Ansbeuter, weß Glaubens er mich sei."„Der Sozialismus spielt die Rolle des Blitzableiters'.....„Ter marxistische Sozialismus erhält seine Befehle von Singeraus Berlin, er entwickelt unbestimmte Theorien, um die Jnler-essen der Großbankiers zu beschützen, ohne daß es so aussieht.'Ist das nicht ein Skandal?"Nicht so hitzig! Bedanken Sie sich vielmehr bei HerrnDrumont und seinen Freunden für ihre Verleumdungen, dennjetzt wird niemand mehr so dumm sein, uns mit den Anti-femiten in einen Topf zu werfen. Im Uebrigen muß manNachsicht mit Herrn Drumont haben, der sich einer Aufgabe weiht,deren Erfüllung weder unseren Wünschen noch unseren Fähigleiten entsprechen würde.Ja, wir schulden ihm Dank; aber nicht, weil erden jüdischenDespotismus mit einem so hervorragenden Mangel an Logikangreist. Denn wir haben nicht auf ihn zu warten gebraucht, umdiesen Kampf aufzunehmen. Ehe er überhaupt nur daran dachte.seine antisemitische„Stinkbombe" zu schleudern, hatten wir schon dieForderung gestellt, man solle aus Mazas die kleinen Spitzbubenherauslasse» und dafür Rothschild und die anderen großenGeldspitzbuben einsperren. Beiläufig bemerkt, wegen eines ähn-lichen Attentats aus Seine Majestät den König Kapital bin ichschon vor die Richter gestellt worden.Die Sozialisten konnten den liberalen Aufklärern nicht denRang ablausen und sie wollten die skeptische Kritik eines Bayleund Voltaire nicht wieder aufnehmen. Allein wir erkannten dochdie Nothwendigkeit, den Geist des Bürgerthums vongewissen alten Anschauungen und Thorheitcn zn reinigen.Und Herr Drumont und seine Freunde haben sich das Zielgesetzt, selbst die eingefleischtesten, eingekapseltsten Katholiken zumFreidenkerthum zu bekehren.--— Sie scherzen!— Ich bin so ernst wie der Papst, wenn er von der Höheseiner Unfehlbarkeit aus seines heilige» Amtes waltet. Hören Sie:Die christliche Lehre, die der Welt keine einzige neueWahrheit gebracht hat, hat aus der heidnische» Philosophie dieEinheit des Menschengeschlechts, die von den griechischen Cyuikerngelehrt wurde, herübergenommen und sie in ein Dogma ver-wandelt, an das man glauben muß bei Strafe ewiger Ver«dammniß. Diese altphilosophische Idee gab dem Christenlhum dasUebergewicht über alle die lokalen und nationalen Kulten desHeidenthums und niachte es zu einer Universal-Religion. Schongewisse heidnische Kulten, deren Erbschaft das Christenlhum an-trat, zeigten ein Bestreben international zu werden.Die Kirche sagt zu den Menschen: Ihr alle seid Brüder, ihralle seid Abkömmlinge des Vaters Adam und nach dem Eben-bilde Gottes geschaffen, ihr alle habt die gleichen Tugenden undLaster.„Das ist nicht wahr!" rufen die Antisemiten;„die Arier unddie Semiten sind zwei verschiedene Raffen!„Und sie setzen demDogma der Kirche die Theorie jener freidenkerischen Anthropolo-giften entgegen, die ihre Wissenschast an dem Tage lustig in� CCT(Nachdruck verboten.)„Ich freue mich allerdings", begann Riixdorf,„daß eshier sowohl guten alten, als guten neuen Wein giebt, daßich mich an beiden laben kann."„Auch Du? Recht so, Schwager."„Eigentlich hätte ich nicht hierher reisen, sondern aufdem Gute bleiben sollen.