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BERLIN  Dienstag 4. November

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Der Abend

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Spätausgabe des Vorwärts

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47. Jahrgang

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Brüning   spricht im Reichsrat

Die Schwäche seines Programms.- Wo bleibt die Arbeitsbeschaffung?

Der Reichskanzler hat heute vormittag vor dem Reichs­rat den Finanz- und Wirtschaftsplan der Regierung be­gründet. Er fordert, daß das umfangreiche Programm, das 30 Geseze umfaßt, vom Reichsrat in vierzehn Tagen ver= abschiedet werde, damit es bei der Wiedereröffnung des Reichstags sofort in Angriff genommen werden kann.

Die Besprechungen mit den Länderregierungen haben deutlich ergeben, in welchem Punkte im Reichsrat Kredit= und Verbesserungsvorschläge einsehen werden. Der Reichskanzler hat diese Punkte hervorgehoben. Kritik­und Verbesserungsvorschläge werden nach dem Abschluß der Arbeiten des Reichsrates vor allem im Reichstag ein fezen. Die sozialdemokratische Reichstags­fraktion wird an vielen Punkten fritische Bedenten erheben, sie wird den Versuch unternehmen, wesentliche Verbesserungsvorschläge durchzusehen. Der Reichskanzler hat in seiner Begründung das Psychologische in den Vordergrund gestellt. Das Pro­Gramm soll dazu dienen, Argumente gegen die Preis jenkung aus dem Wege zu schaffen und psychologische An­reize für die Anturbelung der Wirtschaft aus sich felbst heraus zu geben. Darin liegt das grundsäglich Be denkliche des Programms. Es läßt eine tatsäch lidhe, attive Wirtschaftspolitit durchaus vermissen. Das gilt sowohl für das Gebiet der Preis: jenfung, wie für das der Arbeitsbeschaffung. Die Regierung redet sehr viel vom Ziel der Preissenkung; sie will Argu­mente gegen die Preissenkung bekämpfen und aus der Welt schaffen- was will sie aber aktiv für die Preissenfung tun? Und was hat sie bisher getan?

Dieser Einwand gilt in erhöhtem Maße für die Stellung der Regierung zur Arbeitsbeschaffung. Der Reichs­fanzler hat angekündigt, daß die Reichsregierung eine Einzelmaßnahmen zur Arbeitsbeschaffung vorschlagen werde. Das ist nun wieder im höchsten Maße unspychologisch. Das ganze Bolt erwartet eine attive auf Arbeitsbeschaffung gerichtete Wirtschaftspolitik. Es liegt das Programm der Preußenregierung vor, das nicht nur von der Arbeiterschaft, sondern von meitesten Kreisen des Volkes darüber hinaus gebilligt wird. Es werden darauf erhebliche Hoffnungen gesetzt. Soll die Enthaltsam­feit, die der Reichsfanzler in puncto Arbeitsbeschaffung an fündigt, auch gegenüber diesem Programm gelten?

Mit Psychologie allein ist man seinerzeit der Inflation nicht Herr geworden, sondern mit höchst realen, atti­ven Eingriffen. Mit Psychologie allein wird man auch die heutige Situation nicht meistern können!

Die heutige öffentliche Reichsratsfizung fand im großen Saale des Reichshaushaltsausschusses statt. Da der Reichstag   jetzt nicht versammelt ist, waren verhältnismäßig wenig Parlamentarier als Zuhörer anwesend, während die Presse außerordentlich stark ver­

treten war.

Reichskanzler Dr. Brüning erschien frühzeitig in Begleitung des Reichsfinanzministers Dietrich. Bald darauf erschienen auch die Reichsminister Stegerwald und Curtius. Die Länder waren vielfach durch ihre Ministerpräsidenten vertreten, Preußen durch Ministerpräsident Braun und Bayern   durch Miniſter­präsident Held.

Reichskanzler Dr. Brüning.

Die jetzige öffentliche Tagung des Reichsrats ist die Fortsetzung, der im Laufe der letzten vierzehn Tage zwischen der Reichsregierung und den Ländern geführten vérfraulichen Berhandlungen über die großen Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitif. Wir stehen vor einem Gefeßgebungswert, wie es von so großer Bedeutung uns seit vielen Jahren nicht vorgelegen hat.

Dieses Gesetzgebungswert steht in engster Beziehung zu unferer Außenpolitit, ja es bildet die Voraussetzung für unsere Außenpolifif.

Nachdem wir die Freiheit von der ausländischen Kontrolle durch die Annahme des Young- Plans bekommen haben, muß es die Aufgabe jeder Reichsregierung sein, mie sie auch parteipolitisch zusammen Fortsetzung auf der 2. Seite.)

Die Schlichter ernannt.

Sinzheimer für die Gewerkschaften, Jarres für die Unternehmer.- Freitag

Verhandlungsbeginn.

Gegen Ueberstunden!

