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Wirbelnder fflhylkmus!
Wirbelnder Rhythmus. Maschinen rattern im Takt, unauf- hörlich, monoton. Riesige Papicrballen rollen sich automatisch ab. winden sich ein schier erMoses weisiaraues Band durch ein sinnvolles Walzengetriebe, schieben sich bedruckt, gesalzt und abge- zahlt, gebündelt in griffbereite Hände. Flinke Jungen auf Rädern flitzen in alle Teile der Stadt. Große, schwere Zeitungspacken lasten auf schmalen Schultern. Riesig« Pakete verschwinden im Schlünde der Lastwagen. Dreiräder, Motorräder mit Beiwagen werden herangcschoben. Bahnhöfe, Filialen, Ausgabestellen und Post sind in kürzester Frist beliefert. Ehe der Riese Großstadt erwacht, läuft schon das Räderwerk: Organisationl * Eilende Gestalten. Sie huschen treppauf, treppab: Frauen, Männer, junge Menschen. Kaum daß der Tag graut. Durch schmale Briefschlitze werden gefaltete Morgenblätter gezwängt. Klappen sollen schrill. Möglich, daß die Frau, die Mutter schon wach, in der Küche schafft. Denn frühe beginnt der Werkleut« Arbeitstag. Schlaftrunken noch erheben sich die Menschen der Großstaadt.(Das eigentliche Leben des Industriearbeiters betinnt ja nach dem Werktag erst!) Ein gewohnter Blick zur Uhr: Es ist höchste Zeit! Die Minuten rennen. Im Stehen wird ein Schluck warmen Kaffees hinuntergestürzt. Dazu: Ein paar Bisten vom Butterbrot. Flüchtig sind die Balkenüberschristen der Zeitung verschlungen. Der Tag beginnt. Tie Gehbahnen zu Bahnhöfen und Fabriken sind schwarz von Menschen. An den Haltestellen der Straßenbahnen und Autobusse stauen sie sich zu dichten Klumpen. In den Hallen der U. und Stadtbahnen quirlt es hin und her. Die Züge surren nach allen Richtungen: Alle drei Minuten in jeder Richtung«in Zug. Und in den Abteilen drängen sich die Menschen, stehen eng bei- ' einander. Wer kann liest seine Morgenzeitung. Weniger Glück- liche schielen mit hinein, ergattern hier und da einen Fetzen oder bleiben an den Ucberschriften hängen. Um ein Viertel nach Acht bequemt sich Herr Kruschke an seinen Kaffeetisch. Alles liegt wohlgeordnet an seinem gewohnten Platz. Nachdem er behäbig Platz genommen, schiebt ihm die Gattin eine Tasse weißen, schön gesüßten Kaffee in Reichweite. Darauf läßt auch sie sich ihm gegenüber in den knarrenden Korbstuhl nieder. Herrn Kruschke mundet das Frühstück nicht, wenn er es allein zu sich nehmen soll. Er hält sehr auf Familiensinn. Es tut nichts, daß das Frühstück dennoch fast wortlos von Herrn Kruschke eingenommen wird, obwohl die Frau mehrere Male ein Gespräch anzuknüpfen versucht und ihn daran erinnert, heute nicht so spät aus dem Geschäft zu kommenwegen dein' Theater i" Herr Kruschke läßt sich nicht stören: Erst muß er sein Leib- ulid Magenblatt in aller Be- schaulichkeit studieren. Der neueste Stodtskandal interessiert ihn besonders. Nachdem«r schon vieles andere dazwischen gelesen, vertieft er sich«in zweitesmal in den überaus ausführlich auf- gemachti-n Bericht. Er fängt an.zu brubbeln:Ist ein Skandal! Dieses Lumpengesindel!! Nein das wär früher nicht möglich ge- mcsen'!" Die Kaffeetassen klirren. Fast ängstlich mustert ihn seine Frau. Ilm den Unmut ein wenig zu dämmen, erinnert si« ihren Josef daran, daß es wohl an der Zeit lei, auszubrechen. Da aber faucht er sie an:Das laß nur mein« Sachs sein!'' und«rhebt sich. Frau Krulchke tut beleidigt, eilt zur Garderobe und Hilst dem .Hetzrn d«e Hauses in. den