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Tlr. 405* 41. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Sonnabend, 30. August �930
WochUlMt
Ausflüge In Oer Gchwanenkrug. Man redet jetzt so viel von der Romontik des neuen Reisens auf der Landstraße und dünkt sich erhaben über Cisenbahnreisende und Fußgänger, die aber vielleicht doch mehr von der Landschaft und den Städten sehen als der im Auto Dahinschicßelide. Auch der Postautoverkehr Hot hohe wirtschaftliche Vorteile gebrocht, aber der Poesie keinen Platz einräumen können. Das Verschwinden des Pferdes van der Landstraß« hat denn auch jene Gaststätten umge- wandelt, die als W e g e- K r ü g« sich die verdienstliche Aufgab« gestellt hotten, den Fuhrwerksreisenden und Fichrwerkslenkern Er- quickung und Unterkunft zu bieten. Der Krug hat sich in den Dörfern wohl erHollen, ober seinen Charakter und meistens auch gleichzeitig fein Aeußeres verändert. Der angebaute Tanzsaal ist heut« wichtiger als die alle gemütliche Wirtsstube. -Ein echter Stroßcnkrug hatte oor dem Eingange eine Unter. fahstt(nach schlesischem VorbildLaube" genannt) und dieser Porbau hatte einmal den Zweck, bei schlechtem Wetter den Reisenden das Verlassen des Wagens zu gestatten um sich die Füße zuver- treten", andererseits dos Unterstellen eines Wagens zur Nachtzeit zu ermöglichen. SolcherLaubenkrüge" Hot es früher vielfach ge- geben heute sind in der Umgegend von Berlin   nur noch ein paar vorhanden. Der Tegeler Loubenkrug und der Schwanentrug an der einstigen, von Spandau   nordwärts durch denKrämer" ziehenden chamburgerPoststroß« sind ebenso wie der Ziegen. krug im Krämer- Gebiet Muster solcher Wegekrüge. Wenn wir von Spandau   aus zu Fuß oder mit der Straßenbahn die chatte stelle Johannes st ist erieicht hoben, so nimmt uns
Uingeüung
der zwischen Folkensee und Nieder-Neuendors liegend« schöne Span- dauer Stadtforst aus. Mitten durch das Waldrevier führt die Straß«: in einer Stunde ist die Steinerne Brücke   über den chavcl- ländischen chauptkanol erreicht. Nach einer Viertelstunde sind wir am
Schwanenkrug. Auch heute noch ein Berkehrsmittelpunkt für den Wandersmonn. Rechts, geht es nach Schönwolde und Bötzow (Bahnstation), die die cheimfahrt über Velten   gestattet, doch orieittiere man sich vor Antritt der Wanderung über Anschlüsse. Links bietet sich Rückkehr von Folkensee aus, wohin man in zwei Stunden über Damsbrück gelangt.
Llngetreuer Gtadtobersekretär. fälschte Ltrkunden und betrog die Gchulverwaliung.
Am Rathaus ist man soeben einem umfangreichen Betrug und Veruntreuungen eines langjährigen Vc- amtm auf die Spur gekommen, die zu der überraschenden Verhaftung des öZjährige» Stadloberfekretärs Hans Wolfs in dessen Wohnung in der Rastenburger Straße l2 geführt haben. Die Verhaftung des ungetreuen Beamten erfolgte. als er am Donnerstagnachmitkag von einem längeren Urlaub wieder nach Verlin zurückgekehrt war. während feiner Ab­wesenheit hatte man durch Zufall die Unterschlagungen ent- deckt, die bis zum Zahre 192? zurückreichen und durch die Wolfs   die städtische Schulverwaltung nach den bisherigen Er­mittlungen um über 50 ODO w. geschädigt hat. B«i der Verhaftung, die durch Kriminolkommissar Kopphengst vom Betrugsdczernat erfolgt«, spielten sich in der Wohnung dra- matisch« Szenen ab, da die Frau des Täters den Versuch mach!«, aus dem Fenster zu springen und nur mit Mühe von den
Beamten daran gehindert werden tonnte. Ueber die Veruntreuun- gen des Stadtoberjckretärs, die außerordentlich raffiniert und. unter Fch lschung zahlreicher Iiikunden, Stempel und Fdrmularc vorgenommen worden waren, erfahren wir folgende Einzelheiten: Während des Urlaubs des Stadtobcrsckretärs, der im Büro der städtischen Schulverwaltung beschäftigt war, stellte sich die Notwendigkeit heraus, bei einer von der FirmaChristian Otto Schmidt" eingereichten Rechnung über gelieferte Lehrmittel eine Nachfrage bei dem Lieferanten wegen einzelner Positionen varzunchmen. Zur größten Ueberraschung des betreffenden Be- omtcn, der Wolfs verlrat, stellte sich heraus, daß es die auf den Rechnungen angegebene Firma überhaupt nicht gab. Die weiteren Nachforschungen brachten dann die sensationelle Ausklärung, daß der Stadtobersekrctär Wolfs diese Firma überhaupt nur fingiert hatte.
