Einzelbild herunterladen
 

Morgenausgabe

Rr. 495

A 249

47.Jahrgang

öchentlich 881, monatlid 8,60 im noraus zahlbar, Boftbezug 4.32 22. einschließlich 60 Bfg. Bostzeitungs- unb 72 Bfg. Boftbeftellgebühren. Auslands abonnement 6, M.   pro Monat. *

Der Borwärts erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags cinmal, die Abendausgaben für Berlin  und im Handel mit bem Titel Der Abend", Illustrierte Beilagen Bol und Zeit und Rinderfreund". Ferner Frauenftimme". Technit". Blid in die Büchermelt"," Jugend- Borwärts und Stabtbeilage.

Vorwärts

Berliner   Bolksblatt

Mittwoch

22. Oftober 1930

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die etnipaltige Ronpareillezeile 80 Pfennig. Reflamezeile 5, Reichs mart Aleine Anzeigen das lettge brudte Bort 25 Pfennig( zuläfftig zmet fettgebrudte Borte), jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Bort 15 Bfennig, jedes weitere Bort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Seile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme imhaupt geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr,

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: Berlin   SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin  .

Vorwärts- Verlag G.m. b. H.

10110110

Postichedkonto: Berlin   37 536.- Banktonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Wallstr. 65. Dt.B.u.Dist.- Ges., Depofitentasse, JerusalemterStr.65/ 66.

245 Mann eingeschlossen! Bürgerliche Illufionen.

Und in der Gefahr des Ertrinkens.

Aachen  , 21. Offober.( Eigenbericht.)

Die noch in der Grube auf Sohle IV 460 Meter unter Tage eingefchloffenen Bergarbeiter schweben in einer neuen großen Gefahr. Während die höhergelegenen Sohlen unter­einander und mit anderen Schächten Verbindung haben, ist die vierte Schle, die neu angelegt ist, ohne jeden Anschluß nach einer anderen Grube. Bon der vor einiger Zeit ffillgelegten Grube Nord­fiern strömen durch einen Querschlag in der Minute 3 kubik­meter maffer nach der Sohle IV, das bisher durch ein Pumpwert herausbefördert wurde. Durch die Explosion ist das Pumpwert zerstört worden, und nun dringen in jeder minute große Waffermengen in die Sohle IV ein. Da von 360 Meter unter Tage an alles verschüttet ist und feine direkte Hilfe gebracht werden kann, sind die eingeschlossenen Berg. Teute in größter Gefahr zu ertrinten, wenn es nicht bald gelingt zu den eingeschloffenen Bergleuten durchzubrechen. Es ist festgestellt, daß 667 Mann heute morgen in die Grube gefahren find. Bis heute abend 6 Uhr haben sich einschließlich der in den Krankenhäusern befindlichen Berlegten 390 gemeldet, so daß, die bisher geborgenen Toten dazugezählt, no defma 245 Mann in der Grube eingeschlossen sind. Auch im Umkreis der Unglüdsgrube hat die Katastrophe viele Opfer gefordert. Im Ledigenheim find durch die herabstürzende Dede 3 Mann getötet. In der der Grube gegenüberliegenden Wirtschaft wurden durch

Reichstagsentscheidung.

Von Rudolf Breitscheid  .

Man muß sich über die Beschaffenheit der Leute wundern, die noch immer davon sprechen, daß das Kabinett Brüning am legten Sonnabend einen Sieg erfochten habe. Weder pon

Deckeneinsturz 10 Leute getötet, darunter eine Frau, die im Fechten noch von einem Sieg fonnte und fann ernsthaft die Augenblick des Todes ein Kind zur Welt brachte.

Große Anfrage im Landtag.

Die sozialdemokratische Fraktion des Preußischen Landtags hat aus Anlaß des Aachener Unglücks die folgende Große Anfrage ein gebracht:

Rede sein. Die Regierung ist um das Mißtrauensa votum herumgekommen, nicht weil sie durch ihre Worte oder Handlungen sich das Vertrauen der Mehrheit erworben lehnte, durch ihren Sturz den Weg für bedentliche hätte, sondern weil die Sozialdemotratie es abe politische Experimente zu öffnen. Die Regierung wird erst zu bemeisen haben, ob sie des Lebens, das man ihr geschenkt hat, würdig ist.

