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Nr. 15947. Jahrgang

Das

1. Beilage des Vorwärts

male

ternal Potsdam

Potsdam   war früher 30 kilometer von Berlin   entfernt. Heute liegt es vor den Toren der Weltstadt. An der Glie­nider Brüde endet das Reich Berlins  : Eine einfame Halte­ftelle für den Borortomuibus Pragt wie ein Grenzpfahl auf Potsdamer   Gebiet. Sie befiehlt dem Omnibus, ſeine Fahrt zu

beenden und der Potsdamer   Straßenbahn das Feld zu über. laffen. Die dunkle Hupe weicht der hellen Klingel, und nach 10 Minuten ist man mitten im historischen Potsdam  . Frühlingstage find burz, man muß fich beeilen, wenn man in menigen Stunden ein Stadtbild begreifen will. Potsdam   ist nicht Berlin  . Potsdam   ist ein Rest der preußischen Monarchie, die sich mit Erfolg bemühte, ausländische Vorbilder zu kopieren und der märtischen Landschaft aufzupfropfen. Potsdam   ist international, nicht weil so viele schaufrohe Fremde alte Schlösser und andere Bauten, Parks und Tore ehrfürchtig bestaunen, sondern weil das Ausland feine Architettur lieh, um Botsdam so werden zu lassen, mie es nun einmal geworden ist. Die Anhänger der früheren Mon­archie predigen Nationalstolz und beten Potsdam  , das internationale Potsdam an. Das ist keine Kritik der heutigen Stadt, das ist kein Werturteil, das ist nur eine schlichte Feststellung. Potsdam   ist trotz­dem oder gerade desmegen eine schöne, eine interessante, eine sehens. werte, eine lehrreiche Stapt. Es ist so voll des Interessanten, daß man nicht meiß, momit man beginnen soll. Alle die verschiedenen Clemente, aus denen fie fich aufbaut, nerschmelzen in dem Begriff Botsdam zu einer Einheit. Dieser Name legt sich wie ein Ring um alles das, was aus fernen Ländern zum Bau dieser Stadt und zur Schöpfung ihrer Sehenswürdigkeiten vom Auslande enfliehen wurde.

Kanal mit C.

schildern. Auch die alten Römer find vertreten, wohl tonservierte Triumphbogen sperren den Verkehr: Museumsstücke unter freiem Himmel, Hier wird Potsdam   Klein- Rom oder Klein- Paris. So ein ,, Arcus triumphalis  ", so ein ,, arc de triomphe  " das gab dem aften. Botsdam eine echte deutsche Größe. Dann sind die römischen Bäder, die thermae", da, und die Anleihen, die sonst noch in Griechenland   und Rom   gemacht wurden, sind zahlreich genug. Sogar der Berfall mußte fopiert werden. Der Ruinenberg   mit seinen traumperlorenen, aus gutem märkischen Badstein gebildeten und mit schlechtem Buz bemorfenen Säulen ragt als abschreckendes Bei: spiel einer sich ,, flassisch gebärdenden Zeit in unsere Gegenwart. Paris   und Rom   haben ihre Obelisken. Warum soll Klein- Rom oder Klein- Paris da nicht mitmachen? Vor der an die Peterskirche in Rom   gemahnenden Friedenskirche zu Potsdam   fpißt ein Obelist in den Himmel. Ein Petersplay in Potsdam  , ein winziger Place de la Concorde  , oder sollte man nur irgendeinen Meilenstein nach­gemacht haben, wie er hier und da in deutschen   Landen zu finden ist? warum sollte es nicht Ahmten Paris   und Rom Aegypten nach auch Potsdam   tun? Der Obelist, das geistige, in Stein gehauene Erbe der Pharaonen zwischen Havel   und Fahrländer Kanal! Aegypten   war die Heimat der Mumien. Auch in Potsdam   sollen fie, wie es heißt, langsam aussterben. Aber nicht nur Aegypten  , Griechenland  , Frankreich   und Rom  , sondern auch Holland  , Ruß land und Japan  , ja selbst Arabien   sind in dem Heiligtum monarchisch

Explosion tötet zehn Menschen.