Di« Kantonummer der Firma, auf die seit Jahren die angeblich g«. lieferten Lehrmittel beglichen wurden, war das Geheimkonto Wlüffs, das er unter diesem Namen bei dem betreffenden Bankinstitut ein­gerichtet hatte. Durch Fälschung der Stempel und der Unterschrij ten der gegenzeichnenden und den Eingang der Lieferungen be- stätigenden Beamten war c« ihm jahrelang gelungen, für dies« Leermittel" erhebliche Summen zu veruntreuen. Bei einer in der Wohnung und im Büro des Stadtobcrfekretärs vorgenommenen polizeilichen Durchsuchung fand man dann auch mehrere Rechnungs- formulore der fingierten Firma, Quittungen und Stempel usw., die Wolsf zu seinen Fälschungen benutzt hatte. Angesichts des er- drückenden Bcweismateriols, dos ihm bei seiner Ver- Haftung vorgelegt wurde, legte der verhaftete Stodtobersekretär be­reits ein Geständnis ob. Walff, van dem jetzt behauptet wird, daß er auch während des Krieges bei der Lebensmittelkartenausgab« beschäftig! und durch einen ziemlich großen Aufwand verdächtig gcwor- den sei, kam Donncrstognachmittog gerade von einer längeren Auto- reise und wurde sofort von den Kriminalbeamten in Empfang ge- nommen, die bereits seit mehreren Togen auf seine Rückkehr warte- ten. Der Verhaftete wird heute dem Vernchmungsrichtcr zugeführt werden. «- Oer Schrecken von Magdeburg  Raffinierter Erpresser holt die Stadt in Atem. Magdeburg  . 29. August. Ein gerissener Erpresser, der seit Monaten von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts   Geldbeträge durch Drohbriefe zu erhallen sucht, da ersonst der Landwirtschaft ganz unermeßlichen Schaden zufügen" würde, verlangte gestern in einem Briefe wiederiun 12 099 M. und vier Fahrkarten nach chamburg. Die Art und Weife der Ucbermittlung des Geldes sollte durch einen Brief, der unter der Chiffre A 636 vom Hauptpostamt abzuholen war, be- kanntgegeben werden. In dem Brief, den ein Kriminalbeamter in Empfang nahm, war folgendes angegeben: Der Bat« sollte in den letzten Wagen des I)-Zuges nach Helmstedt  , ob Magdeburg   18. IIhr, steigen, sich auf der rechten Seite des Wagens aufhalten und auf ein Zeichen, dos ihm auf der Strecke zwischen Magdeburg   und Helmstedt   in der Näh« von Marienborn   gemacht werden sollte, das Paket mit den 12 999 M. abwerfen. Außerdem wurde dem Boten angeraten, genau nach den Anweisungen zu verfahren, da er dauernd unter geheimer Bewachung stände. Es wurde nun auch genau nach den Anweisungen des Briefes gehandelt. Außerdem bestiegen aber nach zwei höher« Polizeibeontte den Zug, und mehrere Palizeibeamte auf Autos und Motorrädern besetzten die Gegend bei Marienborn. Kurz vor Nieder ndodcleben sahen die Beamten das verabredet« Zeichen in der Nähe des Bahndamms, das Paket, das natürlich nur Papierfchnitzel enthielt, wurde abgeworfen. Ehe aber der in voller Fahrt befindliche D-Zug zum Holten gebrach! werden konnte, war der Töter verschwunden. Roch allen Anhaltspunkten, die man bisher hat, scheiitt der Erpresser sich in Magdeburg   aufzuhalten. Einige Auszüge aus den Briefen mögen die Art seiner Drohungen kennzeichnen:Wundern Sie sich nicht, wenn Ihnen einmal ein Schuß Schwefel- säure ins Gesicht fliegt" und:Es steigt jetzt des Dramas letzter Akt, aber falls Sic es wünschen, kann es auch der Anfang zu einem neuen Drama sein!" Der Polizeipräsident hat 1999 M. Belohnung auf die Ergreifnng des Erpressers ausgesetzt. Morgen letzter Tag der Funk- und Phonoschau! Die Große Deutsche Funkausstellung und Phonoschau in den Funkturnchallen am Kaiserdamin, die einen sensationellen Besuch aus dem In- und Ausland.zu verzeichnen hat, ist nur noch bis morgen, Sonn- tag, 31.-August, geöffnet. Außer den Nachmittags- lonzertcn der Funkstunde findet am Sonnabendabend ein großes Konzert mit den Dirigenten Holländer, Lincke und Gilbert und Sonntagabend«in großes Konzert des Berliner   Sinfonie- Orchesters unter dem Dirigenten Dr. Helwulh Thierfcldcr statt.
