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Nr. 53947. Jahrgang

5. Beilage des Vorwärts of 16. Rovember 1930

Stefan Großmann: Das Kichern

Während das Publikum in dichten Reihen vor der Bühne stand und dem Schauspieler Friedrich Sonnen in fingenden Chören hul digte, stand der rauschend Gefeierte in einem halb beleuchteten Seiten­gang und las den unterfertigten Bertrag, den ihm Direktor Laube joeben durch den Theatersekretär zugeschickt hatte. Er hörte hinter dem herabgelassenen Borhang die füße brausende Beifallsmusik der Buschauer, die nicht fortgehen wollten. das heftige Gefnatter der flatschenden Hände und immer wieder von hohen Frauenstimmen gerufen seinen Namen: ,, Sonnen! Sonnen!"

Direktor Laube hatte im Hotel Sacher   ein fleines Kabinett für den Abend gemietet, und da saß Sonnen ganz still da, trant diesem und jenem wortlos- freundlich zu, hörte von Zeit zu Zeit das Klirren der Champagnergläser, blickte auf, stieß mit seinem Glas an ein anderes, lächelte seiner Nachbarin etwas starr zu und spürte, wie ihm die Wirklichkeit in dieser Wolfe von Rauch, Müdigkeit, Seft und nachklingendem Applaus allmählich entschwand... Plötzlich hörte er die Stimme des Direttors:

,, Nichts hat mich in Ihrer Leistung heute so gepackt wie dieses furiose Kichern, das Sie dem Franz Moor gaben. Sie verwenden dieses unheimliche Geficher sehr sparsam, aber jedes Mal, wenn Sie es brachten, wurde es totenstill."

Der große Schauspieler beugte fidh   angelegentlich über sein Schnigel: Ich wußte, daß ein Lob von Ihnen, Herr Direktor, ganz besonders sachverständig sein werde."

Woher haben Sie's denn?" fragte Laube noch einmal. Sonnen lächelte: Ich fönnte mir jetzt mit der Hand durch die Locken fahren, leider habe ich keine, und mit erftaurten Augen fragen: Hab' ich denn gefichert? Aber... in Wahrheit verdanke ich diesem Kichern meine ganze Schauspielerei. Ich habe es von meinem Mathematit­professor in der Oberrealschule! Diefer Mathematiklehrer war der perfideste Mensch, der mir im Leben begegnet ist. Wenn wir zittern= den Schüler ratlos vor der schwarzen Tafel standen, mit der Kreide in der Hand, unfähig, ein Wort zur Lösung der ausgesucht schweren Aufgabe hervorzubringen, wenn uns in dieser gräßlichen Pause der Angstschweiß auf die Stirne trat, dann konnten wir von Herrn Pro­fessor Johannes Dechant, so hieß der Menschenquäler, diefes kurze unheimliche Meckern hören.

Sonnen faß bei der vierzehnten Probe von ,, Rabale und Liebe" in dem verfinsterten Zuschauerraum. Plöglich hielt er es auf seinem Blaze nicht länger mehr aus. Die Schauspieler auf der Bühne hörten, wie dort hinten, etwa in der sechzehnten Reihe, ein Sitz in die Höhe klappte, dann hörten sie die schnellen Schritte eines Rasenden, die gepolsterte Partettür schwirrte, wütend aufgestoßen, effiche Male auf und nieder.

Mit zehn Sprüngen war Sonnen in der Direktionskanzlei. Den Direktor!" schrie er den großen Dramaturgen an. ,, Bebaure", erwiderte der Dramaturg ,,, er ist auf der Probe!" Holen Sie ihn!"

,, Nach dem Artschluß, früher durf ich nicht."

Da warf sich Sonnen in den großen Lederfauteuil. Erst aís nach einer halben Stunde Laube eintrat, fuhr er in die Höhe und sagte in drohender Kürze: Ich bitte um fünf Minuten Gehör." Gelassen erwiderte Laube. während er die hohe Tür zu seinem Arbeitsraum öffnete: ,, Bitte, treten Sie ein."

