!888 beKraut werden tonnte, zeigt, wie wenig Grund dieFortschrittspartei gehabt hat, auf Kaiser Friedrich zu bauen.Das hat sie aber nicht abgehalten, sowohl jeneErlasse als Ausfluß einer liberalen Gesinnung zu verherrlichen,als auch einen ausgesprochenen Kaiser Friedrich-Kullus zutreiben, um den so früh verstorbenen Monarcken zu einempreußischen Josef II. umzudichten. Als Kronprinz hatteKaiser Friedrich 1673 Professor Geffckcn sein Tagebuchzur Leklüre gegeben. Dieser hatte sich daraus ohneBorwissen des Kronprinzen Abschristen gemacht. Nach demTode Kaiser Friedrichs wurden Milte September 1888 Anszügeaus diesem Tagebuch in der„Rundschau" veröffentlicht über dieZeit während des Krieges von Juli 187V bis März 1871. FürstBismarck veranlaßte die strafrechtliche Verfolgung der Veröffent-lichung dieses Tagebuches wegen angeblicher Veröffentlichung vonStaatsgeheimnissen und Nachrichten. deren Geheimhaltung fürdas Wohl des Deutschen Reiches erforderlich sei. Inden alsbald veröffentlichten Antrag an den Kaiser zur Ge-nehmigung der strafrechtlichen Verfolgung bezweifelte FürstBismarck auch die Echtheit des Auszuges- Ein Vergleich mitden im Hausarchiv niedergelegten Tagebüchern ergab aber, daßdie Veröffentlichung mit einem vom Kaiser Friedrich 1372 nieder-geschriebenen Original übereinstimmte. So bilden diese Ver-öffenlichungen einen recht werlhvollen Kommentar zur Zeit»geschichte, die Bismarck's und seiner Freunde Zorn besondersdeshalb erregte, weil durch sie die Legende von den be-sonderen Verdiensten Kaiser Wilhelm's I. und des FürstenBismarck um die Reichsgründung arg beschädigt wurde. In echtbismärckischer Weise hat sich dann der damalige Reichskanzleran dem unvorsichtigen Professor gerächt.—Prozent-Patriotismus. Unsere deutschen Chauvinistensind allesammt Anbeter des goldenen Kalbes und als solchebegrüßen sie lebhaft das neue französische Mi-n i st e r i u m, das für das Ausbeutungsrecht des Geldsackseintreten will. Daß das neue französische Ministerium sichostentativ den Russen, also dem gefährlichsten„Landes-feind" an den Hals geworfen hat, nachdem das vorigeMitlisterium sich von ihnen loszumachen versucht hatte—das hindert unsere Herren Chauvinisten nicht, Herrn Melineihre Sympathien zu schenken.— Der Haß dieserHerren gegen die Arbeiterklasse und gegen einegesunde Fortentwickelung ist größer als ihre Liebezum Vaterland, und ihrer reaktionären Wuth opfernsie leichten und freudigen Herzens die Interessen des Vater-lands.Und„die Moral der Geschichte"?Den Herren Patrioten ist es sehr ernst mit der Reaktionund mit dem Gcldsack, aber das Vaterland ist ihnen„schnuppe".Der Patriotismus ist nur für die„Dummen", die sich mitgoldenen Nixchen und silbernen Neckchen sangen lassen.—Frankreich. Die Kammersitzung des vorigen Donnerstag,über die wir bereits telegraphisch berichteten, hat demMinisterium Meline eine Majorität gegeben. Nachdemeine Wiederholung der am 23. April angenom-menen Tagesordnung mit 279 gegen 251 Stim-men abgelehnt worden war, wurde eine vomMinisterium gebilligte Tagesordnung mit 299 gegen256 Stimmen angenommen. Die Sitzung war theilweisesehr erregt und dramatisch. Goblet und Bourgeois griffendas Ministerium und die Gegner der Revision heftig an,konnten jedoch nicht verhindern, daß die schwankenden Ele-mente sich auf feiten des neuen Ministeriums stellten.Etwa 20 Mitglieder, die acht Tage vorher für Bourgeoisgestimmt hatten, stimmten jetzt für Meline. Trotzdemkonnte die ministerielle Majorität nur mit Hilfe dermonarchistischen Stimmen zusammengebracht