Die in der Berliner   Metallindustrie zur endgültigen| bei den Gewerkschaften gut bekannt, er hat die Enche der Regelung der Löhne von den Parteien vereinbarte Gewerkschaften im großen Nordwestkampf vor dem Schlichtungsstelle ist nunmehr gebildet worden. Reichsarbeitsgericht vertreten. Außer dem früheren Reichsarbeitsminister Dr. Brauns, dessen Bestellung der Oeffentlichkeit bereits bekannt ist, hat der Reichsarbeitsminister im Benehmen mit beiden Parteien den Oberbürgermeister Dr. Jarres- Duisburg und den Professor Dr. Sing­heimer Frankfurt a. M. zu Mitgliedern der Schlichtungsstelle ernannt.

Die Genannten haben die Berufung angenommen. Die Schlichtungsstelle wird die Verhandlungen am Frei tag, dem 7. November, unter Vorsitz des Herrn Ministers a. D. Brauns alsbald aufnehmen.

Sinzheimer ist durch Arbeiten auf dem Gebiet des Arbeits- und Tarifrechts sowie des Schlichtungswesens

Der Kampf um Severing.

Heute politische Aussprache im Landtag.

3m Preußischen Landtag   begann heute um 13 Uhr die mit Spannung erwartete politische Aussprache. Veranlassung dazu gaben die von den Deutschnationalen und Kommunisten gegen den neuen preußischen Innenminister Severing eingebrachten Miß­trauensanträge. Die namentliche Abstimmung über diese Anträge foll am Donnerstag erfolgen.

Fememord, die große Mode

Nach dem Fememörder eines wurde icht

Eine Anordnung des preußischen Handelsministers.

Der preußische Handelsminister hat von neuem an­geordnet, daß die Gewerbeaufsichtsbeamten die behörd­liche Genehmigung von Heberarbeit auf das äußerste einschränken sollen. Die Beamten sollen bei ihren Betriebsbesichtigungen dahin wirken, daß auch von tarifvertraglich zulässigen Ueberstunden insoweit kein Gebrauch gemacht wird, als die jeweiligen Ber­hältnisse eine Mehreinstellung von Arbeitern ermöglichen. Die tarifvertraglich zulässigen und unzu­lässigen leberstunden müssen eingeschränkt werden.

Sorgt für Winterbeihilfe!

Sozialdemokratische Forderung im Rathaus.

In der heutigen Sitzung des Stadtverordnetenausschusses für

die Angelegenheiten der Erwerbslosen stellte als Beauftragter der sozialdemokratischen Fraktion der Stadtverordnete Siegle einen Antrag, der für langfristig Erwerbslose Gewährung einer Winterbeihilfe fordert. Die Beihilfe soll auch sonstigen

notleidenden Unterstützungsempfängern gewährt werden. Gleichzeitig wird der Magiftrat aufgefordert, Borschläge über die Aufbringung der Mittel zu machen. Der Antrag wurde an­genommen.

auch der Femehäuptling Su13 von Hitler Haushaltsausschuß genehmigt Notstandsprogramm in die Leitung der S. berufen.

Oberleutnant Schulz- zur Stelle!"

" Gut, mein Lieber. Ihre Aufgabe wird sein: in jeder Bersammlung Ihre Hände in gänzlich unges waschenem Zustande vorzuzeigen."

Im Haushaltungsausschuß wurde heute die Vorlage über die Bewilligung von Notstandsarbeiten auf dem Gebiete des Straßenbaues in Höhe von rund 13,55 Millionen Mark mit den beiden Ergänzungsanträgen des Magistrats einstimmig ange­nommen. Die Beratung über die Vorlage wegen der Ver­pflichtungserklärung der Stadt Berlin   über die Beteiligung am Umbau der Mühlendamm staustufe wurde vertagt. Bei Redaktionsschluß dauern die Beratungen des Haushaltsausschusses noch an.

Von Hitler   nach Moskau  .

Otto Straßer   wird Kommunist.

Otto Straßer  , der aus der Nationalsozialistischen   Partei hinaus geworfen wurde, weil er die Kreise Hitlers   störte, hat sich in der legten Zeit bei den Kommunisten angebiedert.

Im Berliner   Metallarbeiterstreit hat er für die RGO. Reklame gemacht. Trotzdem ist und bleibt er der nationalsozialistische Aben­teurer, der die verworrenen Ideen des Anarchosyndikalismus mit dem Gedanken des nationalistischen Terrors zusammenwirft.

Für seine Anbiederung wird er von Moskau   belohnt. Er ist unter dem Bormand einer Besichtigungs- und Inspektionsreise zu Besprechungen nach Mostau eingeladen worden. Man erwartet dort, daß er mit seinem Grüppchen feierlich zur APD. übertreten werde.

Es ist bezeichnend, daß man sich in Moskau   für ein Grüppchen interessiert, das das Lodspieltum, die Dynamitpropo tation und den Revanchetrieg auf seine Fahne geschrieben hat!