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Er sandte Dutzende von Laufzetteln aus. Alles zitterte. Die Söhne des Herrn Pemberton ließen sich tatsächlich zum Ar- beiten herbei, und je mehr das Feuer um sich griff und auch die kleineren Chefs ihrerseits im Kreise ihrer Untergebenen zu wüten begannen, erwartete jeder einzelne, bis zu den Packerinnen im Seifenmagazin unten,hinausgeschmissen" zu werden. Nach einer Heimsuchung durch Herrn Pemberton und dm tobenden Laufzetteln innerhalb van fünfzehn Minuten, zog sich Herr S. Herbert Rotz ins Cafä Lafayette zurück, und Una war, als Herr Pemberton neuerlich erschien, dem Grollen des Bären ausgeliefert. Neuerdings begannen die Laufzettel sich auf ihrem Tisch zu häufen und man hörte Herrn Pembertons Stimme von einer anderen Seite des Büros her, sie näherte sich drohend, alles durchdringend. Una floh. Sie raste in den Waschraum, sperrte sich ei» und lehnte sich keuchend gegen die Türe, als märe sie von Detektiven verfolgt. Hier war sie einen Augenblick lang sicher. «Man würde sie vielleicht vermissen: ober sie war abgeschnitten von allen Fragen wie etwa:Wo ist Roh. Fräulein Golden? La. w a r u m wissen Sie nicht, wo er ist?'; von telephomschen Anrufen, von Laufzetteln, deren höflichesBstte" nur eine bemäntelt« Drohung war. Doch sogar bis zu diesem Zufluchtsort dräng der wohl- bekannte Klang des Bürobstriebes: das Schwirren, das ge- wohnlich wie ein einziger Laut klang, in dem sie aber in ihrer augenblicklichen Ueberempfmdlichkeit die Stimmen der ver- fchiedenen Schreibmaschinen unterscheiden konnte eine flach, schnell, abgehackt, eine gleichförmig wie eine Schnarre. Dos ,,zzzz" beim Zurückziehen der Schreibmaschinenfchlitten. Das Rollen beim Schließen der Fahrstuhltüre und das Rumpeln, wenn der Fahrstuhl heraufkam. Die einzelnen, deutlich unterschiedenen Töne vermischten sich wieder zu einem durchdringenden Geräusch von Eile und gestürmten llnas Gemissen, riefen sie zu ihrer Arbeit zurück. Sie feufot«, wusch ihre brennenden Äugen, öffnete die SS* wob schlich sich in ihre Zell  «,
Auf dem Korridor kam sie an. drei jungen Stenotypistin- nen vorbei und hörte eine von ihnen ausrufen:Ja, und von mir aus soll der Alte jeden Tag fünfundzwanzig Stunden seinen Raptus haben! Ich Hab' es hinter mir. Hör' mal, May, weißt du eigentlich, was bei mir los ist? Ich bin ver- lobt! Ja, mein Ehrenwort, es ist wahr! Schau meinen Ring an! Was, das ist keiner? Es ist ein richtiger Verlobungs- ring, sag' ich dir. In zwei Wochen bin ich diese Hölle hier los und Papa Pemberton kann seine Wut an jemand anderem auslassen. Und ich werd' jeden Tag einen Schlasrekord auf- stellen, bis Mittag mindestens!" Ieh!" Verlobt!  " riefen die anderen Mädchen, und Verlobt! Jeden Tag bis Mittag schlafen. Und� weder Herrn Roß noch Herrn Pemberton zu Gesicht bekommen! So stelle ich mir den Himmel vor!" dachte Una. Auf ihrem Schreibtisch lag ein Stoß Laufzettel von Herrn Pemberton und von den verschiedensten Büroabteilun- gen. Bei diesem Anblick erreichte Unas Wunsch, sich aufzu­lehnen. den Höhepunkt.