Am 21. Oftober, vormittags 7.30 Uhr, explodierte im unter irdischen Grubenbetrieb des Schachtes Wilhelm der Grube Anna II bei Alsdorf   ein Dynamitlager. Die Explosion war so start, daß nicht Aber daß die Sozialdemokratie das dem Ertrinken nahe nur der Schachteinsturz erfolgte, sondern sogar das Verwaltungs- Kabinett aus dem Wasser hat ziehen helfen, ist für sehr viele gebäude über Tage schwer beschädigt wurde. Durch diese Explosion Politiker im bürgerlichen Lager eine höchst unangenehme und find über 100 Bergarbeiter getötet, andere schmer verletzt worden. unbequeme Tatsache. Sie mirft nach ihrer Meinung einen Unbeschreibliches Leid in den Bergarbeiterfamilien ist die Folge. dunklen Schatten auf das Bild der Regierung, den man meg­Dieses Grubenunglüd, verursacht durch eine Sprengstofferplosion, zuretuschieren bemüht sein muß. In diesen Kreisen hatte man hat in der Bevölkerung größte Bestürzung hervorgerufen. Wir sozialisten Herrn Brüning zu Hilfe eilen ursprünglich damit gerechnet, daß die Nationale fragen das Staatsministerium: mürden, und daß sie, ihren Radikalismus für die Straße refer­vierend, sich in eine gegen die Marristen gerichtete Front des Kapitalismus einreihen laffe würden. Das war eine Illusion, und nun wird der frampfhafte Versuch gemacht, die Enttäuschung darüber, daß Brünings Existenz gerade durch die Sozialdemokraten verlängert worden ist, hinter einer per­wegenen Ausdeutung der sozialdemokratischen Politik zu ver bergen.

1. Ist seitens der Staatsregierung fofort alles geschehen, um die schlimmste. Not von den in Mitleidenschaft gezogenen Berg­arbeiterfamilien abzuwenden?

2. Ist das Staatsministerium in der Lage, die Ursache dieser Explosion dem Landtag mitzuteilen?

3. Sind die bergpolizeilichen Vorschriften für das Lagern der Sprengstoffe im unterirdischen Betrieb innegehalten worden? ( Weitere Meldungen in der 1. Beilage.)

Putschplan in Oesterreich  .

Enthüllung im Ständigen Ausschuß.

Wien  , 21. Oftober.( Eigenbericht.)

In dem Ständigen Unterausschuß des Haupt­ausschusses, der in der parlamentslosen Zeit das Parlament vertritt, brachte die Regierung heute einen Nachtragskredit von 300 000 Schilling zur Dedung der Wahlkosten ein. Dabei sprach im Namen der Sozialdemokratie Dr. Bauer über die Ronfistationspragis der Regierung. Er stellte fest, daß

die Regierung sozialdemokratische Wahlplatate und Wahlflugblätter fonfiszieren läßt mit der

Begründung, daß darin beunruhigende Gerüchte verbreitet würden. Begründung, daß darin beunruhigende Gerüchte verbreitet würden. Dann erörterte Dr. Bauer ausführlich die Butschtreibereien der Heimwehr und verlas zunächst eine Meldung der Franff. Zeitung" darüber. Dann sagte er, daß in Steiermark   und vor allem im Gebiet der Alpinen Montangesellschaft eine Umände rung der Heimwehr eingeführt wurde.

Die alfen Heimwehrleute wurden ausgeschieden und aus den jungen Leuten Sturmtrupps gebildet, die Uebungen mit Ge­mehren unternehmen, mit Rudjöden, Militärschuhen, Konserven, Dolchmessern und Revolvern ausgestattet, und es wurde ihnen mifgsfeilf, daß fie an einem der nächsten Tage nach Nieder­ österreich   und Wien   marschieren sollen.