3igarette gefällig?"

,, Dante, nein", sagte Sonnen dumpf.

,, Wollen Sie gefälligst Platz nehmen?" ,, Nein, ich bin zu erregt."

,, Warum?"

besondere ein Kichern untersagt werden soll, wirklich aufrecht er­halten wollen?"

Während Sonnen noch das Auditorium, in dem viele Theater­leute saßen, musterte, war sein Rechtsanwalt Dr. Pfeffer schnell aufgesprungen:

,, Wir verharren bei unserem Klagebegehren, es handelt sich hier, wie wir zugeben, um einen neuartigen Rechtsfall, um den Schutz der schauspielerischen Urheberrechte."

,, Schön", unterbrach der Landgerichtsrat, wir verstehen schon aber nun möchte ich an Sie selbst, Herr Sonnen, die Frage richten: Angenommen, das Gericht stellt sich im Prinzip auf Ihren Standpunft, glauben Sie denn wirklich, daß Sie nachweisen fönnen, daß das Richern des Herrn Wessely identisch ist mit Ihrem Kichern?" Sonnen erwiderte schnell: ,, Ganz gewiß."

Mit seinem kleinen, fast unmerkbaren Lächeln fragte der Land­gerichtsrat fast jovial: Also, verehrter Herr Sonnen, wollen Sie uns gefälligst erklären, wie Sie dieses Kichern als das Ihre nach weisen fönnen."

Sonnen ging ganz nahe an den Richtertisch heran: ,, Ich be­antrage die Einvernahme des Herrn Oberrealschulprofessers Johannes Dechant. Bei ihm habe ich dieses einzige Geficher erlebt, nie wieder hat ein Mensch so tüdisch gefichert, nie wieder wird ein anderer Mensch so verschmitt das Elend eines anderen befichern..."

in

,, Gerichtsdiener, rufen Sie den Zeugen Johannes Dechant auf." Gerichtsdiener, rufen Sie den Zeugen Johannes Dechant auf." Es erschien ein fleiner, magerer, zappliger, pomadisierter Herr schwarzem Gehrod, der unruhig nach allen Seiten guckte. ,, Rennen Sie, Herrn Sonnen?" fragte der Borfizende. ,, Nee, bedaure."

,, Erinnern Sie sich noch, Herr Professor, warum mein Mit­schüler Heinrich Kurz   Selbstmord beging?"

Sonntag,

,, Aber hat er sich nicht gerade nach der Mathematikstunde er. schossen, kurz nachdem Sie ihn herausgeholt und vor allen Schülern blamiert hatten? Hat er nicht in seinem Abschiedsbrief ausdrück­lich gesagt, ein merkwürdiges Richern von Ihnen habe ihn ganz aus der Fassung gebracht?"

,, Semug", rief der Vorsitzende, ,, ich dulde dieses Berhör nicht." Nach einem Moment der Stille fagte Professor Dechant, nachdem er sich vorher im Saale wie fassungslos nach einem Bundesgenossen umgesehen hatte:. ,, Herr Vorsitzender  , ich muß eine Bemerkung machen. Es ist richtig, daß ich in Brünn   und leider später auch in Wien   mit einem wenig begabten Schülermaterial, zu dem auch Herr Sonnen gehörte, arbeiten mußte. Aber immer habe ich es für die hehrste Aufgabe des Lehrers gehalten, gerade dem gering Begabten nachsichtig zur Seite zu stehen...", hier fitste seine hohe Stimme vor Erregung. Aber diese hämische Freude am Scheitern der werdenden Jugend, nichts liegt meinem innersten Wesen ferner. Ich bin einer so niedrigen Regung nicht fähig!"

