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Rr. 49947. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Ein absturzsicheres Flugzeug

Die Focke- Wulf- ,, Ente" in Berlin  

In Tempelhof   gab es mal wieder etwas Neues zu sehen: ein anscheinend r ii d wärts fliegendes Flugzeug. Es war die Neu­fonstruktion der Focke- Wulf- ,, Ente", ein zweimotoriges Kabinen­flugzeug, das sich von dem heutigen Normaltyp dadurch unter­scheidet, daß sich an der Spitze des Flugzeuges ein kleiner zur Höhensteuerung dienender Vorderflügel befindet. Der Rumps, ter sich zwischen Vorder- und Hauptflügel erstreckt, enthält den Führersitz und die für drei Personen berechnete Kabine. Unter dem Borderflügel liegt, weit vorn im Rumpf etwa 4 Meter vor dem Schwerpunkt, ein Vorderrad.

In dem Vortrag, den Diplom- Ingenieur H. Focke   ver den Vertretern der Bresse und Behörden hielt, betonte er, daß die An­fänge der in den Jahren 1926 und 1927 fonstruierten und gebauten Ente bis in die ersten Zeiten der Fliegerei zurückgingen. 1908 wurde dem Bruder Fodes ein Patent erteilt, das das Grundpatent der Entenbauart wurde. Das damals gebaute Flugzeug führte aber nur einige Sprünge aus und konnte aus Mangel an finanziellen Mittein nicht vervollkommnet werden. Später wurden sowohl in Frankreich  von Roisin, als auch in Deutschland   von Professor Reißner weitere Verfuche mit Enten" gemacht. 1925 schlug die Focke- Wulf- Flug­zeugbaugesellschaft der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt den Bau eines neuen Entenflugzeuges vor, das 1926 bestellt und nach eingehenden Vorstudien im Göttinger Aerodynamischen Institut er­baut wurde. Diese Maschine wurde im Herbst 1927 durch Direttor Wulf eingeflogen und in zahlreichen Flügen erprobt. Bei einem späteren Fluge verunglückte Wulf durch eine unglückliche Verfettung

Länge von 10 Metern. Die Focke- Wulf- Flugzeugwerte sind der festen Ueberzeugung, daß sich die Ente" bei weiterer Bewährung durchsetzen wird. Es ist bereits jetzt möglich, auf Grund der bisherigen Erfahrungen auch Sportflugzeuge als Enten zu

bauen.

Die Chefpiloten Edzard und von Köppen führten am Nachmittag die Ente" im Fluge vor. Die Maschine wirkte durchaus

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baber, eine neue Ente zu bauen, die ver burgem burch bie Dye, nicht plump, wie man zuerst vermutet hatte. Sie entwickelte eine

sich DVL. geprüft und vom Reichsverkehrsministerium ohne Beschränkung zu­gelassen wurde.

Die beiden grundsätzlichen Vorteile der Ente" bestehen in Un­überschlagbarkeit am Boden und unüberzieh barkeit in der Luft. Das Flugzeug kann beim Auslauf sehr scharf gebremst werden, was bei Notlandungen von großer Bedeutung ist. Die Ente" erreicht eine Geschwindigkeit von 140 Stundentilometern, hat 14 Meter Spannweite und befigt eine

gute Steigfähigkeit und ging sicher und elegant in die Kurven.

Es ist mir zu begrüßen, daß die Focke- Wulf- Werke sich nicht darauf beschränkt haben, die heute übliche Flugzeugform zu ver= bessern, sondern daß sie von ihr abweichen und ihr Hauptaugenmert auf Erzielung der Sicherheit im Luftverkehr gerichtet haben. Auch die Ente" steht erst am Anfang ihrer Entwicklung, und wahr heinlich werden sich, trotz der Vorzüge, die sie heute schon besitzt, bald Berbesserungen als notwendig erweisen.

255/ Die Todesziffer wächst

Das große Rätsel um die Explosionsursache

Flemming als Oberberghauptmann begeben.

Am Donnerstag ereignete fich in der Leichenhalle ein er­greifender Vorgang. Einer von den bereits als tot aufgebahrten knappen tam zum Leben zurüd. Er rief feinen toten Kameraden zu: Kameraden, wir wollen uns retten, ich spüre frische Luft, tommt alle mit."

