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Oer Wahlsonntag der Arbeit Die Leistungen der sozialdemokratischen Wahlhelfer
Die Bertoer sind auch am Sovnkag Frühaufsteher. Ob- wohl mau die Wahlzeit gestern gegenüber den früheren Wahlen um eine Ktnnde vorverlegt hatte, warteten schon vor S Uhr viele Frauen und ZNänner vor ihren Wahllokalen ans Einlaß. Zn allen Stadt. ieilen haben die sozialdemokratischen Fnnktionäre und Mitglieder bis zur lehleu Stunde opferfreudig und er- füllt von dem Ernst der Stuude für die L l st e 1 gearbeitet und ge- worden. Die Wahlbeleiligung war am vormittag stärker al» in den Zlachwittagsstundev. Besonders in? Auge fiel die starke Wahlbeteili- gung der Frauen. Um S Uhr das übliche Bild: in ollen Straßen Trupps von Plakatträgern, die nach Hause pilgern. Aus den Plätzen ober und vor den Filialen de».Vorwärts" sammeln sich bereit» die Arbeiter, die aus die ersten Wahlresultote warten. Vor demVorwärts"- Haus. Den ganzen Sonntag über hatte das Kommen und Gehen imBorwärts"-haus, in dem sich auch die Zentral- wahlleitung der Berliner   Sozialdemokratie befindet, kein Ende genommen. Bereits kurz noch Wahlschluß fanden sich dann Arbeiter und AngeftelUe vor dem hause ihrer Zeitung ein, um die ersten Wahlresultate zu erfahren. Als gegen 7 Uhr die ersten Meldungen bekanntgegeben wurden, standen zu beiden Seiten der Straße hunderte von Menschen in dichten Reihen. Die Menge harrte bis in die späten Nachtstunden aus. Wie die Alten wählten. Weit draußen im Norden, am Rand der Weltstadt, liegt Buch, die Gartenstadt der alten Menschen. Sobald man das große Tor passiert hat, bewegt man sich in absolut stillen Bezirken. Nur soll man nicht glauben, daß die vielen alten Leutchen beiderlei Geschlechts, so unbeholfen sie nieist körperlich auch sind, auch in geistiger Beziehung gebrechlich sind. Im Gegenteil, mit Ausnahme jener Müden, die lanqsam in das ewig« Dunkel hinüberdäinmsrn, oder jener, die durch unheilbare Krankheiten gleichgültig geworden sind, wird man bei den Alten auf ein oft erstaunlich lebendiges Interesse für die Fragen des Tages stoßen. Ohne Ucbertreibung kann deshalb gesagt werden, daß diese Alten, Männer sowohl wie . Frauen, sich geradezu zur Ausübung ihres Wahlrechtes drängten. Die meisten an Stöcken und Krücken, viele sogar ganz mühsam an zwei Stöcken schleichend, oft unterstützt von Pflegern oder Pflege- rinnen, so kamen sie zum Wahllokal, von denen man innerhalb der weitgedehnten Bücher Anstalten mehrer« hat einrichten müssen.
Jluch die SKranken wähllen in den Wrankenhäufem Diese Wahllokale waren ausschließlich für die Hospitanten vor- Händen, so daß keiner es nötig hatte, den Bezirk des Allersheimes zu verlassen. Richtig Schlange stehen mußten die alten Leutchen. well der Andrang so groß"war. Di« zynische Rücksichtslosigkeit eines von außen kommenden kommunistischen   Agitators hatte es versucht, selbst in dissem Bezirk des Friedens in srecher aufdring­licher Welse Revolte zu stiften, damit aber nur erreicht, daß alte Männer und Frauen so erregt wurden, daß Aerzte und Pfleger zu tun hatten, um die. Gemüter wieder zu beruhigen. Die Wahl nahm dann ihren ruhigen Fortgang. In geradezu vorbildlicher und musfterhaster Weise war für die gesorgt worden, die bett- gerig waren. Der Wahlvorsteher begab sich mit seinen Bei- sitzern mck» Helfern in die Zimmer der Bettlägerigen. Heber das Bett des Kranken wurde ein leichtes Gestell gehoben, das die Wahlzelle darstellt«. Diese hülle verdeckt« den Kranken vollständig und er konnte auf einer festen Unterlage ungesehen seinen Wahl- -.etkel ankreuzen und ihn in«inen Umschlag tun. So wurde das Wahlgeheimnis in der weitestgehenden Weise gewahrt. Es ist nicht doch genug anzuerkennen, daß sich das Personal der Anstalten dieser ziemlich umständlichen Zeit und Kräfte erfordernden Arbelt mit großer Hingabe widmete. Im Zentrum. I,n Zentrum hat sich der Wohlakt unter sehr reger, schon am frühen Morgen einsetzender Beteiligung im allgemeinen sehr ruhig abgespielt. Um so mehr, da«in großer Teil des Bezirks Innerhalb der Bannmeile liegt, sah man hier wenig von Agitation und Propaganda Man freute sich ober, um die achte Morgenstunde die Holser der Sozialdemokratie als erste vor den Wahllokalen auf dem Posten zu sehen. Gegen 15 K Uhr schätzte man in unter- richteten Kreisen die