„Gewiß wegen Deines Pächters," frug die Oberförsterin,„erzähle." �„Zuvor wollen wir," sprach, indem er sich erhob, derMajor,„es rühmend anerkennen, daß trotzdem unser Gastgekommen ist, und auf sein Wohl wollen wir anstoßen."Die Gläser erklangen hell zum Willkommgruße, demGaste zu Ehren.Nüxdorf war sehr erfreut, man sah ihm an, daßer sich wohl fühlte, wieder einmal in diesem trauten Kreisezu sein, um so mehr, als er beim Anklingen in Clotilden'sAugen sah und dort freundlichen Blicken begegnete. Erempfand wie alle Anwesenden, daß es da am schönsten ist,wo trotz aller Zurückgezogenheit gute Menschen traulich beieinander wohnen. Rüxdorf gab auch sofort diesen Ge-suhlen Ausdruck, indem er in schwungvoller Rededen ihm dargebrachten Toast erwiderte. Er schloß:Dem Wohle der Hoffnungsvolleu Kinder, den trcff-lichen Müttern, den wackeren Vätern, den traulichenRäumen, wo die Gastfreundschaft so gepflegt wird, daß dieGäste sich geftsselt und wohl fühlen— sei ein volles Glasdargebracht.—„Ja, der Gastfreundschasl alle Ehre!" setzteClotilde hinzu, iudem sie zuerst mit Rüxdorf anstieß, derihr aus ihrer Seele gesprochen.Trümmer schlugen, da sie erklärten, die wilden, barbarischen Völkerseien eine tiefer stehende Menschenrasse; was sie deshalb thaten,um deren Ausbeutung und Ausrottung durch die kapitalistischeRäuber- und Sklavenhändlcrbande den Stempel des Rechts auf-zudrücken.Die Arier sind die Tugend und Herzensgüte selbst. Wärensie die einzigen Bewohner unserer Erde, so würde die mensch-liche Gesellschaft ein wahres Hirtenidyll sein. Es würdejetzt keine Bontoux, Lesseps, Ronvier und Canivet geben, und eswürde keine Torquemada und Borgia gegeben haben, wenn dieHerz und Reinach nicht das lilienreine Gemüth dieser unschuldigen,harmlosen Engelein verführt hätten.Ich frage Sie: ist das die Sprache eines frommen Christenoder ist es die eines Freimaurers? Wenn der Jude der Verführerder unschuldigen Arier ist. so wird Jehova— ich will mich zart aus-drücken— doch ein schwerer Vorwurf gemacht, sintemal er die unreineNachkommenschaft Abraham's zum anserwählten Volke gemachtund ihr das Königreich auf Erde» versprochen hat, während erdoch ebenso gut die Kelten, Germanen, Lateiner oder Hellenenhätte auserwählen können.Der ehrliche Katholik muß den jüdischen Geldmann segnen,der die Christen und seine beschnittenen Brüder ausplündert unddie Erde in ein Jamiuerthal verwandelt. Herr Drumont aberist ergrimmt über den jüdischen Millionär, der den Christen mit-leidig das Paradies überläßt, in das sie nicht komlnen könnten,wenn sie mit irdischen Schätzen beladen wären.Lieber Freund, Sie werden mit mir übereinstimmen, daßHerr Drumont und die Antisemiten nicht so arm sind am Geiste,und nicht so bösartig, um aus solche Weise ihre Religion zu ver-rathen.Herr Drumont hat seine Vorsichtsmaßregeln getroffen, damitman sich nicht täusche.Als er sein illustrirtes„Jüdisches Frankreich" in Lieferungenherausgab, ließ er in Paris allenthalben Plakate anschlagen, ausdenen er als Paladin gerüstet dastand und die Gesetzestafeln, dieMoses, einem Befehl Gottes folgend, auf dem Berge Sinai ge-schrieben hat, mit Füße» trat. Das war doch deutlich genug— wer kann da noch seinen übertriebenen Katholizismus ernstnehmen?Ich wiederhole Ihnen noch einmal: die Anti-semiten sindReligionshasser, Freimaurer undFreidenker,, die sich echt jesuitisch verkleidethaben, uni so die christliche Religion leichterlächerlich machen und zerstören zu könne».Llallus.Dolittfche MvbevMzk.Berlin, 13. März.Der Reichstag beschäftigte sich heute mit den„ufer-losen Flottenplänen' und blieb dabei kühl bis ans Herzhinan— soweit der Reichstag versammelt war, das heißtdrei bis vier Dutzend langweilende oder gclangwcilteHerren. Vor 4 Wochen hätten die„uferlosen" Pläne