Den Berheirateten von ihnen murde gesagt, daß fie perfichert seien, so daß, wenn ihnen etwas geschehe, ihre Frauen eine Rente bee fämen. Dr. Bauer sagte, diese Leute glauben Abenteuer vor hereiten zu können, offensichtlich im Hinblick darauf, daß jetzt die michtigsten Staatsämter unter der obersten Leitung eines tiefer Abenteurer( Starhemberg) stehen. Aber man fönne erflären, daß jeder Versuch dieser Abenteurer, den Wahlen zuvorzafommen rder sich gegen das Ergebnis der Wahlen aufzulehnen, leicht und ficher zurüdgemiesen würde.

Bundeskanzler Baugo in erflärte darauf, daß die Regierung für Ruhe und Ordnung sorgen, daß die Wahlen ver fassungsmäßig durchgeführt würden und die im Ausland verbreiteten Gerüchte jeder Grundlage entbehren.

Aufmärsche in Wien  .

Strafella ftatt Gürtler.

Wien  , 21. Oftober.( Eigenbericht.)

Die Christlichsozialen haben in Graz   ihren bisherigen Ab­geordneten, den Präsidenten des Nationalrats Dr. Gürtler, der dem gemäßigten Flügel angehört, nicht mehr fandidiert und stellen an seiner Stelle den im Prozeß gegen die Arbeiter- Zeitung  " fo arg fabierten Dr. Strafella auf, der inzwischen General­direktor der Bundesbahn unter Nachsicht noch geschuldeter Steuern 23 au goin, der aber voraussichtlich ein Wiener   Mandat annehmen geworden ist. An erster Stelle fandidiert dort der Bundeskanzler mird, jo das Strafella sicher gewählt wird.

Ein plumper Schwindel.

1

Der neueste Landesverrat" der Sozialdemokratie. Demofal Anzeiger" ist großes Heil mider­fahren. Er ist in der Lage, aus New York   einen Sensationsschwindel zu veröffentlichen, den er aus­nahmsweise nicht selbst verschuldet hat, sondern für den der Londoner   Berichterstatter der Nem ort Times" die Verantwortung trägt. In dem Telegramm heißt es:

,, Der Berichterstatter glaubt, obmohl er auf ein Dementi gefaßt ift, fagen zu können, daß die deutschen   Sozialdemokraten mit der englischen Labourpartei über diese Frage( eines deutschen  Moratoriums. Red.) tonferiert hätten. Die deutschen   Sozialdemo­fralen feien jedoch gegen ein baldiges Moratorium, da sie be fürchteten, den Nationalsozialsten, die den Wahlkampf unter der Parole der Einstellung der Tributzahlungen geführt hätten, damit Propagandamaterial an die Hand zu geben. An gesichts des Druces, den die Sozialdemokraten auf Brüning aus üben tönnten, glaube man in England daher nicht, daß Deutschland  die Zahlungen so bald einstellen werde."

Wir erklären kategorisch, daß diese Meldung von A bis 3 aus den Fingern gefogen ist, und daß in folgedeffen die Weiterverbreitung dieser unwahren Meldung fortan eine bewußte Berleumdung der deutschen  

|

Am weitesten geht in dieser Beziehung die ,, Deutsche All­gemeine Beitung", die es freilich deshalb am nötigsten hat, meil sie ja in der vordersten Linie derjenigen Cliquen stand, die sich nach dem 14. September am lebhafteften für die Her anziehung der Hakenkreuzler eingesetzt haben. Man höre, mie fich das Organ des Großkapitalismus jest um ein schärfe­res Wort zu vermeiden herausredet. Die Sozialdemo fraten hielten," so heißt es da ,,, nationalistische Reden und verteidigten praktisch den Kapitalismus.. Die Wahlen vom 14. September haben die Sozialdemokratie zu nationalen und tributpolitischen Haltungen gezwungen, die sie früher höhnend als Bierbankpolitik und deutschtümelnde Kraft­meierei verspottet hätten."