,, Gemiß nicht", begütigte der Vorsitzende. Er beugte sich nach rechts und links, wechselte drei, vier Worte mit seinen Beisitzern und rerkündete dann: Die Klage wird abgewiesen, über den Kläger Friedrich Sonnen wird die Mutwillenstrafe von 200 Kronen ver= hängt."

Während dieser unerwarteten Wendung wurde es ganz still im Saal.

Plötzlich vernahm man von der Zeugenbant, auf der Professor Dechant saß, ein ganz deutliches, kurzes Kichern. Es waren drei, vier hingemecerte Laute Nach einem Augenblick Stille brach unter den Schauspielern ein tosendes Gelächter los. ,, Direktor", schrie Sonnen über die Bänke weg zu Laube ,,, hören Sie?.. Mein Kichern!"

Im Lärm hörte man noch die ärgerliche Stimme des Vor­fitzenden: Die Verhandlung ist geschlossen, wollen die Herren den Gaal verlassen!"

Professor Dechant verharrte cuf der Zeugenbant, bis der auf­Beil er durch Liebesgeschichten vom Unterricht abgelenft geregte Schwarm sich verzogen hatte, dann stieg er etwas mißmutig, wurde." hart an das Geländer gedrückt, die Treppe hinunter.

In der freien Schweiz  

Aus Grillenbergers Wanderzeit

Im Zusammenhang mit dem Eintritt der Fränkischen Tagespost" der von Grillenberger gegründeten Nürnberger Tageszeitung, die das ganze Sozialistengefek überstand in ihren 60. Jahrgang, hat Georg Gärtner   ein voltstümliches Lebensbild Rarl Grillenbergers herausgegeben.( Fränkische Berlagsanstalt und Buchdruckerei, Nürnberg  ; Breis fartoniert 3,50 M.). Es kommt zur rechten Zeit, um die füngeren

mäßig sehr hohe Schlafgeld: fünfzig Rappen für die Nacht, zwei­und dreimal soviel, als man damals in Deutschland   bezahlte.

Nachdem wir bei den verehrlichen Meistern unserer Zunft umgeschaut hatten, ohne jedoch eine Einladung zum Anfangen" zu erhalten, wanderten wir fürbaß nach dent herrlichen Appenzell  , speisten in den Klöstern und holten fleißig die Ortsgeschente. Wenn wir auch mitunter das ,, Gfrett" hatten, unser Schlafgeld zusammen­zubringen, es reichte schließlich doch immer, und Hunger litten wir nicht. So durchwanderten wir das Toggenburgische, tamen dann auf allerlei Querzüge durch einen Teil des Kulturstaates" Aargau  ,

Barteigenoffen mit diesem traftvollen Rämpfer, dem herrlichen, froh­gemuten Menschen und diefer Persönlichkeit aus einem Guß bekannt zu machen, die wie teine zweite geeignet ist, der Jugend ein Vorbild zu fein. Gärtner   zeichnet mit Liebe das Porträt feines verehrten Meisters, umteißt sein politisches Birken als Schöpfer der fränkischen Sozialdemokratie, feinen fieghaften Aufstieg und fein allau frühes, tragisches Ende mitten in den banerischen Wahlrechtstämpfen( 1897). Besonders verdienstlich ist die Wiedergabe der löftlichen Schilderung aus der Handwerksburschenzeit, die Grillenberger für den Wahren Satob" fchrich. Daraus geben wir eine Schweizer   Episode, wieder, sinund eines schönen Abends, nachdem wir uns die Gefchentstempel Beispiel für den voltstümlichen Humor Grillenbergers.

Da maren wir also in der Schweiz  , auf wirklichem echtem Schweizer   Boden, auf republikanischer Erde! Es war für mich, den I jungen Schwärmer für Freiheit und Gleichheit, ein ganz eigen­artiges Gefühl, in einem Lande zu weilen, worin es nach meiner damaligen Anschauung feine andere Souveränität gab als die des Volkes. Daß es auch eine Souveränität des Geldjacks gibt, die

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" Fragen Sie nicht. Sie wissen es so gut wie ich. Sie sind noch weit schlimmer sein kann als die Souveränität der Botentaten, im Begriffe, mich zu vernichten."