Quote der Wahlbetelligung auf etwa 75 Prozent bis 7« Prozent Einer der ersten Walser war ohne Zweifel der Reichspräsident von hindenburg. der vor der Künstlerklaus« Iogerstrahe 14 schon um 8.10 Uhr mit dem Auto »orfuhr. Das Oberhaupt t« Republik wurde von Publikum und Wahloorstand chrerbietig begrüßt und durch da» Kreuzfeuer der Photographen empfangen. Der Reichskanzler und der Reichsaußen- minister, für dl« das gleich« Wahllokal zuständig ist, wählten außen- halb Berlins   auf Stimmschein. Oer Westen zeigte ein ruhiges Gesicht. Der Westen zeigte ein wesentlich ruhiger«, Gesicht als der Norden und Osten. Einige Kraftwagen der Sozialdemokratie sichren umher, die Insassen forderten noch einmal mit kräftiger Stimme zur Wahl der Liste l auf. Unsere Genossen waren auch im Westen fleißig bei der Arbeit. Die A r b e i t c r s a m a r i t e r hatten von früh bis spät zu tun. um Kranke und Gebrechliche zum Wohllotol gB bringen. Vit Auto und Motorrad war man unter-
wegs; alle beseelte die Ueberzeugung: Bei dieser Entscheidungs- fchlacht darf keiner fehlen! Die Wahlbetelligung in den einzelnen Bezirken schwankt etwa zwischen 80 bis 80 Prozent; am stärksten ist die Beteiligung dort, wo dasGartenhaus" entscheidet. Zu teil- weise recht aufgeregten Diskussionen kam es zwischen den.Plakat- trägern vor den Wahllokalen. In den Wahllokalen herrschte zeitweise ein starkes Gedränge. Di« seltsamsten Ding« ereignen sich zuweilen. So konnte man erleben, daß eine Dom« zurückkam; sie wollte den Wahlzettel zurück haben, da sie sich in der Nummer versehen hatte. Die bürgerlichen Parteien hielten sich merklich zurück. In der Arbeiierstadt Spandau  . Die Arbeiterstadt an der Havel   zeigt auch am Wahltage gegen- über den anderen Stadtteilen der Riesenstadt«in besonderes Ge- ficht. Die Arbeiter, die hier wohnen, sind das Frühaufstehen ge- wohnt, und so sind die Wahllokale bereits kurz vor 8 Uhr über- füllt. In den Straßen ist es sonst ruhig, hin und wieder fährt ein Schupotrupp auf Rädern durch die Stadt; erfreulicherweis«, ohne irgendwie eingreisen zu müssen. Bis zuletzt hat die Sozial- demokratie mit allen Kräften für den Sieg der Liste 1 ge- arbeitet. Und die Partei der Arbeit hat sich in dem umkämpften Bezirk gut geschlagen! Wie die Stargarder Straße warb. Auch im Bezirk Prenzlauer Berg   setzt« die Wahlbeteili- gung schon in den frühen Vormittagsstunden lebhaft ein, so daß um die Mittagszeit bereits 50 bis 60 Prozent ihr Wahlrecht aus- geübt hatten. Di« 50. Abteilung des 4. Kreises hat eine glänzende Wahlpropaganda durchgeführt. Drei Genossen arbeiteten zwei künstlerische Plakate mit lebensgroßen Figuren: Das wahre Gesicht
Sowjetruhlands zeigt« das ein« den Tod mit der Hippe,>. durch Hungersnot den Terror der GPU. alles blühende Leben ver- nichtet. Das zweite warb für den Kampf mit geistigen Wassen für die Liste 1. Vergeblich suchten die Kommunisten mit primitiven Mitteln gegen diese wirtsam« Propaganda anzukämpfen: Die Stargarder Straße wurde durch die Arbeiten unter Ge- nassen beherrscht. Ruhig verlief auch die Wahl in Weißense«. Ab und an fuhren mit Geschrei und hallo einig« hakenkreuzautos die Straßen. von Kommunisten gefolgt. Die Antiparlamenrarier bemühen sich am meisten um Stimmungsmache für die Parlomentsrvahlen.... Aber der Bezirksleiter von Prenzlauer Berg   hat schon recht, daß er um 1 Uhr schon die Propaganda-Autos unserer Partei von der Straße zog, denn wer um Mittag des Wahltages noch nicht weiß, wen er wählen soll, der wird auch jetzt kaum noch gewonnen werden können. Massenkundgebung in Charlotienburg. Die Schlußkundgebung der Sozialdemokratischen Partei im Edenpalast Charlottenburg am Freitag war mehr als über« füllt. Alle Gänge, der Vorraum, die Treppen zum Saal« waren mit dichtgedrängten Massen besetzt, hunderte, die keinen Einlaß mehr fanden, veranstalteten auf dem Hof eine spontane Kundgebung, bei der Genossin Beidler die Ansprach« hielt. Im Saal herrschte begeisterte Stimmung. Die Ausführungen des Genossen Kuttner wurden immer wieder durch Beifallsstürme unterbrochen. Am Schluß gab durch minutenlangem Beifall die Persammlung ihr Einverständnis zu erkennen. Zur Diskussion meldet« sich niemand, obwohl Redefreiheit zugesichert war, so daß die machtvolle Kundgebung mit einem begeisterten hoch auf die Sozialdemokratie geschlossen wurde.
