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Riefenbrand in Bergen  

Blick auf den Hafen der orcegnischen Stadt Bergen, die von einer verheerenden Feuersbrunft heimgesucht wurde. Ueber 100 Häuser sind eingeäfchert worden

Der Säuglingstod in Lübeck  .

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Manaffe Friedländer geisteskrant. Der Brudermörder als gemeingefährlicher Kranfer in der 3rrenanstalt Herzberge.

Das Urteil gegen den jugendlichen Brudermörder Manaffe Friedländer ist nicht rechtskräftig geworden. Bekanntlich hatte Manaffe Friedländer seinen 16jährigen Bruder Walde. mar und dessen gleichalfrigen Freund Tibor Foeldes in der elfer­lichen Wohnung in der Passauer Straße niedergeschossen und war wegen doppelfen Totschlags zu 6 Jahren Gefängnis verurteilt worden. In der Revisionsverhandlung vor dem Reichs­gericht hatte R.-A. Dr. Artur Brandt sich auf ein Gutachten des Gerichtsarztes Sanitätsrat Dr. Ceppmann berufen, wonach be­gründete Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten be­ständen.

Entgegen dem Oberreichsanwalt hatte das Reichsgericht dem auf Grund des§ 81 gestellten Antrag des Gerichtsarztes stattgegeben und beschlossen, daß Manasse Friedländer einer fechswöchigen Be= obachtung seines Geisteszustandes in einer öffentlichen Irren­anstalt unterzogen werden sollte. Diese Untersuchung hat inzwischen stattgefunden und nach dem Gutachten des Oberarztes Dr. Sa= linger von der Heil- und Pflegeanstalt Herzberge, in der Manaffe Friedländer beobachtet worden war, ist Manasse Friedländer geistestran f. Daraufhin hatte nunmehr das Landgericht III den Haftbefehl gegen ihn wegen Haftunfähigkeit aufgehoben. Die von befreundeter Seite gestellte Raution von 10 000 m. ist freige­geben worden. R.-A. Artur Brandt wird nunmehr den Antrag stellen, das Verfahren gegen Manasse Friedländer, das bisher nicht rechtsträftig geworden war, gemäߧ 205 der Strafprozeßordnung vorläufig einzustellen. Manasse Friedländer wird jedoch nicht in die Freiheit zurückkehren, sondern als gemeingefährlicher Geistestranter weiter in der Irrenanstalt Herzberge feit= gehalten werden.

Job Das Kindersterben geht weiter.nl nomman

Herren in Lübeck   unbekannt?

Uebrigens: Das Wiener   Gesundheitsamt hat die Anwendung des Calmetteschen Berfahrens abgelehnt, folange feine Ungefährlich feit nicht mit absoluter Sicherheit erwiesen ist! Weiß man es in Lübeck   besser?

Das Lübecker   Gesundheitsamt hat es als erster deutscher   Staat| selbst der Name einer wissenschaftlichen Autorität wie Pirquet den für notwendig gefunden, das sogenannte Calmettesche Tuber­tuloseschußverfahren zur Anwendung zu bringen. Effekt: Von 246 Säuglingen sind bis jetzt 12 an Tuberkulose ge= storben, 25 schweben in Todesgefahr. Mit weiteren Er­frankungen, ja sogar mit Todesfällen wird gerechnet. Das Lübecker  Gesundheitsamt ordnete die sofortige Einstellung der Behandlung an. Das Reichsgesundheitsamt entsandte einen Kommissar zur Unter suchung nach Lübeck  . Man steht vor einem Rätsel", heißt es in der Presse. Rätsel? O, nein!

Es handelt sich hier um keine Rätsel, wie man der Deffentlichkeit jeht einreden will, sondern um eine grobe und strafbare Fahrlässigkeit,

eine würdige Fortsetzung jener Experimente, die zu den Richtlinien des Reichsgesundheitsrates Anlaß gegeben haben. Es wird Sache der Gerichte sein nicht nur der Gesundheitsbehörden-, den Ursachen der Lübeder Katastrophe nachzugehen und die Schuldigen ihrer Strafe zuzuführen.

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Und in Deutschland  ? Heute steht es in den Zeitungen: Gegenüber einer Lübecker   Behauptung, daß der berühmte Düffel­dorfer Kliniker Geheimrat Prof. Schloßmann, der Leiter der dortigen Universitäts- Kinder- Klinik, das Mittel ebenfalls angewandt habe, erklärte der Vertreter des abwesenden Geheimrats, Prof. E c= stein, das Calmette- Verfahren sei seit einer Reihe von Jahren in Düsseldorf   erprobt worden aber an Tieren! Die Tier versuche haben ergeben, daß das Calmette  - Serum in der vorliegenden Zusammenfeßung niemals für Menschen Verwendung finden könne. Selbstverständlich habe man in Düsseldorf   nach diesem Ergebnis niemals einen Versuch an Menschen gemacht!