> S. Herbert Roß   läust� davon, wenn der Sturm los- bricht und läßt mich hier ollem. Ja, müßte er nicht genau so auf seinem Posten sein wie ich?" fragte sie sich.Warum bringe ich nicht den Mut auf, einfach aufzuspringen und fort- zugehen, um eine Tasse Tee zu trinken, wie er es an meiner Stelle täte? Bei Gott  ! Ich tu's." Sie Ifatte Zlngst vor der unbestimmten Drohung, d'« in dem ganzen Pem'bertonsystem steckte, als sie den Fahrstuhl hergufklingeste. Doch erwiderte sie kein Wort, als der D'ener fragte:Sie gehen fort, Fräulein Golden?" Sie grng in eine deutsch  -judische Konditorei und Früh- stucksstube und trank nachdenklich einen dünnen Kaffee aus einer dicken Tasse und einen zuckerbestreutenKaffee- kuchen" und zwei Stück Backwerk. Von hier aus zu ihrer Arbeit zurückzukehren, fiel ihr noch schwerer als vorhin vom Waschraum aus. Sie hatte das Gefühl, jetzt eher sterben zu wollen, als wieder mit der alten Plackerei zu beginnen. Sie hatte es hinter sich", wie das kleine verlobte Mädel. Sie warfahnenflüchtig". Eine halbe Stunde lang blieb sie im Büro, doch Punkt halb se6)s ging sie fort, obwohl ihr Schreibtisch voll uner- ledigter Arbeiten war, und obwohl Herr Roß telephoMert hatte, daß er noch vor sechs kommen würde, was feine ritter- «che Form war, von ihr zu verlangen. Äs sieben zu bleiben.
Herr Schwirtz sollte an diesem Abend zu ihr zu Besuch kommen. Er hatte vorgeschlagen, zu einem Lustspiel zu gehen. Sie kleidete sich mit großer Sorgfalt an. Probierte eine neue Frisur. Als Herr Schwirtz kam. erklärte sie. daß sie unmöglich ins Theater gehen könne. Sie seivollständig fertig". Sie wisse überhaupt nicht mehr, was sie tun solle. Dieser Riesen- betrieb bei Pemberton sei eben zu viel für sie. Sie sei über» müdct vollkommen zerschlagen. Armes, kleines Kindchen!" sagte er und fuhr ihr streichelnd übers Haar. Sie lehnte den Kopf an feine Schulter: sie erschien ihr breit, stark und beschützend. Sie war froh, als er den Arm um sie schlang. Zwei Wochen später wurde sie mit Herrn Schwirtz ge- traut. 3. Sie brachte es fertig, ihnCd  " zu nennen..... Eddie" mar zu viel für sie, sogar in diesen vierzehn Tagen einander überstürzender Veränderungen und verwirrender Reue- rungen. Sie wollte eine Hochzeitsreise nach Savannah machen. Sie hatte den Wunfch, siä? auszuruhen: sie müsse sich aus- ruhen, sagte sie, sonst würde sie-zusammenbrechen. So fuhren sie also nach Savannah. zu den immergrünen Eichen und Zwergpalmen und den stillen, alten Plätzen. Aber sie konnte sich nicht ausruhen. Immer wieder grübelte sie der entfesselten Brutalität jener ersten Nacht ouf dem Dampfer nach, dem starken, unentrinnbaren Männer- geruch von Ed? Nacken und Schultern, den rohen Witzen, die er ihr unentwegt erzählte. Er bestand darauf, daß sie in Savannah in einem Hfttel für Geschäftsreisende wohnten. Wann immer sie sich ein wenig niederlegen ging, was oft geschah, spielte er Poker und trank Wbisky. Er bemühte sich aufrichtig, sie zu unter- halten. Er führte sie ins Theater, in Restaurants, macht? Ausflüge mit ihr. Er veranstaltete einen dreitägigen Jagd- ausflug mit einem schwarzen Koch. Er mietete Motorboots und Automobile und erzählte ihr olleneuesten Witze", die er Härte. Aber sie fürchtete feine häufigen Aüfmirntenrngen, nur tüchtig Champagner zu trinken: fürchtete seine Klagen weinerlich wie die eines kleinen Knaben, Sag mal, Uni, kannst du denn nicht'n bißchen Feuer aufbringen? Das kann doch'n Mann wohl mit Recht erwarten, um dies? Zeit." Mortjetzung frlgü) i