Ein Wert völlig zerstört. Achtzig Berletzte.

New York  , 3. April.  ( Eigenbericht.), Botsdam ift international! Beginnen mir den Beweis! Da sieht sich ein idyllischer Kanal durch die Stadt. Er wurde zur Ents In den Fabrikfanlagen der pennsylvanischen Feuer. wässerung des sumpfigen Geländes gebaut. Dieser Ranal ist ein werksgesellschaft bei Dever entstanden am Donnerstag Canal mit C. Friedrich 2., Berzeihung, Frédèric le roi de Prusse, mehrere Explosionen, durch die zehn Ver. entlehnte diese Schreibweise den Franzosen  , der Magistrat von Botsonen getötet und annähernd 80 Menschen zum dam hat sie erhalten, und so steht sie noch heute auf den Straßen- Teil schwer verletzt wurden. Das Werk selbst ist völlig zerstört. Die in der Nähe der Fabrik ge­Legenen Krankenhäuser sind mit Opfern der Explosion überfüllt. Die Explosionen waren so start, daß die Um gebung meilenweit erschüttert und selbst noch fern von der Unglücksstelle größerer Schaden angerichtet wurde. Vereinzelt sind die Explosionen sogar in Phila delphia und New York   gehört worden.

Aus dem holländischen Viertel

Dokumente

Protokolle

7]

紅燒

usichnisse

Herausgegeber

Don Esther Grenen ,, Und was für einen Eindruck hatten Sie von ihm?" ,, Daß er einen ungewöhnlichen Eindruck auf Frauen macht. Selbst unser Mädchen sie ist beinahe schmachsinnig, das arme Ding, war von seinem Anblid mie elektrisiert. So oft er fam, hatte sie eine frische Bluse und eine gepuderte Naje Marfa Offipowna machte natürlich ihre Bemerkungen Darüber."

"

-

Und Marfa Offipomna selbst?" ,, Ach, Marfa Offtpowna

Ich beschmöre Sie, gnädige Frau, reden Sie hier ganz ungeniert. Sie dürfen nicht vergeffen, daß Ihre Aussagen amtlich protokolliert und für niemand Unbefugten zugänglich

find."

Marfa   Offipowna mar natürlich verliebt, bis über die Ohren verliebt, in ihn. Ich weiß nicht, ob es die große reine Liebe war, wahrscheinlich war es nur ein flüchtig auffladern­des Strohfeuer, aber jedenfalls, die Kleine war geradezu be­jeffen."

In den Gasleitungen unter dem Broadway in New York  in der Nähe der Times Square   erfolgte eine schwere Explo fion Sieben Gasleitungen wurden zerstört. Der Damm und der Bürgersteig wurden in großer Ausdehnung aufgeriffen. Ein Polizist wurde leicht verlegt, drei Pferde sind getötet worden. Die umliegenden Bürohäuser wurden geräumt, da die Polizei weitere Explosionen befürchtet. Die Explosion lockte Tausende von Neu­gierigen an. Hunderte von Fensterscheiben sind zersplittert morden.

,, Selbstverständlich."

Ich sagte mindestens hundertmal zu ihr: Kind, fümmere dich nicht so viel um diesen Menschen. Das ist unsinnig und aussichtslos. Du machst dich lächerlich. Der Mann hat andere, ganz andere Dinge im Kopf."

,, Was meinten Sie damit?"

,, Nun, ich merkte ja genau, daß dieser seltsame Träumer etwas mit sich herumtrug. Er hatte so etwas Schwebendes in seinem Gang."

,, Denken Sie dabei an Politik? Man spricht ja auch von Anarchismus und dergleichen."

Freitag, 4. April 1930

national gestimmter Seelen verireten. Da ist das atrette, das propre

holländische Biertet.