Nach den neuesten Meldungen beträgt die Zahl der werbe Minister Dr. Schreiber und Ministerialdirektor Toten des Unglüds von Alsdorf   bisher 255 ein schließlich von 16 Bergleuten, die im Krankenhaus starben. Im Krankenhaus liegen jetzt noch 92 Verlente. Die Zahl der Toten, die noch unter Tage liegen, dürfte gering sein. Wie die Untersuchung weiter ergeben hat, ist das kleine Benzinlager über Tage unversehrt; bie Benzoltankwagen der Benzol- Lokomotive unter Tage sind unbeschädigt vorgefunden worden. Damit ist die Ursache der Explosion noch rätselhafter geworden als bisher. Zur Beendigung der Opfer am Sonnabendvormittag, 10 Uhr, werden sich aus dem preußischen Ministerium für Handel und Ge­

Walter A. Persich

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Vielleicht

morgen.

Eine Frau wies auf das Emailleschild an der Wand: ,, Das Betreten der Kinderstationen ist wegen der Ueber­tragungsgefahr neuer Krankheiten nicht gestattet. Besucher dürfen die Kinder nicht berühren. Es ist untersagt, oder Spielwaren mitzubringen."

" Ferdinand hat teine anstecende Krankheit!" ,, Nein, Annie, aber mir tönnten eine mitbrngen oder irgend jemand. Deshalb mag das ja richtig sein." ,, Das ist kein Besuch, Bert, das ist gar nichts, gar nichts

Während des halblauten Gesprächs waren sie Schritt um Schritt in der Reihe vorgerückt. Annie stand gleich an der Tür, die Pflegerin wartete mit gesenktem Kopf auf Nennung des Namens.

,, Werla..." sagte Bert schnell.

Der weiße Kittel verschwand, für Minuten wurde die Lür gänzlich zugeschoben und dann schlug der Dunst des Krankenhauses den Wartenden wieder durch den Spalt ent­gegen. Einige Kinder weinten. Da war das fleine Gesicht des Jungen, ganz nahe Annie wollte ihn streicheln, doch die Pflegerin ging einen Schritt zurück.

-

,, Darf ich nicht einmal das? fragte die Mutter. ,, Es ist doch mein Kind. Habt ihr es mir ganz fortgenommen? Er fennt uns nicht einmal mehr, er lacht nicht. Geht es ihm schlechter, Schwefter? Kann ich ihn mitnehmen?" Sie hob die Hände, sprach überschnell, in großer Angst, diese Minute tönne vorbei und dahin sein und sie müsse wieder gehen... ,, Wenn er entlassen wird, bekommen Sie Bescheid. Ich weiß nicht, wie es ihm geht. Vielleicht fragen Sie beim Stationsarzt oder bei der Oberschwester."

Hinter ihnen drängte man vorwärts. Jemand fagte Unerhört". Eine andere Stimme erwiderte ftreitluftig: Es ist aber auch eine Schande, daß man sein eigenes Kind nicht auf den Arm nehmen darf!" und dann noch eine unb

Gammlung der Spenden.

Der Amtliche Preußische Pressedienst teilt mit: Reichsregierung und preußische Staatsregierung bitten, alle Spenden, die aus Anlaß des Aachener Grubenunglücs gegeben werden, der Reichs­geschäftsstelle der deutschen   Nothilfe, Berlin   W. 8, auf Postscheck. fonto Berlin   156 000 oder auf das Konto Deutsche Nothilfe Gruben­

Freitag, 24. Oftober 1930

unglüd Anna 2 in Alsdorf   bei der Zentrale der Deutschen Bank und Disconto- Gesellschaft in Berlin   zu überweisen. Außerdem nehmen in Westdeutschland   Spenden an das Oberbergamt in Bonn  ( Bostschedkonto Köln 87 418) und der Regierungspräsident in Aachen  ( Regierungshauptkasse Aachen, Postschecktonto Köln 10 632). Nur dadurch, daß die Spenden diesen Stellen überwiesen werden, läßt sich sicherstellen, daß sie ein heitlich und zweckmäßig verwendet werden. Es ist be= absichtigt, sämtliche Spenden, einschließlich der von Reich und Preußen gegebenen, in einer Stelle zusammenzufassen und zu ihrer Verwaltung und Verwendung einen Ausschuß einzusehen, in dem namentlich Reichs- und Staatsbehörden, Bergarbeiterschaft und Wohlfahrtsverbände vertreten sein werden. Den Vorsitz des Aus­schusses wird der Berghauptmann in Bonn   führen. Dadurch ist gewährleistet, daß die Mittel entsprechend den Wünschen der Spender verwendet werden.