einehitzige Debatte hervorgerufen, allein inzwischen sindsie so eingedämmt worden, und durch die Ent-larvung ihres Hauptapostels Peters so in Mißkredit ge-kommen, daß sich niemand mehr über sie erhitzen kann.Herr v. Marschall, der auf dem Lande ziemlich zu Hanseist, schwankte auf der See stcuerlos hin und her und triebdabei etwas freiwilligen oder unfreiwilligen Zickzackknrs.Hierauf kritisirte Bebel die abenteuerlich- phantastischenWasserschlösser von unserem Standpunkt aus, wobei er auchDie Gläser waren noch nicht geleert, da meldeten sichauch die beiden hoffnungsvollen Mädchen, die Frauenbrachen auf und der Major sagte:„Da haben wir'S— es sind unsere Kinder, auch siewollen mittrinken."Der Oberförster benutzte die Abwesenheit der Frauendazu, seinem Schwager Rüxdorf als Doppelgevatler zuratuliren.„Der Major," sagte er,„steht bei meinemstädel, ich bei dein seinen und Du und Clotilde steht beibeiden Gevatter."Rüxdorf sagte sofort freudig zu, Pathenstelle zu über-nehmen, frug aber plötzlich ernster werdend:„Und Clotilde,weiß sie davon?"„O ihrer sind wir gewiß", fiel der Major ein,„sie istein hochherziges Weib, eine tiefangelegte Natur, ein treff-licher Charakter."„Ja das ist wahr," setzte der Oberförster hinzu. Undbeide Männer priesen abwechselnd die Vorzüge Clotildens,die dieselbe in und außer dem Hause entfaltete, undRüxdorf hörte ihnen gern zu, jedes Wort klangihm wie Musik, er hätte gern auch noch von denVorzügen gesprochen, die ihm sein Herz eingab, aberder verletzte Mäimerstolz hieß ihn schweigen. Ueberwältigtjedoch von seinen Empfindungen faßte er sein Glaß, stießmit seinen Freunden an, beide erhoben ihre Gläser, sie er-klangen hell.Keiner sagte ein Wort— jeder wußte, wem es galt—da traten die drei Frauen wieder ein und beeilten sich, ihrePlätze wieder einzunehmen.Die Obcrförsterin schmiegte sich nah an ihren Bruderlegte liebkosend den Arm auf seine sSchulter und rief:Nun lieber Theodor, erzähle."die auswärtige Politik streifte, und der Staatsmann iu par-tibus von Bennigsen tanzte einen staatsmännischen Eiertanzvon Wenn und Aber. Das übrige ist im Neichstagsberichtnachzulesen.Morgen Fortsetzung und hoffentlich auch Ende. Dennsonst kann die dritte Lesung des Etats nicht Montag be-gönnen werden.—Das preußische Abgeordnetenhaus sehte am Mittwochdie Besprechung der Jnlerpellalion Ring betr. Maß-regeln gegen die E i n s ch l e p p u n g von Viehseuchenfort. Wer noch daran zweifelte, daß es den Agrariern mttdieser Interpellation nur um die Verfolgung ihrer Sonder-inleresseu zu thnn sei, der wurde durch die Reden der Abgg.v. Mendel- Sleinfels, Ring und G e r l i ch eines besserenbelehrt. Erstcrer betonte sogar, daß die Handelsverträge unsnicht hindern dürften, nothwendige Absperrungs- und Kontroll-maßregeln zu ergreifen. Im allgemeinen bewies die Debatte, diedie bekannten agrarischen Tiraden zu tage förderte, von neuem.daß es den Junkern in erster Linie darauf ankommt, ihreTaschen zu füllen, gleichviel ob sie dem armen Mannedas Fleisch vertheuer», wenn sie selbst nur Vorthetlhaben. Der freisinnige Abg. G othein lieferte heute den Bewels.daß er von seinen agrarischen Gegnern gelernt hat; wie diesebei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit für denBund der Landwirthe Propaganda machen, so versuchteHerr Gothein den neuen Schutzverband gegen agrarischeUebergriffe zu empfehlen, um wo möglich für ihn Mit-glieder zu werben. Wenn es so weiter geht, werden wires schließlich noch erleben, daß die Parlamente zu einem Tummel-platz dieser beiden Jnteressenvereine werden.