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Das Calmettesche Präparat BCG. ist also umstritten, es wird wie unsere kurze Aufzählung zeigt wegen feiner Gefährlichkeit von namhaften ausländischen Forschern ver­worfen, es sind im Auslande schwere gesundheitliche Schädigungen und Todesfälle vorgekommen! Die Anwendung des Mittels an Säuglingen in Lübeck   war also von vornherein ein Versuch ge­fie die in- und ausländische wissenschaftliche Literatur forgfältig und pflichtgemäß verfolgt hätten, mit der Möglichkeit eines Unglücks rechnen! Was in Lübeck   gemacht wurde, war wieder nichts anderes als ein gesundheitsgefährliches Expe­riment an Kindern!

Das Gesundheitsamt in Lübed sucht sich damit zu rechtfertigen, daß es behauptet, in anderen Ländern, besonders in Frankreich  , feien gute Erfahrungen mit dem Mittel gemacht, aber teine Schädigungen beobachtet worden. Es handele fich nicht um die Uebertragung von Laboratoriumsversuchen auffährlicher Art, die damit praktizierenden Aerzte mußten, wenn Menschen, sondern um die Anwendung eines Verfahrens auf Kinder, das bereits an über 300 000 Neugeborenen seit längerem anderswo untersucht worden sei, ohne daß Schädigun= gen nachgewiesen werden konnten. Die Eltern hätten dem Verfahren zugestimmt.

Zunächst vermeidet das Lübecker   Gesundheitsamt sorgfältig eine Widerlegung des Vorwurfs, daß nicht nur im Lübecker   Kranken­haus Kinder mit den Kulturen von Rinder- Tuberkel- Bazillen be­handelt worden sind, sondern daß

auch die Lübecker   Hebammen das Mittel ausgehändigt erhielten und selbständig, also ohne die unbedingt erforderliche ärztliche Kontrolle, nach Calmette praktizierten".

Ist es so, dann ist schon deshalb die Staatsanwaltschaft zum Einschreiten verpflichtet. Man braucht nicht erst Arzt zu sein, um zu wissen, daß solche gefährliche Bazillentulturen nur in die Hand des sachverständigen Arztes gehören! Aber auch sonst strogt die Erklärung des Gesundheitsamtes von Unklarheiten. Es ist nicht wahr, daß im Auslande feine Schädigungen durch das Mittel beobachtet und daß sehr gute Erfahrungen damit gemacht wurden. Wahr ist vielmehr, daß eine große Anzahl bedeutender Forscher und Aerzte in Frankreich   das Calmette- Verfahren wegen

jeiner Gefährlichkeit absolut ablehnt. Der berühmte Tuberkulose forscher Prof. Lignières   ist der Calmette- Impfung wegen ihrer Bathogenität entgegengetreten. In der Pariser Gesellschaft für Kinderheilkunde publizierten die Professoren Léon Tirier und Frank Viala den rapiden Tod eines fräftigen Kindes am 15. Tage nach der Calmette- Impfung. ( Ein dreijähriges, nicht nach Calmette geimpftes Kind der= jelben Eltern ist jetzt ganz gesund.) Die Autoren erklären, daß Todesfälle und Schädigungen nach einer Calmette- Impfung teineswegs jelten jefen. Das gleiche berichtet

Dr. Brunet. In der geburtshilflichen Abteilung der Charité in Paris  , erklären Tigier und Biala, ist eine

derartig große Serie tapider Todesfälle vorgekommen, daß sich der geburtshilfliche und interne Chef weigern, die Calmette  -, 3mpfung noch vorzunehmen. Diverse Geburtshelfer haben in

der Praxis die gleichen Feststellungen gemacht. Ablehnend gegen den Calmette- Smpfstoff äußern sich ferner Affis und Dupont  ( Brasilien  ), Watson( Kanada  ). Greenwood ( England), Wallgreen( Schweden  ) und Spyropoulos ( Athen  ) u. a. m. Professor No court Paris   teilte im Februar 1929 Schädigungen durch BCG.( Bazilles Calmette- Guérin) mit. Baigne( Frankreich  ) berichtet über vier Schußimpfungsfälle nach Calmette, in denen Kinder gesunder Eltern tuberkulose Finger­eiterungen, Wirbelsäuletuberkulose, Tracheo- Bronchialdrüsentuber tulose befamen. Aber Frankreich   steht nicht allein da. Die Wiener Professoren Pirquet, Nobel, S. Rosenfeld, Göhl und Moll u. a. m. lehnten die Calmettesche Methode z. T. wegen ihrer Gefährlichteit a b. Der erst vor kurzem verstorbene berühmte Wiener   Kinderarzt, Prof. Pirquet, wohl eine der größten Autorität auf dem Gebiet der Kinderheilkunde, schrieb wört­lich( Wiener Med. Wochenschrift", Nr. 23, 1928):

,, Es handelt sich um richtige Impftuberkulose: Knoten, Geschwüre, Fisteln; mehrere der Kinder sind sogar ge= storben. Der Tubertelbazillus kann bei der Calmette­schen Methodit im Organismus Fuß faisen und das Ende ist nicht abzusehen. Ein so gefährliches Vorgehen fann nicht gebilligt und geduldet werden."