werden.Das wird natürlich von den Radikalen ausgebeutet. Dermonarchistische„Gaulois" schreibt dagegen, wie Bourgeoisnur mit Hilfe der Sozialisten, so könne Meline nur mitHilfe der Monarchisten regieren. Die Lage sei also die.daß die Republikaner, wie eine formlose Masse zwischen derMonarchie und der Kommune hin und hergeworfen, ledig-lich eine Regierung von durchschnittlich halbjähriger Dauerbilden können.Ein Telegramm vom Abend des 30. April besagt:Die sozialistischen und radikalen Deputirlen, welche heutegegen das Ministerium Meline stimmten, beschlossen, im Landeeinen regen Feldzug gegen den Senat und zu gunsten des all-gemeinen Stimmrechts zu organisiren und schritten sofort zurBildung eines leitenden Ausschusses, welcher Berathungen undVersammlungen an allen Punkten des Landes veranstalten und einManifest ausarbeiten soll, welches an fämmtliche Gemeindenzum öffentlichen Anschlag vertheilt wird. Der leitende Ausschußwird morgen in der Deputirtenkammer zusammentreten und istwie folgt zusammengesetzt: Vorsitzender ist Bourgeois, Mitgliedersind Doumer, Lockroy, Mesureur, Goblet, PeUetan, Dujardin-Beaumetz, Alphonse Humbert, Ricard(Deputirtcr für CSte-d'or),Jsambert, Codet, Le Hvrissö, Castelin und Denis sowie noch vierSenatoren, welche der demokratischen Linken angehören. Obwohldie sozialistischen Deputirlen der Versammlung beiwohnten, soerklärten sie doch, an dem leitenden Ausschuß nicht theilnehmenzu wollen, sondern gesondert vorzugehen.Nach einem Telegramm vom 1. Mai hat daS von denradikalen Deputirten gewählte leitende Komitee ein Manifestausgearbeitet, in welchem gegen die Regierung protestirtwird, die das allgemeine Stimmrecht dem beschränktenStimmrecht unterzuordnen versuche; das Manifest desagtweiter, nunmehr sei der Kampf zwischen der Partei desWiderstandes und der Partei des Fortschrittes und derReformen eröffnet; die Mitglieder des Parlamentes,welche der Sache des Volkes treu geblieben seien, hätten dieNothwendigkeit eingesehen, sich zu vereinigen, um gegen dieverbündeten Reaktionsbestrebungen zu kämpfen, und siewürden bis zum äußersten das allgemeine Stimmrecht ver-theidigen.Die sozialistischen Deputirten haben sich zwaran der gemeinsamen Sitzung mit den Radikalen betheiligtund sind auch bereit zu gemeinsamem Handeln, sie mußtenaber natürlich aus ihrer Partei-Selbstständigkeit bestehenund haben am 1. Mai einen Aufruf an das Volkerlassen. Derselbe lantet in den Hauptpunkten:„Testern hat der Verrath einiger abtrünniger Deputirtendas Land der Reaktion preisgegeben. Das ganze republikanischeE rankreich wird ebenso die Reaktionäre des Senats wie dieerräther der Kammer brandmarken. Das Ministerium Melinewurde nur durch die Stimmen der Abgeordnete» der Rechtengerettet. Uns kann diese neue Koalition nicht beirren.Nachdem wir alle bisherigen Reaktions- Ministerienbekämpft, stützten wir ein Kabinet, welches dem Volke die Hoffnungdes legalen Fortschritts eröffnete. Wir sind entschloffen, zurfriedlichen Lösung des großen sozialen Problems alles zu ver-suchen und fordern Euch auf, mit uns die Republik und das all-gemeine Stimmrecht zu vertheidigen, die beide bedroht sind.Krieg dem Senat und Schmach über die Verräther Z Hoch diesozialistische Republik!"