Mantel.. Beim Abschied tätschelt Herr »Ksuffcdke seiner Frau wie zur Äuesöhnunq' die Wangen und ent- scbwindet langsam ihren Blicken. Frau Kruschke lächelt beruhigt: Nur die böse Politik macht ihr«n Mann so garstig! -k Der erste Posteingang gelangt zur Verteilung. In mehr als hundert Fächern verschwinden die Sendungen: Zeitungen und Zeit- schristen im Fach derLiterarischen Abteilung''. Der Bot« Bock ächzt «in« DiertMunde spater schon mit einem schweren Packen zum Fahrstuhl. Im vierten Stock, Zimmer 237, nimmt ihm ungeduldig dar Erpedteni Krüger die Eingänge«ras dem Arm. Neue Verteilung in mehrere Ressorts: Tageszeitungen. Fackstchriften, Werbung. Re< klame. Di« Mappen landen auf denzuständigen" Tischen. Kri- tische, völlig zweckemqestellte Hirne und Singen durchfliegen Seite um Seite, nervöse Hände streichen mit roten, grünen   und blauen Schreibstiften die interessierenden Notizen heraus. Heinerle mit dem SpitznamenBott-boit" holt alle zehn Minuten diegelesenen" Schriften zusammen, um sie dem Abteilungsleiter zuzuführen- Tele- phonote, Rücksprachen, Konferenzen werden veranlaßt. Schreib» Maschinen klappern unaufhörlich. Diktate schwirren um die beruflich Lesenden. Pressevertreter werden empfangen, unterrichtet. Besicht!- gungen, Rundfahrten wollen organisiert sein. Berichtigungen sind mit derJuristischen Abteilung" aufzusetzen. Klagen werden ein- geleitet. Nach Rückkehr der rot und grün und bläu markierten Lektüre von den Abteilunqschefs sind die Ausschnitte zu machen und den verschiedenen Abteilungen zurweiteren Veranlastung" zu übca-m'tteln. Telegramme und Ferngespräche auswärtiger Vertreter und Büros aus dem In- und Ausland weisen im voraus mif wich- tiq« Eeschehnists hin. Nebersetzungen fremdländischer Notizen und Slrt'kcl sind zu fertigen. Direktiven werden gegebenFreie" Mit- arbeiter erhalten zweckentsprechendes Material: fette Honorare werden auf Konto überwiesen: KassenzeichenFreiwerbung". Platz in der Innenstadt. Sieben Straßen münden hier ein. Unzählige Straßenbahnlinien kreuzen die Fläche. Die Ungetüme der Aboag nehmen sich selbst neben den Lastkraftwagen noch wie Riesen aus. Personenautos und Kraftdroschken scheinen dagegen lächerlich winzig. Ganz zu schweigen von den paar Verwegenen ruf Fahrrädern inmitten des Gewühls auf dem Fahrdamm. Di« Verkehrsampeln wechseln in kurzen Abständen von grün aus gelb, von gelb auf rot. von rot auf gelb, von gelb aus grün, von grün auf gelb und so fort, immerwährend. Auf den Bürgersteigen hasten Menschenmassen, schieben und drängen. Dazwischen schlängeln sich Zeitungsjungen hindurch, die Mitiagszeitung über dem Arm. Zweihundert Tote! Grubeimnchück bei Aachen  ! Zweihundert Tote!...* Auf der Straßenbahn grefft ein Herr in die Tasche. Schon ist der Junge über den Damm. Zeitung und Groschen sind blitzschnell gewechselt.Zwerbundert Tote! Grubenunglück..." Man hört schon die letzten Worte nicht mehr. An der Haltestelle neben mir flucht einer plötzlich aus: Baslucht! Die 78 kommt noch immer nicht. Fünf Bahnen sind schon vorbei. Zehn Minuten warte ick nu schon!"(Es stimmt aber nicht: Es sind erst vier Minuten, daß er hier steht. Macht nichts. Auf ein paar Minuten kommt es beim Schimpfen nicht an!)Zweihundert Tote! Grubenunglück bei Aachen  !" Wieder wühlt sich der Junge durch den Strom, wechselt in einem fort Zeitung um Zeitung für einen Groschen. Di- Frau vom Zeitungsstand an der Ecke schaut ihm grimmig zu. Hier ist ihr Revier. Schon aber ist er wieder weiter. Die Käufer finden auch zu ihr. Fast mitleidige Blicke streifen dabei die noch aus- hängenden Morgenzeitungen. Die sind längst veraltet. Weiter hastet der Menschenstrom. Neugierig werfen die meisten nur einen kurzen