Wahlnacht ruhig verlaufen Zusammenstöße in der Nachi zum Gonniag
Der Vahlkampf hak am Vorabend der Reichslagswahl be­dauerlicherweise in Berlin   zwei Todesopfer gefordert, außer- dem wurde bei Zusammenstößen zwischen politischen Gegnern eine Anzahl von Personen zum Teil schwer verletzt. Aach   einer im. Polizei­präsidium vorgenommenen Zählung sind wegen der verschieden. artigsten Zwischenfälle und A n» s ch r e i t u n g e n bi» Montag früh 5 70 Personen, meist Kommunisten und National. s o z i a l i st e n. zwangsgestellt und der Abteilung I A des Polizeipräsidiums zugeführt worden. Mit Biergläsern. Steinen und Stinkbomben bewarfen sich die Gegner, mit Mestern. Dolchen und Gummiknüppeln ging man aus einander lo». Die Nacht noch der Wahl ist erfreulicherweise sehr ruhig, oer- laufen, obwohl an den großen Derkehrsbrennpunkten, besonders im Aellungsoiertel, wo die Wohlresultate durch Scheinwerfer bekannt- gegeben üftirdell, sich dts in die�pätenMachtstunden grvtz» Menschen» massen aufhielten, die lebhaft das Resultat de» Wahltage» disku- tierten und debattierten. Nicht wenig hat zu diesem befriedigenden äußeren Verlaus ohne jeden Zweifel da» BerbotdesSchnap?- ausfchankes beizetragen,« in Umstand, d er a uch für die Zukunft Beachtung verdient. Lediglich vor dem Sport- palast, wo die Nationalsozialisten abend» eine große Kundgebung und S i e g e s f« ie r veranstalteten, kam es nach Schluß der Versammlung zu kleineren Krawallen, hier mußte die Polizei vorgehen. Auch Unter den Linden Ecke Friedrichstraß« kam es zu größeren Ansammlungen und Auseinandersetzungen zwischen Nationalsozialisten und Andersgesinnten.
Bon den festgenommenen 570Personen sind bis auf 27, die sich wegen Landfriedensbruchs, Aufruhrs, Widerstand, Beamten- beleidigung, unbefugten Waffenbesitz usw. vor dem Richter zu o e r- antworten hoben werden, alle wieder auf freien Fuß gesetzt.
Auf Waffen unier fuchl Die Propagandaautos der extremen Parteien wurden häufig angehalten und ihre Insassen von der Polizei noch Waffen untersucht.
