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Lebensmüde Jugend

Wiens Kampf gegen den Freitod.

In fast allen europäischen Kulturländern steigt seit dem Krieg die Selbstmordkurve rapide an; in Deutschland  bezieht sich diese Zunahme in erster Linie auf die Frau, und zwar vornehmlich auf die ledige, allein im Wirtschaftskampf stehende Frau. Desterreich, in dem die Zahl der Selbstmorde ebenfalls eine erschreckende Höhe erreicht hatte,

zeigt seit dem letzten Biertel des vorigen Jahres einen auf­fälligen Rückgang der Selbsttötungen.

Die Gründe hierfür sieht der dortige Psychiater Dr. Dreiturs in einer umfassenden Selbstmordprophylage", zu der fich öffent­liche und private Körperschaften in Wien   verbündet haben.

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Erst seit Beginn unseres Jahrhunderts, seit der Selbstmord aus einem juristischen. ein medizinisches Problem geworden ist, hat man einsehen gelernt, daß der Selbstmordkandidat nicht vor den Strafrichter gehört, sondern, daß er ärztlicher Für forge bedarf. Dasjenige Land, das am längsten den Freitod durch Strafmaßnahmen zu bekämpfen suchte, England, war auch das erste, das sich zu der neuen Anschauung bekannte und Fürsorgemaßnahmen traf: im Jahre 1906 bereits errichtete General Booth   von der Heilsarmee   eine Beratungsstelle für Lebens­müde" in London  . Von New York   wurde dann diese Art von Beratungsstellen übernommen. Kurz vor dem Krieg tauchten Pläne auf, auch auf dem europäischen   Kontinent diese Art Fürsorge nachzuahmen. Der Krieg setzte diesem Bestreben ein Ende, das Wien   jetzt erstmalig in systematischer Weise wieder auf nimmt.

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Sehr verdienstlich ist vor allem die Selbstmörderfürsorge, die das Fürsorgeamt der Wiener Polizeidirektion be­gonnen hat.

Alle Personen, deren Selbstmordverfuch dem Fürsorgeamt durch die einzelnen Polizeikommiffariate bekanntgegeben werden, werden schriftlich vorgeladen.

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Bleibt diese Vorladung erfolglos, so wird durch eine Fürsorgerin ein Hausbesuch vorgenommen. Solche Hausbesuche sind oft auch noch nach durchgeführter Beratung erforderlich.

Die meisten Personen leisten der Vorladung Folge. Manchmal genügt dann schon die Aussprache, die Beratung, der Hausbesuch der Fürsorgerin, um den Lebensmut der Betreffenden wieder auf­zufrischen. Die Mehrzahl der Fälle erfordert allerdings tieferes Eingehen und umfassendere Fürsorgemaßnahmen. Diese bestehen oft in der Aufgabe, die gegebene Notlage zumindest durch Ein­wirkung von Unterstützungen, Beihilfen und dergleichen zu lindern; die Beschaffung von Arbeit, Ermöglichung einer selbständigen Existenz und Linderung der Woh nungsnot, beheben sehr häufig das lebel an der Wurzel. In manchen Fällen wird Heilbehandlung beantragt, andere Fälle werden den Jugendämtern zugewiesen; waren doch

von 2373 verfuchten Tötungen in einem Jahre 8 von Kindern, d. h. Personen unter 14 Jahren begangen und 158 von Jugend­lichen!

Bemüht sich die Fürsorge der Polizei darum, alle jene zu er­fassen, die bereits einen Selbstmordversuch gemacht haben, so sucht die Lebensmüdenstelle der Ethischen Gemeinde" einzugreifen, bevor der letzte Schritt gewagt wird. Durch ständige Mitteilungen in den Tageszeitungen wird die Bevölkerung auf diese Stelle aufmerksam gemacht.

Es tann nicht ausbleiben, daß durch dieses menschenfreundliche Vorgehen auch Bersonen angelodt werden, die durch Vorspiegelung von Lebensüberdruß sich materielle Vorteile zu verschaffen suchen. Die Statistik aber ergab, daß ihre Zahl nicht mehr als 10 Proz betrug wenig Schatten neben viel Licht! In etwa zwei Drittel der Fälle tonnte wirklich hilfe gebracht und seelisch oder wirtschaftlich Ruinierte por

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bem Frattos bewahrt werden. Beforben tender zeigen für das Wirken der Ethischen Gemeinde weitgehendes Vers ständnis.

Die dritte dieser segensreichen Institutionen, die sich der Lebensmüden annimmt, und für eine wirksame Selbstmordpro­phylage" eintritt, stellt die ,, private Jugendberatung" dar. Etwa 30 private Berater, Aerzte, Advokaten, Pädagogen, Fürsorger und Priester, deren Namen durch die Preffe und Plakate der Jugend bekanntgegeben werden, stellen sich in ihren Privatwoh­nungen zu bestimmten Zeiten zur Verfügung.

werden.

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Seit dem etwa zweijährigen Bestehen haben 1500 Jugendliche von dieser Beratungsmöglichkeit Gebrauch gemacht und konnten so vor nicht wieder gutzumachenden Schäden bewahrt Daneben gibt es noch vielerlei private Vereine in Wien  , die die Selbstmörderfürsorge" auf ihr Programm geschrie­ben haben, wie der Bund für Lebensreform", der Ver­band Charitas" u. a. m. Auch die Beratungsstellen für psy. chische hygiene an der Psychiatrischen Universi. tätsklinik stellt sich ausdrücklich den Lebensmüden" zur Ver­fügung, wenn auch dieser Weg zur psychiatrischen Klinik bisher nicht sehr populär geworden ist. Immer weitergehende Teilnahme der Seelenkundigen und Nervenärzte wäre dem großen Hilfs­wert für Lebensmüde" dringend zu wünschen. Dr. Lily Herzberg.

Typographia! Vormittagsstunde in dieser Woche am Freitag, dem 26. September, 10 Uhr vormittags.

Goldene Hochzeit feiern heute in Rüftigkeit und Frische unser bewährter Parteigenosse Hugo Bowatscheck und Frau, Wilhelm­Stolze- Straße 6. Möge ihnen bei voller Gesundheit noch ein langes Leben beschieden sein!

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