Blick auf den Aushang am Zeitungsstand:Zweihundert Tote! Grubenunglück..." Weiter können sie im Vorübergehen nichts er- haschen. Kaum, daß es tiefer in ihre Seelen dringt. Zweihundert, was sind Zweihundert wo Tausende in wildem Tempo sich drängen?.... Die Tore der Fabriken öffnen sich well. Werktätige Menschen füllen die Straßen wieder. Abgespannt und müde schreiten sie daher, wortkarg. Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, Lohnabbau, Wirtschaftskrise irrlichtern durch die Zeit. Ein schwerer Druck lastet auf schwachen Schultern.Vierhundert Angestellte zum Ultimo gekündigt..." rernchme ich hinter mir.Mit dem Knüppel müßte man dazwischen- schlagen!" höre ich einen Arbeiter sprechen. In seinem Tonfall liegt der ganze Groll lange gestauter Unzufriedenheit. Vielleicht auch unterbewußt ein Gefühl der Ohnmacht des Indifferenten, Unorgani- sterten,Sympathisierenden" gegen überstarks gesellschaftliche Mächte? Geschäftige Propheten, Heilslehrer, Rezepteschmiede sind am Werke. Zeitungen ihre Helfer.Neuer Verrat der SPD.  ! So- zialdemokraten und Gewertschasten für die Regierung Brüning!" kündet in großen Lettern die kam-nunistische Abendpresse. Der Blick Verzagter. Verbitterter, Verzweifelnder verengt sich. Ingrimmig verschlingen sie Epistel für Epistel, Seite um Seite und hängen gläubig gleich Ertrinkenden am gedruckten Wort. Haß frißt sich fest in ihre Herzen: Klassengenossen, Arbeitsbrüder werden zu Aus- bünden der GemeinheitI Letzte Hemmungen nur bewahren sie davor.
den neben ihnen Sitzenden feinenVorwärts" zu entreißen und zu zerknüllen, buchstäblich mll Füßen in den Schmutz.zu treten. Em hohnoolles Lächeln nur haben sie für das junge Mädchen übrig, das sich im Romanteil des Generalanzeigers verloren hat. Der Tag erlischt. Licht flammt auf. Die Stunden rinnen. Warenhäuser und Geschäfte schließen. Die 2. und 3. Ausgab« des Tempo" sind unterdes erschienen:Brüning gerettet!" Die Hugen- bergscheNacht"-Ausgabe mit dem roten Strich unter der Balken- zeilePyrrhussieg der Regierung!" welleifert mit ihnen. Das 8 Uhr-Abendblatt" ist schon sell halb sechs auf dem Platze. Noch immer flutet das Leben durch alle Kanäle der Stadt. Demonstrationen, Konferenzen, Sitzungen. Versammlungen allem- halben. Es ist eine unruhevolle Zeit! Kino, Theater, Cafäs und Kneipen sind gefüllt. Lohntag heute. Tausend andere dem Rund- funk lauschen. Tagsüber in Fabriken schaffende Frauen und Mütter rackern sich weiter ab, bis sie spät abends todmüde zu kurzer Ruhe ouf ihre Lagerstatt sinken. Tief und fest ihr Schlaf, den sie sich doppelt verdient. In den Redaktionen der Morgenzeitungen aber ist Hochbetrieb. Fieberhaft zucken die Tasten der Setzmaschinen. Letzte Nachrichten werden gesichtet. Der Umbruch ist fertig. Endlich ist auch die Schlagzeile zurechtgefeilt. Rotationsmaschinen kommen in Schwung, derweilen draußen der Riese Großstadt sich aus seine kurze Nachtruhe besinnt. Andre Geschehnisse, neueSensationen" steigen aus der Ties« der Nacht. Was heute die Nerven noch peitschte läßt morgen kalll Weiter geht es in wirbelndem Rhythmus unserer Zeit. Ma- schmen rattern im Takt, unaushörlich, monoton...