Holländische Bergleute als Helfer.

Das Unglückgrubenfeld liegt dicht an der holländischen Grenze. Holländische Bergleute sind nun in schlichter Selbstverständlichkeit herbeigeeilt, um den Rettungsfolonnen bei ihrer schweren Arbeit beizustehen und ihnen Hilfe zu leisten. Sie beteiligen sich an den schwersten Rettungsversuchen mit vorbildlicher Hingabe. Diese stille aber wirksame Hilfeleistung, die aus der natürlichen Solidarität der Arbeiterinteressen entspringt, ist wert, inmitten der Beileidskund­gebungen aus der ganzen Welt besonders registriert und anerkannt zu werden.

Racheaft gegen Frenzel?

Wichtige Aussagen des Gohnes.

Nach zweitägiger Pause wurde die Zeugenvernehmung in dem Prozeß gegen Frenzel fortgefeht. Zunächst wurde sehr eingehend der Sohn des Angeklagten, Arthur Frenzel, vernommen, der sich über die Beweggründe äußerte, die feine beiden Schweffern veranlaßt haben sollen, gegen ihren Vater auszusagen.

Nach der Schilderung des Sohnes hätten alle drei Kinder dem Vater gegenüber eine feindliche Einstellung gehabt, die daraus entstanden sei, daß sie sich von ihrem Bater vernachlässigt gefühlt hätten. Während andere Eltern mit ihren Kindern ständig zu­fammengewesen seien, Ausflüge gemacht und Vergnügungen besucht hätten, sei es so gewesen, daß die drei Geschwister das Gefühl gehabt hätten, tein Elternhaus zu befizen. Die Mutter habe stets allein zu Haus gefeffen, viel geweint, während der Bater seinen rielen Geschäften und Aemtern nachgegangen fei. Auch an den Sonntagen habe der Angeklagte mit Feuerwehrbesichtigungen und ähnlichen Ehrenposten ständig zu tun gehabt, so daß die Kinder den Bater nur bei den Mahlzeiten gesehen hätten. Er und seine Schwester hätten, als sie heranwuchsen, tiefes Mitleid mit der Mutter gehabt, während gleichzeitig ein glühender Haß gegen den Vater in ihnen erwacht sei. In den drei Geschwistern sei schließlich der Gedante emporgeftiegen, dem Vater für fein liebloses Verhalten gegenüber der Familie eins auszuwischen. Er habe jedoch nicht geahnt, in welcher Weise die Echwestern sich an dem Vater rächen wollten, sonst hätte er dieses Vorgehen der Mädchen ent­schieden verhindert. Bon den Beschuldigungen, die gegen seinen Vater erhoben seien, habe er nie etwas im Hause bemerkt.

Dachstuhlbrand in Schöneberg  .

Im Dachstuhl des Hauses Händelstraße 14 in Schöneberg  brach gestern abend gegen 20.30 Uhr Feuer aus, das schnell größeren Stelle. Die Flammen wurden aus vier Schlauchleitungen befämpft. Erst um Mitternacht waren die Aufräumungsarbeiten beendet. Die Entstehungsurfache tonnte noch nicht geklärt foerden.

Umfang annahm. Die Feuerwehr war mit drei Löschzügen zur

noch eine: ,, Go? Nachher hat das Kind, das schon gesund| in das plöglich fremde Gesicht der Portierfrau und stützte sich wird, drei neue Krankheiten, die unsaubere Leute mit- an Berts Schulter. Die Guhlmann murrte bösartig vor sich bringen. Oho, wenn Sie man alle Woche baden das scheint aber nicht, meine Gute!"

Mann und Frau traten zurüd. Eine Reihe fremder, falter Gesichter passierte Revue. Fremde Mäntel streiften fie mit dem feuchten Geruch der Armut und andere mit par fümiertem Belzbesaz. Der Karbolgeruch der schweren Luft begleitete sie noch im Garten.

,, Wollen wir zum Arzt?" fragte Werla draußen. ,, Wozu, Bert? Er wird noch weniger wissen als das Mädchen Er sieht das Kind zweimal am Tage. Berschiedene Menschen sehen auf verschiebenen Zetteln, was sie tun sollen. Ich fand das bei mir nicht schlimm damals das Kind wird aber oft weinen, denke ich..." und nach langer Baufe: ,, was wird, wenn wir es nicht wiederbekommen, wenn es nicht gesund wird? Wozu sollen wir dann leben?"