So steht es also um die Behauptung des Lübecker   Gesundheits­ambes, daß teine Schädigungen nachgewiesen werden konnten! Ist

Wer die Vorkommnisse in Lübeck   zu entschuldigen sucht, macht sich zum Mitschuldigen! In der Nachtausgabe" vom 14. Mai dieses Jahres teilt Geheimrat Neufeld vom Berliner   Institut für In­fettionsfrankheiten mit, daß das Calmettesche Verfahren an vielen Tausenden von Kindern angewandt worden sei, ohne daß bisher eine schädigende Nebenwirkung beobachtet wurde. Es ist uns unver= ständlich, wie Geheimrat Neufeld, der Nachfolger Wassermanns, eine folche objektiv unrichtige Behauptung aufstellen konnte. Auf dem Tuberkulose- Kongreß im Jahre 1929 in Pyrmont   saß Neu­feld in der ersten 3uhörerreihe, als der befannie Berliner  Tuberkulose  - Spezialist Dr. Nagelschmidt die von genannten Berichte namhafter französischer   Forscher und des Wieners Pirquet   über

Schädigungen und Todesfälle durch das Calmette- Verfahren vortrug! Demnach mußte Herr Neufeld, auch wenn er sonst die wissenschaftliche Literatur nicht verfolgt haben sollte, schon aus dem Vortrag von Nagelschmidt wissen, daß schädigende Wirkungen und Todesfälle beobachtet worden sind.

Was soll man ferner zu dem Direktor des Lübecker   Kranken­hauses, Prof. Deŋde, sagen, der in der gleichen ,, Nachtausgabe" mitteilt, er selbst habe sein Kind nach Calmette be­handelt. Es ist doch ganz selbstverständlich, daß alle Verfuche zu Heilungszwecken unter der persönlichen Berantwortung des Borstehers einer Krankenanstalt vor sich gehen. Schon in einer Verfügung des preußischen Kultusministeriums aus dem Jahre 1910 heißt es, daß Eingriffe zu Versuchszwecken nur vom Vor­steher selbst oder mit dessen besonderer Ermächti gung vorgenommen werden dürfen. Und in den Richtlinien des Reichsgesundheitsrates über experimentelle Untersuchungen Menschen wird darauf hingewieser, daß Versuche in Krantenanstalten aller Art nur von dem leitenden Arzt selbst oder in dessen Auftrag und unter seiner vollen Verantwortung von einem anderen Arzt ausgeführt werden dürfen. Daß es fich beim Calmette- Verfahren um einen Versuch handelt, wird doch nach den legten Erfahrungen niemand bezweifeln fönnen. Prof. Dende ist voll verantwortlich!

Wir wollen uns nicht mit der Frage beschäftigen, welcher Fehler in Lübed gemacht wurde, ob ein technisches Bersehen vorlag, ob die Tuberkelkulturen verunreinigt oder die Tuberkulosebazillen plöglich wieder virulent geworden sind. Das alles find Nebenfachen.

Entscheidend ist, daß 246 Säuglinge mit einem unerprobten und gefährlichen Mittel( Rindertuberkelbazillen!!) behandelt wurden, einem Mittel, über das man in Deutschland   feine abschließenden Erfahrungen befiht, einem Mittel, vor dem längst von in- und ausländischen Aerzten gewarnt worden ist, einem Mittel, das bereits im Auslande gesundheitliche Schädigungen und Todes­fälle von Kindern zur Folge hatte.

Das Vorgehen des Lübecker   Hauptgesundheitsamts bedarf der schnellsten gerichtlichen Klärung! Es hat absolut nichts zu sagen, daß man sich die Einwilligung der Eltern geben ließ. Wie sollen Laien sich von der Bedenklichkeit einer fomplizierten Immunisierungsmethode eine Vorstellung machen, wenn selbst die Wissenschaft über sie sich nicht im flaren ist!

Dr. Julius Moses  .

Ratiborer Mörder festgestellt.