"

Wegen des Wurm? Sie werden alternieren?"

,, Ich werde nicht alternieren."

"

Dann nicht."

Einen Moment blieb Sonnen ganz still. Dann trat er an Laube heran und sagte, am ganzen Leibe zitternd: ,, Sie haben mich bestohlen, verstehen Sie wohl, Herr Heinrich Laube  , Sie haben mich auf die schändlichste Weise bestohlen. Zwei Jahre lang sind Sie da unten gefeffen und haben mich bei jeder Probe angeftiert und mit ihren runden Glohaugen aufgefressen. Sie haben meine Art zu gehen, meine Art Baufen zu machen, meine Stille und meine Eteigerungen mir abgeguckt, und nun gehen Sie her und behängen damit einen elenden, mittelmäßigen Kerl, meil ich Ihnen vielleicht zu teuer bin oder weil Sie zeigen wollen, was ein Regiffeur kann. Aber ich sage Ihnen, das ist mein Gang, das sind meine Pausen, das ist meine Stimme, was Sie Herrn Wesseln gegeben haben. Das Frechste aber ist dieses Kichern, das Sie ihm aufsetzten, mit dem ich als Franz Moor Furore gemacht habe."

Laube sezte sich hinter seinen Schreibtisch und sagte unbewegt: Sonnen, Sie sind doch sonst ein vernünftiger Mensch. Es mag fein, daß Wesseln   unter Ihrem Einfluß steht, aber

Einfluß hin, Einfluß her, ich kenne Weffeln, das tut er nicht, wenn Sie es ihm nicht sagen. Dieses Kichern. haben Sie ihm eingegeben! Sie haben mich für ihn bestohlen."

Sonnen schüttelte dea Sessel in der Hind

Der Direktor erhob sich unwillig: Herr Sonnen, bitte, über­legen Sie Ihre Worte. Ich meiß wohl, daß gerade die besten Schauspieler an der Grenze der Normalität stehen. Aber bleiben Sie an der Grenze! Ich habe als Regisseur nicht nur das Recht, ich habe die Pflicht, meinen Mitglied Anregungen zu geben. Ich stecke ihn in das beste Kostüm, ich fann ihm aus meinem inneren Fundus auch die beste Nüance geben. Dazu bin ich da."

Sonnen starrte den Direktor an: Sie geben also zu, mich ge­plündert zu haben?"

,, Bedaure, in diesem Tone tonnen Sie mit Ihrem Direktor nicht sprechen... Was das Kichern anlangt, jo hat es Herr Wesseln wohl auf meinen Rat eingefügt, aber es ist durchaus nicht Ihr Richern, sondern vielleicht meines!"

,, S000, schrie der Schauspieler, dann werde ich Ihnen be weisen, woher dieses Kichern stammt!" riß die Tür auf und stürzte die Treppe hinunter.

fam mir zu jener Zeit noch nicht so recht zum Bewußtsein, die spätere Zeit hat mir's gründlich genug eingetränkt.

Es wandert sich herrlich am Bodensee. Mich, der ich noch nie mals an den Strand der See gekommen war, dünfte das Schwäbische Meer als etwas unendlich Großartiges, und ich konnte meinen Reisekollegen, den Schweizer  , nicht begreifen, der immerfort mur von Hamburg   und seinen Herrlichfeiten erzählte und für die Reize feines Heimatlandes kein Auge zu haben schien. Er war aber dafür ein um so praktischerer Mensch. Nachdem wir faum eine Biertelstunde im Lande waren, hatten wir uns auf seine Ver­anlassung schon die zwanzig Rappen Ortsgeschent in Streuzlingen geholt, ebenso im Laufe des Tages in Romanshorn   und in Arbon  . weiter wußte unserer biederer Eidgenosse, daß die Zeit des Obst felterns, des" Mooschtens" war. In Württemberg  , Hessen  , einem Teil von Baden und der ganzen Borderschweiz werden unglaubliche Das daraus ge­Mengen von Birnen und Aepfeln verfeltert. wonnene Getränt, im Mainviertel Aleppelwei" genannt, heißt hier furzweg Most( Mooscht gesprochen) und ist als Haustrunt beim Bauern und Handwerker gleich beliebt.