Stich. Wuelfcnbcck:.Tfilllflie? Mtld
Ich traf gestern Dr. Robert Kleinschmidt, der als Mitglied einer englisch  -amerilanischen Expedition versucht hatte, den Mount Everest  zu besteigen. Er erzählte mir einige sehr interessante Einzelheiten: er wies auf den religiösen Fanatismus der Tibetaner hin und jagte, es herrschte dort am Fuß der GaurisankacmaWos eine Feindschaft gegen das Europäertum, von dem man sich hier keine Borstellung machen könne. Ich hatte, sagte der Forscher, in der Nähe der heiligen Stadt Lhasa   einen Diener gemietet, der mir ansänglich sehr zutraulich und willig, später sehr verdächtig vorkam. Ich beobachtete ihn mißtrauisch, konnte ihn aber nicht entlassen, da eine solche Handlung bei der allgemeinen Spannung als offener Feindseligkeitsakt aus­gelegt worden wäre. Der Mann hieß Pa, er war von mittlerer Größe und hatte wirres schwarzes Haar, das ihm in einer für«uro- päisch« Gemüter schreckeirerregendcn Weise über die Stirn in die Augen fiel. Pa war bekleidet mtt einem alten Iackfell, in dem es non Ungeziefer wimmelte: täglich rieb er sich Gesicht, Hände und Oberkörper mit ranziger Butter ab. Die Beine wusch er nie, so daß sie mll Schmutzborken bedeckt, ein Bild des Elends und des Ekels darboten. Pa verrichtete täglich religiös« Uebungen, aber so heimlich, daß seine Abwesenheit allein uns daran erinnerte, was vor sich ging. Pa hatte großes Interesse für die Erzeugnisse europäisch- amerikanischer Technik: er betrachtete lange und staunend die Kam- passe. Sextanten, Höhenmesser, die photographrschen Apparate und nicht zu vergessen die Autos. Einmal erwischten wir ihn. wie er die Haube eine« Motors entfernt hatte unir itt' Andacht versunken fcte Zylinder anglotzte, die ihm mix Anne: und'Beine eines fremden Gottes vorgekommen sein mögen. Aber daß Pa auch hassen konnte, begriffen wir, als wir aufgeschreckt durch ein spechtartig klopfendes Geräusch einen im' Lager wohlbekannten Mann Mr. Fleetwoods Spiegelreflexkamera zerhacken sahen. Sie können sich vorstellen, daß es nicht angenehm war, sich von einem mit so verschiedenen Eigenschafteu ausgestatteten Diener bis in die kleinsten Einzelheiten des täglichen Lebens beobachten zu lassen. Wie oft bin ich nachts, wenn ich auf meinem Zeltbett lag, urplötzlich aufgewacht, erschreckt, in Schweiß gebadet: ich glaubte, eine Fratze zu sehen, Pas Gesicht, das sich über mich beugte. Ich vermutete diesen Menschen zwischen den Falten meiner Kleider, hinler jeder Kiste. Wenn er dann wirklich«intrat, um in jener unterwürfigen Weise, die aus Sichtung und Verachtung gemischt ist, und nur von Asiaten geübt werden kann, meine Sachen ordnete, mir den Kaffc« reichte oder eine Zigarre in Brand steckt«, wurde ich von kühler Ruhe erküllt. Die Strapazen der Reise hatten meine Nerven angegriffen: ich wußte es, ohne etwas dagegen tun.zu können. Im Gegenteil: die größte Belastung unseres seelischen und körperlichen Menschen stand noch vor uns. Seit Wochen war der Horizont ausgefüllt von der Kulisse der Berge, an denen wir unsere Fähigkeiten erproben wollten. Genaue Beobachtung Pas hatte die UebÄ-zeugung in mir wachsen lassen, daß er feine ganze Abneigung gegen uns zurückhielt. bis sich ihm eines Tages ein« Gelegenheit bieten würde, die das Risiko, gegen so mächtig und gefährlich ausgestattete Europäer vor- zugehen, auch lohnend erscheinen ließ. Man mußte auf der Hut sein. So oft ich mit Mr. Flcetwqod oder mit Lang«, dem Letter der Unternehmung sprach, bekam ich schallendes Gelächter oder Vor- würfe zu hören, die besagten, ich hätte mich