Ratibor  , 16. Mai. leber die Person des Ratiborer Mörders ist endlich volle Klarheit geschaffen worden. Freitag weilte ein Brünner den Kriminalpolizist in Ratibor  , der in Leopold Pausner tschechischen Raubmörder, der am 14. März 1930 aus der Irren­anstalt Sternberg entwichen war, einwandfrei feststellen konnte. Es ist somit ausgeschlossen, daß Pausner als der Massenmörder von Düsseldorf   in Frage kommt. Während seiner Beobachtungszeit in der Anstalt trug Bausner genau dasselbe stumpfsinnige Betragen zur Schau, wie während seiner Berhaftungszeit in Ratibor  . Tatsache scheint zu sein, daß Pausner an Geistes gestörtheit leidet.

800 Verhaftungen in der Toscana. Während Muffolinis Besuch.

Bern  , 17. Mai.  ( Eigenbericht.) Während Mussolinis Besuch in der Toscana wurden 800 Personen, meift Mitglieder der geheimen anti­faschistischen Bereinigung Gerechtigkeit und Freiheit", verhaftet. Trok verschiedener Kreuzverhöre fonnte die Geheimdruderei der Vereinigung, die tausende antifaschistische Manifefte herstellte, nicht ausfindig gemacht werden.

Hygiene als Bölfer- Friedensbrücke. Die Eröffnung der Internationalen Hygiene- Ausstellung.

Heute vormittag wurde die Internationale Hygiene. ausstellung 1930 mit einer Ansprache des ersten Präsidenten, Stadtrats Dr. Johannes Krüger, eröffnet. Der Redner be­grüßte die Vertreter der Reichsregierung, der deutschen   und aus­ländischen Staaten, der in- und ausländischen Presse, der Wissenschaft, der Industrie und des Handwerks und gab der Hoffnung Ausdruck, daß die Ausstellung eine neue Brüde der Verständigung zwischen den beteiligten Nationen zu gemein samer Friedensarbeit an Menschheitsziele der Boltsgefund heit und an der Entwicklung der Kultur und der Zivilisation bilden

möge.

Wilmersdorf   oder Prenzlauer Berg  ? Wann endlich kommt das neue Krankenhaus für den Often?

In der letzten Sigung des Haushaltsausschusses der Stadtverordnetenversammlung beschäftigte man sich im Rahmen des Etats der Gesundheitsverwaltung im besonderen mit den Berliner  . Krankenhäusern. Die Vertreter der Sozialdemokratie beantragten 79 000 m. für die Renovierung eines Pavillons des Urban- Krankenhauses einzusehen, der seit 40 Jahren nicht renoviert worden iſt. Der zuständige Dezernent, Stadtmedizinalrat von Drigalsti, mußte die dort herrschenden, wenig sauberen Bustände zugeben, erklärte aber, daß augenblicklich für eine Aende­rung fein Geld vorhanden fei. Gestrichen werden sollen auf Wunsch der Sozialdemokraten 50 000 m., die für vertrags. mäßige Leistungen an die Kaiser Wilhelm  - Gesell­schaft eingesetzt sind, zu denen die Stadt aber vertragsmäßig nicht herangezogen werden kann.

Die Kommunisten haben ihr Herz plötzlich dem Berliner  Westen zugewandt. Sie beantragten für den Neubau eines Krantenhauses in. Wilmersdorf 1 Million Mart. Dabei hat dieser Stadtteil erst fürzlich ein neues fatholisches und ein neues evangelisches Krankenhaus erhalten. Seit Jahren ist dagegen der große Arbeiterbezirk Prenzlauer Berg   unversorgt. Für Behebung dieses unglaublichen Zustandes setzt sich seit langem besonders die Stadtverordnete, Frau Dr. Frankenthal( Soz.), tatkräftig ein. Gegen den Widerstand der bürgerlichen Parteien hatte die sozialdemokratische Fraktion bereits einigen Monaten erreicht, daß in der Dringlichkeitsordnung der Neubau Prenzlauer Berg   an erster Stelle steht. Eine neue, mit Hilfe der Kommunisten betriebene Benachteiligung des proletarischen Ostens wird auf den schärfsten Widerstand der Sozialdemokratie stoßen.

Briand   und Paneuropa. Fragebogen in Berlin   überreicht.

Dor

Der französische   Botschafter de Margerie hat heute um 212 Uhr dem Staatssekretär von Schubert den Paneuropa­Fragebogen überreicht. Er enthält 16 Seiten und die Ueber­jetzung wird mehrere Stunden in Anspruch nehmen.

Horthys Rache an dem Dichter Uihely wird vielleicht nicht ge­lingen. Justizminister Dr. Slama Wien   hat einer Schriftsteller­abordnung versprochen, diesen Auslieferungsantrag im Geist der Humanität und Objektivität zu prüfen.