—Die Kammer hat sich bis zum 23. Mai vertagtund so dem neuen Ministerium eine Galgenfrist von vierWochen geschenkt. Das Interesse konzentrirt sich jetztauf die Wahlen des morgigen TageS, inwelchen alle Parteien all' ihre Kräfte entfalten werden.Vom Ausgang dieser Wahlen hängt die nächste ZukunftFrankreichs ab.Bemerkt sei nur noch, daß die Reaktionäre die Revisions-bewegung durch das Schlagwort:„Neu-Boulangismus" inVerruf zu bringen suchen. Nun, unsere Leser erinnern sichdessen, was unser lZlallus-Korrespondent über die Gründe ge-sagt hat, warum der Boulangismus für einige Zeit eineMacht werden konnte. Die damals von einem Schwindlerim Interesse der reaktionären Parteien mißbrauchten Kräftewerden im Dienste ehrlicher Reform unwiderstehlich sein.—Auf den Schah von Persien wurde am 1. Mai einAttentat verübt. Der Schah erhielt eine Schußwunde,der er alsbald erlegen ist.Es war 2 Uhr nachmittags, als der Mörder, ein Fanatiker,auf den Schah einen Pistolenschuß abgab, der Naßred-din in derHerzgegend traf. Der Schah wurde zu Wagen nach dem Palastgebracht und starb dort um 4 Uhr nachmittags. Der Mörderdes Schah gehört, nach einer Meldung aus Wolff'scher Quelle,zu der bekannten persischen Verbrechervereinigung der Babi,einer religiösen Sekte, welche schon vier Mal ein Attentat ausdas Leben des Schah versucht hat. Der Mörder wurde sofortverhaltet.Zum Nachfolger des Schah wurde der Valiahd Mnsassered-din Mirza proklamirt. Derselbe ist seit 1858 von Rußlandund England als Thronfolger anerkannt worden.— Im Landeherrscht überall Ruhe. Der persische Gesandte theilte dem PariserKorrespondenten der„Franks. Zeitung" mit, daß die Babis eineseit 40 Jahren bestehende Sekte sind, die sich vom Islam los-gelöst und religiöse und politische Ziele verfolgen, namenilich dieVerdrängung der herrschenden Dynastie. Die persische Re-gierung sei seit langem bestrebt, die Sekteauszurotten. Abdul Afim. wo der Schah getödtetwurde, ist ein heiliger Ort. an dem ein Nach-komme des Propheten beerdigt ist. Die Bewohner vonTeheran pflegen dorthin zu wallfahren. Der Schah selbstist. gleich anderen gläubigen Muselmännern, oft dorthin gepilgert.So auch am Freitag, welcher ein heiliger Tag der Muselmännerist. Der Schah lag an diesem Tage den religiösen Zeremonienob, besonders weil der Jahrestag seines Regierungsantritts, der6. Mai, bevorstand. Anläßlich der Pariser Weltausstellungwollte der Schah wieder nach Europa kommen. Er wird ent-weder in Abdul Afim oder in Khum beerdigt werden, wo sichdie Gräber der persischen Könige befinden. Der ThronfolgerMusaffer ed-din Mirza befindet sich gegenwärtig in Taebris. Erist der älteste Sohn des Schah und der europäischen Zivilisationsehr geneigt. Unruhen sind bei der Thronfolge nicht zu erwarten.Den„Times" wird aus Teheran von gestern gemeldet, dortherrsche ziemliche Beunruhigung. Eine Zeit lang hätte es vieleUnzufriedene gegeben wegen der Theuerung der Lebensmittel, welchezum theil durch die übermäßige Ausgabe von Kupfermünzen veranlaßt worden sei.Naßred-din war ein orientalischer Despot mit dünnemeuropäischen Firniß, den er sich aus seinen drei Reisen inEuropa angeeignet hat. Unter seiner Herrschaft machte dieKultur, wenn man von der Einrichtung des Postwesens ab-sieht, fast gar keine Fortschritte. Seine auswärtige Politikschwankte zwischen russischen und englischen Sympathien.Fn wenigen Tagen hätte er sein fünfzigjähriges Regierungs-jnbiläum gefeiert.—* ♦*Deutsches Reich.