Speziell im Kanton Thurgau  , in dem wir uns befanden, ist die Obstweinfultur zu Hause, und dieser Kanton wird deshalb von den übrigen Schweizern scherzweise Mostindien" genannt. Unjer scherzweise ,, Mostindien" einheimischer Kollege hatte nun eine vorzügliche Nase, jeden Bauern­hof ausfindig zu machen, in dem die Apfelpresse in Gang war. Sprach man in einem solchen Hofe vor, so gehörte gar nicht erst ein formvollendeter Festspruch dazu, um einen tüchtigen Schluck zu bekommen. Der Bur" reichte vielmehr sofort nach Erscheinen der fechtenwollenden Gestalten ganz freiwillig das Krügli mit dem füßen Saft dar, und nur, wenn man etwas Brot dazu wollte, war es nötig, besonders anzusprechen, denn das Brot ist, in den meisten Schweizer   Kantonen ein gar fostbarer Artikel was auch ganz erflärlich, da das Land nur zum kleinsten Teil die zur Ernährung jeiner Bewohner nötigen Brotfrüchte selbst hervorbringt. Biel  lieber schenkt daher mancher Bauer dem Wanderburschen äs Föisi" ( ein Fünfgrojchenstück) als ein Stück Brot.

Das war eine fidele Wanderschaft von Kreuzlingen   bis Rorschach  . Wir wurden, voll des süßen Weins", und als es Don Rorschach bis St. Gallen   noch fein Ende.nehmen wollte mit den am Wege liegenden Keltern, da war es auch kein Wunder, daß bei unjerer Ankunft in St. Gallen   jeder einen ,, chaibemäßigen Rausch" hatte. Ein derartiges ,, Rüschli" ist aber gutartig. Der Dunst ver fliegt bald, und wir spazierten auch selbigen Abend noch ganz stolz durch die bergige Stadt. Unsere Geldbeutel freilich blickten uns nidt vertrauenermedend an, namentlich der meinige.

Mit einem fleinen, fast nicht bemerkbaren Lächeln sagte der Landgerichtsrat zu Sonnen: Wir haben Ihre Klage verlesen laffen und bis zu Ende angehört, weil wir jedes Rechtsbegehren mit Ernst Unsere Herberge hieß, wenn ich mich recht entsinne, 3um und Aufmerksamkeit aufzunehmen verpflichtet sind. Sie sind dem golonen Sneglen", und ich freute mich unbändig über die mir Gericht als ein meltberühmter Künstler, bekannt, aber Künstlerlaunen völlig neue Orthographie. Aber die Dehrli ,,, Schnörrli", Laber find ja nicht ganz auszurechnen, und so frage ich Sie noch einmal, murscht", die uns die Herbergsmutter für sehr billigen Preis auf­ob Sie Ihr Klagebegehren, womit dem Charakterdarsteller Ignaz tischte, schmeckten trog der, chaibemäßigen" Schreibweise ganz vor Weffeln die Verwendung bestimmter schauspielerischer Rüancen, ins- züglich. Was uns jedoch große Sorge bereitete, war das verhältnis

Don Rappersmyl, Stäfa  , Meilen, Männedorf  , Küßnacht ujm. nod hatten ins Buch drücken lassen, lag die Metropole der schweizerischen Industrie und Intelligenz, Zürich  , vor uns.