Man brauchte tapfere Baterlandsverteidiger und bezog sie aus aller Herren Länder, u. a. auch aus Holland  . Soldaten waren zu der Zeit, als Potsdams Größe unter den Städten der Erde begründet murde, ein beliebter Handelsartikel von international anerkanntem Werte. Gemisse deutsche Fürsten verstanden sich ausgezeiánet auf das Ein- und Ausfuhrgeschäft dieser Ware. Die Handelsbilanz war bald passin, bald aktiv, je nachdem es die Interessen der hochmögenden Herren erforderten. In Potsdam   erinnert das Denkmal des Generals von Steuben, der hier seinen soldatischen Grill bekam und als ehemaliger Offizier des großen Friedrich nach Amerika   ging, an den Unabhängigkeitsfrieg, den Uncle Sam   gegen John Bull   fieben lange Jahre hindurch mit wechselndem Glücke führte zu jener Zeit tämpften auch deutsche Soldaten auf dem blutgetränkten Boden Amerikas   auf beiden Seiten gegeneinander. Hoch das Baterland! Die deutschen   Fürsten   brauchten Moneten! Von Steuben fämpfte in Amerifa gegen England. Sein Herr und Meister aber, der große

Idee. Aber davon fann nicht die Rede sein. So war er gar ,, Nein, ganz bestimmt nicht. Das ist Doktor Mankes fire nicht. Ihn drückte wahrscheinlich ein großer Schmerz. Oder vielleicht es lag etwas wie Bahnsinn in seinem Blid."

Benahm er sich Ihnen gegenüber jemals auffällig oder gar geistesgestört?"

Er war Herr Untersuchungsrichter, tönnten wir nicht für heute ein Ende machen? Mein Herz- Ich stehe felbft verständlich auch weiterhin zu Ihrer Verfügung."

Aber gemiß, gewiß. Sie haben mir ohnehin schon viel wertvolles mitgeteilt. Ich werde Ihnen einen Wagen be­ftellen lassen und wir schließen für heute."

H. G. Jakobsen.

Kgl. Amtsgericht Sändrup, 21. Juni 1929. gez. Helene Delius. Protokoll ,, Und erwiderte Herr Rist diese Gefühle?" aufgenommen mit der Zeugin Mette Frediksen, geb. Lange, geb. Nicht die Spur. Er fümmerte sich um sie nicht mehr als 1869 in Aarhus  , evangelisch, verwitwet, Hausbesitzerin auf um Dyveke." Wer ist Dynefe?" ,, Unser Mädchen."

Hat Fräulein Morislom Ihnen vielleicht einmal ihr Herz ausgeschüttet?" Die fleine Offipomna schüttete ihr Herz nicht einmal sondern zehnunal am Tag aus. Sie trägt es fozusagen auf der Rehrseite. Tante du mußt Torben Rist wieder ein­Jaden. Diese Augen! So stelle ich mir Spanien   vor! Ich beirate nur einen Mann mit Oliventeint Weißt du, ich lauf rasch zur alten Fredriksen rüber, ich muß ihn heute vor dem Schlafengehen noch mal lächeln fehen!" So ging es den ganzen Tag. Und die schmalen Hüften. Und die feinen Dhren!" Sie zerlegte ihn förmlich in seine anatomischen Be­standteile. Aber das bleibt doch ganz unter uns, Herr Unter fuchungsrichter?".

Lynö.

Fridericus Reg, sympathifierte zu jener Zeit mit den germanisch­romanischen Bettern jenseits des Kanals. Heute mag ein nationaler Mann an diese Betternwirtschaft nicht mehr erinnert werden Der alte Friß, das deutschnationale Symbol preußischer Größe und Herr­lichkeit, der Erbauer der Villa Sorgenfrei, die er edit deutsch   ,, Sans­ Souci  ", nannte, scheint das Pattieren, das Kompromisseln von Grund auf verstanden zu haben. Vielleicht bilden sich seine heutigen Ber­

Ich muß Sie vor allem darauf aufmerksam machen, Frau Fredriksen, daß es nicht angeht, das Gericht warten zu lassen. Sie sind mehr als eine Stunde zu spät gekommen. Da wir im Laufe der nächsten Tage vielleicht noch mehrmals Ihre Aus age benötigen werden, bitte ich Sie, in Zunfunft pünktlicher zu sein."

Schon gut." Sie stehen hier vor einer Behörde, Frau Frebritsen. Bergeffen Sie das nicht und benehmen Sie sich dement fprechend."