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,, Daran darfst du jetzt nicht denten, Annie wirklich nicht. Doktor Marcus hat uns versprochen, daß Ferdinand gesund wird. Wir müssen warten.

Wir müssen warten- gibt es denn noch etwas anderes? Immer warten wir auf irgendeine Befferung, und es wird nie etwas beffer."

Den Abend verbrachten sie sehr traurig sie mochten nicht sprechen, denn worüber fonnte man reben außer über den Jungen? Sie mochten nicht essen und nicht trinken, denn das Kind und trant nicht mit ihnen. Böse Ge­danken nahmen allen Platz ein.

Gegen zehn Uhr wollte Annie ins Schlafzimmer hinüber­gehen. Es pochte, so ging fie öffnen. Werla blickte erstaunt über den Flur. Zum Teufel, die Guhlmann hat jezt noch gefehlt!

,, Ach, Frau Werla, ich wollte Sie nur um etwas Salz bitten. Wir haben Rührei in der Pfanne und kein Korn Salz im Haus. Ich bin in den Jahren, wo man vergeßlich mird. Man soll somas ja eigentlich nicht ausborgen, weil es dann bald einen. Toten im Hause gibt, aber sie friegen es gleich morgen früh zurüd- nanu, was haben Sie denn, um Gottes Willen"

Der Mann sprang hinzu und mußte Annie mit leblojen Gliedern aus dem Arm der Verwalterin nehmen.

Scheren Sie sich weg!" brüllte er die Alte an ,,, müffen Gie immer die Here spielen? Haben wir nicht genug Unglück ohne Ihre Unterei?"

Annie tam zu sich. Mit weit geöffneten Angen sah sie

hin: So ein Kerl. Erst läßt er sich wahrsagen, dann schimpft er Here! Und ich hab doch gar nichts Böjes gemeint jedes Kind weiß, daß man tein Salz ausborgen soll. Sie sollten nut still sein, von Ihnen weiß man genug. Denken Sie nicht, baß ich Ihnen wieder einmal die Miete stunde, wenn es Streifen heißt oder Stempeln.

Die Tür schlug ins Schloß, Werla hatte sie der Be­fucherin vor der Nase zugeknallt und führte Annie in die Stube.

,, Was meint- Frau Guhlmann damit: erst läßt er sich wahrsagen? Nichts? Willst du lügen? Sei wenigstens jept ehrlich gegen mich, Bert, es ist etwas mit dem Jungen, 3hr wißt es alle, nur ich nicht! Bitte, bitte, sag es!"

In einem Tag wird ein Mensch alt, dachte Werla, und bas schlimme sind ihre Augen! Wenn die nur nicht so betteln wollten ich darf es doch nicht sagen. Und wenn meine Ausreden nicht genügen? Die Alte wird nicht den Mund halten!

Beide Hände ausgebreitet, als wolle sie alle Wahrheiten der Welt entgegennehmen und tragen, saß Annie. Hier mußte er bekennen. Und suchte verzweifelt eine andere Deutung, die sie glauben würde.

Im Sommer machten wir den Ausflug. Da hat die Guhlmann meine Handlinien gelesen. Sie ist ja dafür im ganzen Hof bekannt. Ich wollte es nicht einmal..."

,, Bert, um Gottes Willen, so fag es doch!" Nun, daß unser Kind noch einmal sehr frant werden müsse, ehe es die Magenschwäche ganz überwinde. In dieser der Zeit müsse ich mich vor einem Betriebsunfall hüten fönne, wenn er, um diese Zeit eintrete, mein Leben kosten." Hatte er nun seine Sache gut oder noch schlimmer ge­macht? Wenn sie wenigstens wieder weinen wollte! Aber sie war wie ein Stück Holz, hart, gerade, reglos. du ,, Also das tommt dann auch. Wenn ist es aus. Dann lebe ich nicht weiter." Der Atem quälte fie, ihre Augen jahen nicht den Raum, die Unendlichkeit tat sich ihren Blicken auf und dorthin ver­zitterte ihre Stimme.

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Ich sehe es. Es ist da Es ist da Blumen, das Kind liegt darin. bist du? Du bist auch fort nicht vielleicht vielleicht

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ganz weiß, Blumen, viele Es schläft. Und du- wo vielleicht schläft es gar ist es schon fot!"

( Fortsetzung folgt.)