Eine herrliche Stadt, dieses Zürich  . Man nennt Zürich  , wo sich mit Vorliebe die Deutschen   feftsetzen, das Schwabenparadies, Bur damaligen Zeit verdiente es diese Bezeichnung noch mehr als je; viele Hunderte von deutschen Handwerksburschen lagen in den Herbergen. Der Krieg hatte sie alle hereingedrängt, aber nur der geringste Teil davon konnte Arbeit finden. Ich gehörte zu den Pechvögeln. So sezte ich denn meinen Stab weiter, wiederum südwärts.

Schön war das Wetter und schön die Gegend. Mit leichtem Sinn und leichtem Beutel wanderten wir dahin und sangen dazu: Allweil fidel, fidel, fidel, Traurig fein fann ich nit bei meiner Seel.

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Namentlich unser ungarischer Kupferschmied fonnte dies Lied wunderbar singen: das Deutsch  , die Stimme, es war wirklich groß artig! Welchen Genuß bereitete es mir aber auch, wenn der eble Magyar ,, ansprach". Da hörte man nichts von der alten ab. gebrauchten Phrase ein armer Reisender" usw., sondern Bruder ungarisches sagte immer fernig und so recht gutherzig, daß man ihm gar nichts verweigern konnte: Mutterr, göbn's uns a Stüd Brrrot, mir hom Hungerr."

Zwischen Aarau   und Olten   gesellte sich ein Böhme zu uns. Der Schloffer aus Wohlen   hatte uns jeit ein paar Tagen verlassen. ,, Landsmann böhmisches" war seines Zeichens ,, Tailleur  " und ein eingefleischter Wenzel", der die Anfangsgründe der deutschen Sprache erst auf der Wanderschaft sich angeeignet hatte. Wenn wir uns erlaubten, ihn etwas zu forigieren, oder ihm gutmütig nad helfen wollten, nannte er uns verächtlich ,, piereckigte deutsche Rupp", was uns stets in die unbändigste Seiterfeit versezte. Wir waren nun ein nettes Kleeblatt. Um unseren Wenzel ein wenig zu foppen, erlaubte ich mir einmal die nachstehende Anekdote zu erzählen:

Drei Handwerksburschen, ein Deutscher, ein Ungar und ein Böhm, waren in einer ungarischen Herberge über Nacht geblieben. In ihrer Kammer hing die Taschenuhr des Herbergsvaters. Am anderen Morgen, als sie wieder auf der Landstraße waren, sagte der Deutsche  : Das war eine schöne Uhr, die da in unserem Zimmer hing." Worauf der Ungar meinte hätten mir soll'n steh'n', während der Böhm faltblütig erflärte: Hob ich schon." erflärte: ,, ob

Die Geschichte versetzte den Sohn des Wenzelreiches in eine solche Wut, daß er sein ganzes Legiton von deutschen und tscheschischen Schimpfwörtern austrante und mich gewiß durchgeprügelt hätte, wenn ich ihm an Körperkräften nicht erheblich über" gewesen wäte. Auch der magyarische Kupferschmied war etwas in seiner nationalen Empfindlichkeit getränkt, doch war er ein viel zu guter Kerl, als daß er mir die Geschichte nachgetragen hätte. Unferen Wenzel aber verbroß die Sache so sehr, daß er uns am anderen Morgen erklärte, nicht weiter mit uns walzen zu wollen, welchen Entschluß er auch fofort ausführte.

Es war eigentlich schabe um die verlorene Unterhaltung; mir befamen aber bald besseren Ersatz. Kurz vor Lenzburg   im Kanton Bern  , gesellte sich ein Münchener Bildhauer( Holzschniger) zu uns, ein fideles junges Blut, ein Kerlchen mit föstlichem übersprudelndem Der Junge fam aus Humor, ein echtes Münchener Kindl". Frankreich   herüber, hatte auch sonst ein schönes Endchen von der Welt gefehen und fonnte erzählen mie nicht leicht einer.