Wer hat praktisch den Kapitalismus verteidigt? Wenne die Sozialdemokratie das Kabinett vor dem Sturze bewahrte, hat sie sich dabei in keiner Weise von der Rücksicht auf seinen fapitalistischen Charakter leiten lassen. Hätte sie die Mög lichkeit gesehen, an seine Stelle eine sozialistische oder dent Sozialismus günstigere Regierung zu sehen, so würde sie feinen Augenblid mit ihrem Mißtrauensvotum gezögert die Deutsche Allgemeine Zeitung" ist, ganz gleichgültig, ob haben. Ihre Absicht ging gerade dahin, eine Verstärkung des Einflusses derjenigen Kreise zu verhindern, deren Mundstüd dieser Einfluß mit Hilfe der Nationalsozialisten oder auf dent Bege über eine Art von bürokratischer Diftatur zur Geltung gekommen wäre. Sie wollte das Aeußerste tun, um die Demokratie und damit die politischen und sozialen Rechte der Arbeiterklasse zu retten und zu sichern. Es mag zweifelhaft sein, ob die Bahn, die sie eingeschlagen hat, schließlich zu dem angestrebten Ziele führt. Nicht zweifelhaft aber ist, daß der Berjuch gemacht werden mußte. Stellt er sich als ner fehlt heraus, so wird die Sozialdemokratie ihre Handlungs­freiheit, non der sie nichts aufgegeben hat, zu benutzen missen. Und meiter: mo haben die Sozialdemokraten nationali ftische Reden gehalten und inwiefern haben sie sich durch den 14. September veranlaßt gesehen, ihre Außenpolitif zu ändern? Sie haben für das, was man die Revision der Verträge nennt, auf nationalem und internationalem Boden gearbeitet, schon ehe es überhaupteine nationalfozialistische Bewegung gab! Gie haben sich niemals mit dem Young- Blan als einer endgültigen und unabänderlichen Regelung der deutschen   Reparationsver pflichtungen abgefunden. Es bedurfte nicht des Anwachsens der nationalsozialistischen Stimmen, um sie erkennen und aus­fprechen zu lassen, daß in einer wirtschaftlichen Lage wie der gegenwärtigen, die Zahlungen, die wir an das Ausland zu leiften haben, eine Last darstellen, an deren Erleichte rung alle politische Kraft gesetzt werden muß. Aber auf der anderen Seite ist die Sozialdemokratie ebensoweit davon ent­fernt mie früher, den fatastrophalen Rezepten, mie fie von Nationalsozialisten und Kommunisten in schönem Ber­ein verordnet werden, ihre Zustimmung zu geben. Sie denkt nicht daran, eine Abweichung von den bisherigen Linien der Außenpolitik zu empfehlen und sich in die ebenso verzweifelten Nationalisten aller Schattierungen Land und Bolt hinein­reißen möchten. Unter diesen Umständen werden sich die bürgerlich fapitalistischen Gruppen schon damit abfinden müssen, daß die Sozialdemofratie bleibt, was fie gewesen ist, eine Partei, die besonnen zwar, aber zielbewußt auf bem

In Bien besteht zu Recht das pom Landeshauptmann Seitz vor längerer Zeit erlassene Berbot geschlossener Aufmärsche in Uniform und militärischer Gliederung. Jegt aber marschiert fast jeden Abend die Heimwehr ungehindert in Wien   herum. Offen- Sozialdemokratie darstellt. bar hat Starhemberg   die Bundespolizei beauftragt, das Verbot der Auch, Daily Herald weist den Schwindel zurück. mie 1 à cherlichen Abenteuer zu stürzen, in die die Landesregierung nicht gegen die Faschisten durchzuführen.

Für den Anschluß an das Reich und gegen den Faschismus demonstrieren am Sonntag die Sozialdemokraten. Aufmarsch geht über die Ringstroße zum Rathausplat

Der Dort

London, 21. Ottober.( Eigenbericht.)

Das Arbeiterorgan Daily Herald" bezeichnet die Er­sprechen u. a. Arthur Crispien  . Franz Künstler   und Baul zählung der New York Times  " über Besprechungen zwischen Robe. Den Helbenplag hat die Burghauptmannschaft, eine deutschen   und englischen Sozialisten megen der Moratoriumsfrage Bundesbehörde, nerweigert; bort dürfen nur Antimarristen reben, I als eine glatte Erfindung.