Die Börse quittiert. Schwere Kursverluste. Unruhe an den Auslandsbörfen Der Wahlsieg der Putschparleien hat an der Börse wie eine Bombe eingeschlagen. Auf fast allen Gebieten waren starke Surseinbrüche zu verzeichnen, die bei einzelnen werten bl» zu 20 Proz. erreichten. So stellten sich ZG.- Farben ans 145 gegen 15Z Proz� AEG. auf 134 gegen 13g Proz� Gelseukirchener Bergbau auf 106,5 gegen 110 Proz., 0 st w c r k e 194 gegen ISS  . Sehr stark war der Surseinbruch bei Reichsbankanteilen. die von 24g bis auf 236 Proz. sanken, und bei den schweren Sali- werten haben bie Sursoertuste sogar ein katastrophale» Ausmaß angenommen und betrugen bei einzelnen werten bis zu 20 Proz. Die Unruhe an der Börse verstärkte sich noch, al» Meldungen au» dem Ausland einliefen, die über den niederschmetternden Eindruck de» deutschen   wahlcrgebnisies bei ausländischen wirtschafts- kreisen einliefen. So befürchtet man. daß da» Ausland überraschend seine Guthaben in Deutschland   kündige« wird; wo» für den deutschen   Geldmarkt natürlich schwerwiegende Folgen haben mühte. Auch die künftige deutsche Sreditpolitlk im Ausland wird äußerst pessimistisch beurteilt. Die Pariser Börse ver­hüll sich zunächst noch abwartend, man vertritt in Finanz, und Wirt- schastskreisen den Standpunkt, daß Möglichkeiten für eine Große Koalition gegeben seien. Jener in der Leipziger   Siraße. Eine verunglückte Sonderschau. heute vormittag ist in den Kelle rräumev der Orient- Teppich- AG. in der Leipziger Straß«. Ecke Markgrafen- siraße. ein gefährliche, Feuer au-gebwh-n. Gerumpel, Verpockungsmatertalien usw. boten den Flammen reiche Nahrung. Die Löscharbeiten der Feuerwehr gestalteten sich sehr schwierig, da da, Feuer einen außergewöhnlich starken Qualm entwickelte� Di« Rauchmassen nahmen ihren Weg in die Verkauf». räume der ,.O t a g". so daß viele Käufer die verqualmten Äu«- stetongsräum« schleunigst wieder verlassen mußten. Die Räu- miing des Hauses vollzog sich, wie die Geschäftsleiwng mitteilt, m. aller Rulle. Durch den Brand wurden sämtliche Telcphonkabel und das Fahrstuhlkabcl zerstört. Dos Feuer hatte in der verkehrsreichsten Straße Berlins   eine riesige Menschenansammlung zur Folg«.
Das besonder« Pech derOtag* liegt darin, daß mit dem heutigen Tage eine Sonderschou eröffnet werden sollte. Da die Berkaufsräume vom Feuer jedoch nicht ergrifsen worden sind, tritt im Betrieb keinerlei Unterbrechung«in.
Doge und Oogareffa". Stäc> tische Oper. Es ist ohne Zweifel ein Mißgriff gewesen, diese Arbeit eines ambttionierten Liebhabers auf die Bühne der Städtischen Oper zu bringen, ein Mißgriff, der aus sachlichen Gründen kaum zu erklären ist. Die personellen Umstände interessieren uns nicht. Erstlingswerk eines Dreiundzwanzigjährigen Talentprob«? Bietletcht. Aber Prob« einer Sorte Talent, die gewiß keine wohlwollende Fördenmg oerdient und für die Jugend kein mildernder, kein werbender Um- stand ist: Prob« eines Talents der täuschenden Aufmachung, des selbstsicheren Auftretens, der frivolen Scheinroutinierthsit. Dieser ungeniert« junge Idealist langt nach allem, wovon er sich Wirkung und Erfolg verspricht, mit der Skrupellosigkeit eines abgebrühten alten Theatcrpraktikers, allerdings auch mit einer naiven Ahnungs- losigkeit, die beinahe versöhnend wirkt. Die Dichtung, der ein geschiliztlicher Stoff zugrunde liegt Ort der Handlung: Venedig  : Zeit: 14. Jahrhundert, ist schlecht- hin undiekutzerhar; sprachlich wie dramaturgisch ein unvermögendes Gestümper, es läßt sich nicht freundlicher sagen. Die Musik an Qualität nicht viel besser, wenn auch nicht zu verkennen ist, daß der Komponist, Ludwig R o s e l i u s, immerhin sein Handwerk eher beherrscht als der Librettist und mit beträchtlicher Geschicklich. keit gute Borbilder zu kopieren weiß. Diese Oper, für deren Ein- studierung sehr viel Mühe. Zeit und Kosten vergeudet worden sind. wird vermutlich noch- wenigen Aufführungen vom Spielplan oer- schwinden, es ist nicht der Mühe wert, auf einzelnes ausführlich zu- rückzukommen. Auf der Bühne fallen im Künstlerpersonal ein paar neue Erscheinungen auf; am vorteilhaftesten der jung« Gerhard h ü s ch, ein Sänger und Darsteller von schönen Mitteln. Und man freut sich, den ausgezeichneten Künstler Destder Z a d o r nach langer Kronkheit wieder an seinem Platze und auf alter höhe zu sehen. K.P. Wetter für Berlin  : Wechselnd bewölkt ohne wesentliche Nieder- schlage. Temperaturen etwas niedriger, mähige Westwind«. Für Deutschland  : U eberall kühlere» und leicht veränderkche« Wetter.