Ist das alles, was Sie mir zu fagen haben?"

Ich habe Ihnen nichts zu sagen, sondern ich habe Sie etwas zu fragen. Und noch dazu etmas fehr Wichtiges. Wo befand sich Ihr Mieter, der Schriftsteller Torben Rist, am Abend des 11. Juni?"

Japanischer Pavillon

man stelle sich einmal vor: Den Helden von Sanssouci   mit dem ent­ehrer nur ein, daß er zu jeder Zeit als absoluter Diktator aufträte. blößten Schwerte   und dem Adlerblick als Berständigungspolitiker nach dem verlorenen Weltfriege! Aber, Messieurs, reden mir nicht davon! Der alte Fritz war schließlich um seinen Thron besorgt. Cr liebte die französische   Kultur und hatte für Lessings deutsches Drama nichts übrig. Für ihn war die deutsche   Sprat eine barbarische Sprat, und es ist mehr als fraglich, ob für ihn der Begriff national ober gar deutschnational überhaupt begreiflich müre. Aber das missen wir: International war der alte Friz. Seine Sprache bezog er aus Frankreich  . In der Staatskunst war er trotz seines Anti- Macchia­vell" der ausgezeichnete Schüler seines italienischen Lehrmeisters Macchiavelli  , und seine Soldaten bezog er von daher, woher er sie triegen fonnte. So fonnte er auch nichts gegen den Aufenthalt hollän­discher Soldaten in preußischen Diensten auf Potsdamer   Boden ein­wenden. Diese preußisch- holländischen Vaterlandsverteidiger fahen ihre Heimat in Potsdam   auferstehen. Ihr neues Heim wurde das holländische Viertel, das von der Haustür bis zur Stadtmauer auf

,, Bei mir zu Hause."

"

So... Um welche Zeit?" ,, Ungefähr von halb neun an." ,, Und er ging gar nicht mehr fort?" ,, Ist ihm nicht eingefallen."

,, So... Und was machte er denn da?"

Was weiß ich. Ich gud meinen Mietern nicht durchs

Schlüsselloch." ,, 60

AB er vielleicht bei Ihnen auch sein Abend­brot?" ,, Natürlich. Käjebrot und Tomaten und Apfelgrüße mit Sahne. Fleisch ißt er nicht." ,, Und dann?" ,, Dann ging er schlafen."

"

,, So... Das tlingt ja sehr interessant. Da Sie aber auf der Insel leben, meine gute Frau Fredriksen, werden Sie wohl davon gehört haben, daß Fährmann Hansen Herrn Torben Rift in seinem schwarzen Mantel knapp vor der Explosion, also vor halb zwölf Uhr nachts, nach Lynö über­gejetzt hat?"

,, Und da Sie nicht auf der Insel leben, Herr Richter, und überhaupt noch nicht lange hier im Amt sind, werden Sie wohl nicht davon gehört haben, daß Christian Hansen der ärgste Saufbruder weit und breit ist. Eine Schande, mit so einem Menschen ein ernstes Wort zu reden."

,, Mäßigen Sie sich Was wissen Sie sonst noch über Ihren Mieter zu sagen?"

,, Herr Rist ist der beste Mensch der Welt. Der tut keiner Fliege was zu leid, am allerwenigsten einem jungen Mädel. Ich weiß ja genau, warum ihr mich hergeloist habt. Eine Schande! Das Amtsavis hat ganz recht. Das tommt alles nur von der Sensationsluft und vom Kesseltreiben."

Frau Fredriksen, ich muß Sie nochmals bitten, sich zu mäßigen. Sie sind nicht hier, um mit mir Meinungsver­schiedenheiten auszutauschen. Antworten Sie kurz und fachlich auf meine Fragen."

,, 3, du meine Güte, wie spricht man hier zu einer alten Frau!"

,, Sie fannten auch die Offipowna?" ,, Natürlich, die mar ja alle Augenblicke bei uns." ,, Das war Ihnen wohl recht lästig?"

Wer sagt denn das? Ich hab gern was Junges im Haus. Und schon gar die Ossipowna. Mit dem Rader gabs

( Fortfehung folgt.)