damals, als Pa die Kamera zersckchug. nicht gegen seine Bestrafung und Entlassung sträuben sollen. Lange war ein gewiegter Slsienkenner: aber in Tibet   bejand er sich zum erstenmal. Da er den Charakter dieser Halbwilden nicht so wie ich beurteilen konnte und da er keine Vor. stellung von ihrem tiefgervurzellen religiösen Fanatismus besah, konnte ich ihm seine Vorwürfe nicht übelnehmen. Wir lebten seit einigen Wochen aus den Vorhöhen des Mount Everest  , denen die leider so elend. zugrrmdezegangene Expedition Roß den NamenWeißes Plateau" gegeben hat, weil sich hier einige salzseeartige Gebilde befinden, die in der Dämmerung wie Silber leuchten Unsere nächstliegendste Aufgabe bestand in der Er- richmng von Proviantstationen, auf die wir uns bei der Besteigung des Gipiels stützen wollten. Zu gleicher Zeit aber wollten wir einig« Eingeborene als Bergsteiger ausbilden: sie sollten Fleetwood, Lange und mich beim letzten Angriff auf dl« Mount Eoerest-Höhe, so weit es ging, begleiten und uns unsere Ausrüstungs- und Ersatz- stücke nachtragen. Wir hielten eine eingehende Musterung unter den Leuten ab und sonderten alle aus, die wegen ihrer körperlichen Beschaffenheit von vornherein nicht in Frag« kamen. Vollkommene Schwindel- freihett war natürlich unerläßliche Bedingung. Alle Eigenschaften mußten erprobt und mühsam nachgewiesen werden: da wir uns selbstverständlich auf die Behauptungen der Tibetaner nicht ohne weiteres verlassen konnten: zumal, wenn man bedenkt, daß bei solchen Unternehmungen ein Fehltritt genügt, die ganze Gesellschaft ins Verderben zu stürzen. Merkwürdigerweise blieb trotz meines inneren Widerstandes als kräftigster und geschicktester Anwärter mein Diener Pa übrig: mit großem Redeschwall erklärte er, er würde un» ewig dankbar sein, wenn wir ihn mitnähmen.
Ich weiß nicht, ob Sie wissen, daß die Tibetaner den Mount Everest   als Gottheit verehren und eine Stesteigung dieses Berges als schwere Sünde betrachten. Infolge des Einflusses des Mr. Lange hatten wir aber trotz meiner Einwände beschlossen, auf die religiösen Widerstände der Eingebarenen nicht einzugehen, indem wir der Ansicht waren, daß die Tibetaner in gemeinsamer Gefahr keine Dummheiten machen würden. Das war falsch, wie sich sogleich herausstellen wird. Wir waren schon sechs Stunden gestiegen: die Provianfftation Nr. II lag senkrecht unter uns, vielleicht fünfhundert Meter tieser, so daß man sie mit einem geschickten Steinwurf hätte treffen können. Es war eine Art letzter Vorübung, die wir abhielten: wir gedachten bis zur Proviantstation Nr. I zu klettern: das bedeutete weitere dreistündige Anstrengung, eingeschlossen die gefahrvolle Umkletterung desEinhornfelsens". Die Platzverteilung hatte sich Im V.rlause des Aufstieges folgendermaßen fast von selbst geregelt: zuerst ging Lange, dann kam Pa, der einen schweren Sauerstoffapparat trug, dann ich, dann Fleetwood. Wir vier waren durch ein Seil ver- bunden. Hinter Fleetwood trotteten sehr ermüdet zwei tibetanische Gehilfen, die ebenfalls unter sich geseilt waren. Sll» wir das Einhorn,«ine zackig aus dem Massiv heraus- ragende Eranitspitze, umkletterten, mußten wir die Seilung zwischen Lang«, Pa, Fleetwood und mir lösen. Lange band sich an Fleet- wood und ich mußte mich Pa anvertrauen, der seinen Apparat den nachsolgonden Dienern überließ. Wir waren übereingekommen, diese Leute, die offensichtlich der Anstrengung nicht mehr gewachsen waren, vor der Einhornspitze�m einer Talmulde zurückzulasse». Es gibt am Ernhorn eine sehr gefährliche Stelle, wo ma« tat- sachlich