— Der Bundesrath hat in seiner am 30. April abgehaltenen Plenarsitzung den Gesetzentwurf ivegen Abänderungdes Gesetzes über die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeresvom 3. August 1333, den Entwurf eines Gesetzes, betreffend dieWehrpflicht in den Schutzgebieten, sowie den Gesetzentwurfwegen Abänderung des Gesetzes über die kaiserliche Schutz-truppe für Ostafrika vom 22. März 1891 und des Gesetzes überdie kaiserlichen Schutztruppe» für Südwestafrika und Kamerunvom 9. Juni 1895 den zuständigen Ausschüssen überwiesen. DerVorlage, betreffend die zollamtlich« Prüfung der Mühlenfabrikate,und der Vorlage, betreffend die Auslegung des§ 53 des Kranken-versicherungsgesetzes wurde die Zustimmung ertheilt. Außerdemwurde über eine größere Anzahl von Eingaben Beschluß gesaßt.—— Noch ein erledigtes Reichstags-Mandat.Die„Berl. Corr." meldet: Der Landrath von Holleuffer-Löwen-berg wurde zum Geh. Regierungsrath und vortragende» Rathim Ministerium des Innern ernannt.Herr v. Hollenffer ist mit 5051 konservativen gegen 4486Stimmen der freisinnigen Volkspartei und 73 sozialdemokratischenStimmen gewählt.—— Zur Handhabung des§ 120o der Gewerbe-Ordnung schreibt die„Verl. Corr.":„In einigen Zeitungen wird bei Besprechung der Reichstags-Verhandlungen über die Einführung des M a x i m a l a r b e i t s-tages im Bäckergewerbe dem Handelsminifter Freiherrnv. Berlepsch vorgeworfen, daß sich in seinen Ausführungenfolgender Widerspruch finde: Einerseits sei von ihm die Ansichtvertreten, daß der Bundesrath bei Erlaß der Bestimmungenüber den Betrieb von Bäckereien und Konditoreien zweifel-los innerhalb seiner Zuständigkeit gehandelt habe; andererseitshabe er die Beschränkung der Arbeitszeit der H a n d l u n g s-g e h i l f e n im Wege einer Bnndeeralhs- Verordnung für u»zu-lässig erklärt, vielmehr für diesen Fall ein gesetzgeberisches Vor-gehe» in Aussicht gestellt, obgleich es sich doch sowohl im Bäcker-gewerbe, als auch im Handelsgewerbe um die Beschränkung über-mäßiger, die Gesundheit schädigender Arveitszeiten, also um völliggleichartige Maßregeln handle. Diese Kritik der Ausführungendes Handelsministers beruht auf Unkenntniß der gesetzlichen Be-stimmungen. Die Vorschriften des Bundesralhs über die Arbeitszeitin Bäckereien und Konditoreien gründen sich auf den§ 120 e,Absatz 3, der Gewerbe-Ordnung. der dem Bnndesralh die Befugnißverleiht, für solche Gewerbe, in denen durch übermäßige Dauerder täglichen Arbeitszeit die Gesundheit der Arbeiter gefährdetwird, Dauer, Beginn und Ende der zulässigen täglichen Arbeits-zeit und der zu gewährenden Pausen vorzuschreiben. Dieser§ 120 e findet aber laut Z 154 der Gewerbe- Ordnung aus Ge-Hilfen und Lehrlinge in Handelsgeschäften keine Anwendung.Will man also die Arbeitszeil der Handlungsgehilfen und-Lehr-linge beschränken, so kann dies nicht, wie im Bäckergewerbe,durch Bestimmungen des Bundesraths geschehen, sondern nurim Wege der Gesetzgebung. d. h. mit Zustimmung des Reichs-tages."—— DieReichstagsdebatten beim Marineetat,bei welchen Bebel die mangelhaften Rettungsvor-k e h r u n g e n an Bord der Passagierschiffe beleuchtete, habenauf die größeren Rhedereien doch eingewirkt. Der Bremer„Lloyd" hat sich, wie das„Hamburger Echo" mitlheilt, bereitsveranlaßt gesehen, einen Inspektor auziisteUen, welcherspeziell sein All gen merk auf das Siettungs-wesen zu richten hat. Es sollen nur Matrosen ge-mustert werden, die im Rudern ausgebildet sind. Ingleicher Weise will auch die Hamdurg-Amerika-Linie verfahren.Sie hat den bisherigen Korvettenkapitän Seweloh als Inspektorangestellt und ihm die Verwaltung und Beaufsichtigung desRetiungsmaterials der Dampfer, als Boote, Rettungsgürtel ec.übertragen. Der neue Inspektor hat ans dem Heuerbureau derHamdurg-Amerika-Linie am Steinhöft durch Plakat bekanntgegeben, daß bei der Anmusterung von Matrosen nur solcheLeute angenommen werden, die im Rudern ausgebildet sind undsich eventuell einer Prob« unterziehen. ES scheint danach, daidie sozialdemokratische Kritik doch gefruchtet hat.