— Nach Erledigungder Jntervellation nahm das Haus noch einige Wahlprüfungenund Petitionen in Angriff.— Am Donnerstag steht die ersteLesung des Gesetzentwurfs betr. Regelung der Richter-gehälter»ndEr nennung derGerichtsassessorenaus der Tagesordnung.Die silberne Internationale arbeitet nach ihrem-s-H- ge-Heimen Programme eifrig weiter. Heute wurde im DeutschenReichstage der folgende mit 145 Unterschriften versehene Antragvertheilt:Der Reichstag wolle beschließen:zu erklären, daß das Schwanken des Werthverhältnisses derbeiden Edelmetalle seit der Aufhebung der französischen Doppel-Währung im Jahre 1873 sich als eine Schädigung der Intel-essen Deutschlands erwiesen hat.Der Reichstag fordert die verbündeten Regierungen ans.alles, was in ihren Kräften steht, zu thun, um durch ein inier-nationales Uebereinkonnnen ein festes Werthverhältniß zwischenSilber und Gold herzustellen und zu sichern.In früheren Jahren trugen ähnliche Anträge mehr Unter-schriften. Zahlreiche Unterzeichner sind nicht— Bimetallisten,sondern gaben ihre Unterschrist blas aus Kameraderie. DerAntrag beweist nicht die Stärke, sondern die Schwäche derdeutschen Doppclwährungs-Fanatiker, denn die Majorität desReichstages dürfte diesen Antrag verwerfen.AuS Brüssel liegt die folgende Depesche vor:Im Senat wies der Senator Montesiori auf die von demPremierminister am Freitag in der Kammer abgegebene Er-klärung hin, welche mehrere Zeitungen als eine für de»B i m e t a l l i s m u s g ü n st i g e ansähen, und forderte denMinister auf, eine gegentheilig« Erklärung abzugeben. DerMini st erpräsident erwiderte, die Ansichten, die er in derKammer auseinandergesetzt habe, würden, obgleich sie nurseine persönlichen seien, von mehreren Mitgliedern desRüxdorf begann:„Es ist dies mit dem Pächter eineunerquickliche Geschichte."„Wie kamst Du zu ihm? Woher kennst Du ihn?"frug der Oberförster.„Ich suchte durch die Zeitung einen Pächter. Esmeldete sich bald darauf eine Dame, welche in dieserAngelegenheit mit mir zu sprechen wünschte. Ichließ sie eintreten und war erstaunt, eine somodisch aufgeputzte Kokette, wie mir da gegenüberstand, in klagendem Tone wehmüthig erzählen zu hören,daß sie nebst Familie und ihr Mann, ein ehemaliger Guts-besitzcr, sich in höchster Roth befänden. Ihr Mann seieinem Spekulanten in die Hände gefallen, habe an derBörse sein und ihr Geld verloren, sein Gutverkaufen müssen, weil er nur die Landwirthschaftund nichts von Börsengeschäften verstehe. Jetztarbeitete er ans dem Felde bei einem Verwandtennur um für sich und seinen Knaben Lebensunterhaltzu haben, währenddem seine unglückliche Frau mit zweiTöchtern bei einer Freundin ihr Dasein friste. Sie habeihren Mann geschrieben, sich um die Pächterstelle zu be-werben und bitte bis er eintreffe dieselbe offen zu halten undihn doch als Pächter einzusetzen. Ich möchte mich bei demKäufer ihres Gutes erkundigen, wie dasselbe von den frühcremBesitzer bewirthschaftet worden sei. Ich versprach dies underfuhr noch, daß das im Schwarzwald gelegene ehemaligeDelroa'sche Gut jetzt dem Herrn von Bergkuhn gehöre.Ich verabschiedete die Dame mit dem Versprechen, ichwürde an Bergkuhn schreiben, ihm die Lage Delroas' vor-stellen, ihn ersuchen, da er das Gut unter dem wahrenWerthe angekauft, doch als reicher Mann nachträglich eineSumme dem Delroa aufzuhelfen.(Forts, folgt.)