zwischen Himmel und Erde schwebt und ganz auf die Kraft des Begleiters angewiesen ist: da immer nur einer sich auf einer festen Felsstufe befinden kann. Ich sagte Ihnen, daß meine Nerven nicht mehr ganz auf der Höhe waren: nur hierdurch kann ich mir mein Ausgleiten erklären: es war, als hätte mir jemand einen Schlag gegen die Beine versetzt. Ich glitt auf dem Geröll aus und im nächsten Slugenblick hing ich über der unendlichen Tiefe. Man kann schwer schildern, von welchen Gedanken man in solcher Lage erfüllt ist. Svahrschemlich ist man von gar nichts erfüllt. Man hak nicht einmal Angst: es ist so, als wäre man schon einen Schritt über das Leben selbst hinausgegangen. Man ist an dem Dasein, das man schon halb sortgeworfen zu haben glaubt, nicht mehr interessiert. In meinem Fall kam aber etwas hinzu, was meine Aufmerksamkeit aufs höchste erregt«. Ich fühlte, wie Pa sich mit dem Seil zu tun machte, jedoch nicht so wie einer, der versucht. Gestürzte empor- zuziehen: sondern, als wolle er das Seil durchschneiden. In meiner Angst rief ich aus vollem Hals, ich schrie hoch und gellend, so laut. daß ich hoffte, Lange und Fleetwood würden es hören. Nichts» destoweniger wurde die Tätigkeit an meinem Seil fortgesetzt und ich fürchtete, jeden Augenblick abzustürzen. Pa, dachte ich, glaubt nun endlich den Augenblick gefunden zu haben, wo er sich an einem verhaßten Vertreter der Zivilisation rächen kann. Das Seil zitterte. Sa muß einem Verurteilten zumute sein, der unter dem Fallbeil liegt und das Herabsausen des Beils erwartet. Ich erwartete das Ende, ja ich wünschte es herbei. Ich sehnte mich nach Ruhe: es war mir, als hätte ich schon ein Menschenalter am Strick gebaumelt. Wie das geendet hat? Nun, daß es nicht schlecht geendet hat, sehen Sie ja. Ich bin fest von der verbrecherischen Absicht Pas überzeugt gewesen und bin es noch heute, obwohl das Seil bei genauer Untersuchung keine Veränderungen auswies. Es ist möglich, daß die Umkehr Flcetwoods, der meinen Schrei hörte, den Tibetaner gehindert hat. Möglich bleibt auch,' daß ihn selbst im letzten Moment* der Mut zu so ungeheuerlicher Tat verließ. Genug, ich wurde gerettet. Ich habe dann Pa unter einem Vorwand entlassen: es haben sich für unsere Expedition daraus mancherlei Nachtelle er- geben: aber es ist hier nicht der Ort, dies zu erzählen. Ich werde später daraus zurückkommen.
3tückfchiag auf den Vormenfdien Lei der Ausgrabung der Gebein« von hingerichteten Verbrechern auf dem Gejängnisfriedhof in Melbourne fAustralien) wurde dl« eigenartig« Entdeckung gemacht, daß der Schädel eines Mörders die typisch« Schädeliorm des ältesten der anthropologischen Wissenschaft bekannten Menschentyps aufwies. Das groß« Hinterhauptsloch an der Schädelbasis, durch das dos Rückenmark mit dem Gehirn in Sterbindung steht, und das sich beim heutigen Menschen in der Mitte der Schädelbasis befindet, lag bei diesem Berbrecherschädel bedeutend weiter zurück, ähnlich wie bei den Menschenaffen. Auch der Hinter- Hauptswulst und die Warzenfortsätz« sowie die Gestaltung des Stirnbeines zeigten deutliche Anklänge an die Verhältnisse beim vor- geschichtlichen Menschen. Aus diesen Eigenarten schloß Dr. Springthorpe, daß der Verbrecher, dem dieser Schädel gehörte, einen Rückschlag auf den Vormenschen darstellt« und nicht im Voll- b«sig normaler geistiger und moralischer Eigenschaften gewesen fein könne. Demgegenüber ist interessant, festzustellen, daß das Gericht es abgelehnt hatte, ihm aus Gründen der Unzurechnungsfähigkeit mildernd« Umstände zuzubilligen.