—Erfurt. Der ehemalige liberale ReichstagS-AbgeordneteW i s s e r wurde wegen angeblicher Verleitung zum Mein-eide verhaftet. Nach der„Saale-Ztg." liegt dieser Ver-Haftung folgendes zu gründe: Am Charsreitag des Jahres 1395mißhandelte Wisser auf der Dorfstraße den Landwirth Oehlermittels eines Stockes und verletzte den Oehler bedenk-lich am Kopfe. Vom Schöffengerichte in Erfurt warWisser wegen Bedrohung mit Begehung eines Verbrechensund Körperverletzung mittels gefährlichen Werkzeuges unterAnnahme mildernder Umstände zu einer Gesammtgeldstrafe inHöhe von 115 M. verurtheilt worden. Wisser machte vom Rechts-mittel der Berufung Gebrauch, aber die Strafkammer des Land-gerichts Erfurt hielt am 2. März d. I. das erstrichterlicheUrtheil im vollen Umfange aufrecht. In dieser Strafprozebsachewaren unter anderem auch zivei frühere KnechteWisser's eidlich vernommen worden. Deren Zeugniß sollwissentlich falsch abgegeben sein, und Wisser wird zur Last gelegt.sie zur Abgabe des falschen Zeugnisses v e r l e i t e t zu haben.Auch die Knechte wurden in Untersuchungshaft genommen.—Karlsruhe i. B.» 1. Mai.(Privatdepesche des„Vorwärts".Der zwölfte sozialdemokratische Stadtverordnete wurde mit700 Stimmen Majorität gewählt.—— Für Südwest-Afrika ist eine Verstärkung derSchutztruppe von 400 Mann angeordnet, die schon Ende Maivon Hamburg abgehen sollen. Das wäre die stärkste Truppeweißer Mannschaften, die bisher nach Südwest-Afrika und über-Haupt nach den Kolonien abgesandt worden ist. Da der Landes«Hauptmann Major Leutwein selbst eine Verstärkung der Schutz«truppe in dieser Höhe erbeten hat. so muß sich die Befürchtung,daß der Aufstand der Khauashottentotten aus die Herrros undWilboois übergreife, bewahrheitet haben. Dann hatDeutschland wieder einmal einen sehr bösartigen Kolonial-krieg, denn der Negerstamm der Herero ist vortrefflichdurch die Zufuhren portugiesischer und englischer Händler mitmodernen Feuerwaffen bewaffnet.—Frankreich.— Finanzminister Cochery kündigte an, daß er eineVorlage, betreffend die Reform der direkten Steuern vorbereite.Belgien.Brüssel, 30. April. In der Kammer theilte der S o z i a l i stM a r v i ll e das neue Grubenunglück infolge einer Wetter-explosiv» in der Liplygrube mit, welches gesternAbend sieben Opfer gefordert hat. Marville forderte eine genau«Untersuchung. Der Minister möge baldigst ein Gesetz betr. dieInspektion der Gruben, realisire». Der Minister legtesofort einen diesbezüglichen Gesetzentwurf auf denTisch des Hauses nieder.—Großbritannien.Die Fortschritte des Sozialismus in Groß-b r i t a n n i e n werden durch die jüngste Ersatzwahl in Nord»Aberdeen(Schottland) ziffernmäßig zur Anschauung gebracht.Bei der Generalwahl im vorigen Jahre brachte der Kandidat derunabhängigen Arbeiterpartei es nur zu 603 Stimmen gegenüberdem liberalenKandidaten mit 4156 Stimmen. Bei der gestrigen Ersatz-wähl bekam der Arbeiterkandidat Tom Mann 2479 Stimmen—was eine vervierfachung der Stimmenzahl bedeutet,während der liberale Kandidat blos 2909 Stimmen auf sich ver-enngte. also bloß mit geringer Majorität siegte. Diese Wahl istdie beste Antwort auf das Geschwafel vom„Rückgang derSozialdemokratie", den die letzte Generalwahl für das britischeReich festgestellt haben sollte.—Amerika.Havannah, 1. Mai. Gomez dringt gegen Villaclaravor; die Aufständischen haben 4 Dörfer verbrannt. GeneralW e y l e r glaubt, daß zwei Jahre zur Unterdrückungdes Aufftandes nöthig sind.—Verfanttttlungen.Die in den Metallknopf-Fabriken beschäftigten Arbeiterwaren am Donnerstag in der„Urania", Wrangelstraße, in statt-licher Anzahl versammelt. Besonders eingeladen waren dieArbeiter der Firmen von Fries, Marold, Buschbeck.Stern und Hübner behufs Aussprache über die Miß-stände in diesen Fabriken. Der Referent, Faber. er-örterte eingehend die Arbeitsverhältnisse dieses Industriezweiges.In keiner Industrie verständen die Unternehmer es so wie inden Knopffabriken, die weibliche Arbeitskraft auszubeuten. Dies-bezügliche Klagen und Beschwerden der Arbeiterinnen mehren sichvon Tag zu Tag. Die in der G-werbenovelle vorgesehenen Schutz-bestimmungen würden von den Fabrikanten meist nicht respektirt.So befinden sich noch immer die schmalen Gänge in unmiltel-barer Nähe der Balanciers, wodurch leicht Unglücksfälleherbeigeführt werden können. Ebenso fehle es anden vorgeschriebenen Schutzvorrichtungen. Redner schildertnun die gesundheitsschädlichen Einflüsse der durchSäuren, Brennen und Löthen und Ausglühe» entstehendenDämpfe und Gase. Einebedauerliche Thatsachesei es, daß von vielenArbeiterinnen noch abends nach Feierabend Arbeit nach Hausemitgenommen werde. Die Klosets, Ankleideräume und Wasch-einrichtungen müsse man als ungenügend bezeichnen. BeiMarold stehen den 30 Arbeiterinnen im oberen Saal einigeEimer zur Benutzung. Auf Beschwerde wurde geantwortet:„Wir sind hier nicht im Augusta-Bad." Hohe Strafgelder, überderen Verbleib niemand im klaren ist, andauernde willkürlicheLohnabzüge, Herabdrückung der Akkorpreise lassen es rathsamerscheinen, einen festen Lohntarif mit diesen Unternehmernzu vereinbaren. Aednlich wie in der Konfektionsbranche habe sichauch hier ein Zwischenmeister-System herausgebildet, welches derAnlaß zu noch größerer Ausbeutung jugendlicher Heim-arbeiter sei. In der Debatte versuchte der Fabrikant Herr Marolddie Behauptungen des Referenten zu entkräften, mußte«8aber stillschweigend über sich ergehen lassen, als«ine ganzeReihe von dort beschäftigt und beschäftigt gewesenenArbeitern diese Angaben bestätigten und noch ergänzten. Einanwesender Buchhalter der Firma Fries versuchte gleich-falls die Einrichtungen im Betriebe seines Chefs als diebesten zu rechtfertigen, stößt jedoch auf den Widerspruchder Versammlung. Nach einer ausgedehnten Debatte über die ein-zelnen Fabrikmißstände sprechen sich die meisten Redner für die9 stündige Arbeitszeit aus. FolgendeResolution wurde einstimmig an-genommen:„Die Versammlung beauftragt die Agitationskommissiondes deutschen Metallarbeiter-Verbandes. mit den KnopssabrikantenRücksprache über die Einführung der neunstündigen Arbeilszeitzu nehmen und in einer nächsten Versammlung Bericht zu er-statten."Depositen und letzte Llstheichken.Stuttgart, 2. Mai.(Privattelegramm des„Vorwärts".)Die Differenzen im Baugewerbe sind beendet. Die Versamm-lungen der Unternehmer und der Arbeiter erklärten sich mit demSchiedsspruch des Einigungsamts einverstanden. Am Montagwird die Arbeit wieder aufgenommen.London, 2. Mai.(W. T. B.) Bei der heute wieder auf-genommene» Verhandlung in Sachen der Auslieferung vonCornelius Herz erklärte der Richler nach Beendigung der beider-seiligen Plädoyers, er könne die Auslieferung von Herz nichtbewilligen. Das bezügliche Ansuchen der französischen Regierungist somit abgewiesen.Verantwortlicher Redakteur: August Jacobey, Berlin. Für den Jnseralentheil veranlworllich: Th. Glocke in Berlin. Druck und Verlag von Wiax Babing in Berlin. Hierzu 4 Beilagen.